Chereads / Zeitstürmer (DE) / Chapter 12 - Episode 12 - Otscharsans Schwester

Chapter 12 - Episode 12 - Otscharsans Schwester

Irgendwie hab ich hier nur Pech.

Erst dieser Kyle, dann die Gefangenen und jetzt das.

Ob er hinter allem steckt? Sogar hinter dem Angriff eben. Vielleicht sollte ich endlich jemandem meine Beobachtung mitteilen.

Der letzte Angriff ist immerhin ausgerechnet in einem, laut Kaia, sicheren Raum passiert.

Aber wenigstens war sie da und hat mich gerettet.

*** 

Ich liege in Kaias Armen und kann einfach nicht anders als zu weinen. Ihre Hände fahren dabei tröstend über meinen Rücken, ihre Worte klingen beruhigend und mit der Zeit versiegen meine Tränen.

Es ist so schön, dass sie für mich da ist.

Die Tür zu meinem Krankenzimmer öffnet sich. Den großen, muskulösen Mann, der eintritt, bemerken wir beide nicht. Sein Blick wandert durch den Raum und bleibt ungläubig auf der Rothaarigen liegen.

Mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen lehnt er sich gegen die Tür.

„Also das glaub ich jetzt echt nicht!" Das Schmunzeln ist einem erschüttert wirkenden Blick gewichen, der zu übertrieben wirkt, um echt zu sein.

Aber es reicht, das Kaia sich von mir löst. Ihre roten Augen wandern auf den Blonden, um ihn dann misstrauisch anzufunkeln.

„Wie kommt denn das? Normalerweise wirfst du doch jedem einen deiner tödlichsten Blicke zu, wenn man dir auch nur einen Schritt zu nahe kommt." Otscharsan macht eine kurze Pause, in der er sich mit seiner Hand durchs Haar fährt und Kaia ein Lächeln zuwirft. Beim nächsten, was er sagt, liegt in seiner Stimme ungewöhnlich – für mich sogar ungewohnt – viel Arroganz. „Außer Mann sieht so toll aus, wie ich." Die Rothaarige mustert ihn kurz skeptisch von oben bis unten. Als sie etwas darauf sagen will, lässt er sie nicht dazu kommen. „Kaia." Der Blonde kommt zu uns, die Arroganz ist verschwunden und sein Lächeln ist einem Grinsen gewichen. Kaias Blick wirkt erzürnt und warnend, als er sich zu ihr herunterbeugt. „Oder hast du deine Masche gewechselt und knuddelst einen seit Neustem zu Tode?" Er lacht laut und aus vollem Halse auf. „Wenn ja, will ich auch mal!"

Kaia wendet sofort ihren Blick eingeschnappt von ihm ab. „Kann ich nicht auch mal einfach nur jemanden mögen?", verlangt sie von ihm zu erfahren.

„Ich kenne dich jetzt schon eine ganze Weile", beginnt Otscharsan, doch zu mehr kommt er nicht.

„Was ihr alle für eine Meinung über mich habt, ist mir bestens bekannt." Einen Augenblick lang wirkt ihr Blick traurig, doch nur kurz, dann schüttelt sie ihren Kopf und wendet sich mir zu. Ihre Hand streichelt mir sanft durchs Haar, ein aufmunterndes Lächeln liegt auf ihren Lippen.

Was alle haben?, frage ich mich. Sie scheint doch so nett zu sein.

Kaia will etwas sagen, doch Otscharsan unterbricht sie.

„Als ob du groß etwas dagegen unternimmst, dass unsere Meinung zu dir sich bessert", bemerkt er. Dabei scheint Otscharsan ihren warnenden Blick gerade zu übersehen. Stattdessen stellt er sich hinter sie und betrachtet mich von dort. „Was ist denn mit ihr passiert?", erkundigt er sich, seine Augen liegen voller Besorgnis auf dem roten Striemen an meinem Hals.

„Irgendjemand hat sie angegriffen." Kaias Blick liegt beim nächsten fragend auf mir. „Hast du gesehen, wer das war?"

Mein Blick wandert betrübt auf die Decke, als ich meinen Kopf schüttle, um ihnen ein Nein zu verdeutlichen, bereue ich es sofort wieder. Ein starker Schmerz durchfährt mich, der mich aufstöhnen lässt. Tränen schissen mir in die Augen.

Wieso passiert das ausgerechnet mir? Was habe ich getan, um so etwas zu verdienen?

Ob dahinter auch dieser Kyle steckt, oder er es sogar war?

Fragen über Fragen schießen mir durch den Kopf. Am liebsten würde ich sie laut raus schreien, doch es geht nicht. Ich bekomme einfach keinen Laut aus meiner Kehle.

Eine zarte Frauenhand wischt meine Tränen fort.

Kaias Blick wandert zu der Frau, die bisher nur im Zimmer gestanden und alles beobachtet hat. Stumm aber mit strengem Blick, befielt die Rothaarige der anderen, sich um mich zu kümmern. Eine stumme Anordnung, der die Frau sofort nachkommt.

Sie wirkt deutlich eingeschüchtert. Weswegen, verstehe ich nicht ganz.

Ihre Schritte aber auch wie sie das Fach öffnet und das Fläschchen heraus nimmt wirken in Eile. So hektisch, dass das Fläschchen aus ihren Händen rutscht und auf dem metallenen Boden klirrend in tausend Teile zerspringt.

Kaias wirkt zornig und ungeduldig. Ein Blick, unter dem die Frau sofort zusammenzuckt. Das nächste Fläschchen bleibt zwar in ihren Händen, die aber jetzt zittern.

Hin und wieder wandert der Blick der jungen Frau voller Panik zu Kaia.

Dabei passiert ihr das nächste Malheur. Als sie das Fläschchen wieder in den Schrank stellen will, fällt ihr nun gefüllte Spritze auf den Boden.

Aber Kaia sieht die Frau auch so streng und warnend an, das selbst mir ein solcher Blick von ihr einen eisigen Schauer über den Rücken jagen würde.

„So einem ungeschickten Ding wird auch noch die Aufsicht über die Krankenstation übergeben, da ist es ja kein Wunder, dass so etwas passieren konnte", knurrt Kaia leise aber laut genug, dass wir alle es hören.

Die Frau, die jetzt die Spritze aufhebt, zuckt zusammen und stößt mit ihrem Kopf gegen den Tisch, der neben meinem Bett steht.

