Dieser Kyle lässt mir einen eisigen Schauer über den Rücken laufen. Diese ganzen Drohungen gegen mich, nur damit Tosa nichts erfährt, die er anscheinend nicht mal liebt.
Auch versteh ich nicht, wieso Kyle ihr so etwas vormacht, obwohl er sie doch verachtet. Sie, eine Sklavin.
Ich kann Tosa zwar nicht leiden, leid tut sie mir dennoch. Bei dem Spiel, das Kyle scheinbar mit ihr spielt.
Aber jetzt ist erst einmal Mak wichtig. Und ich habe ganz sicher nicht vor, ihm einfach so zu helfen.
***
„Und wie soll ich dir helfen?", erkundige ich mich bei Mak. Mein Blick liegt voller Misstrauen auf ihm. Ich weiß noch, dass er es im Palast schon einmal angesprochen hat. Schon dort hat es geklungen, als plant er etwas. Und ich bezweifle, dass mir sein Plan gefallen wird.
„Das siehst du dann schon!", antwortet er mir. Die gleiche Antwort, wie er sie mir im Palast gegeben hat. Dass er mich nicht einfach einweiht, macht mich noch misstrauischer. Besonders da ich mir nichts vorstellen kann, wo ich ihm helfen könnte, Moriphos vor dem Hungertod zu bewahren.
Ein nettes Lächeln bildet sich auf seinem Gesicht, das allerdings mein Misstrauen kaum mindert. „Wenn es dich interessiert, du brauchst einfach nur in der Gegend rum stehen, nett lächeln und sonst nichts weiter tun", erklärt er mir.
Nein, selbst dadurch verschwindet mein Misstrauen nicht.
„Und was ist, wenn ich dir nicht helfen will?" Mein Blick liegt neugierig auf Mak. Auf die Antwort bin ich gespannt.
„Es gibt insgesamt drei Möglichkeiten!", kommt es Schulter zuckend von ihm. „Entweder du hilfst mir. Das ist die schmerzloseste Möglichkeit. Wir könnten ihn einfach so weitermachen lassen, in der Hoffnung der Hunger ist stärker als sein Stolz. Die letzte wäre, dass ihm die Wachen zum Essen zwingen und das wird dann nicht gerade schmerzlos."
Wieso kann er mir denn nicht einfach sagen, was mein Part an der Sache ist? Fällt es ihm denn wirklich so schwer mich in seinen Plan einzuweihen? Aber es wird schon so ein, wie ich vermute. Er hat irgendwas vor, das mir nicht gefallen wird und für Moriphos sicher nicht gut ist. Die Alternativen klingen in meinen Ohren aber auch nicht angenehmer. Ob ich ihm wirklich helfen sollte? Ich hab ein schlechtes Gefühl bei der Sache.
„Mädchen, der Plan, den ich habe, könnte zwar auch scheitern, wäre aber sicher die angenehmste Art für ihn", sagt Mak.
„Okay", gebe ich mich letztendlich geschlagen.
Allerdings, wenn er etwas von mir verlangt, kann ich ja auch etwas als Gegenleistung verlangen, geht es mir im Kopf herum. Er kann mir doch das spätere Tragen erleichtern.
„Aber nur, wenn du mir hinterher auch bei etwas hilfst", lautet meine Bedingung.
Mak wirkt im ersten Augenblick überrascht, doch dann lacht er.
„Ich kann mir schon denken, wobei ich dir helfen soll. Ich hab davon gehört, was für einen Mist Otscharsan gebaut hat. Und Gasard hat sich als Hilfe sicher wieder diese Vielfraße geholt. Wenn du Akara sagst, für wen du das brauchst, dann gibt sie dir gleich eine ordentliche Ladung mit. Nur ein Irrer würde da freiwillig helfen!"
Klingt ja nicht gerade angenehm. Ein Seufzen dringt über meine Lippen, mein Blick wandert zum Boden.
Plötzlich legt sich eine Hand auf meine Schultern. Als ich den Blick wieder hebe, sehe ich in Maks schöne haselnussfarbene Augen. Ein nettes Lächeln liegt auf seinen Lippen.
„Ich hab heute nicht viel zu tun, also kann ich dir helfen!"
Regelrecht strahlend lächle ich ihn an.
Jetzt ist nur noch die Frage, was er von mir nun eigentlich will. Unter der Hilfe kann ich mir immer noch nichts vorstellen.
Ich folge Mak bis in den mir bekannten Teil der Todeszone. Dieser kurze Gang zu den Zellen. Hier stehen zwei der Wachen am Ausgang. Einer davon ist mir leider sehr bekannt. Kyle. Der andere, mit kurzem braunen Haar, braunen Augen und eigentlich ganz hübsch, ist mir noch nicht aufgefallen.
