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Chapter 11 - Folge 11 - Nur eine kleine Spionin

Wieso bin ich an diesem Tag nur aufgestanden?

Für diese Gorillas, denen ich gegenüberstehe, scheine ich nur ein billiges Spielzeug zu sein. Und niemand tut etwas dagegen. Weder die Wachen, die noch nicht einmal danach aussehen, als interessiert es sie, noch Musator, der seine Position nicht verlieren will.

Ich habe keine Ahnung, wie ich aus dieser Situation herauskommen soll und je länger ich in der Nähe dieser Kerle bin, umso weniger glaube ich, dass Mak mich retten kommt.

Ich habe so Angst vor dem, was noch folgen wird.

 ***

Ein starker Schmerz schießt in meine Wange, als ich von der flachen Hand getroffen werde. Heiße Tränen steigen mir in die Augen, die ich nun nicht mehr zurückhalten kann. Langsam fließen sie über meine Wange und tropfen auf den Boden.

Der Mann vor mir ist gezeichnet von einer deutlichen Narbe und einer geröteten Wange, dank meiner Ohrfeige. Sein Blick, der auf mir liegt, wirkt befriedigt über meine Tränen; die beiden Männer, die mich in die Luft gehievt haben, dagegen lachen amüsiert.

Links von mir steht der Bruder des Narbengesichtes, rechts ein Mann, der weder gut aussieht, noch schlecht. Der vierte Gefangene, dem ich den Tritt verpasst habe, ist immer noch unfähig aufzustehen.

Mein Blick liegt voller Panik auf dem Mann vor mir, mein Herz schlägt wie wild. Nicht nur vor weiteren Schlägen habe ich Angst, viel mehr davor, was sie wohl noch mit mir anstellen werden, wenn ich aufhöre, mich zu wehren.

Aus dem Augenwinkel erkenne ich, wie sich Moriphos aufrichtet. Wut steht in seinem Blick.

„Lasst eure dreckigen Pfoten von ihr", knurrt er die Kerle an. Er will dazwischen gehen, doch ein paar der Gefangene halten ihn zurück.

Der Mann, der vor mir steht, lacht kurz amüsiert auf. „Hast du es immer noch nicht gemerkt?", ruft er dem Zeitstürmer zu. Ein breites Grinsen, das deutlich zeigt, wie sehr es ihn amüsiert, zieht sich dabei über sein Gesicht. „Die Süße hat sich sicher nur mit dir abgegeben, um an Informationen zu kommen." Während der Mann vor mir nur über den anderen lacht, schaut Moriphos unglaubend zu mir, regelrecht darum bettelnd, dass ich sage, es stimmt nicht. „Sie ist doch nur eine kleine, nutzlose Spionin."

„Nein!", rufe ich, auch wenn es mir eh keiner glaubt. „Ich bin keine Spionin!"

Der Mann vor mir sieht mich jetzt direkt an. Unter seinem Blick muss ich instinktiv zusammenzucken. Ich wende meinen Blick von ihm ab, doch er packt mein Kinn und zwingt mich ihn anzusehen.

„Denkst du, das glaubt dir irgendjemand?", lautet seine Frage. Aus seinem Blick spricht Unglauben und Verachtung mir gegenüber. „Und jetzt sei schön brav!"

Doch das ist das Letzte, was ich vorhabe. Ich hole mit meinem Fuß aus und versuche ihn zu treffen. Es misslingt mir leider. Er wehrt meinen Tritt ab und antwortet direkt auf meine Aktion.

Seine Faust trifft mich mit voller Wucht in den Bauch. Ich stöhne auf, mein Körper erschlafft. Erst jetzt lassen mich die Männer fallen.

Ich kann nicht stehen, dafür reicht meine Kraft nicht, sondern lande nur unsanft auf dem harten Boden, wo ich, mich krümmend vor Schmerzen, liegen bleibe.

Doch das ist nicht das Schlimmste, was passieren kann.

Der Mann, dem ich den Tritt verpasste, hat sich wieder erholt. Meine Augen weiten sich vor Angst, als mein Blick über seine zorniges Gesicht streift, das mir den Tod wünscht.

Ich presse meine Hand auf die schmerzende Stelle meines Bauches, dann versuche ich davon zu kriechen. Doch weit komme ich nicht. Ein Tritt in die Rippen stoppt mich.