Ich habe Mitleid mit der jungen Frau.

Eine Hand legt sich auf Kaias Schulter.

„Würde es dir etwas ausmachen, raus zu gehen?", bittet Otscharsan die Rothaarige, die ihn jetzt zornig anschaut. „Dass du sie anschaust, als würdest du ihr am liebsten an die Kehle springen, hilft keinem, nicht mal dem armen Mädchen."

Kaia schnaubt auf, sieht aber ein, dass er recht hat. Sie steht auf und geht langsam zur Tür. „Wenn ich den Bastard erwische, der sie angegriffen hat, dann reiße ich ihn in Stücke!", schreit sie beim Verlassen des Zimmers auf.

Die Tür schließt sich hinter ihr und sperrt damit den Anflug ihrer Drohungen gegen meinen Angreifer aus.

„Sag mal, hat die sich einen Nagel abgebrochen, als sie den Typen verjagt hat?" Der Blick des Blonden liegt vollkommen verwirrt auf der Tür. „Kaia interessiert sich eigentlich nur für ihre eigenen Interessen. Dass sie plötzlich jemanden anderen als sich selbst verteidigt, passt nicht zu ihr." Er schüttelt seufzend den Kopf.

Ich lache leicht auf. Was eher der tonlosen Andeutung davon entspricht und ich sofort bereue.

Mein Hals schmerzt so sehr und fühlt sich immer noch so an, als würde er zugedrückt werden.

Der Schmerz, auch der in der Gegend meiner Rippen, lindert sich erst, als die junge Frau, die nun deutlich ruhiger ist, mir das Schmerzmittel verabreicht. Es ist wie eine Erlösung, auch wenn sich das Druckgefühl gegen meinen Hals nicht bessert. Genauso wenig hilft es, dass wieder ein Ton aus meiner Kehle dringt.

„Janine, oder?", erkundigt sich der Blonde nach meinem Namen.

Ich hebe etwas meinen Kopf und lasse ihn wieder sinken, um ein ‚Ja' anzudeuten. Die junge Frau versorgt derweilen die aufgeriebene Stelle an meinem Hals, die durch das Seil verursacht wurde, mit einer Salbe.

Ein Seufzen dringt über seine Lippen, bevor er weiter spricht.

„Kaia kann ziemlich einschüchternd wirken. Als ich die erste Zeit hier war, habe ich einen großen Bogen um sie gemacht." Auf seinen Lippen bildet sich ein Lächeln. „Aber solange man ihr nicht auf die Füße tritt, ist sie ganz okay. Also keine Angst."

Ich würde ihm gerne antworten, dass sie mir keine Angst macht, wenn ich es könnte.

Die junge Frau wickelt derweil einen Verband um meinen Hals, als Nächstes kontrolliert sie, ob meine Rippen in Ordnung sind, oder ob noch mehr bei dem Angriff passiert ist.

Ihrer Meinung nach sieht alles gut aus.

„Was hier zurzeit los ist, das ich nicht alltäglich." Otscharsan nimmt sich den Stuhl, der neben meinem Bett steht, und setzt sich darauf, während ich weiter untersucht werde. Jetzt ist meine Kehle dran. „Normalerweise ist es hier total langweilig", sagt er.

„Wir auf der Krankenstation können nicht über fehlende Arbeit klagen", wirft die Frau ein. Ihr Blick wandert anschuldigend auf den Blonden, der eine Engelsmine aufsetzt. „Die Herren hier auf der Station sorgen schon für Arbeit. Wenn sie nicht im Kampf mit dem Feind verletzt werden, dann erledigen sie es selbst. Mit dummen Aktionen oder irren Wetten."

„Ach das ist doch harmlos!"Otscharsan lacht verlegen auf.

„Harmlos?" Sie hebt die Augenbrauen. „Warst du es nicht, der am Ende eines Wettrennens für ein paar Wochen im Koma lag, nachdem er sein Raumschiff gegen einen Asteroiden geflogen hat."

„So ganz stimmt das aber nicht", korrigiert Otscharsan sie. „Wäre ich frontal dagegen geflogen, dann wäre ich jetzt nicht mehr am Leben."

„Auch so kannst du darüber froh sein, noch zu leben", meint die Frau. Dann wendet sie sich mir zu. „Deine Stimmbänder sind etwas angeschlagen. In den nächsten paar Tagen wirst du nicht sprechen können aber das wird mit der Zeit bessern, solange du dich schonst." Beim letzten Wort sieht sie Otscharsan direkt an, bevor ihr Blick wieder auf mich wandere. „Es scheint zwar alles in Ordnung zu sein, aber wir werden dich später noch mal genauer untersuchen. Dass es nicht gut ist, keine Luft mehr zu bekommen, das kann dir der werte Herr hier sicher auch bestätigen."

Ich muss lachen, auch wenn ich es erneut bereue. Zwar habe ich nicht mehr so starke Schmerzen, aber ganz verschwunden sind sie nicht.

„Ja, ich bin froh, noch am Leben zu sein", beginnt er aufzuzählen. „Ich bin froh, dass mein Gehirn noch seine volle Arbeit leistet. Auch bin ich froh noch über all meine Gliedmaßen zu verfügen, die ich schon bei meiner Geburt hatte. Besonders die Wichtigen." Dabei grinst er vielsagend. „Ich bin froh darüber, dass wir hier nicht so rückständig sind, wie einige unserer Gegner, und das nicht nur was die Technik betrifft. Und ganz besonders froh bin ich, was für fähige Ärzte und Krankenschwestern wir hier haben. Die will ich absolut nicht missen."

Erneut kann ich mir ein Lachen einfach nicht verkneifen. Scheinbar ist Otscharsan wirklich nicht sehr um sein Wohl besorgt.

Die junge Frau verlässt das Zimmer und Otscharsan erzählt mir etwas über das Leben, dass er hier auf der Station führt.

Es klingt interessant, besonders das, was er über Torsos erzählt.

Ob er wirklich so ist, wie ihn Otscharsan beschreibt? Als einen Herrscher, der nicht nur über sein Gebiet herrscht, sondern die Leute um ihn herum als Freunde behandelt.

Ich bin so neugierig auf ihn.

 ***

Otscharsans Bericht endet erst, als sich die Tür öffnet und zwei streitende Rotschöpfe eintreten. Gefolgt von zwei Kriegern, das erkenne ich an ihrer schwarzen Uniform.

