Mak ist ein Schwein, das merkte ich spätestens nach dieser Nacht.
Dieser augenscheinlich harmlose Drink, den er mir gegeben hat, verfehlte seine Wirkung wirklich nicht. Wie soll ich diesen Tag nur heil überstehen?
***
Wie schon am letzten Morgen werde ich auch heute von einem blonden Mann geweckt.
„Guten Morgen meine Liebe", grüßt er mich, mit einem Lächeln auf den Lippen und einer heiter klingenden Stimme.
Gott, wie kann man an so einem Morgen nur so fröhlich drauf sein?, frage ich mich. Während es ihm sehr gut geht, fühle ich mich dagegen hundeelend. Nicht nur, dass ich die ganze Nacht mehr neben der Toilette in meiner Zelle gelegen habe, als auf der Liege, wegen einer unbeschreiblichen Übelkeit; mich plagen auch noch monströse Kopfschmerzen. Dazu kommt, dass ich dadurch diese Nacht kaum Schlaf gefunden habe.
Meine Augen halte ich geschlossen, aber wenn ich ehrlich bin, öffnen will ich sie auch gar nicht. Stattdessen lasse ich nur ein Grummeln von mir kommen, dass irgendwo schon eine Ähnlichkeit mit einem ‚Ich will nicht!' hat.
„Ich schau später noch einmal vorbei", kommt es seufzend von ihm. Er scheint zwar verwundert über meine Reaktion, hat aber scheinbar nicht mitbekommen, dass es nicht gerade am fehlenden Enthusiasmus liegt, wie er sicherlich meint, sondern mehr an diesem verdammten Kater, den ich Mak zu verdanken habe.
Mein gegrummeltes ‚Bloß nicht!', hat er nicht mehr gehört.
Das Einzige, was ich an diesem Morgen noch zustande bringe, ist es, meinen Kopf unter meinem Kopfkissen zu vergraben.
Dieser miese Kerl hatte mich im Glauben gelassen, das Zeug wäre Saft. Ich weiß noch davon, dass er und Musator über etwas getuschelt haben. Nur worüber war das noch mal?
Ja genau, die Ohrfeige, die ich ihm gab und dass ich ihm vor den Männern als Spanner habe dastehen lassen. Aber dafür habe ich doch nicht wirklich so etwas verdient! Besonders, da alles gerechtfertigt gewesen ist.
Allerdings weiß ich nicht, was danach noch weiter passiert ist.
Die Männer haben ein paar harmlose Trinkspielchen gespielt und sich mit mir unterhalten. Das Nächste, an das ich mich erinnere, ist die Toilette und wie ich drüber hing.
Was ist nur dazwischen passiert?, frage ich mich. Ich kann mich einfach nicht mehr daran erinnern.
„Jetzt munter?" Wie er gesagt hat, ist Otscharsan wieder gekommen, doch diesmal klingt seine Stimme anders. Besorgnis liegt darin, besonders nach meiner deutlichen Antwort. Er steht in der Tür zu meiner Zelle und betrachtet mich.
„Nein!", dringt es, durch das Kissen gedämpft aber mit deutlich mies gelauntem Tonfall zu ihm.
„Lass das Mädchen einfach hier", mischt sich jetzt Musator ein, der mit den anderen Männern vor meiner Zelle steht. „Glaub mir, es ist besser so, wenn du sie heute nicht mitnimmst."
„Ist sie krank?", erkundigt sich Otscharsan bei dem Dicken. Ohne dabei den besorgen Blick von mir zu nehmen.
„Sie mag sich zwar im Moment sicher so fühlen, aber krank ist sie wirklich nicht", antwortet Musator ihm. Aus seinem Blick spricht keine Besorgnis, sondern Bedauern über meine Lage. „Sie hatte nur ein paar Gläser zu viel."
„Wie kommt ihr denn an Alkohol?" Otscharsan wendet sich sofort zu den Männern, seine Stimme und sein Blick wirken verwirrt.
„Mak!", kommt es im Chor von allen.
„Der wird auch immer irrer", lässt Otscharsan seufzend von sich kommen.
Ich höre, wie meine Zelle geschlossen wird und die Männer davon trampeln. Jeder ihrer Schritte ist wie ein Donnerschlag in meinem Schädel.
Wenn ich Mak in die Finger kriege, dann kann er was erleben!
„Gut geschlafen, Kleines?", ertönt eine mir leider sehr bekannte und dazu noch laute Stimme, die sehr amüsiert klingt.
Da denkt man eben noch an den Kerl, schon ist er da.
Mak öffnet die Tür zu meiner Zelle und tritt ein.
Am liebsten wäre ich jetzt aufgesprungen, um ihm eine schallende Ohrfeige zu verpassen, doch in meiner jetzigen Situation ist mir das nicht möglich. Stattdessen brumme ich ihn nur an. „Lass mich in Ruhe!"
„Nichts da, Kleine!", ruft Mak laut. Mit einem Ruck zieht er mir das Kopfkissen vom Kopf. „Jetzt wird aufgestanden!"
„Ich will aber schlafen!", brumme ich weiter rum.
„Hmm, scheinbar war das gestern doch etwas zu viel", kommt es von ihm. Mak macht eine Pause, in der er zu überlegen scheint. „Da muss ich wohl mit anderen Methoden ran", sagt Mak, als er weiterspricht.
Ehe ich mich versehe, werde ich von Mak gepackt und in seine muskulösen Arme gehoben. Die Kraft mich dagegen zu wehren habe ich im Moment nicht. Meine Hände liegen auf meinem schmerzenden Kopf.
„Hey, was soll das?", gehe ich ihn an, bereue es aber sofort wieder, als ich von einer Übelkeit gepackt werde. Meine Hände lege ich jetzt auf meinen Bauch und ich versuche, gegen den Brechreiz anzukämpfen. Es gelingt mir sogar.
„Ist mit dir alles Okay?" Nora steht neben ihm, ihr Blick liegt besorgt auf mir.
„Dank diesem Idioten nicht!", antworte ich ihr schroff. Anschuldigend schaue ich dabei zu Mak.
„Kann ich denn etwas dafür, dass du gleich so übertreibst?", verlangt er von mir zu erfahren. Seine braunen Augen liegen auf mir. Eine deutliche Wut über meine Worte spricht daraus.
„Du hast mir verschwiegen, was das für ein Zeug ist!", grummele ich rum.
Kurz wandert mein Blick zu Moriphos. Auch er ist wach und steht zähneknirschend an den Gittern. Feindselig sieht er auf Mak, als würde er sich wünschen das zu beenden, was er am Vortag begonnen hat.
„Und du hast nicht danach gefragt." Über Maks Gesicht zieht sich ein breites Grinsen.
„Als ob du es mir gesagt hättest", rufe ich mit einem Gähnen. Mit meinen Händen fahre ich mir über die Augen. „Sei wenigstens jetzt nett und lass mich weiterschlafen."
Ein erneutes Gähnen dringt aus meiner Kehle, während meine Augen langsam zufallen.
Mak setzt sich in Bewegung. Aber nicht um mich auf die Liege zu legen. Er trägt mich aus der Zelle, in Richtung der Dusche. Aber das bekomme ich nur halb mit. Meine Augen schließen sich, mein Kopf sinkt an seine muskulöse Brust und ich schlafe leicht ein.
„Also muss ich doch die etwas radikale Weckmethode wählen."
Durch Maks Stimme erwache ich wieder, früh genug um den amüsierten Ton mitzubekommen, auch wenn ich noch nicht ahne, was jetzt folgt.
