Wer ist dieser Kerl? Ich würde fast alles für die Beantwortung dieser Frage tun. Doch dieses Angebot habe ich nicht vor anzunehmen. Selbst, wenn mich die Neugier droht umzubringen.
***
Der Krieger – Wache oder was auch immer er sein mag, langsam frage ich mich, ob dies sein einziges Geheimnis ist, oder was folgt, vielleicht liege ich mit meiner Vermutung richtig und daher verschweigt er mir seinen Namen – lässt sich auf dem Stuhl nieder, der mir gegenübersteht. Sein Lachen verschwindet erst, als auch er von dem Saft trinkt.
Wer bist du?, frage ich stumm, während ich ihn über mein Glas hinweg mustere.
Seine braunen Augen tun es meinen gleich und betrachten mich neugierig. Was wohl durch seinen Kopf geht?, frage ich mich.
Langsam setzt er das Glas ab, behält es aber in seiner Hand, seine Augen nimmt er nicht von mir. „Du willst deine Mutter wirklich sehen?", erkundigt er sich bei mir.
Ich nicke ohne einen Funken des Zweifels. Meine Mutter bedeutet mir sehr viel, daher will ich einfach wissen, wie es ihr geht. Die Ungewissheit ist quälender als der Gedanke, dass es ihr dort mies ergehen könnte.
„Du weißt, dass unser Herrscher sie hassen soll."
Erneut nicke ich und senke betrübt den Kopf. Ich habe es in dieser Nacht von ihr gehört, was sie getan haben soll.
„Es könnte durchaus sein, dass dir der Anblick deiner Mutter noch mehr Kummer bereitet." Ich spüre seinen Blick auf mir, während er das sagt.
Mir ist schon längst klar, wie recht er hat, dennoch schmerzen mich seine Worte. So sehr, dass ich gegen die in mir aufsteigenden Tränen ankämpfen muss.
Ich stelle mein Glas auf den Tisch und sehe ihn an.
Auch wenn ich meine Tränen zurückhalte, ist es mir deutlich anzumerken, wie mir seine Worte zu schaffen machen.
Es scheint ihn zu überraschen.
„Was meinst du, wie quälend es für mich ist, nicht zu wissen, wie es ihr geht?"
Ich sehe ihn eine Weile an, dann senke ich meinen Blick.
Was will er denn von mir? Soll ich jetzt, wo ich die einzige Möglichkeit habe, sie zu sehen, einen Rückzieher machen.
„Das größte Problem wird es sein, dass der Flug nicht gerade kurz ist", kommt es mit einem Seufzen von ihm.
Als sich mein Blick hebt, sehe ich seinen Kopf auf der Tischplatte ruhen. Aus seinen Augen, die auf mir liegen, spricht Besorgnis.
Ich weiß nicht, wieso er besorgt ausschaut, oder wo das Problem an den Flug ist.
„Wenn wir jetzt losfliegen, dann sind wir frühestens morgen Abend wieder hier", spricht er weiter. Immer noch verstehe ich ihn nicht, was er meint. „Also entweder du überlegst dir eine nette und vor allem glaubhafte Ausrede oder du nimmst ein bestimmtes Angebot an."
Jetzt blicke ich ihn nur noch verwirrt an. Etwas worauf er beginnt zu lachen.
„Na ja, unseren Gästen gestatten wir normalerweise keine Familienbesuche", erklärt er mir. „Jedenfalls denen, die in einem ganz bestimmten Bereich der Station untergebracht sind. Wenn du zurückkommst, kannst du denen nicht erzählen, dass du kurz deine Mutter besucht hast."
Ich nicke verstehend.
„Wie wäre es, wenn du einfach hierbliebst?", ruft der Schwarzhaarige. Dabei breitet er seine Arme weit aus und lacht mich an. „Ich würde dir mein Zimmer anbieten."
„Ach, du würdest mir dein Zimmer überlassen?"
Ein Lächeln huscht über meine Lippen. Geschafft hat er es jedenfalls mich von dem, was vor mir liegt, abzulenken. Dennoch denke ich nicht, dass es ein schöner Ausflug wird. Jedenfalls nicht, bis ich weiß, wie es meiner Mutter geht.
„Das heißt, du würdest mit mir einen Zimmertausch machen", füge ich noch hinzu.
Er beginnt zu lachen.
„Das eher weniger."
Ein nettes Lächeln bildet sich auf seinen Lippen, dass sicher manche Frau hätte dahin schmelzen lassen. Selbst ich würde normalerweise trotz des Altersunterschiedes für ihn schwärmen. Er sieht immerhin verdammt gut aus. Doch dieser Augenblick ist nicht normal. Für ihn vielleicht, für mich aber nicht.
„Ich könnte dich in meinem Zimmer aufnehmen."
Auch wenn er gut aussieht und in diesem Moment mal nett zu mir ist, schüttle ich den Kopf.
„Wieso nicht?" Über meine Antwort scheint er echt überrascht. „Ich bin ein toller Mann und es gibt einige Frauen, die das Angebot gerne annehmen würden. Ein kleines Mädchen wie du, sollte sich darüber geschmeichelt fühlen."
Aus seiner Stimme spricht so viel Arroganz, dass es mich sehr überrascht. So etwas hätte nicht von ihm erwartet. Doch sein selbstsicheres Grinsen lässt mich meine Meinung zu ihm noch einmal überdenken.
„Mir mit dir ein Zimmer zu teilen, wäre noch schrecklicher, als das Angebot dieses hier so geachteten Imperators anzunehmen", knalle ich ihm meine Antwort an den Kopf und wende eingeschnappt meinen Blick von ihm ab.
Seine Hand greift zu dem Glas. In einem Zug leert er es. „Komm mit!", ordnet der Schwarzhaarige mir an, als er das Glas auf den Tisch stellt und zum Zimmerausgang geht.
Ich springe vom Stuhl auf, um ihm zu folgen.
***
Von seinem Zimmer aus führt er mich zu einem Fahrstuhl, der uns nach unten in einen Hangar bringt. Mir scheint es ein anderer zu sein als der, in dem ich aufgewacht bin.
Dieser ist niedriger gehalten. Ein anderer Grund, weswegen ich diesen Hangar als einen anderen erkenne, ist die Tatsache, dass die Politaris auf eine Plattform heruntergelassen wurde. Hier gibt es nichts Derartiges.
In diesem Hangar stehen zwei Arten von Schiffen. Kleine, wie Gasard sie repariert hat, aber auch ein paar Größere eher kastenförmig.
„In diesem Raum stehen die Raumschiffe für unsere Rekruten." Er deutet auf eines der kleinen, schlanken Schiffe. „Dann noch unsere kleinen Transporter." Mit einem Nicken deutet er auf eines der anderen Art, auf das er zu läuft.
„Klein?", erkundige ich mich und blicke auf den für mich wie einen Giganten wirkenden Transporter. Als er vor einem dieser Riesen zum Stehen kommt, halte ich staunend inne.
„Hier an Bord gibt es nur fünf kleine Transporter", erklärt er mir. „Die werden benötigt, wenn auf der Station irgendetwas knapp wird, wie Nahrung oder sollten bestimmte Materialien gebraucht werden. Meine Aufgabe ist es diese leckeren Früchte zu holen, sobald sie uns ausgehen." Der Krieger lächelt mich an, als er den letzten Satz sagt. Es scheint ja nicht gerade eine sehr anstrengende und absolut langweilige Arbeit zu sein.
„Die größeren Transporter haben andere Aufgaben. Einer davon beliefert uns mit Raumschiffen. Dafür werden extragroße Bestellungen aufgegeben."
Er läuft weiter und tritt vorne an die Seite des Tranporters. Wie bei seinem Zimmer genügt eine Berührung, eigentlich kann man es kaum so nennen, eher die Andeutung davon, unter der sich an diese Stelle ein Durchgang öffnet.