„Was ist eigentlich zurzeit los?" Gasard bleibt vor Kaia stehen und stoppt sie damit. Misstrauisch liegt sein Blick auf ihr. „Hast du etwa etwas mit dem Angriff auf sie zu tun?"

„Ja klar! Und dann komm ich brav zu dir, um alles zu berichten." Kaia schnaubt wütend auf. „Du traust mir wohl alles zu! Ich habe sie gerettet! Frag sie doch selbst, wenn du mir nicht glaubst!" Sie weißt auffordernd mit ihrer Hand zu mir.

Gasards Blick wandert auf mich. „Hat sie dich wirklich gerettet?"

Kaia brüllt auf und lässt sich trotzig wie ein kleines Kind zu Boden sinken.

Trotz des Schmerzes bringe ich ein Nicken zustande. Ich kann einfach nicht verstehen, wie er ihr so etwas zutrauen kann. Besonders, da ich so froh darüber bin, dass sie mir das Leben gerettet hat. Und wenn ich könnte, würde ich ihr dafür danken.

Gasard schaut kurz zu Kaia. „Du meine Liebe, bist zu wirklich sehr viel in der Lage, wenn es darum geht, dass eine Frau für Torsos irgendwann einmal interessant werden könnte, oder es schon ist." Er schaut zu mir, dabei wirkt sein Gesichtsausdruck fragend. „Was ist hier eigentlich los?"

Doch von mir kann er keine Antwort erwarten. Dafür antwortet jemand anderes.

„Irgendjemand hat sie angegriffen und ich habe ihn verjagt", antwortet Kaia an meiner Stelle.

„Wieso greift dich jemand an?" Gasard schüttelt unfassend den Kopf. „Wie geht denn das, sich in so kurzer Zeit Feinde zu verschaffen."

Indem man zur falschen Zeit am falschen Ort ist, hätte ich ihm gerne geantwortet.

Außerdem würde ich ihnen gerne alles erzählen. Von Tosa und ihrem Freund, von meiner Vermutung, dass beide hinter dem Giftanschlag stehen, und den Angriff auf mich. Damit endlich alles ein Ende hat und ich keine Angst mehr habe, dass so etwas erneut geschieht.

Mein Körper zittert leicht vor Angst, als der Blonde es bemerkt, tätschelt er beruhigend meinen Kopf.

„Wie macht man das?", rätselt Gasard immer noch. „Das schafft doch noch nicht mal Torsos."

Während er das sagt, kommt er langsam zu mir. Als er den Verband an meinem Hals sieht, erkundigt er sich kurz bei der jungen Frau, die mich versorgt hat, ob es schlimm ist.

„Torsos schafft das schon innerhalb einer Minute und braucht nicht mal seinen Namen nennen", wirft Kaia lachend ein und unterbricht damit die junge Frau.

Gasards Blick wandert zu ihr, dann schüttelt er seinen Kopf. „Ihm ist zwar viel zuzutrauen, aber das schafft er sicher nicht." Er schaut zu mir. „Die beiden Herren …" Er deutet auf die beiden jungen Krieger, die mit ihm gekommen sind. „… heißen Koro und Waro. Sie sind beide Spezialisten im Nahkampf und werden darauf aufpassen, dass dir nichts passiert. Außerdem haben sie die Anordnung nur bestimmte Personen zu dir zu lassen. Da du hier noch niemanden kennst, werde nur ich hin und wieder nach dir sehen." Er seufzt laut auf. „Falls ich dazu Zeit finde."

„Wenn du nicht da bist, dann werde ich ihr die Zeit vertreiben", ruft Otscharsan, dabei lächelt er mich an.

„Vergiss es!", ruft Gasard laut, worauf ihn der Blonde verwundert ansieht. „Du bringst Janine nur irgendeinen Blödsinn bei."

„Aber ich besuche sie", ruft Kaia freudig.

Gasard wirbelt zu ihr herum und sieht die zierlich Rothaarige streng an. „Nein!", kommt es von ihm. „Dass du nicht in ihre Nähe kommst, dafür sorge ich schon!"

Wieso er so dagegen ist, dass sie mich besucht?

Dabei hätte ich es so gerne und würde es schön finden.

Auch wenn ich bisher nur höre, sie sei eine launische Zicke, finde ich sie ganz nett und verstehe nicht, wie die anderen so eine Meinung von ihr haben können. Außerdem vertreibt sie mir sicherlich die Langeweile.

„Was hier passiert ist, kannst du mir erzählen, wenn es dir besser geht", kommt es lächelnd von Gasard. „Aber jetzt ruh dich erst einmal aus." Sein Blick wandert mit der stummen Aufforderung das Zimmer zu verlassen zu den Anwesenden.

Die beiden Krieger kommen dieser sofort nach.

Sie verneigen sich höflich vor den Ranghöheren und verlassen dann stumm den Raum.

Otscharsan steht vom Stuhl auf, mit einem Zwinkern sagt er: „Werd schnell wieder gesund, dann zeig ich dir, wie man hier richtig Spaß haben kann."

„Hab ich nicht vorhin was gesagt?", bemerkt Gasard mit strengem Ton in der Stimme. Ein Ton, den der Blonde einfach ignoriert. Er verlässt mit einem Winken das Zimmer.

„Ich leiste ihr noch etwas Gesellschaft!", ruft Kaia energisch. Sie springt auf und kommt zu mir, um sich auf den Stuhl zu setzten, auf dem vorhin Otscharsan saß, doch Gasard versperrt ihr den Weg.

„Janine soll Ruhe haben", ermahnt er sie. „Dieses Wort ist dir vollkommen fremd!"

„Ich bin ja ruhig!", brummt sie trotzig. „Und ich werde mich ganz sicher benehmen."

Manchmal benimmt sie sich wie ein kleines Kind, geht es mir durch den Kopf. Aber es ist auch lustig.

Gasard hebt seine Augenbrauen. „Du verlangst doch nicht, dass ich dir das glaube?" Von Kaia kommt sofort ein energisches Nicken. „Du bleibst ganz sicher nicht ohne Aufsicht hier."

Unter Protest und vielen Androhungen von ihr schleppt Gasard die zierliche Frau, die sehr viel Energie in sich hat, regelrecht aus dem Raum.

Kurz danach betritt eine Gruppe von Frauen mein Zimmer.