Mit einem Schmerzensschrei drehe ich mich auf die Seite, wo mich noch ein Tritt erwartet.

Ich schreie vor Schmerz auf. Tränen kullern über meine Wangen. Je länger es dauert, umso mehr schwindet meine Hoffnung auf Rettung. Mak muss doch längst mitbekommen haben, was los ist.

Einer der Vier hockt sich zu mir. Der, dem ich die Ohrfeige gegeben habe.

„Weswegen bist du eigentlich hier?", verlangt er von mir zu erfahren. „Wen sollst du ausspionieren? Diesen Idioten, bei dem du immer herumhängst oder jemand anderen?"

„Niemanden!", presse ich unter Schmerzen hervor, auch wenn sie es mir eh nicht glauben.

„Lüg uns nicht an!", brüllt der Mann voller Zorn über meine Worte. Er holt weit aus, bevor seine Faust auf mich zu rast. Ein heftiger Schlag trifft mich im Gesicht, direkt auf der Nase.

Ich schreie auf und rolle mich auf den Rücken. Meine Hand presse ich auf meine Nase. Ich merke, wie Blut meine Finger entlang läuft.

„Wir werden dir zeigen, was es heißt uns anzulügen!", brüllt einer der Männer.

Ihre Tritte treffen mich in der Seite. Trotz meiner Versuche sie mit meinen Händen abzuwehren. Ich schreie auf, will nur noch, dass alles ein Ende hat, das sie dem ein Ende setzen. Doch mein stummes Flehen wird nicht erhört.

Zwar stoppen sie ihre Tritte, doch das ist es, was mir Sorgen bereitet. Sie sehen auf mich herunter, wie ich regungslos und wimmernd vor ihren Füßen liege, und es scheint sie zu amüsieren.

Der Gefangene, der als erstes zu mir kam, hat sie gestoppt. Jetzt steht er über mir, seine Hand fährt unter mein Hemd. Bei seiner Berührung beginne ich zu zittern.

„Wollt ihr sie etwa zu tote prügeln?" Die Frage ist an seine Kameraden gewandt, dabei nimmt er seinen Blick nicht von mir. Auf seinem Gesicht bildet sich ein vorfreudiges Grinsen.

Können sie mich nicht einfach umbringen?, frage ich mich. So muss es auch meiner Mutter ergangen sein, ist mein zweiter Gedanke. Wie sehr muss sie in den Tagen vor meinem Besuch dort gelitten haben?

Kampfeswillen steigt in mir auf. Der kümmerliche Rest, der mir davon verblieben ist. Auch wenn es wieder nur Schläge und Tritte dafür gibt. Dass was er vorhat, will ich noch weniger.

Mit meiner letzten verbliebenen Kraft versuche ich ihn irgendwie von mir herunter zu bekommen. Doch ich bereue meine Aktion sofort wieder.

„Du kleines Biest hast wohl immer noch nicht genug?" Ein Lachen kommt von dem Kerl über mir.

Er greift in mein Haar und zieht es schmerzhaft nach oben. Ich schreie auf und greif nach seiner Hand, will ihn Kratzen oder irgendwas anderes tun, damit er mich loslässt, doch da trifft mich seine Faust schon im Gesicht.

Unter dem Schlag platzt meine Lippe auf, mein Kopf wird durch die Wucht gegen den harten Metallboden geworfen. Alles verschwimmt langsam vor meinen Augen. Der Schmerz geht am meisten von meinem Kopf aus, von der Stelle, die auf den Boden schlug.

Langsam wandern meine Finger an die Stelle. Als ich sie zurückziehe, befindet sich an meinen Fingerspitzen eine klebrige, rote Flüssigkeit. Aber viel mehr bekomme ich nicht mit.

Meine Augen schließen sich und ich kämpfe gegen die Besinnungslosigkeit an. Ich merke aber noch, wie der Kerl mir seinen stinkenden, heißen Atem ins Gesicht bläst. Höre seine Worte und ihr höhnisches Gelächter. Merke wie mein Hemd zerrissen wird.

Als ich meine Augen wieder öffne, wandert seine Zunge gerade über meinen Körper.

Es ist einfach widerlich!

Ich will mich dagegen wehren, doch ich habe nicht mehr die Kraft dazu. Alles in mir schmerzt, besonders die Stellen, an denen mich ihre Tritte getroffen haben.