Neugierig trete ich hinter ihn.
Das Innere wird von einer schweren Düsternis erfüllt, deren bloße Anwesenheit mich frösteln lässt.
Ich trete näher an den Mann heran.
Vom Hangar aus tastet sich ein Lichtschein hinein, auf den sich die Dunkelheit wie ein hungriges Biest stürzt.
Der Krieger setzt einen Schritt voran auf den Eingang zu. Lichter springen an, nachdem er die Schwelle überschreitet, bis der ganze Innenraum von einem dämmrigen Licht erfüllt wird. Die Illusion verfliegt.
Von der Helligkeit kann man es mit der Politaris vergleichen. Ein schwacher Schein streut durch den Raum, bis hin zu den Ecken.
Gespannt betrete ich in das Schiff, doch was ich sehe, das verwirrt mich sehr.
Verglichen mit dem Rest der Maschine wirkt dieser Raum winzig. Etwas mehr als fünf Schritte messe ich zur anderen Seite. Von der hinteren Wand zur vorderen, gelange ich mit vier. Die Höhe wird von mir auf zweieinhalb Meter geschätzt.
Meine Finger betasten unter dem neugierigen Blick des Kriegers die kahlen Wände des leeren Raums.
Mein Blick geht verwundert umher.
„Was hast du erwartet?", fragt er mich mit einem Lächeln auf den Lippen.
„Ich weiß nicht recht", gestehe ich. „Alles was ich nicht erwartet habe ist ein leerer Raum."
„Hat dir deswegen mein Zimmer nicht auch erst missfallen?"
Allerdings, das stimmt. In seinem Zimmer habe ich gesehen, dass es für das Mobiliar eine Unterbringung im Boden gibt. Automatisch wandert mein Blick nach unten, doch hier besteht dieser aus zwei Lagen schmalen Blechen.
Auf einem davon stehe ich, die zweite Lage ist die massive Außenhaut. In einem schmalen Zwischenraum führen Kabel und alles Mögliche entlang, damit die Technik funktioniert. So habe ich es bei dem anderen Schiff gesehen und wird es hier nicht anders sein.
Mit Falttechnik alles verstaut kann ich mir auch nicht vorstellen. Also wo dann?
Ich schaue verwirrt zu ihm.
„Es gibt im hinteren Teil einen Lagerraum", erklärt er mir. „Zwischen dem und dem Cockpit befindet sich noch ein Zwischenraum für unverderblichen Proviant, Wasser, Geschirr sowie Sitzgelegenheiten."
Interessiert lausche ich seiner Erklärung.
„Der Rest ist wie in meinem Zimmer." Er tritt an die vordere Wand. Als er einen bestimmten Teil davon berührt – oder reicht die bloße Geste mit der Hand? –, erscheint ein Bedienfeld rechts in der Luft schwebend.
Neugierig trete ich näher heran.
Es unterscheidet sich kaum von dem in seinem Zimmer.
Seine Fingern wandern auf den Tasten herum. In den Jahren sind seine Bewegungen darauf fließend geworden. Jeder Finger findet blind sein Ziel, um es für den Start vorzubereiten, doch heute geht jede davon einzeln vonstatten, damit mir deren Funktion genau offenbart wird.
Mit Druck auf die erste Taste schließt sich die Tür. Nach einem Weiterem fällt vom vorderen Teil ein Licht auf uns.
Ich wende den Kopf. Wo eben eine düstere Wand war, offenbart sich jetzt ein Abbild der Halle. So klar und realistisch, als klaffe dort ein Loch. Eine Projektion, wie ich erkenne, nachdem meine Finger darin eintauchen und auf der anderen Seite die feste Wand ertasten.
Jetzt verstehe ich, wieso es hier drinnen so düster ist.
Dieser Effekt wird durch Licht hervorgerufen. Eine weitere Quelle davon würde viel zerstören oder sogar schwierig machen, einzelne Elemente zu erkennen.
Er drückt einen weiteren Knopf. Als sich das Schiff plötzlich in die Höhe erhebt, habe ich zuerst ein paar Probleme mein Gleichgewicht zu halten und stolpere einen Schritt zurück.
Das Lachen des Kriegers ertönt, der sich darüber köstlich amüsiert. Ich werfe ihm einen erzürnten Blick zu, dann schaue ich wieder zu der Projektion.
Langsam setzt sich der Transporter in Bewegung und fliegt über die anderen Schiffe hinweg auf eine Wand zu. Vor uns öffnet sich ein riesiges Tor, vom Boden bis kurz unter die Decke. Allerdings nicht sehr viel breiter als das Schiff selbst.
Als der Transporter durch die Tür fliegt, erkenne ich, dass es eine Art Tunnel ist. Doch mehr als ein paar kahle Wände erkenne ich nicht. Alles wird nur vom hereinfallenden Licht des Hangars beleuchtet. Nachdem sich hinter uns die Tür schließt, wird der Transporter ganz von der Dunkelheit verschluckt.
Vollkommen gespannt warte ich darauf, was vor uns passieren wird.
„Weißt du …" Eine Hand legt sich auf meine Schulter. „Früher hat unser Imperator selbst die Früchte geholt." Unglaubend sehe ich zu ihm auf. „Damals war es nur ein Luxus von ihm", erklärt er mir lächelnd. „Otscharsan und Marto fanden es ungerecht, dass sie sich mit diesem Brei begnügen mussten, er dagegen diese Früchte hatte."
Ich lausche seiner Erzählung und schaue wieder nach vorne. Vor mir liegt nicht mehr ein schwarzes Nichts, sondern ein gewaltiges Sternenmeer.
„Also mit den Beiden legt man sich besser nicht an."
Er lacht laut auf, während aus meiner Kehle nur ein einziges Wort dringt: „Wow!"
Voller staunen, betrachte ich mir die vielen Sterne, von dem Planten Dasura ist dagegen nichts zu erkennen. Noch nichts.
Langsam schlägt das Raumschiff eine Rechtskurve ein, und fliegt dann an der Wand der Station entlang, bis es irgendwann nur noch gerade aus geht. Genauso langsam, wie das Raumschiff fliegt, schiebt sich ein sandfarbener Planet in das Feld, der ein Viertel davon ausfüllt.
Staunend betrachte ich mir das Bild.
Das Raumschiff beschleunigt und der Planet verschwindet von der Projektion, als es daran vorbeifliegt. Und dann …
Vor mir liegt jetzt die metallene Wand des Transporters. Die Projektion ist verschwunden, nur noch das Bedienfeld schwebt regungslos in der Luft. Davor steht der Kämpfer, der irgendwas eintippt.
Als er meinen verwunderten Blick sieht, zuckt er mit den Schultern. „Dies ist eigentlich nicht als Vergnügungsausflug für dich gedacht."
„Musst du das Ding nicht fliegen?", erkundige ich mich verwirrt bei ihm. Ich bin enttäuscht, aber noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben.
„Nein", kommt es von ihm. „Das Raumschiff folgt eine vorgegebene Route, da brauche ich nichts zu machen."
„Und wieso gönnst du mir nicht den Blick nach draußen?" Schmollend setzte ich mich auf den Boden. Wieso muss er ausgerechnet, wenn es für mich interessant wird, so gemein zu mir sein? Auf die Erklärung brauche ich nicht lange wartet, und etwas anderes hätte ich auch nicht erwartet.
Er kommt zu mir und hockt sich neben mich.
„Nimm eines der Angebote an, dann gönne ich dir den Blick nach draußen." Ein nettes Lächeln liegt auf seinen Lippen.