Von ihnen bekomme ich noch eine Spritze, ein Schlafmittel. Langsam werde ich immer müder, bis ich einschlafe. Erst dann untersuchen sie mich.

Erst als eine junge Frau eintritt, erwache ich wieder.

Ihr langes, glattes, blondes Haar reicht ihr fast zum Po, ihre blauen Augen liegen freundlich auf mir, auf ihren vollen Lippen liegt ein nettes Lächeln. Sie ist ein paar Zentimeter kleiner als ich. Dass lange, weiße Kleid, dass sie trägt, liegt sehr eng an ihrem schlanken Körper.

In ihren Händen hält sie ein Schälchen.

Sie soll mir ab jetzt mein Essen bringen, sagt sie mir. Ihr Name lautet Tarisa.

Aber sie bringt es nicht nur, sie füttert mich auch, da es mir schwerfällt, selbst zu essen.

Sie ist nett und hat immer ein Lächeln auf den Lippen, dennoch fällt es mir nach dem, was passiert ist, schwer, ihr zu vertrauen. Auch sonst habe ich Angst, trotz den beiden Kriegern, die vor meinem Zimmer Wache halten.

Es geht einfach nicht. Immer wenn ich die Augen schließe, sehe ich die Gestalt vor mir. Die Silhouette eines Mannes, der über mir steht, und versucht mich zu erwürgen.

Und wenn ich mal schlafe, dann wache ich meist schweißgebadet aus einem schrecklichen Alptraum auf.

Nicht einmal als Tage vergangen sind, bessert es sich.

Die Einzigen, denen ich vertraue, sind Kaia, Gasard und Otscharsan.

Nur leider besuchen sie mich sehr selten in den Tagen. Gasard hat als Torsos Vertretung sehr viel zu tun, dazu kommt noch, dass er Otscharsans Fehler beheben muss. Ein Grund, weswegen mich Otscharsan ebenfalls so selten besucht. Höchstens mal kurz nach seiner Arbeit. Er hat noch sein Team, um das er sich kümmern muss.

Und Kaia. Der wurde die Befugnis meines Zimmers genommen. Nur als Gasards oder Otscharsans Begleitung besucht sie mich.

Etwas, dass mir selbst zu übertrieben vorkommt.

Der Einzige, der mich absolut nicht besuchen kommt, ist Mak. Gasard hat gemeint, als ich nach ihm gefragt habe, er hätte sich Urlaub genommen, weil er ja nicht mehr auf mich aufpassen muss. Das wäre seine Belohnung dafür.

Wenn ich ehrlich bin, irgendwie fehlt er mir.

 ***

So vergehen die nächsten drei Tage voller Langweile, in denen ich nichts anderes kann, als die Decke meines Zimmers anzustarren. Dazu kommt, dass ich in der Zeit kaum geschlafen habe.

Auch bringe ich Tarisa nach den drei Tagen immer noch sehr viel Misstrauen entgegen, auch wenn sie so nett scheint und immer ein Lächeln auf den Lippen hat.

Die beiden Krieger habe ich auch näher kennengelernt.

Koro ist 24 Jahre alt und ein ziemlich süßer Kerl. Sein Haar ist braun und kurz, seine braunen Augen wirken nett. Er ist etwas kleiner als ich, eine Tatsache, die ihn nicht gerade glücklich stimmt, da er immer klagt der Kleinste zu sein, egal, in welches Team er kommt.

Ich musste dabei schmunzeln, als er mir davon berichtet hat.

Dafür hat er aber schon viel erreicht. Stolz hat er mir erzählt, dass er demnächst die Leitung des Teams übernimmt, in dem er gerade ist. Sein Vorgesetzter geht in Ruhestand und hat ihn dazu ausgewählt.

Der zweite der Männer, Waro, ist etwas größer und älter als sein Kollege. Sein Haar ist von dunklerem Braun und kürzer. Auch seine Augen sind braun.

Er hat mir etwas von ihrem Kommandanten erzählt, und dass dieser die Jungs aus seinem Team gerne mal ausnimmt.

Interessant klingt es.

Besonders, dass dieser Mike auch angeben soll, selbst Torsos mal ausgenommen zu haben.

Etwas an meinem Befinden hat sich in der Zeit auch gebessert.

Meine Stimme ist zurückgekehrt, auch wenn mir das Sprechen noch schwer fällt, besonders durch die starken Halsschmerzen, die ich habe. Die Schwester hat dazu gesagt, dass es noch eine Weile anhält. Auch meine Verletzungen benötigen einige Wochen, bis sie verheilt sind.

Aber wenigstens lebe ich noch, deswegen bin ich ja auch froh.

Während ich hier liege, wandern meine Gedanken zurück in das Gefängnis.

Wie es Moriphos und Nora geht?, frage ich mich.

Besonders was den Zeitstürmer betrifft.

Er hat sich ja scheinbar als mein Beschützer übernommen, so oft, wie er dank mir schon etwas abbekommen hat. Dazu noch der Verdacht, ich sei eine Spionin.

Ich hoffe nicht, dass er das glaubt und ich hoffe, dass ich eine Chance bekomme, ihm zu sagen, wie Leid es mir tut, was ihm als mein Beschützer schon alles passiert ist.

Auch hoffe ich, Nora geht es gut.

Die Typen sahen nicht gerade danach aus, als ob sie kein Interesse an ihr hätten. Aber Musator beschützt sie ja.

Vielleicht sollte ich Gasard nach beiden fragen.

Während ich über das Vergangene nachdenke, wird meine Tür geöffnet. Wie immer um die Zeit bringt mir Tarisa mein Essen. Dieses Mal ist sie nicht alleine.

In ihren Händen hält sie ein Schälchen, das ihr sofort nach ihrem Eintreten von einer Männerhand abgenommen wird.

„Ich nehme dir heute mal die schwere Arbeit ab, meine Liebe."

Die junge Frau wirbelt zu dem Mann herum, dabei wandelt sich ihr sonst so fröhliches Lächeln in Zorn. Etwas, das ihn dagegen kaum beeindruckt.

Er drängelt sich einfach an ihr vorbei und geht in mein Zimmer.

Zwei grüne Augen sehen mich freundlich an, auf seinen Lippen liegt ein nettes Lächeln. Ein Lächeln, das sicherlich dazu fähig ist so manches Frauenherz im Sturm zu erobern, geht es mir durch den Kopf.

„Hey Janine, geht's dir besser?", will Otscharsan von mir wissen.