Auf Rettung hoffe ich jetzt nicht mehr.

Im Moment habe ich nur den Wunsch, dass alles schnell vorbei ist. Dass sie dem endlich ein Ende setzen.

„Lasst eure dreckigen Pfoten von dem Mädchen!", erhebt sich eine Stimme vom Eingang her. So laut und voller Zorn, dass alle Blicke jetzt auf dem Eingang liegen.

Diese Stimme ist mir in letzter Zeit vertraut geworden. Nur so erfüllt voller Wut habe ich sie bisher noch nie erlebt.

Der Mann über mir zuckt zusammen, als die Stimme ertönt. Jetzt liegt sein Blick voller Hass und Verachtung auf dem Rothaarigen, der sich uns nähert.

„Was mischt ausgerechnet der sich ein?", knurrt der Mann über mir leise. Ein Zittern durchfährt ihn, was ich im ersten Moment nicht verstehe. Als der Rothaarige bei uns ist, kommt der Gefangene sofort der stummen Aufforderung nach, von mir herunterzusteigen.

„Armes Mädchen!" Die Hand des Rothaarigen tätschelt sanft meine Wange. Nach einem kurzen Augenblick, in dem er mich nur voller Mitleid betrachtet, wandert sein Blick wütend zu den Gefangenen. „Sagt mal, macht es euch Spaß kleine Mädchen zu verprügeln?"

Auf die Bemerkung er wisse, wie hier unten mit Spionen umgesprungen wird, landet seine Faust im Gesicht desjenigen, von dem diese Worte kamen.

„Vielleicht hat sie ja nicht gelogen, als sie sagte, dass sie es ist, die überwacht wird", schnaubt er auf.

Auch wenn ich bis vorhin nicht an Rettung geglaubt habe, ist Gasards Anblick in diesem Moment der schönste für mich. Ich bin so froh, dass er da ist. Tränen laufen mir über die Wange. Diesmal nicht aus Schmerz, sondern vor Glück.

Gasard beugt sich zu mir herunter und hebt mich in seine Arme.

Ein weiteres Gesicht beugt sich über mich. Ein paar Strähnen seines schwarzen Haares fallen ihm ins Gesicht, seine Miene wirkt genauso ungerührt wie seine Stimme. „Kommt davon, wenn die Kleine so dumm ist, den Armreif überall herumzuzeigen."

Sofort liegt Gasards Blick rügend auf ihm, wandert dann aber wieder zu den Gefangenen. „Für den Angriff auf sie, gibt es den nächsten Monat nur noch eine Essensration pro Tag!", ordnet er an.

Sein Blick wandert zu mir herunter. Ein aufmunterndes Lächeln liegt auf seinen Lippen.

„Kein Sorge, du kommst nicht mehr hierher."

In diesem Moment wird alles Schwarz um mich herum. Ich falle in Ohnmacht.

 ***

Mein ganzer Körper schmerzt, das ist das Erste, was ich mitbekomme, als ich erwache, und zeigt mir auch deutlich, dass alles kein schrecklicher Albtraum gewesen ist. Aber ich bin ja schon froh, dass alles früh genug ein Ende gehabt hat und Gasard mich retten kam.

Wer weiß, ob ich sonst noch leben würde.

Langsam öffne ich meine Augen und nehme verschwommen ein fremdes Zimmer wahr, in dem ich mich befinde. Es wird nur von einem schwachen Licht erleuchtet, das von der Decke scheint. Ich liege in einem weichen Bett, um meine Rippen liegt ein Verband, genauso wie um meinen Kopf. Als ich meinen Kopf leicht zur Seite neige, stöhne ich vor Schmerz auf.

Neben meinem Bett stehen ein Stuhl und ein kleiner Tisch.

Trotz der Schmerzen versuche ich mich aufzurichten, auch wenn es mir sehr schwer fällt. Doch als ich mich gerade aufstütze, betritt eine junge Frau das Zimmer, die mich sofort daran hindert.

„Bitte bleibt liegen", sagt sie zu mir. „Ihr solltet euch schonen und ruhig liegen bleiben, wenigstens, bis die Brüche etwas verheilt sind."

„Brüche?", frage ich nach.