„Dann nehme ich gerne das von Kaia an!", kommt es mit einem energischen Nicken von mir. Ich schaue ihn mit einem strahlenden Lächeln an, doch er blickt nur mit einem schockierten Gesichtsausdruck zurück.
„Das kommt nicht infrage!", ruft er. Ein Seufzen dringt von ihm. „Mit der kann man nicht einmal jemanden für einen Tag in ein Zimmer stecken! Dass würde übel enden!"
Wieso kann ich es denn nicht einmal versuchen? Sie ist nett zu mir gewesen.
Das sage ich ihm auch in einem eher schmollenden Ton.
„Meine Liebe, was auch immer Kaia an diesem Tag geritten hat, glaub mir …" Während der Krieger das sagt, steht er auf und geht zu dem Bedienfeld. „Kaia ist ein Biest und kein nettes Mädchen!"
„Und was soll ich den ganzen Flug über tun?", will ich von ihm wissen. Ich bin eingeschnappt über sein Verhalten, was man deutlich aus meiner Stimme hört.
„Also, wenn du älter wärst, würde mir da schon was einfallen, womit wir beide uns die Zeit vertreiben könnten." Dabei zieht sich ein breites Grinsen über sein Gesicht.
„Und was, würdest du dann vorschlagen", will ich von ihm wissen. In meinem Blick liegt Skepsis.
„Na ja, hier gibt es zwei Räume", erklärt er mir. „Hier unten das Cockpit und oben gibt es ein paar Betten. Zwar nicht bequem, aber sie erfüllen ihren Zweck." Ein vielsagendes Zwinkern kommt von ihm. Mich dagegen schüttelt es, als ich verstehe, wie er es meinte.
Mit einem Typen wie ihm, würde ich sicher meine Zeit nicht so verbringen wollen. Vielleicht mit jemand anderem, aber auf keinen Fall mit ihm, nicht mal, wenn er und ich im gleichen Alter wären.
Er zuckt mit den Schultern. „Kinderspielzeug gibt es hier jedenfalls nicht."
„Ich bin kein Kind!", protestiere ich laut.
„Im Moment benimmst du dich wie ein trotziges, kleines Mädchen", schnaubt er auf. „Vielleicht hat Kaia dich deswegen so nett behandelt. Die benimmt sich oft genug genauso kindisch."
Eingeschnappt wende ich meinen Blick von ihm ab.
Wieso ist er immer so fies zu mir?
„Du könntest dir in der Zeit auch einfach etwas Nettes einfallen lassen, dass du erzählst, wenn wir wieder auf der Station sind", schlägt er vor.
„Denen erzähle ich, dass mich einer der Wachen entführt hat und ich mich kaum dagegen wehren konnte", kommt es von mir.
Er hebt die Augenbrauen.
„Als ob ich mich freiwillig dazu gemeldet habe, dich Nervensäge mitzuschleppen." Plötzlich bildet sich ein Lächeln auf seinen Lippen, das mich zuerst irritiert. „Erzähl denen einfach, dass es Gasards schuld war! Der holt öfters mal jemanden zum Austesten seiner Erfindungen. Manchmal sogar über mehrere Tage. Das ist glaubhaft!"
„Jetzt weiß ich trotzdem nicht, was ich hier machen kann?", kommt ein Seufzen von mir.
Er zuckt mit den Schultern.
„Also ich werde trainieren!", erzählt er mir. „Du kannst zuschauen und mich bewundern!"
Am Ende bleibt mir nichts anderes übrig als ihn beim Training zu beobachten. Ich gehe zu einer der Wände und setzte mich dort auf dem Boden.
Seine Finger wandern weiter über das Bedienfeld, bis eine dreidimensionale Projektion in der Mitte des Raumes erscheint. Eine Gestalt, über die er sagt, dass ihm ein richtiger Gegner lieber wäre, aber so etwas auch seinen Zweck erfüllt.
Und wenn ich ehrlich bin, ist das, was ich sehe, auch interessant. Der Kämpfer ist gut im Nahkampf und jetzt verstehe ich auch, wieso er so durchtrainiert ist. Wenn er so öfters trainiert, ist es echt kein Wunder.
Ich sehe dem Training eine Weile zu, bis ich müde werde.
Wie er gesagt hat, sind oben ein paar Betten, und während er unten trainiert, schlafe ich dort bis zur Ankunft.
***
Eine Männerhand fährt sanft durch mein Haar. Ich spüre seinen heißen Atem an meinem Ohr. Ist es Realität oder träume ich? Im ersten Moment weiß ich es nicht zu sagen.
„Wir sind angekommen!", haucht seine Stimme leise in mein Ohr.
Verschlafen öffne ich meine Augen und das Erste was ich erblicke ist das hübsche Gesicht eines Mannes. Ein paar Haarsträhnen fallen ihm wirr ins Gesicht, seine sanftmütigen, braunen Augen mustern mich voller Neugier.
„Wann kann ich meine Mutter sehen?", lautet meine erste Frage an ihn, dabei dringt ein Gähnen aus meiner Kehle.
„Da musst du dich eine Weile gedulden, zuerst will ich auch schlafen", antwortet er mir.
Erneut kommt ein Gähnen von mir.
„Ich habe jemandem angewiesen, sich um dich zu kümmern", sagt er, während ich mich im Bett aufrichte und mich erst einmal recke. „Halte dich bitte daran, was sie sagt."
Ein Nicken kommt von mir.
Als er sich daran macht, wieder nach unten in das Cockpit zu gehen, spring ich auf und folge ihm.
Der kleine Aufzug, der uns nach unten bringt, ist nur eine einfache Plattform, die sich langsam vorwärtsbewegt.
Was mich hier unten erwartet, das hätte ich nicht vorausahnen können.
Sobald wir unten angekommen sind, springt ihm eine blonde Schönheit, kaum älter als ich, um den Hals. Eine weitere im selben Alter steht an der Außenwand des Transporters gelehnt. Das Mädchen schaut lächelnd auf die beiden, doch als der Blick auf mich fällt, wirkt sie überrascht.
„Oh ich hab euch vermisst!", haucht die erste Blondine in sein Ohr.
Die Kleider der Beiden bestehen aus einem hauchdünnen, weißen Stoff, der mit Blumen verziert ist und eng an ihren schlanken Körpern anliegt. Ihr lockiges, langes Haar, reicht beiden weit über die Schultern und sie tragen es offen. Als die eine den Krieger aus der Umarmung freigibt, erkenne ich, dass es Zwillinge sind.
„Ach Larana, ich habe euch beide auch schrecklich vermisst!" Der Kämpfer schenkt ihr ein nett wirkendes Lächeln. Voller Neugier frage ich mich, was die Drei wohl für ein Verhältnis haben.
Das junge Mädchen löst sich von dem Krieger. „Bleibt Ihr diesmal etwas länger?", erkundigt sie sich bei ihm.
Er haucht ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor er den Kopf schüttelt. „Ich soll hier nur etwas abholen."
„Wer ist sie?", will nun die Zweite von ihm wissen. Ihre Schwester, die mich erst jetzt bemerkt hat, schaut verwundert zu mir herüber.
Statt ihr eine Antwort zu geben, läuft der Krieger mit weit ausgebreiteten Armen auf sie zu. „Marata, meine Liebe!", ruft er und umarmt sie.
Larana geht neugierig zu mir und mustert mich ausgiebig. Etwas dass mir ziemlich unangenehm ist.
„Wer ist sie?", erkundigt jetzt auch sie sich bei dem Krieger.
Mein Begleiter ruft das Mädchen zu sich. Sie folgt dem sofort mit einem Lächeln auf den Lippen. „Ich soll auf sie aufpassen!", antwortet er den Beiden. Einen Arm legt er um Maratas Schultern, den anderen um die von Larana. „Schau dich hier ruhig um", ruft der Krieger mir zu, bevor er das Raumschiff verlässt.
