Das Erste, was ich empfand, war Schmerz. Extremer Schmerz. Ein Schmerz so gewaltig, dass ich nichts mehr wollte, als meine Augen zu schließen und ihm zu entfliehen.
Also tat ich genau das.
Das Nächste, an das ich mich erinnere, ist ein Gefühl von Hitze und Bleischwere. Meine Glieder schienen in die weiche Matratze unter mir zu versinken, viel zu schwer, als dass ich es auch nur versucht hätte, sie anzuheben.
Also ließ ich es.
Meine Brust war schwer, jeder Atemzug ein Kampf ums Dasein. Diesmal glaubte ich, ein leises Wimmern zu hören, doch es verlor sich bald in der Dunkelheit um mich herum. Ich musste atmen; ich wollte am Leben bleiben.
Also atmete ich.
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Der Versuch aufzuwachen war, als würde ich durch Schlamm waten, meine Augenlider so schwer, dass es sich kaum lohnte, sie zu öffnen.
Das war in Ordnung. Wenn ich nicht sehen konnte, musste ich die Situation eben anders erfassen.
Ich atmete tief durch die Nase ein und versuchte zu erschnüffeln, was um mich herum vorging.
Wo auch immer ich war, ich war umgeben von Blumen. Rosen, Lilien und Flieder. Ich schnupperte erneut und konnte den strengen, antiseptischen Geruch eines Krankenhauses wahrnehmen. Für die meisten war dieser Geruch unangenehm, aber für mich war er vertraut und fast schon tröstlich. Als Arzt verbrachte ich mehr Zeit in Krankenhäusern als die meisten anderen Menschen, und dieser Geruch bedeutete für mich Heimat.
Ich befand mich also in einem Krankenhaus, umgeben von Blumen.
Was konnte ich hören?
Ich vernahm das Piepsen des Patientenmonitors direkt hinter meinem Kopf und rechts von mir. Es klang so, als sei die Herzfrequenz konstant, also ging es dem Patienten – wer auch immer es war – nach dem Klang gut. Es wäre viel einfacher, wenn ich einfach die Augen öffnen und die Zahlen auf dem Bildschirm sehen könnte, aber das kostete zu viel Kraft.
Im Raum waren keine weiteren Geräusche zu hören, also war ich offensichtlich alleine. Das bedeutete, ich war der Patient.
Plötzlich nahm ich wahr, wie das Piepsen lauter wurde, mein Herz begann heftiger zu schlagen bei dem Gedanken, dass ich der Patient im Bett war.
Ich umklammerte die dünnen, kratzigen Laken in meinen Händen und versuchte, mich zu beruhigen, bevor das Gerät die Krankenschwester alarmierte, dass ich wach war. Ich holte ein paar Mal tief Luft und versuchte, meine Lage zu durchdenken, während ich die Augen geschlossen hielt. So hatte ich das Gefühl, die Kontrolle zu behalten und nicht die Fassung zu verlieren.
Was konnte ich sonst noch spüren? Ich spürte die kratzigen Laken, die definitiv nicht dick genug waren, um mich vor der Kälte des Raums zu bewahren. Ein Luftzug aus einer Art Lüftungsschacht über mir ließ meine Haut sich rau anfühlen, und ich fröstelte leicht. Nichts war schlimmer, als mit dünnen Decken im Bett zu liegen.Die Tür öffnete sich mit einem leichten Knarren und ließ noch mehr eiskalte Luft in den Raum strömen. Es gab nur eins, das ich noch mehr hasste als dünne Decken, und das war Frieren. Die Tür schloss sich rasch wieder, und ich inhalierte tief, um herauszufinden, wer nun mit im Zimmer war.
Ich weiß, es ist eine eigenartige Angewohnheit, aber ich mache das schon, seit ich ein Kind war. Aus irgendeinem Grund war mein Geruchssinn besser entwickelt als jeder andere Sinn. Da ich nicht sehen konnte, musste ich mich darauf verlassen.
Wer auch immer soeben hereingekommen war, gehörte definitiv nicht zum Krankenhauspersonal. Aufgrund ihres Duftes gehe ich davon aus, dass es eine Frau war. Sie trug ein Parfum oder vielleicht eine Lotion, die nach Rosen und Efeu roch. Nicht jemand Junges - die wählen oft Düfte, die an Essbares erinnern, aber auch keine ältere Dame; die bevorzugen intensivere, potpourriartige Aromen.
Also mittleres Alter.
Ich hörte, wie sie sich auf einen Stuhl schleppte und das Sitzkissen knisterte, als es ihr Gewicht aufnahm.
Kurz darauf öffnete sich die Tür erneut, und ich vernahm Schritte, die sich dem Bett näherten. Ein Mann. Er roch nach Zedernholz und Blut? Das war keine gute Kombination.
Ich verzog das Gesicht und versuchte, den Duft loszuwerden.
"Sie hat sich bewegt!", keuchte die Frau im Stuhl, und ich hörte sie aufstehen und sich mir nähern, ihr Geruch wurde bei jedem Schritt intensiver, den sie machte.
"Das hat sie", sagte eine männliche Stimme neben meinem Kopf. Er klang älter und seine Stimme war etwas rau. "Wir sollten sie untersuchen lassen."
Ich spürte, wie seine Hände nach meinem Handgelenk griffen und meinen Puls fühlten. Warum tat er das? Am Monitor, der stetig piepte, konnte er doch meine Herzfrequenz ablesen.
Ich verdrehte die Augen, auch wenn es niemand sehen konnte. Den Puls am Handgelenk zu messen, war zwar hilfreich, aber sozusagen doppelt gemoppelt, da er nun auch noch mein Herz abhörte. Der kalte Druck des Stethoskops traf auf meine nackte Brust, und ich musste stark an mich halten, um ihm nicht einfach eine zu verpassen.
Ich sorgte stets dafür, das Metall anzuhauchen, bevor ich es auf die Haut eines Patienten setzte. Sie hatten bereits genug Schmerzen durch die Umstände, die sie hierher gebracht hatten, und die kalte Luft machte ihnen sicherlich zu schaffen. Es noch schlimmer zu machen, war einfach nur fies.
"Herzschlag ist gut", murmelte der Mann, der, wie ich annahm, der Arzt war – ein völlig unprofessioneller Arzt zwar, aber immerhin ein Arzt.
Die Frau seufzte, als hätte sie das nicht schon vom Monitor ablesen können.
Der dünne Krankenhauskittel, den ich trug, verrutschte und entblößte meine Seite der kalten Luft. Wieder wurde das verdammte kalte Stethoskop auf meine Haut gesetzt und verursachte weitere Gänsehaut.
Mal ernsthaft, wo zum Teufel hat dieser Arzt seine Zulassung her? Aus einer Cornflakes-Verpackung?
Als er fertig war, zog er grob die Decken hoch, ohne sich auch nur die Mühe zu machen, sie glattzuziehen. Ich würde definitiv ein paar Worte mit seiner Leitung wechseln, sobald ich die Augen öffnen konnte. Seine Umgangsformen am Bett waren einfach nur lächerlich!
"Ich kann nichts Auffälliges an ihrer Lunge feststellen, aber wir sollten vielleicht noch weitere Tests durchführen. Die Prellungen an ihren Rippen scheinen gut zu verheilen, so dass wir davon ausgehen können, dass sich die inneren Verletzungen von allein regeneriert haben", brummte der Arzt, unterbrach meine Gedanken. Geprellte Rippen? Was zum Henker? Ich kann mich nicht daran erinnern, meine Rippen geprellt zu haben. Wovon spricht er da eigentlich?