Heute sehe ich endlich meine Mutter wieder. Doch Angst habe ich auch um sie, besonders seit mir Larana begegnet ist.
Als Gefangene von Torsos und ehemalige Sklavin wird es ihr sicher schlimmer ergangen sein, wie mir bisher. Aber dennoch, zurück will ich nicht. Ich bin hierher gekommen, um zu erfahren, wie es ihr geht.
Vielleicht ist meine Sorge um sie ja auch unbegründet.
***
Mak sammelt ein paar der Früchte auf, die hier auf dem Boden liegen, und drückt sie mir in die Hände. „Proviant!", ruft er laut, als ich frage, was das soll. Er selbst sammelt ebenfalls ein paar der Früchte vom Boden auf. Als Mak fertig ist, ruft er zum Aufbruch.
Er führt mich zu einem weiteren Tor, das aus dem Garten herausführt. Es grenzt direkt an einen großen Platz, auf dem ein paar Raumschiffe stehen. Transporter, wie der mit dem wir hierher geflogen sind, aber auch kleinere, ebenfalls kastenförmige Schiffe.
Zwischen den ganzen Schiffen gehen ein paar Männer umher. Als sie Mak erblicken, verneigen sie sich vor ihm.
„Welchen davon kann ich nehmen?", erkundigt sich Mak bei einem der Männer und deutet dabei auf eines der kleineren Schiffe. Sofort beantwortet ein Mann ihm die Frage und weist auf eines davon.
„Da sind keine Raumschiffe", erklärt Mak mir, während wir auf eines der Gefährte zugehen. „Das sind Transportmittel für Planeten. Einfach kleine Gleiter."
Mak öffnet die Tür und ich trete mit ihm ein. Es ist wie beim Transporter, die Wände sind kahl nur hier besteht das ganze Gefährt aus einem einzelnen Raum. An den Wänden, bis auf der vordersten sind Bänke angebracht.
Auf eine der Bänke legt Mak die Früchte und setzt sich. Ich folge seinem Beispiel.
„Willst du wirklich deine Mutter sehen?", fragt mich Mak. Sein Blick liegt dabei neugierig auf mir.
„Ja!", rufe ich entschlossen. Mein Blick senkt sich auf den Fußboden, als ich weiter spreche. „Ich mache mir einfach Sorgen um sie und will wissen, ob sie unbegründet sind oder nicht"
„Du weißt aber, dass du bisher wirklich Glück hattest", erwähnt Mak, worauf von mir ein Nicken kommt. „Normalerweise werden Neulinge da unten fertiggemacht. Wahrscheinlich liegt es einfach daran, dass ihr beiden Frauen seid. Aber der Dicke passt ja jetzt auf euch auf. Auf den hören alle in der Todeszone."
Ich hebe meinen Blick nicht. Was er sagt, ist mir selbst bewusst.
Mak lehnt sich zurück, ein Seufzen kommt von ihm. „Es gibt aber auch noch die Möglichkeit, dass du mit deiner Sorge vollkommen recht hast. Oder es ihr sogar noch schlimmer geht, wie du vermutest."
Ein Lächeln bildet sich auf meinen Lippen, aber es wirkt mehr gequält. „Du willst mich scheinbar von meinem Vorhaben abbringen", schlussfolgere ich.
Er lacht auf. „Eigentlich nicht!", gesteht er. „Klappt es denn?"
Ich schüttle als Antwort darauf meinen Kopf. Er kann mich nicht mehr umstimmen.
„Eigentlich wollte ich dir nur begreiflich machen, dass auch das Gegenteil der Fall sein kann." Maks Blick wandert zur Decke. „Das Gefängnis, in dem sich deine Mutter befindet, ist nicht gerade dafür bekannt, dass dort mit den Gefangenen nett geplaudert wird."
„Wird nicht das Gleiche über die Todeszone berichtet?", frage ich ihn.
Mak beginnt lauthals loszulachen. „Damit hast du auch recht", ruft er, seine Hand fährt mir sanft durchs Haar. „Jetzt sollten wir aber los." Mit diesen Worten steht er auf.
Genauso wie beim Schiff legt er nur seine Hand auf einen Punkt kurz vor der Wand und ein Bildschirm erscheint, der die Umgebung des Palastes anzeigt. Davor liegt ein Bedienfeld. Nachdem er ein paar Tasten berührt hat, erhebt sich der Gleiter in die Luft. Und nach einer kurzen Weile geht es los.
„Auf nach Kaera!", ruft Mak. Er will sich schon wieder setzen, als ihm einfällt, dass er mich ja necken kann.
Mein Blick ist nicht auf ihn gerichtet, sondern auf die an uns vorbeiziehende Umgebung. Der Gleiter folgt einem Weg, raus aus dem Haupttor des Palastes, vorbei an endlos wirkenden grünen Wiesen. Es scheint so, als liegt der Palast etwas abseits der nächsten Stadt.
Doch lange kann ich mir die Umgebung nicht betrachten. Schon nach einer kurzen Zeit, verschwindet die Projektion und das Einzige was ich erkenne ist eine kahle, metallene Wand.
Als ich zu Mak schaue, blicke ich in sein grinsendes Gesicht.
„Ein ‚Ja' und ich stell es wieder an", kommt es von ihm.
„Zu dem Angebot von Kaia sage ich gerne ja", antworte ich ihm lächelnd.
Doch Mak schüttelt den Kopf und setzt sich neben mich. „Das Angebot ist nicht gemeint."
„Wieso kann ich es nicht einmal versuchen?", verlange ich von Mak zu erfahren.
Mak lehnt sich zurück, sein Blick wandert dabei zur Decke, seiner Stimme ist deutlich anzumerken, wie sehr es ihn nervt. „Die ist so unberechenbar, dass ich niemanden in ihrer Nähe wissen will, der weiblich ist und dazu noch einigermaßen gut aussieht."
Soll das ein Kompliment sein?, frage ich mich. Nur was heißt einigermaßen? Zorn steigt in mir über seine Bemerkung auf. Ich bin immer stolz darauf gewesen, dass ich so hübsch bin und von ihm kommt so ein Spruch.
Doch laut sage ich es nicht, stattdessen aber etwas anderes.
„Kaia hat aber gesagt, wir könnten Freundinnen werden", bemerke ich und lehne mich ebenfalls an die Wand.
„Freundinnen?", ruft Mak. Man merkt ihm deutlich an, wie wenig er das glaubt. „Das ist aber jetzt ein Scherz‽"
„Nein!", kommt es von mir. „Kaia hat gesagt, sie hätte mich gerne als Freundin und das sicher auch ernst gemeint." Dass er mich mit seinen Worten etwas verunsichert, ist mir dennoch anzumerken. „Ich bin jedenfalls der Meinung, sie meinte es ernst."
„Kleine, es gibt Gründe, weswegen Kaias Freundeszahl so begrenzt ist! Im Moment liegt sie bei nur einer Person. Was den Rest betrifft. Wer nicht irgendwie mit ihr klarkommt, versucht ihr aus dem Weg zu gehen."
„Und du?", lautet meine Frage. „Wie es sich anhört, seid ihr befreundet."
Mak schüttelt den Kopf. „Ich gehöre zu denen, die irgendwie mit ihr klarkommen. Wie alles das männlich ist und gut aussieht." Selbstverliebt fährt er sich mit der Hand durchs Haar.
„Und arrogant!", ergänze ich.
„Ich hab doch recht!", protestiert Mak.
Ich muss zugeben, dass es stimmt. Doch ihm laut recht zu geben, das kann ich nicht. Mein Stolz hindert mich daran.
„Ich sag doch, du bist arrogant!", rufe ich stattdessen und lächle ihn dabei an.