Zuerst sehe ich den Dreien eine Zeit verwundert nach. Immer noch stelle ich mir die Frage, in was für einem Verhältnis die Drei zueinander stehen? Ob sie nur Freunde sind, oder ob da mehr ist. Aber das kann ich ihn sicher später fragen.
Eine andere Frage, die mir durch den Kopf geht, ist die, wo wir gelandet sind.
Neugierig verlasse ich den Transporter, doch nachdem ich einen Schritt hinausgetan habe, halte ich staunend inne.
Der Platz, auf dem das Schiff steht, ist von kleinen Bäumen umgeben. Zwei Wege führen zu dem Platz. Der eine zu einem riesigen Tor, der andere zu einer Art Schloss. Ein riesiges Gebäude, das so wirkt, als wäre es von einer altertümlichen Kultur erbaut.
Die Farbe der Wände ist in einem sanften, sandigen Braun. Außerdem sind überall Ornamente und Skulpturen angebracht.
Einfach ein herrlicher Anblick. Nicht nur das Anwesen selbst.
Neugierig gehe ich an dem Transporter entlang. Das Heck steht direkt vor einem Brunnen aus weißem Stein. Die Skulptur darauf gleicht einem Wasser speienden Drachen. Auch der Rand ist mit einem Muster verziert. Auf der Wasseroberfläche schwimmen gelbe Blumen und unter ihren schützenden Blättern kann ich bunte Fische erkennen, wie sie mit ihrer Rückenflosse hin und wieder am Rand entlang streifen.
„Gefällt es euch hier?", ertönt eine Stimme hinter mir.
Als ich mich umdrehe, erkenne ich eine Frau, die um die 40 ist. Ihr langes, blondes Haar hat sie zu einem Zopf gebunden und reicht ihr bis zum Po. Ihre grünen Augen mustern mich interessiert. Auf ihren schmalen Lippen liegt ein Lächeln.
„Es ist beeindruckend", rufe ich. In meiner Stimme klingt meine Begeisterung mit. Wo wir hier wohl sind?, frage ich mich.
„Mein Name lautet Malu! Mir wurde aufgetragen, mich um euch zu kümmern!"
„Ich bin Janine!", stelle ich mich vor. Mein Blick wandert zu dem Schloss. „Wo bin ich hier?"
„Dies ist der Palast unseres Herrschers!"
Überrascht sehe ich sie an.
Meine Mutter hat mir ein bisschen was von dem Palast erzählt, aber nur, dass sie einst hier lebte. Dabei habe ich jedoch bisher eher an einen futuristischen Koloss aus Metall gedacht, nicht aber an so ein schönes Bauwerk, das ausschaut, als wäre es von einer alten Kultur errichtet. Genauso wenig habe ich mir den Palast so schön vorgestellt.
Was der Krieger hier will? Die Früchte wird er sicher nicht von hier bekommen. Oder doch?
„Folgt mir bitte!", ruft Malu zum Aufbruch und reißt mich damit aus meinen Gedanken. Sofort folge ich ihr.
Malu führt mich zum Palast und je näher wir dem Bauwerk kommen, umso mehr muss ich staunen.
Auf dem Weg, den sie mich entlang führt, müssen wir unter einigen hölzernen Bögen hindurch, an denen sich herrliche Blumen entlang ranken. Die Blüten sehen Passionsblumen ähnlich. Sie sind so groß wie meine Hand, ihre Blütenblätter sind richtig farbenfroh und ihr Duft ist so betörend, dass ich kurz innehalte. Langsam nähere ich mich einer der Blüten und nehme den Duft genießerisch auf.
„Bitte folgt mir!", fordert Malu mich auf.
Ein Nicken kommt von mir. Auch wenn ich es schade finde, folge ich ihr weiter zum Palast.
Von den Bögen aus ist es nicht mehr weit, aber wir müssen noch einen etwas größeren Platz überqueren. Außer dem Weg, den wir gekommen sind, führen noch zwei weitere, mit Säulen gesäumte Wege, den Palast entlang.
Wieso der Krieger nicht hier gelandet ist, statt auf dem kleinen Platz?, frage ich mich einen Moment. Größer ist dieser hier ja. Es ist sogar wahrscheinlich, dass es hier so eine Art Parkplatz für Raumschiffe gibt.
Es wird einen Grund haben, weswegen er ausgerechnet dort gelandet ist.
Der Eingang zum Palast ist überdacht. Herrlich verzierte Säulen tragen ein schweres steinernes Dach. Die großen Türen darunter sind genauso eindrucksvoll, und ebenfalls aus Stein.
Als wir näher herantreten, öffnen die beiden schweren Flügel der Tür automatisch nach außen und geben den Blick in das Innere des Palastes frei.
Ein staunender Laut dringt aus meiner Kehle, als ich eintrete.
Das Innere ist genauso prunkvoll und schön, wie sein Äußeres, dennoch fast übertrieben.
Auf dem Boden befindet sich ein herrliches Gemälde, das sich an der Decke widerspiegelt. An den Wänden hängen schöne Wandteppiche und riesige Gemälde. Skulpturen führen zu einer Treppe, dessen Geländer wunderschön verziert ist.
Alles hätte ich mir unter diesem Palast vorgestellt, aber nicht so etwas.
„Die meisten unserer Herrscher sind im Palast aufgewachsen und haben von hier aus regiert", sagt mir Malu.
„Meine Mutter hat früher auch hier gelebt", erzähle ich ihr. „Aber ich weiß nicht viel über diesen Ort." Ich bleibe stehen und lächle sie an. Vielleicht komme ich hier ja zur Beantwortung von ein paar Fragen, geht es mir durch den Kopf. Einen Versuch ist es wert. „Mich würde interessieren, wie euer Herrscher aussieht."
Malu dreht sich zu mir um. Sie lacht über meine Frage. „Mir wurde schon gesagt, dass ihr danach fragen werdet", antwortet sie mir. „Aber ich darf es euch leider nicht verraten." Sie beruhigt sich und schüttelt den Kopf. „Bei den anderen Dienern dieses Palastes hat es keinen Zweck diese Frage zu stellen. Es gibt nur wenige, die wissen, wie er aussieht."
„Davon hab ich gehört, dass er sich kaum anderen zeigen soll", bemerke ich mit einem Schmunzeln. Irgendwann bekomme ich es schon raus, da bin ich mir sicher.
Nur eine Frage habe ich noch.
„Der Herr, mit dem ich hergekommen bin. Könntet Ihr mir wenigstens sagen, wie er heißt?" Gespannt warte ich auf ihre Antwort.
„Bitte stellt mir keine weiteren Fragen!", sagt Malu, worauf ich sie verwundert ansehe. „Mir wurde aufgetragen, euch keine eurer Fragen zu beantworten."
Sie geht langsam weiter.
Ein Seufzen dringt aus meiner Kehle.
Wieso macht er es mir nur so schwer? Vielleicht ja, weil ich recht mit meiner Vermutung habe.
Ich folge Malu wie zuvor.
Sie führt mich in den hinteren Teil des Palastes, im ersten Stock. In einen Gang, in dem einige Türen liegen, die man auch als solche sofort erkennt. Genauso wie unten ist auch hier alles prunkvoll. An den Wänden hängen viele Bilder, meist von schönen Frauen. Skulpturen stehen an den Wänden, genauso herrliche Vasen, die mit bunten Blumen gefüllt sind. An den Türen sind aufwendige Schnitzereien, die Decke ist herrlich verziert. Sogar der Teppich, über den wir gehen, wirkt edel.
Doch dies alles endet nicht einmal mit Betreten des Zimmers, in das mich Malu führt.
Das Zimmer ist so wunderschön eingerichtet, als sei es das Schlafgemach einer Märchenprinzessin.