Langsam öffne ich meine Augen und erblicke sein hübsches, aber grinsendes Gesicht. Was er vorhat?, frage ich mich gähnend. Ich reibe mir verschlafen die Augen, als er mich plötzlich auf den Boden lässt.
Und was folgt nun?
Ich stehe müde da, und verfolge nur irgendwie neben mir das Geschehen.
Maks Hand legt sich auf eine der Kacheln, was er damit bezweckt, wird mir erst klar, als sich ein kalter Regenschauer über mich ergießt.
Erschrocken und zitternd vor Kälte springe ich unter der Dusche hervor. Sofort wirbele ich wütend zu Mak herum, doch bereue es gleich wieder.
Diesmal ist es nicht mein Magen, der rebelliert, sondern mein Kopf.
„Munter?", will er mit einem Grinsen auf den Lippen von mir wissen.
Doch von mir kommt darauf nur ein Kopfschütteln. „Nur nass."
Als ich wieder zu Mak sehe, liegt ein nettes Lächeln auf seinen Lippen. „Entschuldige, es war wirklich nicht sehr nett von mir, was ich gestern gemacht habe", sagt er, während seine Hand meinen Kopf tätschelt. „Ich geh kurz und hol dir trockene Kleidung." Mak wendet sich an das andere Mädchen. „Nora, willst du auch saubere Kleidung?", erkundigt er sich bei ihr. Sein Blick wandert über das Kleid, dass sie seit ein paar Tagen trägt. „Wird dann aber etwas nicht ganz so Schickes. Allerdings ist es bei einigen Herren hier besser so."
Während Nora ihn regelrecht anstrahlt, schaue ich ihn nur eingeschnappt zu ihm. Wieso nennt er sie beim Namen und bei mir weigert er sich total dagegen?
„Gerne!", kommt es von Nora, worauf Mak ihr ein Lächeln schenkt, bevor er die Dusche verlässt. Jetzt wendet sie sich an mich. Ihr Blick wirkt besorgt, als sie mir eine Frage stellt. „Was ist denn nun los?"
„Mak hat mit ein paar der Gefangenen einen Saufabend veranstaltet", erkläre ich ihr gähnend. Durch das kalte Wasser, mit dem meine Sachen getränkt sind, fröstle ich und beginne leicht zu zittern. „Mak ist ein Idiot!" Meine Worte gehen in einem erneuten Gähnen unter. Ich weiß nicht mal zu sagen, ob es Nora überhaupt verstanden haben kann.
Über ihr Gesicht huscht nur ein Lächeln. „Das wurde schon erwähnt."
„Was?" Mein Blick wandert fragend auf sie.
„Das Mak dafür bekannt ist, gerne mal etwas Alkohol hier hereinzuschmuggeln", erklärt sie mir. Nach einer kurzen Pause seufzt sie. Es ist ihr deutlich anzumerken, dass sie mich beneidet. „Das muss doch nett gewesen sein."
Ich zucke mit den Schultern. „Hätte Mak mich nicht so abgefüllt, wäre es sicher nett gewesen", gestehe ich. Lustig war es ja, wenn ich ehrlich bin. „Ich sag ihm, dass er dich das nächste Mal mitnehmen soll."
„Hat es dir nicht gefallen?", erkundigt sie sich neugierig bei mir.
Ich will darauf antworten, doch es kommt mir jemand zuvor.
„Die kann nicht behaupten, die Nacht sei so schrecklich gewesen!" Mak tritt mit einem Grinsen auf den Lippen in die Dusche, in seinen Händen hält er ein paar Kleidungsstücke. „So vergnügt, wie sie war."
„Kann ich nicht behaupten!" Grummelnd sehe ich Mak an.
Wieso musste er mich auch nur so abfüllen? Und das, wo ich Alkohol nicht gewohnt bin. Ich strecke ihm die Zunge raus, dann wende ich eingeschnappt meinen Blick von ihm ab.
„Hey Nora!", wendet er sich an die Blondine. „Wenn wir wieder so einen Abend machen, kannst du dabei sein, wenn du willst. Ich wollte dich nur nicht wecken."
Seine Stimme klingt so verdammt nett. Ein Seufzen dringt über meine Lippen, abwesend liegt mein Blick auf der Tür.
Mit Neid muss ich gestehen, dass ich es auch gerne hätte, wenn er mich so behandeln würde wie sie. Und vor allem wünsche ich mir, dass er einmal meinen Namen nennt. Es wäre sogar richtig schön.
„Bist du wegen der Nacht sauer auf mich?" Mit seiner Frage holt mich Mak aus meinen Gedanken. Er steht direkt vor mir, auf seinen Lippen liegt ein sanftes Lächeln und seine braunen Augen sehen mich neugierig an.
Wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass er schon ein sehr beeindruckender Mann ist. Und auch, dass der Kuss am letzten Tag gar nicht mal so schrecklich war. Vielleicht hätte ich ihn auch genossen, wäre Mak nicht so ein eingebildeter Idiot.
Doch ich kann mir nicht vorstellen, dass es für Mak mehr war, als ein Mittel zum Zweck. Außerdem weiß er sicher ganz genau, wie er auf Frauen wirkt und Hemmungen das auszunutzen, hat sicherlich auch keine. Jedenfalls würde ich es ihm zutrauen.
Bei seinem süßen Lächeln, da kann man auch nicht anders, als ins Schwärmen zu kommen.
Ich erröte leicht, als ich bemerke, wie ich ihn ansehe. Noch mehr, als ein Lächeln über seine Lippen huscht.
„Scheinbar nicht", sagt Mak. Langsam läuft er zur Wand, um unsere Kleidung auf den Boden zu legen. „Mädchen beeilt euch bitte etwas", fordert er uns auf. Auf seinen Lippen bildet sich ein Lächeln. Er zwinkert mir zu, als er sagt: „Ich darf mich doch sicher mit einem Frühstück bei dir für diese Nacht entschuldigen?"
„Gerne!", rufe ich und strahle ihn regelrecht an. Etwas hoffe ich auf die Früchte. Mak hat ja gesagt, er wollte für sich ein paar aus der Küche stehlen.
Er macht sich daran, die Dusche zu verlassen, doch ich halte ihn zurück.
„Ist eigentlich wieder alles Okay mit der Trinkwasserversorgung?", erkundige ich mich neugierig und leise bei ihm, damit Nora nichts davon mitbekommt.
Von ihm kommt auf meine Frage nur ein Kopfschütteln. „Es wird noch daran gearbeitet. Aber falls du davor bedenken hast, das Trinkwasser und das für die Duschen kommt aus unterschiedlichen Tanks." Nach dieser Erklärung verlässt er den Raum.
Durch das kalte Wasser bei der Dusche eine kurze Zeit später werde ich langsam munter. Den Rest der Müdigkeit vertreibt Noras Summen.
Jedenfalls für eine Weile.
Etwas später sitze ich mit Mak und Nora am Tisch und gähne lautstark. Mein Kopf ruht dabei auf der Tischplatte. Das Einzige was sich bisher gebessert hat ist mein Magen, der endlich zur Ruhe gekommen ist.
Vor mir stehen ein Teller mit Früchten und ein gefülltes Glas. Während Nora neben mir bei den Früchten kräftig zugreift, liegt mein Blick skeptisch auf dem Glas.
„Diesmal ist es wirklich nur Saft", versucht mich Mak zu beruhigen, dabei liegt ein Lächeln auf seinen Lippen. Es wirkt so nett, dass ich es ihm diesmal glaube.
„Ich hoffe es doch", sage ich darauf und probiere einen Schluck.