Ein Seufzen kommt von Mak. Lächelnd schüttelt er den Kopf. Nach einer kurzen Weile wird er wieder ernst.
„Noch kannst du dich umentscheiden!", sagt Mak. Er nimmt sich eine der Früchte und beißt hinein.
Mak wartet auf meine Antwort, doch ich schüttle den Kopf.
Ich will nicht zurück, egal was er sagt, meine Entscheidung steht fest.
Die restliche Fahrt über redet keiner von uns. Während Mak trainiert, überlege ich mir, was wohl auf mich zukommt. Und egal wie oft er mir noch begreiflich macht, dass das Treffen nicht so schön werden wird, meine Entscheidung steht fest.
***
Es dauert nicht lange, bis der Gleiter sein Ziel für die automatisch vorgegebene Route erreicht hat. Kaera so hat Mak die Stadt genannt.
Ich erschrecke, als die Maschine plötzlich in die Landeposition herabsinkt.
Maks Schritte wirken leichtfüßig, die ihn zum Bedienfeld führen. Er ist mit dem allen aufgewachsen und dennoch bleibt mir sein Blick nicht unbemerkt, mit dem er über meine zum Balance halten, ausgestreckten Arme sich herrlich amüsiert.
Zumindest erscheint mir das so.
Er gibt eine Funktion ein, mit der das Bedienfeld verschwindet.
„Da wären wir!", ruft Mak laut. Langsam geht er zur Tür. Ich folge ihm voller Neugier.
Was mich hier draußen erwarten wird?, frage ich mich. Wie die Stadt wohl aussieht? Ich stelle es mir riesig vor. Mit Gebäude die bis in den Himmel reichen und wo ein reger Trubel herrscht. Eine Stadt, wie man sie in den meisten Sience-Fiction-Filmen sieht.
Doch beim Palast habe ich mich schon geirrt und hier …
Die Tür öffnet sich langsam. Sobald als ich hinaustrete, erblicke ich jedenfalls keine gewaltigen Gebäude.
Wie der Palast wirkt diese Stadt altertümlich. Die Wege sind sandig, genauso wie die Farbe der Gebäude. Das höchste der Häuser scheint vierstöckig, aber die meisten besitzen zwei Stockwerke.
Das Einzige, was nicht in dieses Bild passt, sind die Raumschiffe und Gleiter, die auf diesem Platz stehen, der ihnen als Parkplatz dient.
Allerdings weckt es auch Hoffnung in mir. Die Hoffnung, dass ich mich bei der Angst um meine Mutter irre.
Als ich zu Mak sehe, wirkt er amüsiert. Scheinbar, weil ich hier so verwundert umhergeschaut habe.
„Alles ist irgendwie anders, als ich es mir vorgestellt habe", gestehe ich ihm.
„Und wie hast du es dir vorgestellt?", fragt Mak mich, dabei wirkt er richtig neugierig.
„Riesige Metallklotze, die weit in den Himmel reichen, als Gebäude", erkläre ich ihm und senke dabei etwas verlegen meinen Blick. Er wird es sicher albern finden.
Doch das Gegenteil ist der Fall. „Einer unserer früheren Herrscher hat solche altertümlichen Gebäude geliebt", erzählt Mak mir. Er geht los, und während wir die Gasse entlang laufen, spricht er weiter. „Dieser Herrscher hat auch den Palast erbauen lassen. Die späteren Herrscher haben kaum etwas am Aussehen des Palastes oder von Kaera verändert. Das Gegenteil war eher der Fall. Einige weitere Städte wurden nach Kaeras Vorbild etwas altertümlicher gestaltet. Einfach, weil die Meisten von solch einer Kulisse angetan sind. Besonders für bestimmte Aktivitäten." Ich kann mir vorstellen, was er meint. „Tormahs ist halt seit sehr langer Zeit ein Sklavenplanet." Mak bleibt plötzlich stehen, ich folge seinem Beispiel. „Aber es gibt noch andere Städte auf Tormahs, die moderner gestaltet sind. Riesige Metropolen sogar."
Mit seiner Hand weist er in eine bestimmte Richtung, der mein Blick sofort neugierig folgt.
In der Ferne erkenne ich schwarze Ungetüme, die weit in den Himmel reichen. Doch mehr als diese schwarzen Kolosse kann ich nicht erkennen.
„Die Stadt, die dort zu sehen ist, heißt Malir", erklärt Mak mir. „Es ist die größte Stadt von Tormahs und hat die höchste Einwohnerzahl."
„Du kennst dich hier aber ziemlich gut aus", bemerke ich lächelnd.
„Wenn man auf einem Planeten geboren wurde, muss man wenigstens seine Geschichte kennen, und die wichtigsten Städte", antwortet er mir. „Besonders wenn es noch dazu der Geburtsort ist." Sein Blick liegt abwesend in der Ferne.
Ich bin überrascht. Mit meiner Hand tippe ich auf seine Uniform. „Das hätte ich allerdings nicht gedacht", gestehe ich ihm.
Ein Lächeln bildet sich auf seinen Lippen.
„Ein Vorteil unter Torsos' Herrschaft zu leben ist, das hier selbst Sklaven die Chance bekommen, eine hochrangige Position zu erreichen", erklärt er mir.
Mak läuft weiter. Wieder folge ich ihm.
Nach einer kurzen Zeit erreichen wir unser erstes Ziel. Einen belebten Markt, auf dem es viele interessante Dinge gibt, aber auch einige, über die ich nicht mal nachdenken mag.
An einem der Stände bleiben wir stehen. An ihm wird Kleidung verkauft.
„Such dir einfach etwas aus!", fordert mich Mak auf.
Ich folge seiner Anweisung.
Eine Weile betrachte ich mir die Sachen, doch es gefällt mir wirklich nichts davon. Ein Stöhnen dringt über meine Lippen, während ich die Klamotten angewidert durchgehe.
Nichts davon würde jemals in meinem Kleiderschrank wandern, geschweige denn, dass ich es freiwillig anziehe.
Die meisten Sachen sind grau oder schwarz. Auch sehen die Fetzen aus, als seien sie für die Arbeit geschaffen. Es sieht ja noch nicht mal nach Kleidung für Frauen aus.
„Also, ich könnte dir auch ein hübsches Kleidchen kaufen", kommt es von Mak. Seine Stimme klingt leicht erzürnt aber auch sehr ungeduldig. „Im Gefängnis würden das sicher einige an dir schick finden."
Sofort greifen meine Hände nach dem Erstbesten, was so ausschaut, als würde es mir passen. Zwei Angriffe auf mich haben mir gereicht! Einen weiteren will ich nicht provozieren!
„Ein hübsches Mädchen!", ertönt plötzlich die Stimme eines Mannes hinter Mak.
Langsam drehe ich mich zu dem um, der das sagte.
Neben Mak steht ein kleiner und sehr korpulenter Mann, der mich ziemlich interessiert mustert. Die paar Haare, die der Alte noch auf seinem Kopf trägt, sind dunkelbraun, genauso seine Augen, die sehr von mir angetan wirken. Sein Aussehen wirkt nicht gerade anziehend für mich. Eher abstoßend. So sehr, dass es mich wundert, zwei bildhübsche junge Mädchen, etwas älter als ich, an seiner Seite zu sehen. Die eine hat langes blondes Haar, das der anderen ist ein feuriges Rot; voll, lang und lockig.
Sie sind viel zu hübsch, um freiwillig bei so einem Kerl zu sein.
Dies hier ist ein Sklavenplanet!, rufe ich mir in Erinnerung. Und dass diese Frauen Liebessklavinnen sind, kann ich mir auch sehr gut vorstellen.