Edle Vorhänge hängen vor dem Fenster, durch das der warme Sonnenschein hereinfällt, direkt auf ein Himmelbett. Herrliche Vasen stehen im Raum, die mit frisch gepflückten Blumen gefüllt sind.
Ein betörender Duft wird von ihnen ausgeströmt, der mich regelrecht anzieht. Es sind die gleichen Blumen, die mir der Krieger für Akara gab.
„Würdet ihr euch bitte entkleiden." Damit unterbricht Malu erst einmal meine Besichtigungstour. Zuerst sehe ich sie verwirrt an, bis sie weiterspricht. „Ich habe euch ein Bad eingelassen."
Ich folge Malus Aufforderung.
In dem Zimmer gibt es eine weitere Tür, die in ein Bad führt.
Sobald ich die Tür öffne, strömt mir ein Schwall warmer Luft entgegen, der einen lieblichen Duft mit sich trägt. Der Duft wird von der Badewanne zu mir getragen und es riecht nach Blumen.
Herrlich, dazu noch das warme Wasser. Eine richtige Erholung, nach den kalten Duschen, die ich schon genoss.
Es ist fast wie in einem Traum. So schön. Dennoch ist es leider nur ein kurzer, wenn auch schöner Moment, das ist mir bewusst.
Nach dem Bad gehe ich wieder zurück zu Malu.
Auf dem Bett liegt ein gelbes Kleid, das mir die Alte reicht, als ich aus dem Bad trete.
Es ist aus einem weichen und edlen Stoff, der sich schön auf der Haut anfühlt. Etwas ganz anderes, als die Sachen, die ich bisher in der Station tragen musste.
Als Nächstes bittet Malu mich, vor einem Spiegel Platz zu nehmen. Während sie mir etwas über den Palast erzählt, frisiert sie mich.
Am Ende betrachte ich mich staunend im Spiegel. Das gelbe Kleid fällt bis zum Boden, passt mir aber perfekt. Mein Haar wurde von Malu hochgesteckt und es fallen mir nur ein paar Locken ins Gesicht. Goldene Spangen, die die Alte hineingesteckt hat, glitzern im Sonnenlicht.
In dieser Kulisse wirke ich wie eine Prinzessin im Märchen und fühle mich auch fast so. So wie Malu mich behandelt.
Es ist so schön, doch ich darf mich nicht daran gewöhnen. Sonst würde ich eines der Angebote annehmen und das will ich nicht. Aber ich kann mir vorstellen, dass es von dem Krieger arrangiert wurde. Eben damit ich das Angebot annehme.
Zutrauen würde ich es ihm jedenfalls.
Malu tritt hinter mich.
Sie legt mir eine goldene Kette um. Dazu reicht sie mir noch Ohrringe. Es komplettiert das Bild im Spiegel perfekt.
„Ihr seid ein wunderschönes Mädchen!", kommt es von Malu.
Ich fühle mich geschmeichelt von ihren Worten.
„Würde es euch stören, wenn ich mir den Palast anschaue?", erkundige ich mich bei Malu.
„Schaut Euch ruhig um", fordert sie mich lächelnd auf und das lasse ich mir kein zweites Mal sagen.
Alleine begebe ich mich auf Erkundungstour.
Vom Äußeren her wirkte der Palast ja schon riesig, aber das Innere zeigt mir, wie groß er wirklich ist. Ich durchwandere zahllose Gänge steige Treppen hoch und verirre mich fast.
Eigentlich will ich schon zurück, als ich auf eine Treppe ins Erdgeschoss stoße, die mir bisher noch nicht aufgefallen ist. Sie führt in den hinteren Teil des Palastes.
Neugierig trete ich die Stufen hinunter und komme nicht mehr aus dem Staunen heraus.
Am Fuß der Treppe liegt eine riesige Halle, lichtdurchflutet dank des gläsernen Daches und der Wände. Vor mir liegen Beete mit Pflanzen, kleine farbenfrohe Blumen, größere aber selbst Bäume. Einige der Pflanzen haben wunderschöne Blüten, die einen herrlichen Duft verströmen. Solche, wie ich schon in den Vasen des Palastes gesehen habe. Aber auch andere.
Zuerst denke ich, es wäre eine Art Gewächshaus, doch das Zwitschern von Vögeln, sagt mir, dass es einen anderen Zweck dienen muss.
Meine Schritte wandern durch diesen Dschungel. Dabei knirscht der Kies unter meinen Füßen, mit dem der Weg angelegt ist.
Das Nächste was ich höre ist kein Tierlaut, sondern das vergnügte Lachen eines Mädchens.
Als ich aus den Pflanzen heraustrete, erkenne ich auch, was diese Halle ist.
Vor mir liegt eine riesige Wasserfläche. Eine Art Pool umschlossen von den Beeten.
Der Rand, an dem ich entlang laufe, geht flach in das Wasser hinein und fällt an einem Teil steil ab. Auf dem Wasser treiben ein paar kleine Inseln. Die meisten davon sind bepflanzt, doch eine Gemeinsamkeit haben alle. Es gibt Sitzmöglichkeiten darauf.
Auf einer dieser Inseln sitzt ein blondes Mädchen. Ein Beerenbusch streckt ihr seine Äste entgegen, von der sie ein paar der reifen, roten Früchte pflückt. Ein zweites Mädchen schwimmt um die Insel herum.
Es sind Marata und Larana, nur wer von den Mädchen welchen Namen trägt, vermag ich nicht zu benennen. Dafür sehen sich beide viel zu ähnlich.
Ich laufe langsam am Wasser entlang, mein Blick betrachtet die Pflanzen und die Vögel, die über meinem Kopf entlang fliegen.
„Hallo!", kommt eine plötzliche Begrüßung vom Wasser. Ich drehe mich um und sehe in das hübsche, lächelnde Gesicht einer der beiden Zwillinge. Ihr weißes Kleid liegt nass an ihrem Körper und offenbart sehr viel von diesem.
„Hi!", antworte ich nach einer kurzen Zeit, in der ich sie verwirrt gemustert habe.
Das Mädchen vor mir entgegnet diesen prüfenden Blick mit Neugier.
„Gefällt es euch im Palast?", erkundigt sie sich freundlich bei mir.
„Es ist wunderschön hier!", antworte ich und schenke ihr dabei ein Lächeln.
Ihre Schwester steht auf und springt von der Insel aus ins Wasser.
„Wo ist eigentlich der Mann, der mich hierher gebracht hat?", erkundige ich mich bei ihr, während mein Blick auf dem Wasser liegt.
„Ihr meint Mak?", will sie von mir wissen.
Jetzt hat sie meine volle Aufmerksamkeit. Ob er so heißt?, frage ich mich. „Ich kenne seinen Namen leider noch nicht."
„Der Mann, mit dem ihr hierher gekommen seid, heißt Mak!", informiert sie mich.
Ich bin glücklich darüber endlich seinen Namen zu erfahren, dennoch auch enttäuscht, dass er nicht anders lautet. Aber so unwahrscheinlich, wie meine Vermutung war, was für eine Antwort habe ich da erwartet?
„Wo ist er eigentlich im Moment?", erkundige ich mich bei dem Mädchen.
„Unser Herr schläft gerade!", antwortet sie mir knapp, worauf ich sie verwundert anstarre.
„Euer Herr?", frage ich und will im ersten Moment nicht mal verstehen, was sie meint.
„Mak ist unser Herr!", antwortet sie mir. Auf ihren Lippen liegt ein Lächeln, das bei den Worten glücklich wirkt. „Wir gehören ihm!"
Dieser Planet ist ein Sklavenplanet, rufe ich mir in Erinnerung. Dass er diese Bezeichnung nicht ohne Grund trägt, sollte mir klar sein. Nur das Mak auch so ein Typ ist, schockiert mich. Für so jemanden habe ich ihn nicht gehalten.