Ein Nicken kommt von ihr. „Eure Nase ist gebrochen, dazu noch ein paar Rippen. Außerdem habt ihr eine Gehirnerschütterung davon getragen und die Wunde an eurem Kopf musste genäht werden. Aber keine Sorge, es kommt alles wieder in Ordnung."

Na, wenn es weiter nichts ist! Ein Seufzen dringt über meine Lippen, bei ihrem gleichmütigen Ton, mit dem sie spricht. Sie erzählt es so, als würde sie von einer minderen Verletzung reden. Etwas, nachdem es in meinen Ohren nicht gerade klingt.

Aber sie hat mit dem ruhig liegen bleiben recht, das muss ich mir schon eingestehen, auch wenn es mir sicher schwerfallen wird, ihrer Bitte folge zu leisten. Das wird sicher eine langweilige Zeit werden.

„Habt Ihr Schmerzen?", erkundigt sie sich bei mir.

Ich antworte ihr mit einem Ja, worauf sie neben mein Bett tritt.

Es ist wie in Maks Zimmer auch. Ein Bedienfeld wird in die Luft projiziert und nach dem Betätigen von ein paar Knöpfen öffnet sich in der Wand ein Fach. Nur sind darin medizinische Geräte und Fläschchen.

Sie nimmt eines der Fläschchen und füllt mit dessen Inhalt ein kleines längliches Ding. Eine Art Spritze. Das merk ich, als sie es mir an den Arm presst. Ein kaum merklicher Stich und schon ist alles vorbei.

„Das dürfte es angenehmer machen", sagt sie mit einem Lächeln auf den Lippen, ehe sie alles wieder schließt. „Ich schau später noch einmal nach euch."

Mit diesen Worten verlässt sie mein Zimmer.

Zwar verringern sich die Schmerzen, doch ich bleibe eine Weile alleine hier. Eine lange und langweilige Zeit.

Erst als scheinbar mehrere Stunden– jedenfalls erscheint es mir so – vergangen sind, betritt wieder jemand mein Zimmer.

Diesmal Gasard, gefolgt von einem etwas kleineren und zierlichen Rotschopf mit einer genauso interessanten roten Iris wie seine.

„Hey Janine, ich hab gehört, was dir passiert ist!", kommt es von ihr. Sie drängelt sich an Gasard vorbei und springt regelrecht zu meinem Bett. „Arme Kleine!"

Skeptisch liegt Gasards Blick auf der zierlichen Frau, deren Hände jetzt sanft meinen bandagierten Kopf tätscheln.

„Aber jetzt bist du hier, da kann dir nichts passieren!" Auf ihren Lippen liegt ein nettes Lächeln, während Gasard nur mit dem Kopf schüttelt. Weswegen auch immer. Mich verwundet es jedenfalls.

Ihr Blick wandert auf den Mann, der immer noch in der Tür steht. Vorwurfsvoll schaut Kaia ihn an, während sie sagt: „Hätte der besser auf dich aufgepasst, dann wäre es nicht passiert. Immerhin hängt der doch immer dort herum."

„Mach die Vorwürfe nicht mir, sondern dem, der sie dort rein gesteckt hat!", geht er sie an.

„Geht nicht!", kommt es kleinlaut von ihr.

Gasard tritt zu Kaia und baut sich vor ihr auf. „Außerdem weißt du ganz genau, wer hier rum getönt hat, er passt schon auf, dass ihr nichts passiert!", sagt er zornig. „Dazu kommt noch Otscharsan, der so nett war, mir Arbeit zu machen." Kaias Blick wirkt schmollend über den rauen Ton, mit dem er spricht. „Wieso machst du immer mir das Leben schwer und nicht denen?"

„Das geht nicht!", wiederholt sie erneut kleinlaut. „Mit denen kann ich nicht schimpfen!"

Neugierig sehe ich sie an. Wieso sie Gasard so anschreit, es aber bei den Anderen nicht machen will?, frage ich mich neugierig.

Bei Torsos kann ich mir den Grund sehr gut vorstellen. Immerhin ist er hier derjenige, dem alles untersteht und mit dem wohl beide sehr eng befreundet sind. Was Mak und Otscharsan betrifft, habe ich ja auch schon mitbekommen, dass sie auf alle Fälle mit Gasard befreundet sind.