Auf den Gesichtern der Beiden liegt ein Lächeln, doch dass es nicht echt ist, merke ich sofort.
„Was willst du?", knurrt Mak den Alten an. Aus seinem Blick spricht Verachtung für den Kerl. Mak scheint ja von dem Typen regelrecht angewidert zu sein.
Ein widerliches Grinsen bildet sich im Gesicht des Dicken. Der Blick, mit dem der Kerl jeden Zentimeter meines Körpers mustert, verursacht bei mir eine Gänsehaut.
Ich hoffe nur Mak verschwindet so bald wie möglich mit mir.
„Das Mädchen sieht wirklich hübsch aus." Ich werde das Gefühl nicht los, dass er das nicht nur als nettes Kompliment meint.
Mein Blick wandert flehend zu Mak.
„Was hab ich auch anderes erwartetß", kommt ein genervt wirkendes Seufzen von ihm. Es ist aber mehr an sich selbst gerichtet, als an die anderen Anwesenden. Beim Nächsten schaut er den Alten direkt an. „Vergiss es!"
„Ich würde aber sehr gut für sie bezahlen", versucht der Mann Mak umzustimmen, während sein Blick weiter auf mir liegt.
Bitte gehen wir!, flehe ich ihn stumm an, dabei presse ich ängstlich die Kleidung in meinem Arm nah an meinen Körper.
Mak läuft zu mir. Er will endlich bezahlen, hält aber im letzten Moment inne.
„Wieso eigentlich nicht?", kommt es von ihm, dabei scheint er zu überlegen. „Wieso sollte ich dich Nervensäge eigentlich nicht an den Typen verkaufen?"
„Wie?", kommt es unfassend von mir. Mit aufgerissenen Augen und ohne eigentlich zu verstehen, was hier vor sich geht, sehe ich ihn an. Das kann doch nur ein Scherz gewesen sein.
„Ganz einfach!", kommt es von ihm, dabei sieht er mich direkt an. „Wenn du nicht eines der Angebote sofort annimmst, dann verkaufe ich dich einfach an den Typen. Der ist allerdings sicher nicht ganz so nett."
Doch ich sehe ihn nur weiter unglaubend an. Das kann er nicht wirklich ernst meinen?
Noch etwas rührt sich in mir. Wut.
„Gerne!", rufe ich laut und kampflustig. „Das von einer gewissen Dame nehme ich sehr gerne an!"
„Vergiss die!", ruft Mak. „Das von mir, oder das von …"
Weiter braucht er nicht reden. Ich weiß ja wen er meint.
„Wenn nicht, verkaufe ich dich eben an diesen Idioten!", sagt er Schulter zuckend.
„Hey!", kommt ein Protest von mir.
Dabei baue ich mich vor ihm auf und meine Augen funkeln ihn zornig an
„Das nenn ich eine miese Erpressung!", gehe ich ihn an. „Außerdem …" Meine Stimme wird leiser. „Außerdem soll ich ja von einer Rasse abstammen, die scheinbar kaum noch existiert. Was meinst du, was dein Herrscher dazu sagen würde, wenn du mich einfach so an irgendeinen dahergelaufenen Typen verkaufst?"
„Der wäre sicher froh, dass du Nervensäge weg bist!" Mak lacht auf. Seine Hand fährt durch mein Haar. „Weißt du was Mädchen." Ich sehe ihn verwirrt an. „Du gefällst mir!"
Ich bin beruhigt. Scheinbar war es doch nur ein weiterer Versuch, an sein Ziel zu kommen. Allerdings nur mit dem Erfolg, dass ich richtig Angst habe.
„Mein Name lautet Janine", rufe ich lächelnd.
„Süße", sagt er mit einem Zwinkern.
Ein Seufzen dringt über meine Lippen, danach ein kurzes Kichern. Was habe ich auch von ihm anderes erwartet?
Er wendet sich an den Mann. „Die Kleine ist nicht zu verkaufen!", ruft Mak ihm zu, dann wendet er sich an die Verkäuferin. Er schiebt den Ärmel seiner Uniform zurück und zeigt der Frau kurz sein Armband.
„Das wirst du noch bereuen, du dummer Junge!", knurrt der Alte. Mak aber ignoriert ihn vollkommen.
„Komm mit!", ruft Mak mir zu, nachdem er bezahlt hat.
Ich folge brav und bin froh, endlich von diesem Widerling fortzukommen.
Wir gehen den Weg zurück, den wir gekommen sind. Mit dem Gleiter geht es dann weiter in die Stadt hinein. Und je näher wir unserem Ziel kommen, umso größer werden meine Angst und mein Bedenken.
Nun sitzen wir im Gleiter. Ich an der einen Wand, Mak an der anderen sitzt mir direkt gegenüber. Mein Blick liegt auf dem Boden, doch als ich zu ihm aufschaue, blickt er mich voller Mitleid an.
„Du brauchst nicht hineinzugehen", bricht er das Schweigen. Auf seinen Lippen liegt dabei ein nettes Lächeln. „Ich verspreche dir dafür zu sorgen, dass sie deine Mutter nicht so hart anfassen wie die restlichen Gefangenen."
Traurig wandert mein Blick zum Boden.
„Ich will sie aber sehen!", rufe ich bestimmt. Ich lege eine Pause ein, in der ich nur betrübt drein blicke. In meinen Gedanken gehe ich alles noch mal durch, was in den vergangen Tagen passiert war. „Euer Herrscher hat mit meiner Mutter kein all zu nettes Gespräch geführt", erwähne ich. Sein Blick, der auf mir liegt, ist dabei voller Neugier. „Egal wie es ihr geht, ich will nicht, dass sie auch noch die Sorgen um mich quälen."
Tränen steigen in mir auf, die ich aber noch zurückhalten kann.
„Ich kann ihr sagen, dass es dir gut geht", schlägt er vor.
Ein Kopfschütteln kommt von mir. Ich hebe meinen Blick, um ihn direkt anzusehen. Ein Lächeln liegt dabei auf meinen Lippen, dass allerdings nicht glücklich wirkt, sondern gequält „Das wird sie sicher nicht glauben."
Mak nickt. Er will schon zu mir kommen, doch der Gleiter hält. Wie bei unserem ersten Stopp senkt er sich langsam zum Boden. Mak schließt wieder das Bedienfeld und ruft danach zum Aufbruch.
Der Gleiter ist auf einem riesigen Hof gelandet, auf dem viele andere Gleiter und Raumschiffe stehen. Mit staunendem Blick, der auf den Gefährten liegt, folge ich Mak.
„Wir sind hier nicht auf einem Vergnügungsausflug", erinnert mich Mak. „Du solltest dich allerdings nicht zu sehr an diesen Anblick gewöhnen. Wenn du in der Station dein Zimmer hast, werden dir nur bestimmte Bereiche zugänglich sein. Und die Hangar gehören sicherlich nicht dazu."
Ein Nicken kommt von mir. „Das ist mir schon klar", sage ich. „Kaia hat dasselbe gesagt."
„Mädchen bilde dir nicht weiter ein, dich mit Kaia befreunden zu können." Ein Seufzen kommt von Mak. Er bleibt stehen und sieht mich direkt und mit warnendem Blick an. „Vielleicht ist sie ja wirklich nett gewesen. Manchmal passiert es, dass selbst sie jemanden interessant findet. Aber das Interesse hält bei ihr nicht lange an und dann kann sie zur Furie werden, selbst wenn man nur ein einziges falsches Wort sagt oder sie auch nur anschaut."
Seine Worte kann ich nicht ganz glauben, so nett, wie Kaia zu mir gewesen ist. Auch hat sie es scheinbar ernst gemeint.
Vielleicht irrt er sich ja, was sie betrifft.