Es ist tatsächlich Saft. Der, den ich schon ein paar Mal hier getrunken habe.
„Für die Gefangenen wird es wahrscheinlich frühestens mittags wieder essen geben", bemerkt Mak. „Es kann aber sein, dass die Trinkwasserversorgung schon vorher wieder funktioniert."
„Wieso gibt es denn seit gestern weder Essen noch Trinken?", erkundigt sich Nora neugierig bei ihm. Musator hat die Gefangenen zwar beruhigt, aber keinen über die Gründe aufgeklärt. Auch ich habe, wie Gasard mich bat, meinen Mund gehalten, was die Situation betrifft.
Meine Hand greift zu einer der Früchte, während Mak es seufzend erklärt.
„Irgendein Idiot hat den Trinkwassertank verseucht. Es ist zwar alles gesäubert, aber der Tanker kommt erst in den nächsten Stunden hier an." Er deutet mit seinem Blick auf den Teller. „An die wichtigsten Leute wurden Früchte verteilt." Er beginnt leicht zu lachen. „Unserem armen Herrscher wird sein Lieblingsmahl weggefuttert." Mak deutet mit einem Nicken auf den Teller, mit den Früchten. „Das ist der Rest, den ich ergattern konnte, aber greift ruhig zu." Auf seinen Lippen bildet sich ein nettes Lächeln.
Seiner Aufforderung komme ich auch sofort nach, und nehme mir eine zweite Frucht.
„Habt ihr denjenigen eigentlich gefunden, der es versucht hat?", erkundige ich mich bei Mak, während ich in die Frucht beiße.
Ein Seufzen dringt über seine Lippen, sein Gesichtsausdruck zeigt deutlich, wie bedrückt er über das Thema ist.
„Es gab, wie du mitbekommen hast, einen Verdächtigen." Ich nicke. Langsam erhebt Mak seinen Arm und zeigt mir das schwarze Armband, das darum liegt. „Die Dinger haben den Nachteil, dass sie eigentlich von jedem getragen werden können. Somit kann man auch in die speziellen Zugangsbereiche des eigentlichen Trägers." Neugierig lausche ich seiner Erklärung. „Die Wachen haben auch die Zutrittsberechtigung für die Wassertanks, ein Krieger dagegen hat diese Berechtigung nicht, dafür aber für die Trainingsräume. Wenn beide tauschen, kann der Krieger in den Bereich, den nur die Wache betreten kann und umgekehrt."
Ich finde es interessant, auch wenn ich noch nicht verstehe, was das Problem ist.
„Derjenige, dem das Armband gehört, dass für den Anschlag verwendet wurde, ist tot und dass nicht erst nach Betreten des Tanks, sondern schon davor."
„Aber ihr habt doch sicher eine Möglichkeit den Täter ausfindig zu machen", bemerke ich. Neugierig liegt mein Blick auf ihm.
„Klar, hier ist immerhin jeder Zentimeter überwacht. Alles wird protokolliert und am Ende des Tages unserem Herrscher vorgelegt. Daher wirken auch alle hier, als leiden sie unter Verfolgungswahn." Seine Stimme klingt deutlich sarkastisch, erst beim Nächsten, was er sagt, wird Mak ernst. „Unser Herrscher stimmt alle Neuerungen mit der Besatzung ab und von denen ist keiner so begeistert von einer totalen Überwachung." Mak schnaubt auf und zeigt damit deutlich, wie genervt er von dem Thema ist. „Und wenn mal irgendetwas passiert, dann wird sich darüber aufgeregt, wie wenig doch für die Sicherheit getan wird. Und unser armer Herrscher bekommt dann alles ab." Ein Seufzen dringt über seine Lippen. Es scheint als würde er ihn deswegen wirklich bedauern.
„Du bist wohl eurem Herrscher sehr loyal ergeben?", erkundige ich mich bei ihm.
„Merkt man das etwa?" Verlegen kratzt sich der Schwarzhaarige am Kopf.
„Wie ist denn dieser Herrscher so?", erkundigt sich nun Nora. Ihre blauen Augen liegen neugierig auf Mak.
„Harmloser, als berichtet wird", sagt Mak.
„Aber schrecklich genug, dass ihn sogar seine eigenen Leute als Tyrannen betiteln", werfe ich ein und beginne zu kichern.
Mak wirkt von meinen Worten zuerst verwirrt. „Wer sagt denn so was?" Verwundert blickt er mich an, wartend auf Antwort. Doch ich kichere nur und hab nicht vor es zu verraten. Ein Seufzen kommt von Mak. „Dir ist sicher schon einmal so ein blonder Kerl begegnet", kommt es von Mak. „Hab ich recht?"
Dabei zwinkert er mir zu, worauf ich nur mit einem Nicken antworten kann.
„Otscharsan und noch ein paar andere, betiteln ihn manchmal so, einfach zum Spaß und nicht ernst gemeint", erklärt Mak. „Diejenigen sind allerdings auch mit unserem Herrscher befreundet und necken ihn öfters damit."
„Scheint ja ganz okay zu sein", meint Nora, worauf von Mak ein energisches Nicken kommt. Auf seinen Lippen liegt dabei ein strahlendes Lächeln. „Und wie sieht er aus?"
„Schwarzes Haar wie ich, groß, sehr durchtrainiert und wahnsinnig gut aussehend", zählt Mak auf. „Er ist zwar schon sehr alt, sieht dafür aber noch sehr jung aus. Außerdem hat er eine beeindruckende Augenfarbe. Seine Iris ist ein sehr dunkles Grau, dass man nur schwer von Schwarz unterscheiden kann. Deswegen wird er von manchen auch als Dämon betitelt."
„Klingt interessant!", ruft Nora.
Ob ich ihm wohl mal begegne, frage ich mich. Ich bin richtig neugierig auf diesen Mann, stell mir aber auch die Frage, wieso er sich nicht vor seinen Untergebenen zeigt. Ist das mit dem so guten Aussehen vielleicht nur ein Spruch und in Wirklichkeit ist er grottenhässlich. Aber ich denke nicht, dass Kaia mich angelogen hat, als sie von ihm schwärmte.
Ich nehme mir noch eine der Früchte.
Wir sitzen eine Weile hier. Nora stellt Mak noch ein paar Fragen und er erzählt vom Leben auf der Station. Interessant ist es, aber irgendwann muss er gehen.
Mak schafft uns noch in den Arbeitsraum.
„Tschüssi Mädels!" Mit einem Zwinkern verabschiedet er sich bei uns, bevor er das Podest ansteuert.
Amüsiert betrachte ich, wie er sich langsam nach oben schleicht, mit dem deutlichen Zeichen an die anderen Wachen ruhig zu sein. Nur um sich dann an Marto unbemerkt vorbei zu schleichen. Schwer fällt es ihm nicht, der Alte ist gerade mit einem der Wachen beschäftigt und scheint diesen zu rügen.
Ein leichtes Lachen darüber kommt von mir.
„Hatte ich nicht gesagt, dass es gefährlich ist, sich mit Wachen anzufreunden", kommt es plötzlich rügend von einem Punkt hinter uns. Als ich mich umdrehe, sehe ich in Moriphos Gesicht, das eher eifersüchtig als besorgt wirkt.
Eine Hand legt sich auf die Schulter des Zeitstürmers. „Hey Großer, mal davon abgesehen, dass der Kerl keine Wache ist …"
„Was dann?" Moriphos schüttelt die Hand von seiner Schulter und tritt dann zornig vor den anderen Gefangenen, indem ich einen der Männer vom Saufabend erkenne.