Noch mehr verirrt mich die Haltung des Mädchens. Dass sie darüber glücklich scheint.
„Larana!", kommt es im strengen Ton vom Wasser. Ihre Schwester ist zu uns gekommen, ihr Blick liegt auf dem sichtlich zusammenzuckenden Mädchen vor mir. „Hat Malu nicht gesagt, du sollst unsere Gäste nicht belästigen!"
Obgleich beide Zwillinge sind, scheint Larana lebensfroh und voller Energie, Marata dagegen wirkt eher ernst.
Der Blick des Mädchens vor mir wandert schmollend zum Boden.
Ich dagegen wende mich Marata zu.
„Sie hat mich nicht belästigt!", kläre ich auf, da Larana sich scheinbar nicht traut. „Wir haben uns nur kurz unterhalten."
Larana beginnt zu lachen. Sie springt auf ihre Schwester zu. „Siehst du! Ich bin ganz nett zu unseren Gästen!" Sie wirft sich ihrer Schwester um den Hals.
Schmunzelnd betrachte ich die Beiden, bis mein Blick auf Laranas Rücken fällt.
Der Stoff des Kleides klebt nass an ihrem Körper. Schon vorher hat dieses dünne Kleid nur wenig verdeckt, jetzt sind viele Stellen davon durchsichtig und offenbaren mir einen schrecklichen Anblick.
Das junge Mädchen ist gezeichnet mit Narben, die sich nicht nur über ihren Rücken ziehen. Auch auf ihren Schultern, Armen und Beinen befinden sich Narben. Es sieht aus, als wäre sie ausgepeitscht worden.
Ob das von dem Krieger ist?, frage ich mich. Eigentlich scheint er mir irgendwo ja ein netter Typ, nur dass ihm zwei Mädchen gehören, habe ich bisher auch nicht gedacht.
Noch dazu scheint Larana über die Tatsache glücklich.
Als das Mädchen meinen schockierten Gesichtsausdruck sieht, wirkt sie erst verwundert, dann versteht sie.
„Das ist ein Andenken an unseren früheren Herren!" Ein mehr gequält wirkendes Lächeln huscht über ihre Lippen. „Aus diesem Grund hat Mak uns ihm abgekauft."
Scheinbar ist er doch netter, als ich vermutet habe.
„Wollt Ihr irgendwo hin?", erkundigt sich Marata bei mir. „Der Palast ist sehr groß, ein paar unserer Gäste haben sich hier schon verlaufen. Wenn Ihr wollt, können wir Euch begleiten."
Ich schüttele den Kopf. „Nein, ich schau mir nur den Palast an", antworte ich lächelnd. „Aber wenn ich Hilfe brauche, wende ich mich an euch."
„Der Garten ist sehr schön!", wirft Larana ein. Als ich sie neugierig ansehe, erklärt sie mir den Weg. Während ich mich auf in Richtung Garten mache, verschwinden die Zwillinge wieder im Wasser.
***
Es ist, wie Larana gesagt hat. Der Garten, der hinter der Halle liegt, ist einfach traumhaft.
Ein leichter Wind weht durch mein Haar und unter mein Kleid. Die warmen Strahlen, der hoch am Firmament stehenden Sonne, wärmen meine Haut. Die Luft ist erfüllt vom Duft der vielen Blumen und die Vögel singen ihr Lied.
Ich stehe direkt vor einer riesigen Blumenwiese. Ein schmaler Kiesweg führt vom Eingang der Halle zu einer Art weißem Pavillon, um den herum ein paar Blumenbeete angelegt sind.
Von diesem Pavillon aus gehen drei Wege ab. Einer führt um den Palast herum, dann der Weg, den ich gekommen bin, der letzte führt einen Hügel hinauf.
Dem Weg den Hügel hinauf folge ich. Nicht aus Neugier, sondern weil dort jemand mit seiner Schulter an einem Baum gelehnt steht. Sein Rücken ist mir zugewandt. Seine Uniform ist rabenschwarz, genauso wie sein Haar.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass es Mak ist, und als ich mich genähert habe, erkenne ich ihn auch. Er scheint damit beschäftigt die andere Seite des Hügels zu betrachten. So sehr, dass er mich gar nicht bemerkt.
„Hallo!", spreche ich ihn an. Erst jetzt habe ich seine Aufmerksamkeit. „Mir wurde gesagt, du schläfst."
„Würde ich ja gerne, nur mir gönnt nie jemand etwas!", kommt es mit einem Gähnen von ihm. Er stößt sich vom Baum ab und sieht zu mir. „Immer will irgendjemand etwas von mir!"
„Diesmal hab ich aber nicht an dem Armreif herumgespielt", scherze ich.
Mak lacht auf. „Ja, diesmal warst du brav!" Er lehnt sich wieder an den Baum, sein Blick liegt musternd auf mir. „Ich habe nicht gedacht, dass das Kleid so gut an dir aussieht, als Malu gefragt hat, ob sie es dir geben darf." Ein Lächeln liegt auf seinen Lippen.
Ich bin überrascht. Nicht nur wegen des Kompliments von ihm, sondern auch weil es anscheinend doch nicht seine Idee war.
„Danke!", kommt es lächelnd von mir.
„Es sieht sogar wunderschön an dir aus", schmeichelt er mir noch mehr. Jetzt sehe ich ihn total verwirrt an.
Mak stößt sich von dem Baum ab, mit langsamem Schritt läuft er hinter mich. Mein Blick liegt fragend in der Richtung des Baumes, als zwei starke Männerhände meine Taille umfassen.
Seine Lippen senken sich an mein Ohr. „Du bist wunderschön!", haucht er hinein. Mit seinen Armen, die um meinen Körper wandern, zieht er mich nah an sich. Als ich seinen muskulösen Körper spüre, erröte ich leicht. Ich kann nicht glauben, dass dies real ist, dass er das wirklich macht. Mak ist doch sonst immer so fies zu mir, sogar hin und wieder ein richtiger Idiot.
Dennoch wandert seine rechte Hand von meiner Taille zu meiner Wange. Sanft streichelt er mich.
Es kann kein Traum sein, doch weder kann ich es verstehen noch unterbinden. Ich lasse es einfach geschehen.
Sanft fährt er über meinen Hals. Ein wohliges Kribbeln durchfährt meinen Körper, noch stärker wird es, als er seine Lippen auf meinen Hals legt und ihn küsst.
Er ist oft ein Ekel zu mir, rufe ich mir in Erinnerung. Außerdem ist er um so vieles älter als ich. Trotzdem, ein toller Mann ist er, das muss ich mir eingestehen.
Ein weiterer Kuss. Wieder durchfährt mich ein Kribbeln und ich muss gestehen, dass ich es genieße.
Plötzlich spüre ich, wie er mich zu sich herumdreht und meinen Körper nah an seien zieht. Seine Lippen nähern sich langsam meinen und ich schließe die Augen. Gott, ich sehne es ja schon fast herbei.
Doch bevor sich unsere Lippen begegnen, hält er kurz inne.
„Du bist wunderschön, Kleines!"
Ich reiße meine Augen auf. In meinem Inneren schreit alles: Nein! Er spielt nur mit dir!
Mein Zeigefinger legt sich auf seine Lippen und er hält erneut inne. Verwundert sieht er mich an.
„Was ist los?", will er von mir wissen.
Auf meinen Lippen liegt ein Lächeln. „Janine!", sage ich. „Mein Name ist Janine!"
Seine Antwort darauf ist ein Schulterzucken.
„Wozu?", will Mak von mir wissen. Er schnaubt genervt auf. „Wen interessiert der? Du kennst doch meinen auch nicht!"