„Frag Larana und Marata, die haben beide schon Kaias unangenehmste Seite kennengelernt", kommt ein Seufzen von ihm.
„Bisher war sie nett zu mir", bemerke ich.
„Dann hast du Glück gehabt", ist Maks Meinung. Er geht weiter und ich folge ihm.
Das Gebäude das vor uns liegt ist ein zweistöckiger Steinklotz, anders kann ich dieses Ding nicht beschreiben.
Was ich sehe, sind nur kahle Wände aus Stein. Nirgends ist auch nur ein Fenster zu sehen, höchstens ein Eingang, der ins Innere führt. Allerdings macht es das Gefängnis nicht gerade einladender.
Ich zögere kurz, als wir an die schwere Tür treten. Aber nicht vor dem was mich drinnen vielleicht erwartet, sondern weil mir dieses ganze Gebäude einen eisigen Schauer über den Rücken laufen lässt.
Erst als ich Maks Blick bemerke, der neugierig auf mir liegt, überwinde ich mich weiter zu gehen.
Das Innere wirkt noch beängstigender als das Äußere. Es ist sogar, als wäre ich in einen Horrorfilm gesogen worden.
Wir gehen einen langen Gang entlang, der nur von einem schwachen Licht erleuchtet wird. Die Wände sind aus grauem Stein, links und rechts von uns sind eiserne Türen und ein widerlicher muffiger Gestank liegt in der Luft. Alles wirkt so düster und unheimlich.
Die Todeszone ist zwar auch nicht gerade einladend, aber mir tausendmal lieber als dieses Gefängnis.
Automatisch rücke ich näher an Mak.
Er legt seinen Arm um mich und bleibt stehen. „Willst du nicht doch lieber umkehren?", erkundigt er sich, doch ich schüttle energisch den Kopf.
Wir bleiben hier ein paar Minuten stehen. Schreie dringen an mein Ohr. Laut, gerade zu verzweifelt klingen sie, fast schon, als würden sie von irgendeinem gequälten Tier stammen nicht aber von irgendetwas Menschenähnlichem. Bei jedem dieser Schreie, der über uns hinweg fährt, zucke ich sichtlich zusammen. Trotzdem will ich nicht weg.
Erst nach einer ganzen Weile kommen zwei Wachen zu uns. Wie auch in der Station tragen sie graue Uniformen.
Als die beiden vor Mak zum Stehen kommen, verneigen sie sich vor ihm.
„Was führt euch hierher?", erkundigt sich eine der Wachen.
„Ich will nur jemanden besuchen", antwortet Mak ihnen. Nach dieser Antwort gehen sie weiter und wir setzten uns auch wieder in Bewegung.
Mak läuft an die letzte Tür in dem Gang. Ein Aufzug, was ich allerdings erst bemerke, als wir hineintreten. Doch es geht nicht, wie ich vermute, in die Höhe, sondern hinab in die Tiefe.
„Hier ist es gruselig!", bemerke ich auf dem Weg in eines der unteren Stockwerke.
„Tja, es ist hier auch kein netter Ort für kleine Mädchen", ruft er lächelnd. Von mir erntet er für die Bemerkung einen grimmigen Blick.
Wie kann er es nur wagen, mich als kleines Mädchen zu betiteln?
„Hierhin kommen meist sehr gefährliche Typen", erklärt er mir weiter. „Im Gegensatz zur Todeszone gibt es hier nur Einzelzellen. Die haben den Vorteil, dass man die Gefangenen besser unter Kontrolle hat."
Der Fahrstuhl hält und wir steigen aus.
Dieser Gang sieht genauso aus, wie der beim Eingang. Genauso düster, genauso muffig und genauso unheimlich.
Ich hoffe nur, dass es meiner Mutter gut geht.
„Hey du!", ertönt plötzlich eine kräftige, männliche Stimme aus einem weiteren Gang hinter uns. „Ohne Absprache hat hier unten niemand etwas zu suchen!"
Der Mann, der zu uns kommt, ist ein hässlicher Kerl Ende 40, der aber dennoch ziemlich kräftig wirkt. Sein Haar ist braun, genauso wie seine Augen. Die Uniform, die er trägt ist schwarz mit grauen Streifen auf der Schulter. Seine Aufmerksamkeit gilt mehr mir als Mak. Mit seinem Blick mustert er mich interessiert. Auf seinen Lippen liegt ein widerliches Grinsen, bei dem es mich schüttelt.
Instinktiv drücke ich meinen Körper Schutz suchend an Mak.
„Sag mir, dass das ein Scherz ist und du hier nicht den Oberaufseherposten übernommen hast", kommt es von Mak. Der Blick des Kriegers liegt voller Abscheu auf diesem Kerl.
„Die brauchten einen fähigen Mann, und da du mir ja mein Spielzeug weggenommen hast, musste ich mir ja eine andere Beschäftigung suchen." Ein Lachen dringt aus seiner Kehle bei seinen Worten. „Wie geht es meinen beiden Süßen eigentlich?"
„Sehr gut, jetzt wo sie frei sind!", knurrt Mak ihn an.
„Was suchst du eigentlich hier?", erkundigt sich der Mann. „Willst du mir Ersatz für mein verlorenes Spielzeug bringen?" Er fährt sich mit der Zunge über die Lippen, sein Blick liegt dabei auf mir.
Alles in mir zieht sich zusammen bei dem Blick dieses Kerls.
Mak tritt vor mich. „Das ganz sicher nicht!", ruft er. Sein Blick, der auf dem Mann liegt, ist voller Hass und Verachtung. „Ich bin auf Anweisung von Gasard hier! Wenn du mir nicht glaubst, frage nach!"
„Wird schon stimmen!", kommt es von dem Dicken. „Also zu wem willst du?"
„Vor ein paar Tagen wurde eine Frau hierher gebracht", antwortet Mak. „Zu ihr will ich."
Ein Nicken kommt von dem Kerl. Dabei liegt ein amüsiertes Grinsen auf seinen Lippen, was in mir eine unbändige Angst schürt. Dass es nicht unberechtigt ist, zeigt mir seine folgende Bemerkung.
„Für ihr Alter, noch ziemlich gut gebaut", ruft er. „Komm mit!" Damit geht er los. In den Gang, aus dem er kam.
„Es ist wahrscheinlich noch schlimmer, als ich erwartet habe!", kommt es von Mak, mehr zu sich als zu mir. Er folgt dem Mann.
Wie sehr ich mir wünsche, dass er sich irrt, aber Maks Bemerkung nimmt mir auch den restlichen Funken Hoffnung.
Mit gesenktem Blick folge ich den Beiden.
„Ich habe dir schon einmal angeboten, dass ich alles regele", ruft Mak und schaut mich dabei direkt an. „Das Angebot gilt noch."
Von mir kommt ein Kopfschütteln. Aus seinem Mund würde sie sicher nichts glauben und ich will sie doch so sehr wiedersehen. Auch wenn ich Angst davor habe, zu erfahren, was sie ihr womöglich angetan haben.
Der Aufseher bleibt an einer der Türen stehen. Er öffnet sie nicht, sondern schiebt einen Riegel zur Seite der einen Blick ins Innere der Zelle preisgibt. Ein widerlich amüsiert wirkendes Grinsen zieht sich quer über sein Gesicht, als er einen Blick hineinwirft.
Ich habe die Vermutung, dass es meine schlimmsten Befürchtungen noch übersteigen wird, was ich sehe, wenn ich einen Blick in die Zelle werfe. Mein Blick wandert Hilfe suchend zu Mak.
Er sieht mich besorgt an, dennoch aber auch mit einem Funken Neugier, ob ich wohl meine Meinung ändere.