„Mak ist eigentlich ein Krieger", erklärt der Gefangene. Dabei bläst er uns seinen noch stark nach Alkohol stinkenden Atem ins Gesicht. Fragend wandert sein Blick in die Richtung der Wachen. „Weswegen der jetzt auf Wache macht?", murmelt der Kerl leise, aber noch hörbar. „Ist wahrscheinlich irgendjemandem auf die Füße getreten." Ein leichtes Schulterzucken kommt von ihm. „Der Kerl scheint ja wenig Respekt vor Vorgesetzten zu haben, so wie der mit den Aufsehern umgeht." Ein Seufzen dringt über seine Lippen, dabei bläst er Nora seinen stinkenden Atem ins Gesicht, die ihm darauf nur einen zornigen Blick schenkt. „Ein komischer Kerl ist das, aber ganz in Ordnung." Sein Blick wandert auf den Zeitstürmer, den er jetzt direkt ansieht. „Wer sich mit Mak gut versteht, der lebt hier sicherer als du!"
Moriphos schnaubt unglaubend auf und scheint von den Worten nicht gerade beeindruckt.
Der Blick des Gefangenen wandert auf mich. Er mustert mich, mit einem leicht amüsierten Blick, bevor er zu mir kommt. „Janine, die vergangene Nacht, das war wirklich ein wundervoller Abend und deine Vorstellung war einfach nur toll."
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los irgendwas verpasst zu haben. Was meint der Kerl mit Vorstellung?
Doch die Antwort bekomme ich nur mit fragen. Aber in mir steigt auch das Gefühl auf, ich werde es bereuen.
„Vorstellung?" Mein Blick, der auf dem Gefangenen liegt, wirkt verwirrt.
„Ja", ruft der Gefangene. „Du hast uns eine super Vorstellung geliefert mit Gesangs- und Tanzeinlage."
Moriphos tritt vor den Kerl. Seine Hand ergreift sofort, ehe der Andere irgendwie reagieren kann, dessen Kragen, um ihn zu sich zu ziehen. In seinem Blick liegt eine unbändige Wut, dass sogar ich schlucke. Der Gefangene wirkt plötzlich auch ziemlich eingeschüchtert von der groben Art des Zeitstürmers.
„Was habt ihr mit ihr angestellt?", verlangt Moriphos von ihm zu erfahren, und schreit ihn dabei regelrecht an. „Wenn auch nur einer von euch Idioten sie angefasst hat, dann bring ich ihn um."
„Hey beruhig dich mal wieder." Der Gefangene hebt beschwichtigend die Hände. Es ist ihm merklich anzusehen, wie unwohl er sich gerade in seiner Haut fühlt. „Sie hat uns doch nur etwas vorgetanzt und gesungen. Das war ganz harmlos."
„Das Mädchen hat ihre Kleider dabei noch anbehalten", mischt sich ein anderer Gefangener ein, der auch in dieser Nacht dabei war.
Moriphos lässt den anderen wieder los, jedenfalls für einen kurzen Moment, bis von diesem ein ‚Leider' kommt.
„Halt uns bitte nicht für Schweine, die kleine Mädchen erst besoffen machen, um dies dann auszunutzen", bittet er mich, dabei liegt ein nettes Lächeln auf seinen Lippen. „Musator hätte ja schon nach ein paar Gläsern Schluss gemacht, wenn Mak ihn nicht davon abgehalten hätte. Wir wollten einfach nur sehen, wie Mak reagiert und ob er überhaupt halt sagt."
„Genau!", ruft der erste der Gefangen. Sein Blick wandert zornig zu Moriphos. „Jetzt lass mich los!"
Von dem Zeitstürmer kommt ein Schnauben, doch am Ende lässt er den Anderen los, auch wenn er ihn wegschubst.
Mein Blick, der auf dem zweiten Gefangenen landet, wirkt schüchtern. Ich habe Angst davor zu fragen, tue es aber dann doch. „Hat er euch gestoppt?"
„Bevor es zu bunt wurde, hat er eher dich gestoppt." Der Gefangene lacht leicht auf, ich dagegen erröte sofort. Wie er das wohl meint? Üble Gedanken ziehen dabei ihre Bahnen durch meinen Kopf. „Es war ziemlich spät aber er hat eingegriffen."
Ich bin sehr erleichtert darüber, was man meinem Seufzen anmerkt. Aber wenn ich ehrlich bin, Mak ist zwar ein Idiot aber so etwas Mieses würde ich ihm nicht zutrauen.
„Mak ist wirklich in Ordnung." Er zieht mich zu sich, um mir etwas ins Ohr zu flüstern. „Aber ein ziemlicher Angeber ist er. Jedes Mal eine andere Weibergeschichte."
Ich schmunzle darüber. „Das glaube ich sofort", gebe ich zu.
Die beiden Männer plaudern noch eine Weile mit mir. Moriphos sieht dem Allen skeptisch zu, scheint aber beschlossen zu haben, nur stumm da zu stehen und sicher zu gehen, dass keiner der Männer mir etwas antut.
Seine Sorge finde ich zwar süß, aber auch sehr übertrieben.
***
Wie Mak gesagt hat, gibt es erst zur gewohnten Mittagszeit wieder Essen in der Todeszone. Das Wasser dagegen wurde schon etwas früher angestellt. Die meisten der Gefangenen stürmen sofort zur Essensausgabe, ich dagegen bin wie immer die Letzte.
„Hallo Janine!", begrüßt mich Akara mit einem netten Lächeln auf den Lippen.
Ich erwidere ihr Hallo freundlich, nur zu Tosa sage ich nichts. Wie immer sieht sie mich mit ihrem giftigen Blick an.
So giftig wie das Wasser, geht es mir durch den Kopf. Ein Gedanke, über den ich schmunzeln muss.
Aber würde ich es ihr überhaupt zutrauen? Eigentlich ja nicht.
Akara stellt mir mein Schälchen auf den Tisch, das ich sofort dankend nehme. Ich will schon gehen, als mein Blick erneut über Tosa wandert.
Es ist nur eine Kleinigkeit, die mir an ihr auffällt. So klein, aber dennoch so erschreckend, dass mir bald das Schälchen aus den Händen rutscht.
Tosa wirkt zwar auf den ersten Blick verwirrt, scheint aber dann zu verstehen. Hastig verstecken ihre Hände, den kleinen Anhänger, der einst in einem giftigen Grün leuchtet, unter ihrem Shirt. Jetzt ist er nur noch farblos, als sei er damals mit irgendetwas gefüllt gewesen.
Und von wem sie ihn damals bekommen hat, das weiß ich noch sehr gut.
„Ist irgendwas mit dir?" Akaras Stimme klingt besorgt, genauso wie ihr Blick, der auf mir liegt.
Ich schüttle den Kopf und bringe irgendwie ein Lächeln zustande, als ich wieder auf Tosa sehe, wirkt ihr Blick sogar noch giftiger als sonst. Als würde sie sich im Moment meinen Tod wünschen.
Es ist deutlich, dass sie vor meiner Entdeckung und davor, dass ich jemandem davon erzählen könnte, Angst hat.
Eilig gehe ich fort. Zu Moriphos an den Tisch.
Es ist der gleiche Tisch wie immer, an dem auch Musator und ein paar der Männer vom Saufabend sitzen. Sofort als ich an den Tisch komme, macht er mir Platz, sodass ich mich neben Nora setzen kann, die angewidert in dem Brei herumstochert. Doch heute ist es etwas anders. Normalerweise steht auf dem Tisch vor mir ein volles Schälchen, diesmal nicht. Es ist leer. Maks Aktion muss gewirkt haben.