Kyle mustert uns beide. Dabei liegt sein Blick hauptsächlich auf mir. Warnend, mit einer stummen Drohung darin, wie ich ihn schon kenne. Aber in Maks Nähe macht er mir damit keine Angst. Der Krieger hat mich immerhin schon einmal vor ihm gerettet.
Mak deutet mir an, stehen zu bleiben, er selbst geht weiter zu den Wachen, um ihnen anzuweisen Moriphos her zu bringen. Angeblich soll er noch mal zur Krankenstation. Erst glauben sie ihm nicht, doch nach einer kurzen Bestätigung folgen sie der Anweisung sofort.
„Es ist schön anderen Befehle zu erteilen!", kommt ein glückliches Seufzen von ihm.
Von mir kommt ein Kichern.
Das glaube ihm sofort.
Mak geht langsam auf mich zu. Wieder frage ich mich, was er nun eigentlich vorhat. Besonders nachdem er direkt vor mir zum Stehen kommt. Sein Blick mustert mich von oben bis unten, auf seinen Lippen liegt ein Lächeln. Dass alles lässt ein ungutes Gefühl in mir ansteigen.
Ich kann mir schon vorstellen, dass mir sein Plan sicher nicht gefallen wird.
„Wann erklärst du mir nun meinen Part an der Sache?", fordere ich ihn auf.
„Geduld, das erfährst du noch früh genug!", lautet Maks Antwort. Er lächelt mich weiter an, seine Hand streichelt sanft meine Wange.
Als Moriphos herausgeführt wird, senkt Mak seinen Mund an mein Ohr.
„Genieße es oder wehre dich, beides erfüllt seinen Zweck!", haucht er so leise, dass es die Anderen nicht hören und mit einem amüsiert wirkenden Ton in der Stimme, der mir sagt, ich habe einen Fehler gemacht mich darauf einzulassen.
Moriphos liegt in schweren Ketten. Sein Blick wirkt eher genervt, doch als er auf mich und Mak fällt, erglimmt eine unbändige Wut darin. Sofort bleibt er stehen.
Mak wirft dem Zeitstürmer einen kurzen Blick zu. Auf seinen Lippen bildet sich ein vorfreudiges Lächeln. „Perfekt!" Er lacht leise auf. „Ganz die Reaktion, die ich erwartet habe."
Mein Blick liegt fragend auf Mak, unfähig zu ahnen, was in seinem Kopf vor sich geht. Plötzlich sieht er mir tief in die Augen, seine Hände ergreifen meine Handgelenke.
„Was … Was soll das?", kommt es konfus von mir. Ich versuche mich zu befreien, doch Maks Griff um meine Handgelenke ist viel zu fest. Als ich nicht locker lasse, presst er seinen Körper an meinen, um mir damit jede Chance auf Flucht zu nehmen.
Ein Lachen kommt von ihm. „Was soll ich wohl wollen?" Seine Stimme klingt amüsiert und hat einen ungewohnten Ton. Sonst ist er zwar auch ein Idiot aber seine Stimme klingt nett. Jetzt dagegen ist sie hart und bestimmt. „Etwas Spaß will ich!"
Ich schlucke laut. Mir wird es plötzlich unwohl in meiner Haut.
„Lass deine dreckigen Pfoten von ihr!", schreit Moriphos. Er versucht sich von den Wachen loszureißen, doch sein Vorhaben scheitert an einem Schock, der ihn durchfährt.
Er geht neben den Männern in die Knie.
Kyle schaut dem Treiben nur zu und rollt mit den Augen. „Erst verdirbt der Kerl einem den Spaß und dann macht er es selbst", schnaubt er auf. Etwas später bildet sich auf seinem Gesicht ein Lächeln. „Aber du lässt uns doch sicher etwas übrig."
„Vergiss das schnell wieder Kleiner!" Mak lacht laut auf.
„Sagt mal, seid ihr beiden durchgedreht?", mischt sich die andere Wache ein. Wenigstens einer, der mir noch normal erscheint. „Wenn das Marto erfährt, dann bekommen wir alle richtigen Ärger!"
Allerdings kann es auch eher so sein, dass er einfach nur Angst vor dem Aufseher hat, geht es mir durch den Kopf. Erneut versuche ich mich zu befreien, doch Mak lässt mir keine Chance.
„Jetzt endlich zu dir, meine Liebe." Mak scheint die anderen Männer zu ignorieren. Seine Lippen nähern sich meinen, während ich ihn nur verwirrt ansehe.
Was soll das? Was bezweckt er damit?
Seine Lippen legen sich auf meine. Im Gegensatz zu seiner harten Stimme und der groben Art ist dieser Kuss richtig zärtlich.
Diese ganze Aktion verwirrt mich so, dass ich im ersten Moment nicht begreife, was hier überhaupt geschieht. Ich sehe nur verwundert auf ihn, ohne zu verstehen, wieso er das macht.