Doch meine Entscheidung steht fest.
Ich atme tief durch, dann trete ich an die Tür.
Mein Herz klopft dabei wie verrückt, meine Brust zieht sich zusammen, als ich mich diesem Schlitz nähere. Kurz bevor ich hineinsehe, zögere ich, doch dann tu ich es.
Das Bild, das sich mir bietet, lässt mich geschockt einen Schritt zurücktreten, und mit einem muskulösen Mann zusammenstoßen, der das gleiche tut wie ich. Heiße Tränen schießen mir in die Augen, während Mak herumwirbelt, den Aufseher packt und ihn heftig gegen die gegenüberliegende Tür wirft.
„Der Befehl lautete, ihr sollt auf sie aufpassen!", geht Mak den Aufseher wütend an. „Nicht sie fast zu Tote prügeln!"
Tränen kullern mir über die Wangen beim Anblick meiner Mutter.
Ihre Handgelenke liegen in eisernen Fesseln, die mit einer Kette an der Decke befestigt sind. Ihr Körper wirkt kraftlos. Es scheint so, als würde sie nur diese Kette aufrecht halten. Auf ihrer Brust ruht ihr Kopf. Die langen Haare sind strähnig und verdecken ihr Gesicht.
Ob sie wach ist?, frage ich mich. Oder ist sie ohnmächtig?
Ihr Kleid … Sie trägt es seit der letzten Nacht, in der ich sie gesehen habe. Es hat so schön ausgesehen, jetzt hängen davon nur noch Fetzen an ihrem Körper, der von violetten Blutergüssen gezeichnet ist.
Heiße Tränen steigen in meine Augen, während ich ihren geschunden Körper betrachte. Dass kein Blut zu erkennen ist, beruhigt mich in diesem Moment kaum.
„Was ist denn so schlimm daran, wenn wir uns mit ihr amüsieren?", verlangt der Aufseher zu erfahren. „Das ist doch nur eine wertlose Sklavin!"
Es ist, als würde mir jemand ein Dolch ins Herz stoßen, so sehr schmerzte mich der amüsierte Ton, der in seiner Stimme mitschwingt. Kraftlos sinke ich erst auf die Knie und dann auf den Boden.
„Mich wundert nur das Mal", bemerkt der Aufseher. „Ich dachte, seit dieser Idiot an der Macht ist, sei es verboten Sklaven zu brandmarken." Seine Worte rauschen am mir vorbei, ohne dass ich ihren Sinn verstehe. „Ist allerdings besser! So kann man wenigstens den Müll von den normalen Gefangenen unterscheiden!"
Sofort landet Maks Faust in seinem Gesicht.
„Weil es solche Typen wie dich gibt, wurde es verboten, Sklaven zu kennzeichnen!", knurrt Mak. Sein Blick wandert besorgt zu mir. Er will schon etwas sagen, doch wird von dem Aufseher unterbrochen.
„Alles wegen so einer dummen Sklavin!", kommt es von ihm. Diesmal landet Maks Faust in seinem Bauch. Der Aufseher stöhnt auf und geht vor Mak in die Knie.
„Verdammter Bastard!", faucht dieser Widerling von unten. „Das wirst du noch bereuen!"
„Ich bin es ganz sicher nicht, der hier irgendetwas bereuen wird!", ruft Mak. Langsam kommt er zu mir und hockt sich neben mich. Seine Hand wischt ein paar meiner Tränen weg. Dass er mal so nett zu mir sein kann, ist ungewohnt aber auch schön und lässt wenigstens den Schmerz ein wenig abklingen. „Willst du mit ihr sprechen?", erkundigt er sich bei mir.
Ich nicke und stehe auf.
Mak folgt meinem Beispiel. Als er wieder steht, gibt er dem Aufseher den Befehl aufzuschließen.
Der Typ hat sich schon etwas von dem Schlag erholt und kommt dem Befehl sofort nach. Zornig liegt sein Blick auf Mak, während er die Tür öffnet.
Ich wische mir die Tränen aus dem Gesicht, hole tief Luft und trete dann in die Zelle ein.
Es ist nur ein winziger Raum, mehr Loch, als Zelle, indem sie den Gefangenen wenigstens einen Schlafplatz anbieten, wenn es schon an allem anderen fehlt.
Meine Mutter versucht ihren Kopf zu heben, zu schauen, wer eingetreten ist, doch sie schafft es nicht. Sie ist viel zu schwach dafür.
„Mum", rufe ich zu ihr. Meine Stimme zittert. Es ist ihr anzuhören, wie fertig mich ihr Anblick macht.
„Janine?", kommt es von ihr. Ihre Stimme klingt so verdammt schwach. So ungewohnt. Normalerweise ist sie immer fröhlich und lacht viel. Ich kann kaum glauben, dass dies alles real ist. Doch leider ist es kein Albtraum.
Ein Nicken kommt instinktiv von mir. Erst hinterher wird mir begreiflich, dass sie es nicht sieht, da ihr Blick auf dem Boden liegt.
„Ja", bringe ich nach einer Weile raus. Ich kann mich nicht bewegen, sondern stehe wie angewurzelt da und starre sie an.
„Geht es dir gut?", erkundigt sie sich. In ihrer Stimme schwingt Besorgnis mit. Beim nächsten Satz kommt Zorn hinzu. „Hat er dir was angetan?"
„Nein!" Ich schüttele den Kopf. „Es geht mir gut!"
Erneut versucht sie den Kopf zu heben, doch wieder gelingt es ihr nicht.
Tränen benässen meine Wangen. Es geht einfach nicht! Ich kann es nicht verhindern und beginne los zu weinen. So sehr schmerzt es mich, sie in diesem Zustand zu sehen.
„Was haben sie dir nur angetan?", kommt es unter Tränen von mir. Endlich kann ich mich aus meiner Starre lösen und renne zu ihr. Ich falle ihr um den Hals und drücke ihren schwachen Körper an mich.
„Es tut mir leid mein Schatz, wir hätten dich besser beschützen müssen." Tränen benässen mein Haar, ihre Stimme ist nur noch ein Hauchen und unter meiner Umarmung zuckt sie vor Schmerz zusammen. Es ist als würde ich innerlich zerreisen, sie so zu sehen, ihre Stimme so schwach zu hören. „Wäre dein Vater noch am Leben dann …" Sie stockt kurz. Der Teil, den ich von ihrem Gesicht erkenne, ist verweint und schmerzverzerrt. „… dann wäre das alles sicher nicht passiert."
Die nächsten Minuten versuche ich sie zu beruhigen, beteuere immer wieder, dass es mir gut geht und sie sich keine Sorgen um mich machen braucht. Dennoch ist sie genauso besorgt um mich, wie ich um sie.
***
Schritte nähern sich uns. Sofort schaue ich, wer da kommt. Meine Mutter dagegen versucht es nicht einmal.
Mak ist zu uns gekommen. Mit einer Geste deutet er mir an, ihm zu folgen.
„Ich muss jetzt gehen!", sage ich. Mit meinem Handrücken wische ich meine Tränen weg. Am liebsten hätte ich sie mitgenommen. Ich hätte alles dafür getan, dass es ihr besser geht. Vielleicht sollte ich ja mit Mak reden.
„Aber ich versuch wieder zu kommen." Mit gesenktem Blick gehe ich auf Mak zu, der nur voller Mitleid zu uns schaut.
„Er hat recht!", ruft meine Mutter plötzlich. Auf ihren Lippen bildet sich ein Lächeln. „Verdammt, er hat so recht mit dem, was er sagte. Du kommst wirklich nach deinem Vater." Meine Schritte stoppen, gespannt lausche ich ihren Worten.