Allerdings ist es eine Tatsache, die mich kaum glücklich macht.
Aber meine Gedanken sind eh nur bei zwei bestimmten Personen. Tosa und dieser Widerling Kyle. Ob die beiden wirklich hinter dem Giftanschlag stecken?
Kyle würde ich es zutrauen, doch Tosa. Sie erschien mir in der Nähe von Marto nett und nicht so eiskalt wie ihr Geliebter.
Trotzdem kriecht in mir ein ungutes Gefühl auf. Dieser Kyle sieht mir nicht so aus, als würde er jemanden mit so einem Wissen am Leben lassen.
Ich sollte so bald wie möglich mit Mak über meine Vermutung reden.
Gedankenversunken stochere ich in dem Brei herum, ohne es überhaupt selbst zu bemerken. Erst als einer der Männer mich anspricht.
„Hey Janine!", weckt er mich aus meinen Gedanken. „Hast du den Mut verloren, oder wirst du von Mak zu sehr verwöhnt?" Er zwinkert mir dabei zu. „Der scheint ja glatt zu denken, er verbindet mal eben die Arbeit mit dem Vergnügen."
Wie zum Protest, nehme ich mir einen Löffel voll von dem Brei, stecke ihn mir in den Mund und schlucke das Bisschen herunter. Dabei verziehe ich angewidert wirkend das Gesicht.
„Scheinbar nicht!" Der Tisch beginnt sofort zu lachen, in das ich mit einstimme. Nur einer wirkt bei dem Thema nicht gerade fröhlich. Moriphos.
„Mak ist eh nicht mein Typ!", Ich zwinkere den Männern zu, danach wende ich meinen Blick mit einem netten Lächeln auf den Lippen zu Moriphos.
„Echt?" Einer der Männer hebt die Augenbrauen. Ich sehe zu ihm und nicke, worauf er sofort zu lachen beginnt. „Bitte werd auch ja nicht schwach, dann können wir ihn das nächste Mal damit aufziehen."
Ich kann verstehen, wieso Mak so gerne mit den Männern diese Saufabende veranstaltet. Sie sind alle wirklich nett.
Später, als alle die Kantine verlassen, bliebe ich noch mit Nora zusammen sitzen, um mit ihr zu teilen.
„Findest du es nicht ungerecht, dass du nur wegen dieses Zeugs, so beliebt bei den Männern bist?" In ihrer Stimme klingt ein missmutiger Ton mit, ihr Blick liegt auf dem Schälchen.
Verwundert und fragend sehe ich sie an. Ich weiß nicht, wie Nora plötzlich auf dieses Thema kommt, noch dazu habe ich nicht das Gefühl, ich sei hier beliebt. Was ich ihr auch sage.
„Die Männer sind ziemlich nett, aber dass ich bei ihnen beliebt bin, das glaube ich nicht." Ich lächle sie an. Doch als sie ihren Blick hebt, verschwindet mein Lächeln.
Nora sieht mich so voller Hass und Neid an, wie ich es hier bisher noch nicht erlebt habe. Zuhause ist es alltäglich für mich gewesen, dass sie mir solche Blicke zuwirft, auf der Station dagegen haben wir uns doch bisher verstanden.
Womit habe ich das jetzt verdient? Ich verstehe es nicht.
„Ich habe mehr als einmal gehört, wie die Männer gesagt haben, du seist ein beeindruckendes Mädchen", ruft sie, während ich sie noch verwirrter ansehe.
„Davon hab ich noch nichts mitbekommen", gebe ich zu. Aber wie auch? Ich bin doch die ganze Zeit mit Mak oder Gasard unterwegs gewesen, sie dagegen war immer in der Nähe von ein paar der Gefangenen.
„Sie sagen es aber", geht mich Nora biestig an. „Wie jeder andere auch." Das Letzte sagt sie leise, kaum hörbar aber mit einem leicht traurigen Ton. Laut dagegen ruft sie nach einer Kurzen Pause: „Man muss nur Moriphos und Mak betrachten! Die nehmen ja kaum ihre Augen von dir!"
Mich macht ihr Ton wütend. Nora schreit mich regelrecht an, doch bisher kann ich mich noch beherrschen, auch wenn in mir Zorn ansteigt.
„Das Moriphos auf mich steht, das weiß ich!", gebe ich zu. Ich müsste blind sein, um es nicht zu merken. „Und Mak …" Ich lasse ein genervt klingendes Aufschnauben von mir kommen. „Der ist ein Idiot! Ich mag ihn nicht, und er mich auch nicht!"
„Dafür, dass er dich nicht mögen soll, beobachtet er dich aber andauernd ganz genau, wenn er hier ist", erwähnt sie. Etwas, das mir ja schon dank Marto bekannt ist.
„Er soll uns doch beschützen", rufe ich, auch wenn es schon ziemlich auffällig ist, dass er dauernd nur mich beobachtet.
„Aber nicht nur hier bist du so beliebt." Ein Seufzen dringt über Noras Lippen. Ihr Blick wandert traurig zum Boden. Auch ihre Stimme klingt jetzt nicht mehr so zornig. „Auch zuhause bist du mehr als beliebt gewesen. Die Mädchen beneiden dich um deine Schönheit und Figur. Dazu prahlst du noch dauernd in der Schule rum, wie toll doch alles mit deiner Agentin läuft. Die Jungs himmeln dich an und der Rest findet dich toll, weil du so ein nettes und höfliches Mädchen bist." Ein Hauch von Neid schwingt dabei in ihrer Stimme mit.
„Ich habe aber nicht nur Bewunderer und Verehrer", kommt es seufzend von mir. Besonders sie hat mir das Leben schwer gemacht.
„Ist es denn schwer dich zu hassen?", geht sie mich wütend an. „Mein Vater hat dauernd von dir geschwärmt und gesagt, wie toll es doch wäre, wenn ich mehr so wie du sein würde. Außerdem …" Nora stoppt, die Wut aus ihrem Blick weicht Traurigkeit. „… außerdem ist Andy nur mit mir zusammen gekommen, weil er bei dir nicht landen konnte."
„Ist das etwa so schlimm?", kommt es im ungerührten Ton von mir. Es ist mir neu, das Andy irgendwann einmal für mich geschwärmt haben soll. Bisher habe ich immer nur Fluchen von ihm gehört. Allerdings meist nach einer kalten Dusche.
Auf meine Frage sieht mich Nora nur sauer an, doch ehe sie darauf etwas sagen kann, lächle ich sie an und sage: „Ich meine das mit Andy. Immerhin liebt er dich, sonst hätte er es wohl kaum ausgehalten sich auf der einen Seite vor deinem Vater zu verstecken, und auf der anderen eine kalte Dusche zu bekommen." Beim Letzten zwinkere ich ihr zu und lache laut auf.
Nora nickt. Sie hat sich beruhigt, auch wenn sie jetzt wieder traurig wirkt.
„Ob es beiden gut geht?", lautet ihre Frage.
Meine Hand legt sich auf ihre Schulter. Ein aufmunterndes Lächeln liegt auf meinen Lippen. Ich hoffe, dass ich sie wenigstens etwas beruhigen kann. „Es geht beiden sicher gut und ich bin mir sicher, dass Mak wenigstens herausfindet, wie es Andy geht. Wir sollten ihn mal danach fragen."
Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. „Du hast recht, vielleicht ist er ja sogar hier", meint sie.