Er setzt sich auf den Stuhl, der neben meinem Bett steht, das Schälchen stellt er auf den Tisch daneben.

Ich bin glücklich, dass er mich besuchen kommt, dass mache ich ihm auch sofort deutlich, indem ich ihn regelrecht anstrahle.

„Otscharsan!" Die Blondine ist zu uns gekommen, jetzt sieht sie ihn zornig an, dabei stemmt sie ihre Hände in die Hüften. „Ich habe die Anordnung niemanden zu ihr zu lassen!"

„Ich bin doch kein Niemand!", kommt es mit einem zauberhaften Lächeln auf den Lippen von ihm. „Außerdem weißt du doch, dass ich ein richtig netter Kerl bin, der ihr ganz sicher nichts Böses will. Da brauchst du sie nicht vor mir beschützten."

Etwas, dass ich nur bestätigen kann. Sie dagegen scheinen seine Worte nur zu verwirren.

Unfassend starrt sie ihn regelrecht an. „Vor dir muss man doch alles beschützen, das weiblich ist", regt Tarisa sich auf. „Ich habe meine Anweisungen und eine davon lautet, dich nicht mitzunehmen."

Mein Blick wandert verwirrt von ihm zu ihr.

„Dann sind deine Anweisungen veraltet." Otscharsan geht zu ihr und baut sich vor ihr auf. „Ich hab noch mal mit Gasard geredet und darf sie jetzt besuchen, auch ohne die Beiden draußen bestechen zu müssen." Beim Letzten zwinkert er mir zu.

„Dennoch, mir wurde noch nichts anders angewiesen, also verschwinde!", geht sie ihn zornig an.

Was zwischen den beiden los ist?, frage ich mich. Ich finde es schön, wenn er mich besucht, etwas, dass ich ihr auch sage.

„Ich möchte, dass er hier bleibt." Meine Stimme ist nur ein heißeres Krächzen und durch die Schmerzen in meinem Hals muss ich öfters eine Pause zwischen den Worten einlegen. Dennoch spreche ich weiter. „Ich mag Otscharsan und fände es schön, wenn er mir etwas Gesellschaft leistet."

Otscharsans Blick, der jetzt auf mir liegt, wirkt besorgt. „Hast du sehr starke Schmerzen?", erkundigt er sich bei mir.

Etwas worauf ich nur nicken kann. Ein gequältes Lächeln huscht über meine Lippen, als ich weiter spreche. „Das Sprechen fällt mir schwer, außerdem schmerzt mein ganzer Körper."

„Armes Mädchen." Ein Seufzen dringt über seine Lippen. Er kommt zu mir, seine Hand legt sich auf meinen Kopf. Saft streicht er darüber, um mich zu trösten.

„Du kennst ihn nicht und weißt nicht, wie er in Wirklichkeit ist", sagt Tarisa an mich gewandt. Ihre Stimme zittert regelrecht vor Wut. „Jetzt spielt er doch nur den netten Kerl!" Anschuldigend sieht sie zu Otscharsan, von dem darauf ein Seufzen kommt.

„Tarisa." Otscharsan geht langsam zu ihr. Ein nettes Lächeln bildet sich auf seinen Lippen. „Ich bin wirklich nur hier, um zu wissen, wie es ihr geht."

„Wer's glaubt!", schnaubt sie ungläubig auf. Ihren Blick wendet sie dabei von ihm ab.

„Du brauchst sie wirklich nicht vor mir zu beschützen", beteuert er. „Außerdem ist sie nur ein kleines Mädchen." Genau bei diesem Satz, sehe ich ihn zornig und eingeschnappt an.

Sie dagegen schaut ihn wieder an. Misstrauen liegt in ihrem Blick.

Auch wenn ich nicht gerade begeistert von seinem Spruch bin, folge ich neugierig dem Geschehen. Was zwischen den Beiden wohl abläuft?

Otscharsans Hand fährt sanft über ihre linke Wange, dass Lächeln auf seinen Lippen wirkt richtig nett. „Hör auf so wütend drein zu blicken, dein Lächeln steht dir besser."

Sofort errötet Tarisa leicht. Sie wirkt konfus und sprachlos, doch nach einer Weile dringt ein Seufzen über ihre Lippen. „Ich will sie nur warnen." Ein kurzes Lächeln huscht über ihre Lippen, bevor sie das Zimmer verlässt.

Der Blonde schaut ihr noch eine Zeit lang nach, bevor er wieder zu meinem Bett kommt. Mein Blick wirkt die ganze Zeit fragend.

„Du fragst dich sicher, was das eben war?" Ich nicke, bereue es aber sofort wieder. „Tarisa und ich waren für eine kurze Zeit zusammen, das ist noch nicht lange her", erklärt er mir, während er sich an mein Bett setzt. Seine Hand greift zu dem Schälchen, um mich damit zu füttern. „Akara hat dir die Ration von Torsos zugeteilt, da er ja zurzeit nicht da ist."

Neugierig beobachtet er mich, während ich den Schluck mit schmerzverzerrtem Gesicht herunter schlucke. Auch wenn es schmeckt, schmerzt mein Hals bei jedem Bissen.

„Schmeckt es denn?", erkundigt sich der Blonde.

„Lecker", antworte ich instinktiv. Trotz der Halsschmerzen lächle ich ihn an.

Ein Seufzen dringt über Otscharsans Lippen. „Ich lass dich besser noch etwas mit meinen Fragen in Ruhe."

Mein Blick wirkt niedergeschlagen. Ich würde mich ja gerne mit ihm unterhalten, wenn nur diese verdammten Halsschmerzen nicht wären.

Nur eine Frage, die kann ich mir einfach nicht verkneifen. Zu neugierig bin ich einfach auf die Antwort darauf.

„Wieso hat Tarisa so reagiert?", will ich wissen. „Wozu war die Warnung?" Ich mache eine Pause und greife mir an den schmerzenden Hals, bevor ich weiter spreche. „Ich finde es nur komisch. So benimmt man sich doch nicht, nur weil man mal zusammen war."

„Stimmt!" Otscharsan fährt sich durchs Haar und wirkt leicht verlegen. „Wären wir einfach nur zusammen gewesen und hätten irgendwann Schluss gemacht, würde sie nicht so reagieren." Er füttert mich weiter mit dem Brei, dann seufzt er. „Bitte denk jetzt nichts Schlechtes von mir."

Neugierig sehe ich ihn an.