Auch wenn ich vor einer Minute noch von ihm angetan war und seine Küsse genoss, jetzt sehe ich ihn nur noch zornig an und winde mich aus seinen Armen.
„Irrtum, ich kenne deinen Namen!", kommt es voller Zorn von mir.
„Wie?", will er mit verwundertem Blick wissen.
„Die Zwillinge!", antworte ich nur.
„Die Beiden habe ich allerdings nicht bedacht", kommt ein Seufzen von ihm. Sein Blick wandert wieder den Abhang hinunter. „Statt gleich so rumzuzicken, sei doch froh darüber, dass dir jemand so gutaussehendes wie ich Komplimente macht!" Während er das sagt, schwingt in seiner Stimme sehr viel Arroganz mit. Für mich sogar ungewöhnlich viel. „Weißt du was manche Frau dafür geben würde, damit ich nett zu ihr bin?" Das Wort Frau betont er dabei stark. Es ist mir ja schon eine Weile klar, dass er so etwas nicht in mir sieht. Für ihn bin ich nur ein kleines, unbedeutendes Mädchen.
Ich lehne mich mit dem Rücken an den Baum, sodass ich den Hang hinunter schaue.
Hinter dem Hügel liegt ein, von einer Mauer umschlossener, riesiger Hain, in dem mir unbekannte Bäume stehen. Viele Männer und Frauen laufen darin herum, sammeln eifrig die Früchte, die in den Kronen hängen auf und bringen sie zu riesigen Containern.
Mak senkt seine Lippen an mein Ohr. „Unser Herrscher bevorzugt per Hand gepflügte Früchte, auch wenn die Technik es erlaubt, dass die Arbeit schneller erledigt wird", haucht er mir zu. Ein breites Grinsen zieht sich über sein Gesicht, das deutlich zeigt, wie sehr ihn der Anblick amüsiert. Obwohl ich nicht verstehe, was daran lustig sein soll, dass sich die armen Leute so abmühen.
„Komm mit!", fordert Mak mich auf und geht los, den Hang hinunter. „Ich schaue kurz, wie die dort unten klarkommen, dann bring ich dich zu deiner Mutter."
Ich folge ihm.
Hier werden die Früchte gesammelt, von denen ich auch schon kosten konnte und er zur Station bringen soll. Das ist mir aber auch schon auf dem Hügel klar geworden.
Als wir an dem Eingangstor ankommen, weist Mak mir an ruhig zu sein. Seine Schritte werden langsamer.
Vor uns stehen zwei Männer.
Der eine davon scheint um die 60. Sein Haar ist ergraut, genauso wie sein voller Bart. Aus grauen Augen schaut er sein jüngeres Gegenüber an. Der Junge scheint noch nicht mal zwanzig, sein kurzes Haar ist braun, die Augen ebenfalls. Alles in allem ein richtig süßer Typ. Auf der Erde würde ich so jemanden direkt um ein Date bitten.
„Jert, wenn du mal mitarbeiten würdest, statt dich nur zu beschweren, würde es auch schneller gehen", knurrt der Alte den Jüngeren an.
Der Jüngere lacht auf. „Wie willst du das anstellen, Schoscha!", will Jert von seinem Gegenüber wissen. „Dieser Bastard hat seinen Transporter diesmal mitten auf dem Platz beim Brunnen vor dem Palast gelandet! Kannst du mir mal verraten, wie wir das schaffen sollen, dort nichts zu beschädigen?" Abwartend sieht er auf den Alten. „Die Maschinen sind dafür viel zu breit, oder sollen wir dorthin alles tragen und jede Frucht einzeln in den Laderaum legen?"
„Nur mit der Ruhe, das klappt schon!", ruft der Alte optimistisch.
Der Junge wirft seinem Gegenüber die Früchte vor die Füße. „Hast du dir das eigentlich schon mal angeschaut?", geht er ihn an.
„Habt ihr vor die auch mit in die Kisten zu werfen?", verlangt Mak von den Beiden zu erfahren. Dabei blickt er auf die am Boden liegenden Früchte, die aufgebrochen sind. „Unser Herrscher mag so zermatschtes Essen ganz und gar nicht!"
Die beiden Männer wenden sich leicht erschrocken zu ihm. Während der Alte sich vor dem Krieger ehrfürchtig verneigt, schaut der Junge Mak nur voller Verachtung an.
„Also hätte mich jemand nett darum gebeten, dann hätte ich den Transporter woanders hingestellt", sagt Mak, wird aber von Jert unterbrochen.
„Ja, wahrscheinlich aufs Dach!", schnaubt er leise auf und zeigt damit deutlich, wie wenig er von Maks gutem Willen hält. Sofort bekommt er einen leichten mehr als Rüge gedachten Schlag von Schoscha auf dem Hinterkopf.
„Wenn mich so ein mickriger Sklave wie du als Bastard betitelt …" Mak sieht dabei regelrecht auf den Jüngeren herab. „… dann werde ich euch garantiert keinen Gefallen tun!"
„Wieso das Ganze?", verlangt Jert von Mak zu erfahren. „Wenn du ein Problem mit mir hast, brauchst du doch nicht die Anderen dafür bestrafen!"
„Einmannarbeit hätte unserem Herrscher zu lange gedauert!" Mak zuckt ungerührt mit den Schultern.
„Und wieso hört der ausgerechnet auf einen Kämpfer?", verlangt der Jüngere zu erfahren.
Maks Blick lässt mich etwas schmunzeln. Er blickt bei der Antwort ganz unschuldig drein. „Ich bin das gar nicht gewesen, sondern die böse Kaia." Er schaut in das verwirrt aussehende Gesicht seines Gegenübers und lacht laut auf. „Ich hab der lediglich den Vorschlag unterbreitet. Als sie allerdings deinen Namen hörte, war sie hellauf begeistert."
„Verdammtes Miststück!", knurrt Jert kaum hörbar, aber dennoch laut genug.
„Tja, die hat es nun mal nicht gerne, wenn man ihr in aller Öffentlichkeit einen Korb gibt", ruft Mak lachend. „Besonders von jemandem wie dir."
Er hält eine Frau an, die gerade mit einem Korb voll Früchte vorbeiläuft. Mak nimmt sich zwei Früchte heraus, von denen er mir eine anbietet. Ein Angebot, das ich nicht ausschlage.
Er beißt in seine Frucht und spricht dann mit vollem Mund weiter.
„Also, wenn du nicht ruhig bist, dann schlage ich vor, dass sie unseren Herrscher darum bittet, noch ein paar männliche Sklaven für sich auf die Station zu holen. Ich glaube, da würde sie gerne auf dich zurückgreifen."
Wann habe ich jemals geglaubt, dass er ein netter Typ sei?, frage ich mich. Ich trete zurück. So wie Jert aussieht, endet das noch ziemlich schlimm. Nur die Frage ist für wen von beiden.
„Sei ruhig du dummer Junge!", befielt Schoscha, der scheinbar das Gleiche vermutet wie ich. „Willst du uns allen noch mehr Ärger bereiten, als du es schon getan hast?" Er wendet sich an Mak. „Bitte werter Herr, ignoriert ihn einfach."
„Also das mit dem persönlichen Sklaven für Kaia finde ich eigentlich eine nette Idee", bemerkt Mak. Die Augen des Jüngeren verschmälern sich und blicken den Krieger voller Zorn an. Seine Hände ballt er zu Fäusten. Sie zittern regelrecht vor Aufregung. „Was meinst du dazu?" Erneut nimmt Mak einen Bissen von der Frucht.
Das ist für den Jüngeren zu viel. Seine Faust versucht das Gesicht des Kriegers zu treffen, verfehlt dieses aber knapp, da sein Gegner dem Schlag gekonnt ausweicht.