Während sie das Schälchen leert, unterhalten wir uns noch etwas über dies und das. Wenn ich ehrlich bin, habe ich sie früher immer für die größte Zicke gehalten, jetzt dagegen, seit wir uns hier begegnet sind, ist sie mir richtig sympathisch geworden.
Über das Plaudern vergessen wir sogar die Zeit, bis eine Wache den Raum betritt.
Sofort verstummen wir.
Mir läuft ein eisiger Schauer über den Rücken, als ich ihn erblicke. Nora reagiert stärker, sie drückt ihren Körper an meinen. Ich spüre sogar, wie sie zittert.
Beides legt sich nicht, als eine weitere Person den Raum betritt. Tosa.
Ihr Blick liegt so giftig auf uns Störenfrieden, dass ich intuitiv schlucken muss. Verdammt, im Moment würde ich ihr sogar zutrauen, dass sie ihm sofort sagt, was ich mitbekommen habe und beide uns beseitigen.
Doch ihr Blick ändert sich sofort, als sie ihren Geliebten erblickt. Sie wirkt jetzt fröhlich und glücklich.
Kyles Schritte nähern sich ihr, und ich packe Nora, um mit ihr den Raum zu verlassen.
„Wären wir woanders, würde ich dich sofort umbringen", erklingt Kyles Stimme in einem so eisigen Ton, dass sofort eine unbändige Angst in mir ansteigt. Nora neben mir zuckt unter seinen Worten zusammen, auch wenn ich gemeint bin.
Mit pochendem Herzen und Nora hinter mir her ziehend verlasse ich die Kantine.
Ob die beiden wirklich hinter dem Anschlag stecken?
Zutrauen würde ich es ihnen.
***
Sofort, als wir die Kantine verlassen, wandern meine Augen suchend durch den Raum, auch wenn es nicht nötig ist.
„Janine, was habt ihr eigentlich so lange gemacht?", verlangt eine besorgte Stimme von mir zu erfahren. Eine Stimme, bei deren Klang mir wortwörtlich ein Stein vom Herzen fällt. Auch wenn er uns das eine Mal kaum beschützen konnte, fühle ich mich dennoch in seiner Nähe sicher. Genauso scheint es Nora zu ergehen.
Sie empfängt Moriphos mit einer Umarmung und wirkt dabei richtig fröhlich. „Ach wir haben nur noch etwas gequatscht", antwortet sie ihm.
„Ich hab mir schon Sorgen gemacht, weil ihr so lange dort drinnen ward." Dabei wandert sein Blick besorgt von ihr, zu mir.
„Wenn irgendetwas ist, dann rennen wir sofort zu unserem großen Beschützer", rufe ich mit einem Lächeln auf den Lippen.
„Solang du nicht diesen Mak meinst", schnaubt er auf. Die Eifersucht ist ihm deutlich anzumerken.
Nora löst sich von seinem Hals. „Bist du etwa eifersüchtig?", fragt Nora und lächelt ihn dabei an.
„Ich, doch nicht!", ruft Moriphos sofort. Noras Frage scheint ihm unangenehm zu sein, dabei ist es doch so eindeutig. „Mir ist der Typ nur nicht geheuer."
„Mak ist nett", meint Nora.
„Trotzdem, der starrt euch immer so an." Sein Blick wandert auf mich. „Außerdem hatte ich einige Begegnungen mit ihm, die nicht gerade nett waren."
Apropos Mak.
Mein Blick wandert hoch zu den Wachen auf dem Podest. Ich sollte Mak von meiner Vermutung erzählen, oder Marto, doch keinen der beiden kann ich dort ausmachen. Nur einen der Wachen, ein junger, braunhaariger Mann.
Sein Blick liegt amüsiert auf mir. Es scheint sogar, als wartet er auf irgendetwas. Nur was?
Ein beklemmendes Gefühl steigt in mir auf, während ich ihn ansehe. Irgendwas hat er vor. Vielleicht ist meine Vermutung auch richtig und jetzt wartet er auf die Chance, mich loszuwerden.
Mein Blick wandert zu Moriphos.
So wie Mak mit ihm umgegangen ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass er mich im Ernstfall groß verteidigen kann. Die anderen Wachen, geht es mir durch den Kopf. Marto, der führt doch immer Aufsicht, wenn auch Kyle hier ist.
Ich setze mich in Bewegung. Vielleicht ist er in der Nähe und kann mir helfen.
Doch weit komme ich nicht. Eine kräftige Männerhand umfasst schmerzhaft mein linkes Handgelenk.
„Wo willst du denn hin, Schätzchen?", ertönt eine Männerstimme. Es schwingt ein deutlich amüsierter Ton darin mit, der das ungute Gefühl in meinem Bauch noch verstärkt.
Grob zieht er mich zu sich und jetzt sehe ich in die widerliche Fratze eines der Kerle, die versucht hatten, uns etwas zu tun. Damals als Musator mich und Nora gerettet hat.
„Hey was soll das?", gehe ich ihn an und versuche dabei mein Handgelenk aus seinem Griff zu befreien. Doch er packt nur noch schmerzhafter zu. So sehr, dass ich vor Schmerz aufschreie.
Doch das ist nichts gegen die Angst, die mich erpackt, als ich sehe, was er will.
Langsam schiebt er meinen Ärmel hoch. Ich kann nichts dagegen machen, stehe nur regungslos und mit Angst geweiteten Augen da.
„Fass sie nicht an!" Moriphos stürmt sofort wütend auf uns zu und stößt diesen Kerl von mir weg. Endlich lässt er auch mein Handgelenk los.
Meine Hand fährt über die schmerzende Stelle.
Wie ist das Möglich? Woher weiß er von dem Armreif?
Musator und Nora schließe ich sofort aus. Ich vertraue beiden genug, dass sie es niemandem gesagt haben. Oder hab ich bei dem Saufabend zu viel gesagt oder gezeigt?
Aber Mak wird doch sicher darauf aufgepasst haben, dass so etwas nicht passiert.
Automatisch wandert mein Blick zu den Wachen. Leider hat weder Mak, noch Marto den Raum betreten. Dafür fällt mein Blick auf Kyle.
Seinen Kopf hat er auf das Geländer gelegt, aber sein Blick liegt immer noch auf mir, mit dem gleichen amüsierten Gesichtsausdruck wie schon vorhin.
Als er bemerkt, dass ich zu ihm schaue, wirft er mir sogar einen Kuss zu.
Unweigerlich schüttelt es mich unter seinem Blick.
Er muss dem Typen gesagt haben, dass ich den Armreif trage. Scheinbar will er sich an mir nicht die Finger schmutzig machen oder sogar Ärger dafür bekommen.
„Lass mich doch nur mal kurz mit der Süßen reden. Ich tu ihr auch nicht weh." Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. So vorfreudig, dass ich mir schon vorstellen kann, was er meint. „Jedenfalls nicht, wenn es falsch ist, was ich gehört habe."
Erneut greift er nach meinem Handgelenk. Doch diesmal schlägt Moriphos seine Hand fort.
Erst jetzt werden die anderen Gefangenen auf uns aufmerksam. Neugierige Blicke sind auf uns gerichtet, aber eingreifen scheint niemand anderes zu wollen.
„Was ist hier los?", verlangt plötzlich eine starke und autoritäre Stimme zu erfahren. Musator kommt auf uns zu, während ihm die anderen Gefangenen Platz machen. Scheinbar hat Gasard heute eher die Arbeit beendet.
„Ach mir hat nur ein Vögelchen etwas Interessantes verraten." Ein Grinsen zieht sich bei dem, was er sagt über sein gesamtes Gesicht.