Das Lächeln auf den Lippen meiner Mutter verschwindet genauso schnell, wie es kam. „Wir waren so dumm, deine Worte keine Minute zu beachten."
„Bitte!", rufe ich meiner Mutter zu. Dabei kullern wieder ein paar Tränen über meine Wangen. „Wenn ich dich wieder sehen darf, bitte erzähl mir dann etwas von meinem Vater und meinem Bruder."
Sie versucht ein Nicken zustande zu bringen, doch selbst das klappt nicht.
Mak drängt zum Aufbruch und ich folge ihm mit gesenktem Blick. Erst als sich die Tür hinter uns schließt, beginnt Mak zu sprechen.
„Wenn du Lobeshymnen über deinen Vater hören willst, dann ist es egal, wen du ansprichst", sagt er. Ich hebe meinen Blick und sehe in sein aufmunterndes Lächeln. „Sobald du den Namen Malgard erwähnst, ist überall etwas von einem großen Krieger zu hören, dessen Sohn irgendwann den schrecklichen Imperator Torsos bezwingen soll." Der letzte Teil hört sich in meinen Ohren so an, als würde es Mak amüsieren. „Doch wenn du wissen willst, wie dein Vater und den Bruder waren, dann musst du ein bestimmtes Angebot annehmen."
Ein leichtes Lächeln huscht über meine Lippen. Was habe ich auch anderes erwartet?
„Oder …" Neugierig sehe ich ihn an. „… du sprichst mit Kaia und Gasard. Die haben beide auch kennengelernt."
Das überrascht mich jetzt. Von ihm hätte ich so etwas Nettes nicht erwartet, doch gestehen kann ich nicht, dass es mich freut.
Er läuft lächelnd los.
„Mak!", halte ich ihn zurück. Er bleibt stehen und lächelt mich an, doch sein Lächeln wandelt sich in Verwirrung, als er meinen flehenden Gesichtsausdruck sieht. „Bitte! Gibt es keine Möglichkeit meine Mutter hier herauszuholen?"
Von ihm kommt nur ein Kopfschütteln.
„Bitte, ich würde sogar eines der Angebote annehmen, egal welches, solange meine Mutter hier herauskommt!", flehe ich ihn an. Tränen steigen mir in die Augen.
„Das geht im Moment nicht!", kommt es von ihm.
Kraftlos lasse ich mich nach hinten gegen die Tür fallen. Wie kann er mir ausgerechnet den einzigen Wunsch verwehren, den ich habe?
„Kleines, wir reden im Gleiter darüber, nicht hier!", sagt Mak, dann geht er los.
Ich stoße mich von der Wand ab und folge ihm.
Erst als wir im Gleiter sind, auf dem Weg zurück zum Palast, spricht er mich wieder an.
Ich sitze auf der Bank. Mein Blick ist starr auf die Projektion gerichtet, die er diesmal angelassen hat. In meinen Gedanken sind nur die Bilder meiner Mutter.
Mak sitzt mir wieder gegenüber und betrachtet mich die ganze Zeit, seit wir das Gefängnis verlassen haben.
„Ich kann sie zwar dort nicht rausholen, egal was du mir anbietest, aber etwas verspreche ich dir." Mein Blick bleibt weiter auf der Projektion liegen, dennoch lausche ich interessiert seinen Worten. „Ich verspreche dir dafür zu sorgen, dass sie dort besser behandelt wird."
„Wie willst du das anstellen?", kommt es von mir. Meine Stimme klingt teilnahmslos. „Eurem Herrscher – Torsos – wäre es doch sicher recht, wenn sie leidet. Immerhin hat meine Mum seine Mutter getötet."
Ein Seufzen kommt von Mak. „Da hast du wahrscheinlich recht." Eigentlich sollte er mich aufmuntern, geht es mir durch den Kopf. „Aber …" Neugierig sehe ich auf, in sein hübsches Gesicht, das mit dem sanften Lächeln auf seinen Lippen noch viel schöner wirkt. „Ich habe auch gehört, er soll sie einst über alles geliebt haben." Das Nächste was er sagt, klingt hastig und er kratzt sich dabei etwas verlegen wirkend am Kopf. „Hat letztens Mal Gasard erwähnt. Jedenfalls …" Er schenkt mir wieder ein Lächeln. Eines, das mir wenigstens etwas Hoffnung gibt. „Wenn er sie wirklich geliebt hat, dann ist es sicher egal, was sie getan hat! Er wird nicht wollen, dass es ihr so mies ergeht! Da bin ich mir sicher!"
„Ich wünsche mir so sehr, dass deine Worte wahr sind", kommt es von mir, mein Blick wandert wieder auf die Projektion.
Aus dem Augenwinkel heraus betrachte ich, wie er aufsteht und mit langsamem Schritt zu mir kommt.
„Aber du hast recht!", sage ich. Er bleibt stehen und schaut mich verwundert an. „Ich hätte wirklich in der Station bleiben sollen. Dann wäre mir der Anblick erspart geblieben."
Bei den Gedanken an meine Mutter zieht sich alles in mir zusammen. Es schmerzt so, was ich in dem Gefängnis gesehen habe. Ein paar kleine Tränen kullern mir über die Wange, die ich sofort mit meiner Hand wegwische.
Mak schüttelt den Kopf. „Es ist gut, dass es so gekommen ist! Wenn du nicht so darauf bestanden hättest deine Mutter wieder zusehen. Wer weiß. Vielleicht wäre es viel zu spät gewesen, wenn sich jemand um ihr befinden erkundigt hätte."
Seine Worte treffen mich wie ein Faustschlag. Ich schlinge meine Arme um meinen Körper und beginne loszuheulen.
„Glaub mir, ich berichte, was dort vor sich geht und es wird niemand mehr deine Mutter anfassen!", verspricht mir Mak. Dabei nähert sich seine Hand langsam meinem Kopf. „Es gibt etwas, das unser Herrscher nicht ausstehen kann und das ist, wenn man einer Frau etwas antut."
Er ist kurz davor mich zu berühren, als der Gleiter plötzlich erbebt.
Jetzt hat selbst Mak Schwierigkeiten das Gleichgewicht zu halten. Ich schrecke auf. Um mich herum werden an sämtlichen Wänden, aber auch Boden und Decke, Projektionen aufgebaut, auf denen die äußere Umgebung angezeigt wird.
Zwei Raumschiffe sind auf der Projektion zu erkennen, die unseren Gleiter in die Zange genommen haben.
„Verdammt!", brüllt Mak. Mein Blick wandert verwirrt zu ihm. Was diese Schiffe von uns wollen?, frage ich mich. „Diese dämlichen Gleiter sind unbewaffnet."
Er eilt zum Bedienfeld und tippt ein paar der Knöpfe. Ein kleiner Bildschirm wird auf der vordersten Projektion angezeigt. Darauf ist das Gesicht eines brünetten Mannes zu sehen, der zwar jünger als Mak ist aber bei Weitem nicht so attraktiv.
„Haben wir gerade bei was gestört?", fragt er zwinkernd.
Maks Blick, der auf dem Bildschirm liegt, wirkt zornig. „Was wollt ihr Idioten?", brüllt er den Mann an.
„Das Mädchen! Uns wurde eine nette Summe versprochen, wenn wir sie jemandem bringen." Der Mann betrachtet mich aus seinen braunen Augen heraus neugierig.
Ich bin wie erstarrt und sehe nur geschockt auf die Projektion, unfähig überhaupt richtig zu verstehen, was hier los ist.
Was will der Typ von mir?
Mak dagegen seufzt auf und wirkt eher genervt, als verwirrt. „Gasard kann was erleben, wenn ich wieder auf der Station bin!", knurrt er. „Da nehme ich dich einmal mit und schon sorgst du für Ärger!" Er schaut zu dem Bildschirm. „Wie wäre es mit einer Abmachung?"