„Einige von uns lieben es Wetten abzuschließen", sagt er im verlegenen Ton. Davon habe ich ja schon gehört. Dennoch lausche ich ihm gespannt. „Die Letzte war eine, bei der es darum geht, so viele Frauen wie möglich zu erobern."

„Und du findest diese Wette sicherlich so schlimm, dass du unbedingt an der Spitze stehen musst." Auch wenn ich es sofort bereue, den Kommentar kann ich mir nicht verkneifen. Mit einem vor Schmerz verzerrten Gesicht sehe ich ihn an, dennoch bin ich neugierig auf seine Antwort.

Otscharsan beginnt sofort laut aufzulachen. „Ich führe zwar nicht, aber recht hast du trotzdem", antwortet er mir, dabei fährt seine Hand über meinen Kopf.

Dass er dabei so viel Erfolg hat, wundert mich kaum. Er ist immerhin ein toller Mann. Auch kann ich Tarisas Verhalten jetzt besser verstehen.

„Aber das Thema lassen wir besser" Ein Nicken kommt von mir.

Otscharsans Blick wirkt neugierig, beim Nächsten, was er sagt. „Nur eine Frage habe ich noch." Abwartend liegt mein Blick auf ihm, bis er weiter spricht. „Hast du eine Ahnung, wer dich angegriffen haben könnte?", lautet seine Frage. „Du bist noch nicht so lange hier, da kann ich mir nicht vorstellen, dass du dir in so kurzer Zeit Feinde machen konntest."

Mein Blick wirkt ängstlich und bedrückt. Eigentlich will ich mit Gasard darüber reden, auch wenn ich mir nicht total sicher bin. Aber er hat auch recht. Wer könnte sonst daran Interesse haben, mich los zu werden? Dafür bin ich zu kurz hier.

Außerdem war Kyles Verhalten, als mich die Gefangenen angriffen, eindeutig.

„Ich habe eine Vermutung", antworte ich ihm nach kurzem zögern.

Aber was soll mir noch groß passieren?

Die beiden Krieger halten vor meiner Tür wache, dazu wird mich sicher Otscharsan beschützen.

Es ist besser, alles hat jetzt ein Ende.

„Vor ein paar Tagen habe ich eine Beobachtung gemacht." Ich mache eine kurze Pause und versuche den Schmerz zu unterdrücken, auch wenn es mir schwerfällt. Der Blonde neben mir, wirkt zwar immer noch neugierig, geht aber los, um mir ein Glas Wasser zu holen. Er nimmt gerade ein Glas aus dem Schrank, als ich weiter spreche. „Ich habe Tosa mit einer der Wachen gesehen." Beim Klang ihres Namens hält Otscharsan inne, eine Tatsache, die mich zuerst verwundert, dennoch fahre ich fort. „Er hat ihr einen grünen Anhänger geschenkt, ein Tage nach dem Giftanschlag war der Anhänger farblos. Dazu kommt noch ihr merkwürdiges Verhalten, als es mir aufgefallen ist. Als hätte sie etwas zu verbergen."

„Du meinst Tosa hätte etwas damit zu tun?" Otscharsan wendet sich an mich, sein Blick wirkt nun verwirrt und ungläubig.

Es irritiert mich und verunsichert mich, was man meinem Ton auch anmerkt. „Nur der Giftanschlag", antworte ich ihm. Sein Blick wandelt sich in Wut, seine Hand, in der er das Glas hält, zittert vor Zorn. „Diese Wache hat den Gefangenen sicher auch von meinem Armreif berichtet." Unter Otscharsans Blick wirkt meine Stimme kleinlaut und nicht mehr so anschuldigend wie zuvor.

Was ist nur plötzlich mit ihm los?

„Das ist Schwachsinn!", geht Otscharsan mich so wütend an, dass er mir Angst macht. Das Glas in seinen Händen hält er dabei viel zu fest. Unter seinem Griff zerspringt es in tausend Stücke. „Tosa würde so etwas nie machen! Wahrscheinlich hast du dummes Ding einfach nicht aufgepasst und den Armreif irgendjemandem gezeigt."

Es verwirrt mich, dass er so reagiert. Was ist nur los mit ihm? Bis eben war er doch so nett zu mir und hat ernsthaft besorgt gewirkt.

Jetzt dagegen wirkt er, als würde er mir am liebsten sofort an die Kehle gehen.

Etwas anderes beunruhigt mich.

Von seiner vor Zorn geballten Faust aus, läuft ein kleines, rotes Rinnsal seine Finger entlang. Rötliche Tropfen fallen auf die Scherben herab, die am Boden verteilt liegen.

„Es wissen nur zwei davon und die würden niemals …" Weiter lässt er mich nicht kommen.

„Und woher willst du das so genau wissen?", geht er mich an. „Da unten hätte keiner Hemmungen einen anderen zu verkaufen. Wieso bist du dir so sicher, dass es keiner von beiden war?"

Zorn steigt in mir auf.

„Ich bin mir genauso sicher, wie du, dass Tosa nichts mit der Sache zu tun hat!", entgegne ich ihm.

Mein Gesicht verzerrt sich vor Schmerz, meine Hände fahren über meinen Hals. Verdammt! Ich sollte besser das Streiten auf einen Tag verlegen, an dem mir nicht bei jeder Silbe, die aus meiner Kehle dringt, mein Hals wie Feuer brennt.

„Du hast ja auch so viele brauchbare Beweise dafür!", schnaubt Otscharsan auf. Er wirkt zwar immer noch wütend, hat sich aber deutlich beruhigt. Sein Blick wandert auf seine Hand, aus der er ein paar der größeren Scherben herauszieht. „Tosa ist ein liebes Mädchen, solche Anschuldigungen ohne richtige Beweise glaubt dir eh niemand."

„Deswegen wollte ich so bald wie möglich mit Gasard darüber reden."

„Das machst du ja nicht!" Otscharsans Blick, der jetzt auf mir liegt, lässt mich zusammenzucken, erst vor Schreck, dann vor Schmerz. Automatisch wandert meine Hand zu meinen schmerzenden Rippen. Als ich wieder zu ihm sehe, wirkt sein Blick voller Panik.

Was ist nun los? Weswegen verhält er sich so?

Doch nach einer Weile beruhigt er sich wieder.