Musator wirkt zuerst überrascht über die Worte des Gefangenen, schaut aber nach einer kurzen Zeit besorgt zu mir. Scheinbar ahnt er das Gleiche wie ich.
Noch einmal versucht der Gefangene nach meinem Handgelenk zu greifen, wieder wird er von Moriphos dabei gestoppt.
„Lass Janine in Ruhe!", mischt sich jetzt Nora ein. Ihre Stimme klingt drohend aber auch ängstlich, nicht nur um mich. Ihr Blick liegt zornig auf uns, trotzdem traut sie sich nicht hinter Moriphos Rücken hervor.
„Ich will doch nur beweisen, dass dieses kleine Miststück nichts weiter ist, als eine billige Spionin."
Einige der Gefangenen um uns herum, besonders die, die ich schon vom Saufabend her kenne, sehen ihn schockiert und voller Unglauben an.
„Das ist doch nur ein Kind!", protestiert einer von ihnen. „Selbst dieser Bastard Torsos ist nicht so verrückt, hier ein Kind als Spion rein zu stecken!"
„Dieses Kind ist Frau genug, dass man sicher sehr viel Spaß mit ihr hat." Der Gefangene vor mir mustert mich interessiert, dabei fährt er sich mit der Zunge über die Lippen. „Es wäre doch viel zu schade sie da einfach aufzuschlitzen."
Geschockt trete ich einen Schritt zurück. Bei dem unguten Gefühl bleibt es nicht. Mein Herz beginnt vor Angst wild zu schlagen, meine Augen liegen weit aufgerissen auf ihm.
Zwar bin ich regungslos vor Angst, doch Moriphos verpasst dem Kerl für seinen Spruch einen Schlag ins Gesicht. „Wag es dir sie anzurühren und ich bring dich um!", knurrt Moriphos sein Gegenüber an.
Der Gefangene schaut auffordernd zu ein paar seiner Kameraden. Zwei treten aus der Masse und folgen der stummen Aufforderung.
Sie sind kräftig und sehen sich sehr ähnlich, als wären die beiden Brüder. Mit einem guten Aussehen sind beide nicht gerade beschenkt worden. Über das Gesicht des einen zieht sich sogar eine große und sehr deutliche Narbe.
Die Beiden packen Moriphos und ziehen ihn ruckartig fort. Der Zeitstürmer will sich befreien, doch ein gezielter Schlag von dem Kerl mit der Narbe lässt ihn zu Boden gehen.
Moriphos ist einfach noch viel zu geschwächt von den letzten Tagen.
Nora sieht sich ängstlich und nach Hilfe suchend um. Als sie zu Moriphos gehen will, versperrt ihr einer der beiden Männer den Weg.
„Gehört die Kleine auch dazu?", erkundigt er sich bei dem Mann vor mir.
Nora zittert am ganzen Körper vor Angst. Ihr Blick liegt um Hilfe bettelnd auf mir.
Ich schlucke und nehme meinen gesamten Mut zusammen. Mit klopfendem Herzen und fast vor Todesangst zitternd trete ich einen Schritt zu ihm.
„Nein!", sage ich bestimmt. „Sie hat nichts damit zu tun!"
„Vielleicht sollten wir uns zuerst mit euch amüsieren und danach schauen, ob du die Wahrheit sagt."
Das widerliche Grinsen in seinem Gesicht ekelt mich an.
Damals, als er es das erste Mal versuchte, hat uns Musator geholfen, doch er hat auch gesagt, dass er in so einem Fall machtlos ist. Noch dazu ist weder Mak noch Marto im Raum.
Der Armreif geht mir durch den Kopf. Gasard hat mir doch gezeigt, welche der Steine ich betätigen muss, um Hilfe zu rufen. Nur … Wie hat er es damals gemacht? Verdammt, mir ist es einfach entfallen. Aber vielleicht bekommt Mak es ja auch so mit.
Ich kann kaum noch die Tränen zurückhalten, die in mir ansteigen, genauso das Zittern.
Verdammt! Verdammt! Wie schaffe ich es nur hier heraus?
Nicht nur um mich habe ich Angst, sondern auch um Nora. Dieser Kerl sieht kaum danach aus, als ob er seine Drohung nicht wahr macht. Und besonders das will ich verhindern.
Sie hat doch nichts damit zu tun.
Auch wenn ich große Angst davor habe, was passieren wird, ich weiß das Leugnen zwecklos ist. Wieso müssen dann zwei dafür leiden?
Außerdem kann ich Zeit schinden, wie ich will, herausfinden werden sie es eh.
Ich hole einmal tief Luft, dann trete ich noch einen Schritt auf ihn zu. Gespannt liegen die Blicke auf uns beiden. Sie wollen scheinbar wissen, was jetzt passiert.
Langsam ziehe ich den Ärmel hoch und offenbare diesem Widerling meinen Armreif. Sofort zieht sich ein befriedigt wirkendes Lächeln über sein Gesicht.
Doch noch bin ich nicht fertig.
Ich werde garantiert nicht diesem Idioten die Freude machen, allen den Armreif zeigen zu können.
Erneut nehme ich all meinen Mut zusammen und reise dann meinen Arm in die Höhe.
„Nora ist nur eine Gefangene wie ihr, ich bin die Einzige, die dieses verdammte Ding trägt!", rufe ich laut.
Der Gefangene, der bei Nora steht, glaubt mir nicht, sondern holt sich die Bestätigung lieber selbst. Nachdem er den goldenen Armreif mit eigenen Augen sieht, schubst er das Mädchen von sich weg.
Die anderen Gefangenen treten einige Schritte zurück, dabei bilden sie einen Kreis um uns. In einigen Blicken liegt bedauern, andere dagegen scheinen nur sehen zu wollen, was nun passiert, wieder andere scheinen sogar sehr amüsiert über das Geschehen zu sein. Doch keiner kommt mir zu Hilfe.
Auch Musator nicht.
Aus seinem Blick spricht einzig bedauern für mich. Aber ich kann verstehen, wieso er nicht eingreift. Diejenigen, die grinsend dastehen und sich alles amüsiert betrachten, sind in der Überzahl.
Selbst ich trau ihm nicht so viel Macht zu, dass er alle von mir fernhalten kann, ohne alles, was er sich aufgebaut hat, damit zu verlieren.
Musator läuft langsam zu Nora, dabei bleibt er kurz neben mir stehen.
„Es tut mir leid um dich, Mädchen", sagt er im deutlich mitfühlenden Ton. „Hättest du den Armreif besser versteckt …"
Mein direkter Blick lässt ihn verstummen. „Hältst du mich wirklich für so dumm, nicht darauf zu achten?", verlange ich von ihm zu erfahren. Etwas leiser sage ich nach einer kurzen Zeit: „Ich war nur zur falschen Zeit am falschen Ort."
Jetzt wirkt sein Blick verwundert.
Eine Hand fährt sanft über meine Wange, während mein Herz sich nicht beruhigen lässt. Ich habe so schreckliche Angst, doch die Befriedigung mich eingeschüchtert zu haben, will ich diesem Widerling ihm nicht geben.
„Na kleine Spionin, was mach ich jetzt am besten mit dir?" Ein vorfreudiges Grinsen zieht sich über sein Gesicht.
„Ich bin keine Spionin, nur ein besonderer Gast." Bevor er etwas sagen kann, spreche ich weiter. „Mein Vater soll einst als Rebell bekannt gewesen sein. Der Armreif ist einzig und alleine da, um mich zu überwachen."
Unglaubende Blicke liegen auf mir. Ich habe eh nicht daran gedacht, dass sie mir glauben.