Auch frage ich mich, weswegen ich von Gasard gerettet wurde und nicht von Mak. Dazu kommt noch der dämliche Spruch im Gefängnis. Aber Mak wird mich doch sicher auch besuchen kommen, da kann ich ihn ja fragen.

„Immer auf mich armen Kerl!", kommt es seufzend von Gasard.

„Du trägst mit Schuld!" Eingeschnappt wendet sie ihren Blick ab. Eine Reaktion, auf die ich automatisch lachen muss. Was ich sofort bereue, als ein Schmerz meine Rippen durchfährt.

„Arme Kleine!" Kaia tätschelt wieder meinen Kopf, dabei liegt ein nettes Lächeln auf ihren Lippen.

Gasards Blick liegt verwirrt auf der zierlichen Kaia. „Meine Liebe, es ist zwar toll, dass du wenigstens das arme Mädchen im Moment verschonst", sagt er mit einem Seufzen. „Aber lass es! Sonst bekommt sie noch ein vollkommen falsches Bild von dir."

„Vielleicht hast du ja auch nur ein falsches Bild von mir", ruft sie eingeschnappt. Dabei sieht sie ihn nicht mal an.

„Das habe ich ganz sicher nicht!", kommt es seufzend von ihm.

Ich muss mir ein Kichern verkneifen. Ich weiß zwar nicht, was zwischen den beiden ist, lustig finde ich es trotzdem. Das Einzige, was ich mir nicht verkneifen kann, ist ein Grinsen.

„Da du so vergnügt aussiehst, scheint es dir ja gut zu gehen", kommt es von ihm. Auf seinen Lippen bildet sich ein Lächeln.

„Schau sie dir doch mal an, so wie sie aussieht, geht's ihr sicher nicht gut!", ruft Kaia energisch, dabei sieht sie Gasard zornig und voller Vorwurf an. „Hättest du besser auf sie aufgepasst, würde es ihr jetzt sicher besser gehen." Gasard will ansetzten zu protestieren, doch Kaia lässt ihn nicht. „Und hätte ich sie in meinem Zimmer aufnehmen können, dann hätte sie hier auch einen besseren Start auf der Station gehabt als diesen."

„Bis es dir langweilig ist, und du das arme Mädchen genauso mies behandelst wie alle anderen auch!", kommt es von Gasard. Dabei verdreht er genervt die Augen.

„Ganz sicher nicht!", ruft Kaia und wirkt deutlich schmollen.

„Wo bin ich hier eigentlich?", erkundige ich mich bei den beiden. Ich finde zwar, dass hier alles gleich aussieht, selbst die Zimmer. Das Einzige, was mich verwirrt, ist der Schrank, aus dem die Frau vorhin das Schmerzmittel genommen hat.

„Du bist hier auf der Krankenstation", antwortet Gasard mir. Seine Hand fährt mir über den Kopf, als er weiter spricht. „Ich habe den Damen angeordnet, dass sie sich ganz besonders gut um dich kümmern."

„Und wenn nicht, dann bekommen sie mit mir ärger!", ruft Kaia laut.

„Du meine Liebe beherrschst dich!", ordnet Gasard ihr an. „Noch hast du die Erlaubnis die Krankenstation zu betreten. Ich weiß zwar selbst, dass es ziemlich irre ist, dir soweit zu vertrauen." Kaia wirft ihm einen zornigen Blick zu. „Solange sich niemand über dich beschwert, kann das auch so bleiben."

Wortlos und zornig sieht sie ihn an.

„Du weißt, was Torsos vorgeschlagen hat!", sagt Gasard. Während Kaia nur zu schmollen scheint, lausche ich neugierig seinen Worten. „Wenn du irgendwelchen Ärger machst, sperr ich dich in dein Zimmer ein, bis er wieder in der Station ist."

Kaia schmollt weiter, ich dagegen sehe ihn fragend an. Was meint er damit?

Gasard scheint zu verstehen, als er meinen neugierigen Gesichtsausdruck sieht und beginnt zu lächeln. „Torsos ist eine Weile nicht in der Station, in der Zeit übernehme ich hier alles", erklärt er mir.

„So früh, nachdem das mit dem Gift war?", frage ich und wirke leicht unglaubend. Dass jemand wie Torsos nach so einer Situation die Station verlässt, kann ich nicht verstehen. Aber vielleicht wurde der Täter ja auch schon gefunden.