„Entschuldige", kommt es reumütig von ihm. Er schaut dabei bedrückt zu Boden. Als er nach einem kurzen Augenblick wieder zu mir aufsieht, wirkt Otscharsan regelrecht flehend. „Bitte sag niemanden etwas von deiner Vermutung."

Er kommt zu meinem Bett und lässt sich seufzend auf den Stuhl fallen.

„Tosa ist meine Halbschwester, da kann ich solche Worte einfach nicht glauben." Während er das sagt, liegt sein Blick auf seiner blutenden Handfläche. Mithilfe des Bedienfeldes öffnet er ein Fach mit Verbandsmaterial, dass er jetzt für seine Hand nimmt.

Neugierig betrachte ich ihn. Das Tosa seine Schwester ist, verwirrt mich zwar, jetzt kann ich ihn aber verstehen. Dennoch bin ich mir so sicher, dass sie mit dahinter steckt.

„Ich will erst einmal mit ihr reden."

Mit einem Nicken gebe ich mich geschlagen. Er hat ja recht. Otscharsan ist immerhin sogar mit Torsos befreundet, da brauche ich wirklich bessere Beweise als meine Beobachtung.

Doch zu einem Okay komme ich nicht mehr.

„Was soll das?", dringt eine weibliche Stimme an mein Ohr, sobald sich die Tür geöffnet hat. „Wieso wird mir überall der Zutritt verweigert?" Sie läuft vor ihren Begleiter und bringt ihn zum Stoppen, indem sie vor ihm stehen bleibt. Ihr Blick liegt dabei wütend auf ihm. „Ich wollte heute die Rekruten trainieren und stelle fest, dass ich keine Berechtigung für den Bereich habe."

„Du wolltest die Rekruten trainieren?" Gasard hebt die Augenbrauen und sieht sie ungläubig an, worauf sich ihr wütender Blick in ein lichtes Drohen wandelt, scheinbar ahnend, was er sagen will. Ein Nicken kommt von ihr. „Das was du meinst ist quälen." Unbeeindruckt von ihr, schiebt er sie einfach zur Seite und tritt dann ein.

Mir ist schon aufgefallen, dass die Beiden kein sehr herzliches Verhältnis haben. Nur die Frage nach dem Wieso stelle ich mir immer noch.

Während ich die Beiden verwundert anschaue, grinst Otscharsan sie nur an.

Gasard bleibt vor meinem Bett stehen. Ein Lächeln liegt auf seinem Gesicht, als er mich anschaut. „Geht es dir besser?"

Ich nicke, das Antworten dagegen übernimmt Otscharsan für mich. Er setzt den Rothaarigen kurz ins Bild.

„Arme Janine." Kaia kommt auch an mein Bett, ihre Miene wirkt dabei besorgt. Als sie bei mir ist, tätschelt ihre zierliche Hand zuerst meinen Kopf. „Wenn der blöde Gasard meine Berechtigung für bestimmte Bereiche nicht so sehr eingeschränkt hätte, dann würde ich auch häufiger zu dir kommen." Beim letzten Satz wirft sie Gasard einen feindseligen Seitenblick zu.

Dafür, dass sie von derselben Rasse abstammen sollen, scheinen sie sich ja gar nicht leiden zu können.

„Das ist nur zum Schutz!", erklärt Gasard. Kaias Blick ist erfüllt von Zorn, während ich aufhorche. „Zum Schutz der Besatzung vor dir."

„Wenn ich nur daran denke, was Kaia für ein Chaos angerichtet hat, als Torsos das letzte Mal so lange weg war", wirft Otscharsan ein, worauf er sich einen zornigen Blick von der kleinen Rothaarigen einfängt. Am Ende sieht sie aber nur schmollend zum Boden.

„Und was Janine betrifft." Gasards schaut dabei streng zu Kaia, deren Blick jetzt kurz und mit einem Funken von Hoffnung erfüllt zu ihm wandert. „Zu der kommst du nicht ohne Begleitung. Sie ist verletzt und braucht Ruhe. Etwas, zu dem du nicht fähig bist!"

„Ich bin ruhig!", ruft Kaia energisch.

„Das hör ich!", schnaubt Gasard auf.

„Dieser blöde Gasard!", brummt Kaia leise. Sie lässt einen weiteren Stuhl auf der anderen Seite meines Bettes erscheinen, auf den sie sich trotzig fallen lässt. „Der wird schon sehen, was er davon hat!"

Eine Bemerkung, über die Gasard nur kurz die Augenbrauen hebt und dann den Kopf schüttelt. Ich dagegen muss leicht kichern, auch wenn das damit endet, dass mein Hals und meine Rippen schmerzen.

Gasard wendet sich an mich. „Ich komm hierher, weil ich dich etwas fragen will." Eigentlich braucht er nicht weiter sprechen, mir ist schon klar, was er von mir wissen will. Etwas, auf das mein Blick zu Otscharsan wandert. „Weißt du, wer dich angegriffen hat?"

Aus dem Blick des Blonden spricht ein stummes Flehen.

Ich habe so die Ahnung, dass ich es bereuen werde, dennoch erfülle ich seinen Wunsch. Ich gebe ihm die Chance mit seiner Schwester zu reden. Auch wenn ich nicht glaube, dass sie an der ganzen Sache unschuldig ist, haben seine Worte in mir einen geringen Zweifel geweckt.

Außerdem ist eh fraglich, ob meiner Vermutung nachgegangen wird.

So ist meine Antwort ein Kopfschütteln, dass für Kaia und Gasard eine Enttäuschung scheint, Otscharsan dagegen beruhigt.

„Sei unbesorgt Janine, wir finden denjenigen sicher, der dich angegriffen hat", sagt Gasard. „Bis dahin beschützen dich die beiden Krieger. Und wenn es dir besser geht, ist sicher ein Zimmer für dich frei."

„Welches wollt ihr Janine eigentlich geben?", erkundigt sich Otscharsan bei Gasard.

Doch nicht der Rothaarige antwortet, sondern ein zierliches Energiebündel mit einer sehr lauten Stimme.

„Das neben meinem!", ruft Kaia und wirkt dabei begeistert.

Etwas, das Otscharsan zuerst zu verwirren scheint. „Neben dir, da hab ich mein Zimmer, auf der anderen Seite Mike." Sein Blick wandert zu Gasard, dabei lacht er amüsiert auf. „Das arme Mädchen! Die ist dann doch sicher noch im nächsten Jahr auf der Krankenstation." Eine Bemerkung, die mich verwirrt. „Hoffst du wirklich, der rauft sich mit seiner Frau in der nächsten Zeit mal zusammen? Wenn die mal zu Besuch in der Station ist, das merkt man doch sogar in der Todeszone."