Neugierig verfolge ich alles, obwohl ich nicht einmal weiß, wieso ich dafür verantwortlich sein soll. Ich habe doch überhaupt nichts getan! Außerdem bin ich das erste Mal auf diesem Planeten.
„Du übergibst uns das Mädchen freiwillig?", kommt es mit einem lauten Lachen von dem Mann auf der Projektion.
„So einfach mache ich euch das sicher nicht." Mak schüttelt den Kopf. „Ich mag Kämpfe!" Der Brünette zeigt sich interessiert. „Ein fairer Kampf und wer gewinnt, bekommt das Mädchen."
„Abgemacht!", ruft der Brünette.
Maks Finger huschen geschwind über das Bedienfeld. Der Gleiter stoppt und die Projektion verschwindet. „Jetzt muss ich mich auch noch mit solchen Idioten rumärgern!" Mit schnellem Schritt stürmt er aus dem Gleiter.
Ich folge ihm. Zwar finde ich es nicht gut, als Preis dazustehen, doch mir ist auch klar, dass wir im Nachteil sind.
Während Mak auf die zwei Kerle zugeht, die uns angegriffen haben, bleibe ich am Gleiter stehen, um alles aus der Ferne zu betrachten.
Der zweite Pilot ist nicht gerade hübscher als sein Kollege, dafür aber mit seinen schätzungsweisen 30 Jahren deutlich älter. Sein Kopf ist kahl und sein Körper ziemlich stämmig. Er wirkt sehr kräftig. Außerdem ist er einen halben Kopf größer als Mak.
Ob der Krieger das auch wirklich schafft? Ein wenig zweifle ich an einem positiven Kampfausgang für uns. Dennoch hoffe ich es.
„Wir zwei gegen dich?" Der Brünette lacht laut auf, sein Freund wirkt schweigsamer. Auf seinen Lippen liegt nur ein Grinsen.
„Ich habe von einem fairen Kampf geredet!", protestiert Mak. „Einer von euch beiden kämpft gegen mich, der andere hält sich raus!"
Der Brünette zuckt mit den Schultern. „Dann bekommt der Typ halt seinen fairen Kampf." Der junge Mann lacht auf, während er langsam auf mich zukommt. Er bleibt erst stehen, als er bei mir ist. „Mädchen, freunde dich schon mal mit dem Gedanken an, eine Zeit bei uns zu verbringen."
„Bist du da nicht zu siegessicher", schnaube ich auf, mein Blick ist dabei nur auf die beiden Männer gerichtet, von denen der erste einen Schlag wagt. Der Glatzkopf. Aber dem weicht der Kämpfer mit Leichtigkeit aus. „Mak ist gut und ihr habt sicher kaum eine Chance gegen ihn."
„Tz, solche Typen tun so, als seien sie die Größten, damit überschätzen sie sich aber meistens", kommt es von dem Brünetten.
Ein weiterer Schlag des Glatzkopfes, doch auch der ist kein Problem für Mak. Wer überschätzt sich wohl hier?, lautet meine stumme Frage.
Der Glatzkopf versucht es erneut, doch wieder weicht Mak aus. Genau in dem Moment zielt Mak auf das Gesicht seines Gegners. Er trifft zwar nicht, dafür aber sein nachfolgender Schlag.
Ein weiterer Schlag von Mak, der seinen Gegner trifft.
„Wer überschätzt sich hier?", rufe ich jetzt energisch und laut. Mein Blick wandert zu dem Mann neben mir.
„Das werden wir noch sehen!", kommt es von dem Brünetten. Er wirkt ziemlich zornig, allerdings auch so, als ob er nicht wirklich vor hat, sich von jemanden wie Mak einfach so schlagen zu lassen.
Ein ungutes Gefühl steigt in mir auf.
Als mein Blick wieder zu Mak wandert, liegt der Glatzkopf zu seinen Füßen im Gras. Der Sieger steht fest.
Mein Blick wandert wieder auf den Brünetten. In seinen Händen hält er etwas, das einer Waffe gleicht und mit dem er auf Mak zielt. Ein Blitz löst sich daraus, der sich direkt vor Mak in Luft auflöst.
„Hab ich nicht gesagt, fair bleiben?", ruft Mak.
Der Brünette sieht einen Augenblick verwundert zu dem Kämpfer, bevor er erneut versucht Mak mit dieser Waffe zu treffen. Aber soweit lasse ich es nicht kommen!
Bevor sich noch ein Schuss aus der Waffe löst, verpasse ich dem Kerl einen Schlag mit meiner Faust. Doch mehr als ihn wütend zu machen und ihm ein Veilchen am linken Auge zu verpassen, schaffe ich nicht.
„Du verdammtes Miststück!", geht er mich an. Er erhebt seine Hand. Ich trete ängstlich einen Schritt zurück und sehe seine Hand auf mich herabsausen.
„Wage es ja nicht das Mädchen anzufassen!", kommt es in drohendem Ton von Mak, der die Hand des anderen aufgehalten hat. Mit einem gezielten Schlag ins Gesicht setzt er den Brünetten außer Gefecht.
„Wir verschwinden besser!", ruft Mak. „Bis zum Palast ist es nicht weit! Wenn die Typen wieder munter werden, sind wir schon lange dort! Allerdings …" Mak beginnt zu grinsen. „… wird sich dieser Idiot wohl noch eine Weile an dich erinnern, wenn er in den Spiegel schaut. Gut gemacht Kleines!" Seine Hand fährt mir durchs Haar, dann steigen wir wieder in den Gleiter.
Der Rest der Fahrt erfolgt ohne Zwischenstopp.
„Weswegen hatten die Kerle es eigentlich auf mich abgesehen?", lautet meine Frage an Mak, während wir etwas später vom Parkplatz aus zum Palast laufen. In meinen Händen halte ich die Kleidung für das Gefängnis, er trägt die restlichen Früchte.
„Wahrscheinlich der Dicke vom Markt", kommt es mit einem Schulterzucken von ihm. „Der sah mir jedenfalls nicht so aus, als verträgt er ein Nein." Ein Seufzen kommt von ihm. „Bevor du danach fragst. Dieser Kerl im Gefängnis war der frühere Besitzer meiner Zwillinge. Ich hab die Beiden vor einem Jahr von ihm gerettet."
Auch wenn es mir schon bekannt ist, finde ich es trotzdem erschreckend. Die Beiden scheinen mir kaum älter als ich zu sein. Dazu waren sie auch noch bei so einem Typen. Wie lange will ich gar nicht wissen.
„Die Sklaverei ist unserem Herrscher ein Dorn im Auge", erklärt Mak mir. „Leider gibt es sehr viele, besonders wohlhabende Leute, die die Sklaverei gutheißen. Ein Gesetz zu erlassen, das die Sklaverei verbietet, würde wahrscheinlich einen Aufstand zufolge haben, den sich keiner leisten kann." Ein Seufzen kommt von ihm. „Aber früher war es schlimmer. Zu Makkos' Zeiten wurden die Sklaven wie Vieh behandelt und daher auch sichtbar gekennzeichnet. Die Zeichen, die deine Mutter auf ihren Oberarmen trägt, sind aus dieser Zeit. Das gehört auch mit zu den Dingen, die heute verboten sind. Die Zwillinge konnte ich dem Kerl auch nur abkaufen, weil ich ihm mit dem Gesetz gedroht habe."
Auf unserem Weg kann ich auch einen Blick auf den Transporter werfen. Einige Männer versuchen, eine der großen Kisten hinein zu laden. Das Problem dabei ist, dass der Laderaum des Transporters direkt vor dem Brunnen steht. Es gibt kaum Platz zwischen Maschine und Brunnen.