„Mir ist klar, dass dir das komisch vorkommen muss, aber so viel ändert sich nicht zum normalen Alltag", erklärt er mir und ich lausche interessiert. „Ich habe genauso viel Befehlsgewalt über alles wie Torsos, dadurch, dass wir wie Brüder aufgewachsen sind. Wenn Torsos einen Befehl erteilt, den ich für Schwachsinn halte, kann ich ihn sogar zurücknehmen. Auch wenn es danach meist eine lange Diskussion gibt." Er zwinkert mir beim Letzten zu.

„Und Kaia", erkundige ich mich neugierig.

„Die macht, zu was sie gerade mal Lust hat, ob sie's darf oder nicht", erklärt er mir.

„Würde es nach euch beiden gehen, wäre ich ganz lieb und würde jedem Befehl sofort gehorchen. Dazu würde ich nur noch im Kleid rumhüpfen. Mit anderen Worten, ich wäre genauso langweilig, wie diese Damen, die euch bedienen." Kaia schnaubt auf und zeigt damit, wie wenig sie davon hält.

„Das wäre sicher schön." Gasard nickt bestätigend.

„Und wenn es nur nach Torsos gehen würde, käme dazu, dass ich dich als tollsten Typen anhimmle, den es im Universum gibt", sagt sie und wirkt nicht gerade begeistert.

„Ja lass das mal lieber!", kommt es von Gasard, der sie dabei angrinst. „So eine Furie wie dich will doch keiner freiwillig!"

Kaia wendet sich eingeschnappt von ihm ab. „Als ob ich mich jemals für so einen Langweiler wie dich interessieren könnte."

„Da gibt es ja wenigstens eins, bei dem wir uns einig sind. Jetzt muss das nur noch jemand Bestimmtes akzeptieren."

Erneut frage ich mich, was zwischen den beiden los ist. Kaia und Gasard sind ja, so wie ich es mitbekommen habe auch zusammen aufgewachsen. Doch so ganz eng wie die Beziehung zwischen Gasard und Torsos wirkt, scheint es bei ihnen nicht der Fall zu sein.

Wieso das so ist?, frage ich mich.

Gasard verabschiedet sich nach einer Weile bei mir, da er noch einiges zu tun hat. Kaia dagegen leistet mir eine Zeit Gesellschaft, was Gasard aber nur mit dem Versprechen erlaubt, mich nicht zu sehr zu stressen.

Wir unterhalten uns noch eine Weile. Zwischendurch verschwindet Kaia, um kurze Zeit später mit Essen und Trinken wieder zu kommen.

Erst als ich müde werde, verabschiedet die junge Frau sich und löscht das Licht, bevor sie das Zimmer verlässt.

Ich liege zwar noch eine Zeit lang wach. Meine Gedanken sind bei dem, was heute passiert ist. Doch irgendwann fallen meine Augen vor Müdigkeit zu und ich schlafe ein.

***

In dieser Nacht träume ich vom letzten Sommer. Von unserem letzten Familienurlaub und einem romantischen Spaziergang am Strand.

Wie habe ich vor dem Urlaub protestiert, geflucht und gesagt, dass ich meine Eltern hasse? Während sie mit mir den Familienurlaub machen wollten, hatte ich mit einer Freundin ausgemacht, alleine ohne Eltern einen Trip in die USA zu unternehmen.

Aber nein, das wollten meine Eltern nicht und ich musste mit, trotz meines Protestes.

Zuerst hatte ich den Ausflug sabotiert, bis ich dann von einem netten Jungen abgelenkt wurde, der den Namen Pacey trug. Und ab dann wurde der Urlaub auch ganz nett.

An diesem Tag am Strand, den ich in meinem Traum wieder erlebe, wirkten meine Eltern so fröhlich und fast wie ein frisch verliebtes Paar. Pacey war auch dabei, wenigstens das hatten mir beide erlaubt.

Wir saßen abends am Strand mit einem Picknickkorb in der warmen untergehenden Sonne. Meine Eltern unterhielten sich, kuschelten und hielten Händchen. Ich dagegen widmete meine ganze Aufmerksamkeit nur Pacey. Wir plauschten miteinander, jedenfalls in der Nähe meiner Eltern. Später in der Nacht gingen sie dann feiern und ich und Pacey gingen am Strand spazieren.