Mein Kopf senkt sich, ich schüttle ihn. „Vor über 200 Jahren", kommt es seufzend von mir, in einem so leisen Ton, dass es kaum einer versteht. „Ich kann es ja nicht mal selbst glauben."
Musator schaut mich verwirrt an. Er scheint der Einzige zu sein, der mir glaubt.
„Malgard?", spricht er seine Vermutung aus, auch wenn es leise und unglaubend aus seiner Kehle dringt.
Mein Blick wandert auf ihn. „Mir wurde erzählt, dass das der Name meines Vaters war", sage ich leise und mit einem Nicken.
Doch anstatt mich zu verteidigen, liegt jetzt ein beruhigtes Lächeln auf seinen Lippen. Etwas, dass mich ihn nur verwundert anblicken lässt.
„Und ich dachte, ich muss mir um dich Sorgen machen", ruft er, bevor er weiter auf Nora zugeht. Ich sehe ihm noch verwirrt nach, dann wird mein Handgelenk grob gepackt.
Der Gefangene vor mir zieht mich an sich.
„Wenn du brav tust, was wir verlangen, sind wir auch nett zu dir." Sein Blick wandert dabei amüsiert meinen Körper entlang. „Zu allererst fangen wir damit an, dass du brav deinen hübschen Arsch hinhältst."
Drei seiner Kameraden treten aus der Masse, darunter die beiden, die Moriphos niedergeschlagen haben.
Doch dass ich kampflos aufgebe, das können sie sich abschreiben.
„Niemals!", gehe ich den Kerl an und versuche mich loszureisen. Es gelingt mir nicht, dafür hält er mich viel zu fest.
„Oh doch, meine Süße!" Ein breites Grinsen zieht sich über sein Gesicht. „Was kannst du denn schon groß dagegen tun?" Er will mich mit sich ziehen, etwas gegen das ich ankämpfe. Ich versuche mich zu befreien, schlage nach seiner Hand, trotzdem gelingt es mir nicht. Er ist viel zu stark für mich und scheint kaum von meinen Versuchen mich zu befreien beeindruckt zu sein.
„Lass sie in Ruhe!", schreit jemand durch den Raum. Nora.
Musator weist sie an ruhig zu sein. Ich selbst hoffe es gelingt ihm, sie zu beruhigen. Ich will nicht, dass mein Versuch sie zu beschützen umsonst gewesen ist. Leider gelingt es ihm nicht. Sie stößt gegen die Kerle Flüche aus und würde mich am liebsten vor ihnen beschützen.
„Verdammt, halt die Klappe Nora!", rufe ich leise und bete, dass diese Idioten ihre Worte ignorieren.
Doch leider ist dem nicht so.
Der Kerl bei mir blickt auf die Blondine. „Da will wohl noch jemand etwas Spaß haben", ruft er grinsen.
Ein weiterer Blick geht zu den Wachen. Weit und breit ist immer noch nichts von Marto oder Mak zu sehen und die anderen Wachen wirken wie vorhin immer noch kaum interessiert.
Mir wurde ja gesagt, dass sie nicht eingreifen, wenn sich die Gefangenen untereinander umbringen.
Ich sehe wieder auf den Widerling, der mich gefangen hält. Sein Blick liegt interessiert auf Nora, dabei leckt er sich über die Lippen. Der Blick der anderen Drei liegt weiter amüsiert auf mir.
Mir kommt ein Einfall, wie ich mich vielleicht befreien kann, auch wenn ich vor der Konsequenz Angst habe. Aber kann es denn überhaupt schlimmer kommen?
Ich beiße den Kerl in den Arm, sofort schreit er vor Schmerz auf. Weiter beiße ich zu, sogar bis ich sein Blut im Mund schmecke. Trotzdem lässt er mich nicht los.
„Verdammte Schlampe!", knurrt er mich an. Mit seiner freien Hand holt er aus um, nach mir zu schlagen. Nur lasse ich es nicht dazu kommen.
Vorher ziehe ich mein Bein mit voller Wucht hoch.
Der Mann, der mich immer noch fest hält, geht sofort zu Boden, wo er, sich krümmend vor Schmerz, liegen bleibt. Nur zieht er mich dabei leider mit, da er mich immer noch fest hält.
Dennoch war es ein kleiner Erfolg.
Nicht nur, dass ich diesen Kerl damit erst einmal außer Gefecht gesetzt habe, seine drei Kameraden blicken mich nur verwirrt an. Scheinbar ist es das Letzte gewesen, was sie von einem kleinen, hilflosen Mädchen erwartet haben.
Aber nun finde ich endlich die Möglichkeit mich zu befreien. Ehe die anderen Drei, etwas tun können, springe ich auch schon auf und will fliehen.
Doch wohin?
Suchend wandert mein Blick über den Kreis aus Gefangenen, in dem mir niemand einen Fluchtweg bietet.
Plötzlich ergreift eine Hand mein linkes Handgelenk und wirbelt mich zu sich herum. Die Hand von einem weiteren Mann packt mein rechtes Handgelenk.
Es sind die beiden, die Moriphos niedergeschlagen haben.
Diese beiden kräftigen Brüder.
Aber auch ihnen habe ich nicht vor mich zu ergeben. Ich hole mit meinem Bein aus und verpasse dem Rechten der beiden einen kräftigen Tritt gegen das Scheinbein.
Er schreit vor Schmerz auf, lässt mich los und reibt sein schmerzendes Bein.
Der Andere zieht mich an sich und klammert sich regelrecht an mich, sodass ich keine Chance gegen ihn habe, selbst nach ihm zu treten gelingt mir nicht. Sogar einen meiner Arme hält er fest, der andere ist frei. Sofort verpasse ich ihm eine schallende Ohrfeige.
Sein Bruder hat sich derweilen von meinem Tritt erholt. Zusammen mit dem vierten Mann kommt er zu uns. Beide ziehen mich von ihrem Kameraden weg.
Giftig und warnend liegt mein Blick auf dem Mann vor mir.
„Du kleines Biest willst wohl eine Lektion haben?" Er lacht auf, während mich die beiden Männer so weit in die Höhe heben, dass ich nur mit den Zehenspitzen den Boden berühre.
„Stutzen wir ihr erst einmal die Krallen", kommt es lachend von einem der anderen Beiden.
„Lasst eure Pfoten von ihr!", schreit Nora in den Raum. Sie will zu mir kommen und dazwischen gehen, doch Musator hält das junge Mädchen fest.
„Nora, lass es sein, oder willst du, dass diese Idioten das Gleiche mit dir machen?" Sein Blick liegt warnend auf ihr.
„Dann bitte mach du etwas", bittet sie ihn. Tränen laufen ihr über die Wange. „Du hast doch hier das Sagen?"
Musator schüttelt den Kopf. „Nicht einmal ich kann ihr jetzt helfen." Er zieht Nora an sich. Sie will etwas sagen, doch er kommt ihr zuvor. „Mak ist doch immer in eurer Nähe. Ich bin mir sicher, er wird ihr zu Hilfe kommen."
Es scheint Nora zu beruhigen, doch mich nicht. Ich verstehe nicht, wie Musator so zuversichtlich sein kann.
Mein Blick wandert wieder auf den Kerl.
In diesem Moment sehe ich nur noch seine Hand auf mich herab sausen.
***
Wie sehr wünsche ich mir, das Musator recht behält. Dass mich Mak wirklich retten kommt.
Ich kann mir denken, was die Kerle mit mir vorhaben und die Gedanken daran gefallen mir wirklich nicht.
Wenn Mak mich retten würde, würde ich wirklich fast alles als Dank tun.