Mak scheint es zu amüsieren.
Wir betreten den Palast. Sofort kommt eine Blondine auf uns zu gerannt, die Mak stürmisch umarmt. Dabei fallen zwei der Früchte in seinen Armen auf den Boden.
„Malu ist gemein zu uns!", berichtet Larana ihm aufgeregt. „Sie schimpft mit uns, weil wir nicht mit bei der Ernte geholfen haben." Sie lässt ihn aus ihrer Umarmung frei und hebt die heruntergefallenen Früchte auf.
Ihre Schwester steht bei Malu, die erzürnt wirkt.
„Entschuldige Malu, ich habe den Beiden gesagt, sie brauchen nicht zu arbeiten", ruft er der Alten lächelnd zu. Dann schaut er zu mir. „Zieh dich bitte um, ich hole dich gleich ab und dann kehren wir zurück auf die Station."
Er deutet Larana an mir die Kleidung abzunehmen, nur zwei Stücke behalte ich. Eine Hose und ein Hemd. Zusammen mit Marata und Larana geht er in einen der unteren Gänge, ich folge Malu zurück in das Zimmer, in dem ich heute schon gebadet habe.
Als ich den Schmuck abnehme und ihn Malu wiedergeben will, schüttelt sie ihren Kopf. „Dieser Schmuck ist ein Geschenk unseres Herrschers an euch."
„Torsos?", frage ich unnötigerweise. Sofort bekomme ich ein Nicken von Malu darauf als Antwort. Ein leichtes Lächeln huscht über meine Lippen. An dem Ort, zudem ich zurückkehre, werde ich ihn wohl kaum tragen können. Aber wahrscheinlich ist es nur ein Ansporn, sein Angebot anzunehmen.
„Der Schmuck scheint euch zu gefallen", deutet Malu mein Lächeln falsch.
Vorsichtig lege ich die schönen Stücke auf eine Kommode. „Es ist wirklich schöner Schmuck, wenn ich wieder hierher komme, werde ich ihn sicher tragen."
Das Kleid mit den einfachen Sachen zu tauschen fällt mir dagegen schwerer. Diese Sachen sind so kratzige und nicht wirklich nach meinem Geschmack.
Gerade als ich fertig bin, tritt Mak ein.
Malu verneigt sich vor ihm und verlässt stumm das Zimmer.
„In dem Kleid sahst du schöner aus!", ruft Mak und kommt zu mir. „So etwas kannst du täglich tragen, wenn ein kleines ‚Ja' über deine Lippen kommt." Mak lächelt mich an, während er das sagt.
Mein Blick sinkt traurig zu Boden. „Ich habe gesagt, was die Bedingung ist, damit ich annehme."
„Das geht leider nicht!", kommt es von ihm. „Aber wenn es deiner Mutter besser geht, dann nehme ich dich wieder mit hierher, damit du siehst, dass ich mein Versprechen halte." Er ruft zum Aufbruch.
Wie sehr ich mir wünsche, dass seine Worte stimmen. Dennoch, auch wenn seine Worte lieb gemeint sind, gibt er mir nicht das, was ich im Moment am meisten brauche.
Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich total alleine fühle. Wenn es mir auf der Erde schlecht ging, oder ich traurig war, gab es meine Eltern und meine Freunde, die mich aufmunterten oder in den Arm nahmen. Doch hier habe ich niemanden. Es gibt keine Schulter, an der ich mich ausheulen kann. Es gibt niemanden, der mich tröstet.
Nora, die dank meiner Familie in der Todeszone gelandet ist, will ich nicht mit meinen Problemen belasten. Sie macht sich eh um Andy und ihren eigenen Vater Sorgen. Moriphos scheint mich zwar zu mögen, aber ich habe auch Angst vor seiner Reaktion. Wie soll ich ihm denn erklären, dass ich meine Mutter besuchen konnte? Damit, das Torsos mich zur Mutter seines Kindes auserkoren hat? Sicher wäre das keine gute Idee.
Ich seufze und folge Mak mit gesenktem Blick auf den Hof.
Es scheint, als wären die Männer schon mit ihrer Arbeit fertig. Jedenfalls ist niemand mehr zu sehen und die Tür zum Transporter liegt geschlossen.
Mit vorfreudigem Gesichtsausdruck läuft Mak zum Schiff. Zuerst wirft er einen Blick in den Laderaum.
„Okay, voll ist er ja!", kommt es von Mak, auf dessen Lippen ein Lächeln liegt. „Aber mal schauen, wie viel zu Schaden kam."
Kopfschüttelnd betrachte ich ihn dabei, wie genau er den Brunnen auf Beschädigungen untersucht. Er scheint diesen Jert ja wirklich zu hassen, so versessen, wie er nach Fehlern der Männer sucht. Ich kann mir jedenfalls gut vorstellen, wie seine Kameraden ihm danken, wenn sie irgendetwas falsch machen und dafür Ärger bekommen.
Prüfend fährt seine Hand über den Rand des Brunnens, dabei umrundet er ihn einige Mal um sicher zu gehen, keinen noch so kleinen Kratzer übersehen zu haben.
Plötzlich bleibt er stehen. Sein Blick wirkt überrascht, sogar unglaubend.
„Das gibt es nicht!", kommt es von ihm. Erneut umrundet Mak den Brunnen. „Jungs ihr überrascht mich!", ruft er laut. „Kein einziger Kratzer! Wie schaffen die das?"
Ich muss kichern.
„Wenigstens etwas aufmuntern konnte ich dich", ruft Mak. Als Nächstes betrachtet er sich den Rest des Weges bis zum Garten. Jede der prächtigen Statuen und Säulen begutachtet der einzeln. Sogar die Blumen schaut er sich ganz genau an, in der Hoffnung eines Schadens.
„Und wie kann ich mich jetzt bei dem am Besten für die Beleidigung bedanken?", grummelt Mak. Er seufzt auf und betrachtet sich die Säulen noch einmal. „Haben diese Kerle die Dinger ausgebuddelt und wieder eingesetzt oder was?" Mak betrachtet sich den Boden um die ersten beiden Säulen. „Nein, definitiv nicht!", grübelt Mak weiter. Er seufzt erneut auf.
Erst jetzt gibt er auf und ruft zum Aufbruch.
„Da hab ich mich schon darauf gefreut, dass alle richtig schön bestraft werden, sie ihrem Kameraden danken und dann verderben die mir den Spaß."
„Und ich dachte, er mag es nicht, wie manche ihre Sklaven behandeln", dringt es in einem Seufzen über meine Lippen. Zu spät bemerke ich, dass ich es laut gesagt habe.
Mak schaut mich eingeschnappt an. „Kleine, vergleich mich nicht mit den Typen", geht er mich an, dann beginnt er zu schmollen. „Ich mag es nur nicht, wenn mich irgendjemand beleidigt." Mak seufzt erneut auf. „Da muss ich mir was anderes ausdenken, um ihn dafür büßen zu lassen."
Ich kann darüber nur den Kopf schütteln.
***
In einer Hinsicht hat sich die Reise nach Tormahs gelohnt, auch wenn sie mir nur Qualen bereitet hat. Ich habe Mak etwas näher kennengelernt. Aber verstehen tu ich ihn dennoch nicht.
Ob ich das jemals schaffen werde? Interessant ist er jedenfalls.
Auch hoffe ich, dass er recht behält und dass es meiner Mutter wirklich dort bald besser geht. Ehrlich gesagt, wünschte ich mir diese Reise nie angetreten zu haben. Die Angst war zwar schlimm, aber die Gewissheit ist quälender.