„Er hat versprochen, dass er bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu seiner Frau zieht", kommt es von Gasard.

„Und dann meldet er sich sicher eine Woche später wieder in der Station und fragt, ob wir ihn aufnehmen." Otscharsan lacht immer noch darüber.

„Torsos hat gesagt, ist er einmal raus muss er irgendwie mit seiner Frau klarkommen", kommt es von Gasard. „Aber sein Sohn hat auch schon darum gebeten, dass wir Mike auf der Station behalten. Der befürchtet, am Ende steht sein Vater bei ihm und bittet um Unterkunft."

„Der arme Junge!", kommt es von Otscharsan. „Aber anhand von den Beiden kann man sich ausmalen, wie es wahrscheinlich aussehen würde, wenn ihr beiden euch mal zusammentut und über Kinder nachdenkt."

„Das passiert sicher nicht!", kommt es ungerührt von Gasard.

„Niemals!", ruft Kaia energisch.

„Klingt ja alles lustig", ist meine Bemerkung, auch wenn ich nicht wirklich folgen kann. Aber ich denke, dass ich einiges mitbekommen werde, sobald ich nicht mehr auf der Krankenstation bin. Interessant scheint es ja.

„Oh Janine, dir gefällt's hier sicher!", kommt es vergnügt von Kaia. „Mit den Jungs wird's echt nie langweilig!"

Es scheint mir jedenfalls ganz amüsant hier zu sein.

„Janine", macht Gasard auf sich aufmerksam. Auf seinen Lippen liegt ein Lächeln, dennoch wirkt seine Mine ernst. „Ich hab dir doch gesagt, dass Torsos angeordnet hat, dass deine Mutter gut behandelt wird." Ich nicke. „Vor ein paar Tagen hat er mit ihr gesprochen und die Wachen haben sich bis dahin daran gehalten."

Das ist eine schöne Antwort, auch wenn sie eine Frage nach sich zieht.

Wie sehr ich auf ein ‚Ja' hoffe.

„Darf ich sie denn wieder besuchen?"

„Da musst du aber diesmal Torsos bitten", sagt er. Sein Lächeln verschwindet und ein Seufzen dringt über seine Lippen. „Da ich seine Arbeit übernommen habe, kann ich auch nicht länger bleiben und muss wieder gehen."

„Ich leiste ihr noch etwas Gesellschaft!", ruft Otscharsan strahlend.

Kaia hüpft regelrecht auf ihrem Stuhl herum, während sie laut ruft: „Ich auch! Ich auch!"

„Ich sag besser nichts dagegen!", kommt es seufzend von Gasard. „Aber nur unter einer Bedingung!" Dabei sieht er Otscharsan streng an. „Du musst aufpassen, dass unsere herzallerliebste Kaia schön brav bleibt!"

„Ich bin doch immer brav!", ruft Kaia eingeschnappt.

Otscharsans Blick wandert kurz ratlos zu Kaia. „Und wie soll ich das anstellen?"

„Dein Problem!", sagt Gasard. Langsam geht er zur Tür. „Bis später Janine", ruft er mir noch zu, bevor er das Zimmer verlässt.

„Kaia hörst du, schön brav sein!", ruft Otscharsan und grinst sie dabei an.

Der Rotschopf streckt ihm nur die Zunge raus. „Hör auf, sonst glaubt Janine noch, ich sei so schrecklich, wie ihr alle behauptet."

Otscharsan hebt die Augenbrauen. „Seit wann du das nicht bist, würde mich mal interessieren."

Kaia sieht ihn wütend an, er dagegen lehnt sich nur an den Stuhl und schaut zur Decke.

„Ich sag nichts mehr, sonst muss ich hier noch um mein Leben fürchten", ruft er nur kurz mit einem Lachen.

Eingeschnappt wendet sie sich von ihm ab.

Ich habe ja von Mak schon gehört, dass sie hier einen schlechten Ruf hat, auch wenn ich es immer noch nicht glauben kann. Leicht eingeschnappt, das ist sie jedenfalls. Aber das große Biest habe ich noch nicht erlebt.

„Hier ärgert mich halt jeder gerne", erklärt sie mir. „Der da besonders." Dabei deutet sie auf Otscharsan.

„Ich ärger dich nicht, ich sag nur die Wahrheit", wirft Otscharsan ein.

Kaia streckt ihm erneut die Zunge raus, worauf Otscharsan zu grinsen beginnt. Ich dagegen kann mir ein Kichern nicht verkneifen, trotz der Schmerzen.

Die restliche Zeit erzählen die Beiden mir etwas über die Station und über das, was sie schon erlebt haben.

Interessiert lausche ich ihren Geschichten und in meinen Ohren klingt das alles so aufregend.

Vieles davon handelt auch von Torsos. Während Kaia deutlich von ihm schwärmt, erzählt Otscharsan von einem Freund. Aber bei einem sind sich beide einig. Torsos soll die Untergebenen auf der Station, jedenfalls ein Kreis aus den hochrangigsten von ihnen, wie Freunde behandeln und auch versuchen, seinen Untergebenen ein unbesorgtes Leben zu bereiten.

Wenn das stimmt, wieso wird er dann von so vielen gehasst?, frage ich mich. Jedenfalls habe ich etwas in der Richtung gehört.

Aber ich lerne ihn sicher demnächst persönlich kennen.

Ich bin so neugierig auf ihn.

Kaia und Otscharsan bleiben noch bis zum Abend bei mir, dann bin ich wieder alleine in meinem Krankenzimmer. Bevor Otscharsan geht, sagt er mir noch, er hätte mich gerne dabei, wenn er mit seiner Schwester spricht.

Dann bin ich doch mal gespannt auf dieses Gespräch.

 ***

Dass Tosa Otscharsans Schwester ist, beruhigt mich wenig. Ich glaube weiter, dass sie etwas damit zu tun hat.

Außerdem hab ich so ein schlechtes Gefühl dabei, über die Sache zu schweigen. Ich finde es besser das Gasard der Sache nachgeht aber ich will auch nicht Otscharsan damit verletzen.

Mein Schweigen ist sicher ein Fehler. Doch ich tue es.

Latest chapters

Related Books

Popular novel hashtag