Ein Spaziergang, an den ich mich in meinem Traum wieder erinnere.

Die sanften Wellen umspielen unsere nackten Füße und der Mond steht hoch am wolkenlosen Himmel. Eine leichte, kühle Brise lässt mich frösteln. Seine Hand fährt über meine Arme, auf meine Taille und er zieht meinen Körper nah an sich, um mich zu wärmen.

Mein Kopf legt sich auf seine Brust. Es ist einfach nur schön.

Langsam fährt Paceys Hand unter mein Kinn. Mit leichtem Druck deutet er mir an, zu ihm aufzusehen. Etwas, dass ich sehr gerne mache.

Ich blicke in seine wunderhübschen grauen Augen, meine Hand fährt durch sein kurzes braunes Haar. Ganz langsam senkt sich sein Kopf und unsere Lippen berühren sich.

Ich schließe die Augen, genieße den Kuss. Doch ab hier ist der Traum ganz anders, als der Tag in meiner Erinnerung abgelaufen ist.

Als ich meine Augen öffne, steht nicht mehr Pacey vor mir. Ich blicke jetzt in zwei braune Augen, ein paar Strähnen seines rabenschwarzen Haares fallen ihm wirr ins Gesicht. Aus meinem netten Urlaubsflirt ist Mak geworden, dessen Hand sanft über meine Wange streichelt.

Ich genieße seine Berührungen sogar und seine Küsse.

Bis sich der Traum in einen Alptraum wandelt.

Einige Gestalten treten zu uns. Männer, auf deren Gesichtern ich nur ein hämisches Grinsen erkennen kann.

Kampfbereit stellt sich Mak vor mir auf und ich verstecke mich hinter seinen Rücken. Zuerst kämpft er für mich, doch dann verschwindet er einfach im Nichts.

Jetzt stehe ich diesen Männern alleine Gegenüber, die sich mir langsam nähern.

Ich fühle mich so einsam und alleine, dazu kommt meine Hilflosigkeit. Ein Versuch zu flüchten ist zwecklos.

Panisch geht mein Blick nach links und rechts, aber überall sind diese Männer, die sich mir immer weiter näher, mit einem hämischen Grinsen auf den Lippen.

Plötzlich legt sich ein Seil um meinen Hals, das meine Kehle zuschnürt. Vor mir steht ein Mann mit einem zufrieden wirkenden Blick. Wie er aussieht, erkenne ich nicht, dafür ist es viel zu dunkel.

Meine Hand wandert zu dem Strick.

Nur ist das kein Traum mehr, wird mir schlagartig klar.

Ich liege immer noch im Bett auf der Krankenstation. Über mir steht ein Mann, um dessen Hände das Seil fest geschlungen liegt, mit dem er mich würgt.

Das wird mir schon klar, noch ehe ich meine Augen aufschlage und in eine vollkommene Dunkelheit starre, die mich nur seine Silhouette erkennen lässt. Meine Hand versucht, das Seil von meinem Hals zu bekommen. Ich schreie vor Schmerzen auf, doch aus meiner Kehle dringt nur ein erstickter Laut, während er das Seil noch fester zuzieht.

Schmerzhaft schneidet es in meine Haut.

Panik steigt in mir auf, die mich den Schmerz des um meine Kehle liegenden Seiles und der meiner Rippen vergessen lässt.

Erneut versuche ich es zu greifen, wieder versage ich. Nicht einmal schreien kann ich.

Noch mehr Panik steigt in mir an. Ich strampele mit meinen Füßen, trete wild um mich. Mit meinen Händen schlage ich nach ihm, versuche ihn zu kratzen. Doch das alles klappt nicht. Er lässt sich einfach nicht damit beeindrucken. Es scheint sogar, als würde sich das Seil immer mehr um meine Kehle zuziehen, je mehr ich versuche mich zu wehren.

Verdammt, wieso passiert ausgerechnet mir so etwas? Womit habe ich das verdient? Tränen schießen mir in die Augen und kullern über meine Wangen.

So muss sich auch Mak gefühlt haben, als er von Moriphos gewürgt wurde.

Die Luft wird immer knapper. Es ist einfach schrecklich. Ich sehe keine Möglichkeit, mich zu befreien.