Jert versucht es erneut, doch wieder weicht Mak dem Angriff gekonnt aus. Er setzt allem sogar noch die Krone auf, indem er die Frucht in seinen Händen auf dem Kopf des Gegners kaputt schlägt.
Teile davon fallen auf den Boden. Über Jerts Gesicht fließt Fruchtsaft. Er stoppt den Angriff vorerst.
„Manche Frauen schwören auf so eine Behandlung der Haare", höhnt Mak und lacht dabei.
Jert fährt sich mit seiner Hand durch die Haare, um die restlichen Stücke der Frucht herunterzuwerfen. Seine Augen liegen dabei voller Hass auf dem Krieger.
Es dauert nicht lange, bis seine Fäuste erneut versuchen das Gesicht des Anderen zu treffen. Wieder scheitert er an Maks Reflexen.
Doch nach einer Weile lässt er den Jüngeren nicht mehr dazu kommen nach ihm zu schlagen.
Ich habe ja schon im Transporter gesehen, was Mak kann, jetzt bekomme ich einen weiteren kleinen Einblick davon.
Maks Schläge, die den Jüngeren treffen, sind gezielt und wirkungsvoll. Es genügen nur ein paar und sein Gegenüber geht keuchend zu Boden.
„Verdammter Bastard!", keift der Jüngere und versucht sich aufzurichten, scheitert aber.
„Wie willst du Wicht jemanden wie mich im Zweikampf schlagen?", lacht Mak auf und schaut von oben herab auf ihn herunter.
Jert versucht erneut sich aufzurichten. Sofort hockt sich Schoscha zu ihm herunter.
„Lass es gut sein Junge!", sagt der Alte ruhig. „Jemand wie du, wird niemals gegen einen Krieger siegen."
„Du kannst dein Glück ja mal versuchen, wenn ich ein alter Greis bin", ruft Mak. Er läuft langsam davon. Leise murmelt er noch: „Sollte das jemals passieren."
Ich verstehe zwar nicht wie er das meint aber im Moment denke ich eh nicht groß daran. Ich freue mich nur darauf, meine Mutter bald wieder zu sehen.
Einen letzten mitleidigen Blick werfe ich den beiden Männern zu, dann folge ich Mak.
***
„Ach, das ist schön!" Mak seufzt, als wir weiter hinter in den Garten laufen. Er reckt sich, während mein Blick fragend auf ihm liegt. „Ich mag solch kurze Kämpfe", sagt er und lacht dabei auf. „Da wird man gleich richtig munter!"
„Wie kommt das hier eigentlich?", erkundige ich mich bei ihm und deute auf die ganzen Leute, die herumlaufen.
Dass irgendetwas zwischen Jert und ihm passiert ist, habe ich dem etwas hitzigen Gespräch ja entnommen. Nur was ist mir noch unklar.
„Vor ein paar Wochen noch durften die Maschinen für die Arbeit genutzt werden und ich hab den Transporter immer auf dem richtigen Platz abgestellt", erklärt er mir. „Jetzt mach ich es nicht mehr, in der Hoffnung, dass seine Kameraden ihm auf ihre Art für die Arbeit danken."
„Und was hat er nun so Schlimmes gemacht?", hake ich nach.
„Der Junge ist mutig und ziemlich direkt!", antwortet mir Mak. „Eigentlich finde ich so was beeindruckend in seiner Lage. Wenn er nur nicht die Angewohnheit hätte, so verdammt laut und beleidigend zu werden."
Ich kann mir vorstellen, das Jert einmal Mak beleidigt hat und er daher so scharf darauf ist, ihm Ärger zu bereiten. Ich muss darüber schmunzeln.
„Aber Selbstvertauen hat er wirklich!", zwinkert Mak mir zu. Als er meinen neugierigen Gesichtsausdruck sieht, spricht er weiter. „Ich hab Kaia vor einiger Zeit mal wieder zum Palast mitgenommen. Der Junge hat ihr Gefallen und sie hat ihm das auch sehr, sehr deutlich gemacht. Seine Reaktion darauf war, sie konsequent zu ignorieren." Mak beginnt lauthals zu lachen. „Ihr Gesichtsausdruck darauf war einfach herrlich." Er beruhigt sich wieder. „Ich weiß nicht, ob dem Jungen überhaupt klar gewesen ist, wer vor ihm stand. Wenn doch, dann ist er entweder wahnsinnig oder einfach nur verdammt mutig!"
An einem der Bäume bleibt Mak stehen und setzt sich. Ich lehne mich neben ihn an den Stamm.
„Übrigens, Mädchen …!"
„Janine!", korrigiere ich ihn.
„Süße!" Er zwinkert mir zu.
Ich lasse nur ein Seufzen von mir kommen. Was nützt es zu protestieren, wenn er es eh ignoriert?
Mak greift zu einer Frucht, die auf dem Boden liegt. „Deinem Freund geht es besser", spricht er weiter. Ich nehme mir ebenfalls eine Frucht vom Boden und höre ihm weiter zu. „Er muss in der Todeszone sehr herumgetobt haben, weil er sich um dich sorgt." Mak betrachtet sich die Frucht ausgiebig und wendet sie in seinen Händen, bevor er hinein beißt. „Schade nur, dass er in ein paar Tagen zu nichts mehr zu gebrauchen ist."
Mein Blick wandert fragend zu Mak, aber er braucht es nicht einmal anzusprechen, es ist mir auch so klar, wie er es meint.
„Wenn der so weitermacht, dann ist er bald nicht mehr in der Lage dir zu helfen", spricht Mak weiter. „Der Kerl soll, seit er hierher gekommen ist, nichts von dem Essen angerührt haben."
Ich nicke ihm bestätigend zu. Mir ist es ja schon aufgefallen, dass er sich weigert, etwas zu essen. Allerdings kann ich es verstehen, so mies, wie das Zeug schmecken soll.
„Da habe ich mir gedacht, du hilfst mir bei diesem Problem." Mak beißt in die Frucht. Wie er das meint?, frage ich mich. „Ein verhungerter Zeitstürmer nützt uns wenig, also müssen wir ihn zum Essen bewegen." Über Maks Gesicht zieht sich ein Grinsen.
„Und was hast du vor?", erkundige ich mich misstrauisch. Irgendwas plant dieser Kerl, das ist mir klar!
„Das erfährst du, wenn es soweit ist!", antwortet er mir nur. „Und vielleicht gefällt es dir ja."
Ich weiß nicht, was er meint, aber eins ist mir auch bewusst. Eine Antwort bekomme ich von ihm ganz sicher nicht! Stattdessen wende ich eingeschnappt meinen Kopf von ihm ab.
„Mal sehen!", kommt es von mir.
Wir bleiben noch eine Weile im Garten und essen ein paar der Früchte.
Ich bin es, die beginnt zu sprechen.
„Wann bringst du mich zu meiner Mutter?" Mein Blick liegt bei der Frage traurig auf dem Boden. Ich will es nicht, aber in mir kriechen die schlimmsten Gedanken hoch, was mit ihr dort passieren könnte.
„Wir können gleich los!" Er lächelt mich an. „Aber vorher gehen wir auf den Markt. Ich soll dir Kleidung kaufen, damit ich nicht immer etwas bei Akara ausleihen muss."
Damit bläst er zum Aufbruch.
***
Hier hat also einst meine Mutter gelebt.
In diesem wunderschönen Palast.
Aber ich habe ja keine Ahnung, was damals alles passiert ist. Wie es ihr hier erging. Ich weiß kaum etwas über die Vergangenheit meiner Mutter.
Eines der Dinge, die ich sie unbedingt fragen möchte.
Doch auch weiß ich, dass die Zeit für meine ganzen Fragen wahrscheinlich viel zu kurz sein wird.