Meine Schläge und Tritte werden immer kraftloser, bis meine Hände auf das Bett sinken und ich regungslos liegen bleibe. Meine Augen schließen sich. Ich gebe auf.

Wie mein Zimmer geöffnet wird, bemerke ich genauso wenig wie die junge Frau, die eintritt.

Aber mein Angreifer bemerkt sie.

Sein Blick, der auf ihr liegt, ist angefüllt mit Panik. Seine Hände lassen den Strick fallen, dann springt er vom Bett und stürzt auf sie zu.

Die Frau, die immer noch in der Tür steht, wirkt im ersten Moment verwirrt. Der Angriff des Mannes und sein Faustschlag in den Bauch kommen für sie vollkommen unerwartet. Sie stöhnt auf und krümmt sich. Etwas das der Mann sofort ausnutzt.

Ein weiterer Schlag trifft sie im Nacken.

Sie geht in die Knie, mit ihren Händen stützt sie sich auf dem Boden ab, während der Mann seine Chance sofort nutzt und aus dem Zimmer läuft.

Ich versuche nach Luft zu schnappen, aber immer noch hindert mich das Seil daran. Es hat sich einfach zu fest um meinen Hals gezogen.

Meine Hände versuchen das Seil zu greifen, aber ich schaffe es einfach nicht mehr, ich bin viel zu kraftlos dazu.

Bitte helft mir doch!, flehe ich stumm.

Die Frau richtet sich auf, verwirrt und auf wackligen Beinen stehend, blickt sie auf mein Bett. Sobald sie versteht, was hier los ist, stürzt sie zu mir und befreit meinen Hals von dem Seil.

Endlich kann ich wieder atmen und beginne auch sofort nach Luft zu schnappen.

„Janine!", ruft sie besorgt, während ihre zierliche Hand über den roten Striemen fährt, den das Seil hinterlassen hat. „Was ist hier nur los?"

Diese Frage stelle ich mir selbst. Womit hab ich das nur verdient? Als ob diese vier Gefangenen nicht schon genug für einen Tag währen? Und vor allem, wer will meinen Tod?

Aber im Moment mag ich nicht darüber nachdenken.

Ich bin so froh, das Kaia mich gerettet hat und jetzt bei mir ist.

Doch dann sagt sie etwas, an dem ich sie gerne hindern würde.

„Warte hier, ich hol erst einmal Hilfe."

Ich will schreien und ihr sagen, dass sie hier bleiben soll, doch mir fehlt die Kraft dazu, auf mich aufmerksam zu machen.

Aus dem Augenwinkel erkenne ich, wie sie eilig das Zimmer verlässt.

Sofort steigt eine unbändige Angst in mir auf. Ich beginne zu zittern. Tränen rinnen mir über die Wangen. Was, wenn der Typ wiederkommt?, geht es mir durch den Kopf. Was mach ich dann?

Mit Angst geweiteten Augen liegt mein Blick auf der Tür, doch der Mann kommt nicht wieder, dafür aber Kaia, in Begleitung einer Frau.

Die Frau bleibt neben der Tür stehen, Kaia dagegen stürmt gleich zu mir.

„Oh Janine", hauchen ihre Lippen. Ihre Hand fährt mir sanft über die Wangen, um meine Tränen wegzuwischen. „Du musst ja einen schrecklichen Eindruck von unserer Station bekommen haben."

Mein Körper schmerzt noch von dem Kampf den Mann von mir herunter zu bekommen, selbst das Zittern ist noch nicht verschwunden.

Auch wenn Kaia da ist, habe ich immer noch Angst.

Wer ist der Typ und was will er von mir?

Kaia beugt sich zu mir herunter und nimmt mich vorsichtig in den Arm. Ihren Kopf lässt sie dabei auf meinen sinken.

„Ich verspreche dir, ab heute pass ich auf dich auf!"

 ***

Wieso kann mein Leben nicht so normal sein wie früher? Als ich von einer Karriere auf dem Laufstegen der Welt träumte.

Mein einziges Problem, die Frage nach dem perfekten Outfit.

Hier dagegen sah ich schon so oft dem Tod ins Auge. Immer kam ich knapp davon.

Mak, der mich in der Dusche rettete; Gasard, der mich von den Gefangenen bewahrte; jetzt Kaia hier auf der Krankenstation.

Ob das so weiter geht?