Seine Lippen lösen sich wieder von meinen, auch der Griff um meine Handgelenke lässt nach, bis er sie ganz frei gibt. Langsam wandern seine Hände auf meine Taille, während ich ihn immer noch verwirrt anstarre.
Das Lächeln, das jetzt auf seinen Lippen liegt, wirkt sehr arrogant, genauso wie sein Ton beim nächsten, was er sagt. „Gib zu, es hat dir gefallen!"
Es war ein Fehler von ihm, meine Handgelenke loszulassen. Die Antwort auf seinen Spruch bekommt er von mir in Form einer schallenden Ohrfeige.
Im Raum wird es plötzlich ganz leise. Alle schauen verwundert auf mich, besonders Mak. Mit seiner Hand reibt er sich über die schmerzende Stelle.
„Lass mich nur kurz mit ihr alleine und ich zieh ihr die Krallen!" Kyle lacht auf. Dabei sieht er mich amüsiert an. Wahrscheinlich hofft der Kerl, er könne das Verpasste vom letzten Mal noch nachholen. Aber für so einen Typen halte ich Mak nicht. Oder vielleicht doch?
Doch Mak beachtet die Wache nicht einmal. Sein Blick liegt nur verwirrt auf mir.
Nach einer kurzen stummen Pause wandelt sich die Verwirrung in Wut. Seine Hand nimmt er von der leicht geröteten Wange und ballt sie zu einer Faust. „Tz, manche Frau würde für einen Kuss von mir alles tun!", kommt es zornig von ihm.
Moriphos hat allem lange genug zugesehen, er richtet sich auf. Zuerst stößt er Kyle weg, dann dessen Kameraden. So schnell, dass beide nicht reagieren können und jetzt am Boden liegen. Langsam kommt Moriphos auf uns zu.
„Und du kleines Mädchen, reagierst gleich so", protestiert Mak mit einem leicht schmollenden Ton, als sich eine Kette um seinen Hals legt.
Moriphos zieht die Kette zu, die an seinen Armen befestigt ist, und würgt Mak damit.
Einer der Wachen will eingreifen, der mir unbekannte, und Moriphos mit einem Schock stoppen, doch Kyle hält ihn zurück. Ein freudiges Grinsen zieht sich über sein Gesicht, seine Augen liegen amüsiert auf dem Geschehen.
„Lass das!", kommt es von ihm. „Es ist doch schön, wenn dieser Angeber seine gerechte Strafe bekommt!"
Im ersten Moment bin ich unfähig dazu etwas zu tun. Ich stehe nur da und sehe geschockt auf beide. Auch wenn Mak manches Mal ein richtiger Idiot gewesen ist, steigt Angst in mir auf. Sicher hat er das so nicht geplant.
Seine Hände versuchen panisch unter der Kette zu fassen, um sie von seinem Hals zu drücken, während Moriphos nur voller Zorn auf den Anderen herunter schaut.
„Bitte Moriphos, lass ihn los", flehe den Zeitstürmer ihn an.
Von dem Kämpfer, auch wenn der Mann vor ihm, wie eine Wache erscheint, sieht er zu mir. Einen Augenblick lang wirkt der Zeitstürmer irritiert, dann wandert sein Blick wieder voller Zorn auf Mak. „Damit der Kerl dich weiter belästigt, oder noch Schlimmeres macht?"
Panisch werden Maks Versuche, nach der Kette zu greifen, doch es gelingt ihm nicht, stattdessen zieht Moriphos sie noch weiter zu.
„Bitte Moriphos", flehe ich ihn erneut an. Meine Angst um Mak steigt an. So wütend, wie Moriphos aussieht, würde ich ihm im Moment alles zutrauen.
Erneut wandert Moriphos' Blick auf mich. „Wieso?", verlangt er von mir zu erfahren.
Plötzlich dreht sich Mak zur Seite. Mit voller Wucht stößt er seinen Ellenbogen gegen eine bestimmte Stelle auf der Brust des Mannes hinter sich. Genau die Stelle, an der ihn das Messer verletzte.
Moriphos schreit voller Schmerz auf. Dabei löst sich sein Griff um die Kette. Eine Chance die Mak sofort nutzt freizukommen.
Nach Luft schnappend steht er da, sein Blick liegt zornig auf dem Anderen.
Es beruhigt mich zwar, das Mak nicht mehr gewürgt wird, dennoch beunruhigt es mich auch. Ich habe gesehen, wie Mak kämpfen kann. Außerdem sehen sich beide an, als würden sie dem Anderen am liebsten an die Kehle gehen.
„Verdammter Bastard!", keucht Mak auf. Ohne überhaupt daran zu denken, sich zu schonen, springt er auch schon auf seinen Gegner zu. Moriphos hat das gleich vor. Er verbeißt sich die Schmerzen und geht auf den Kämpfer los. Seine rechte Faust hat das Gesicht des Gegners als Ziel.
Mak weicht blitzschnell nach unten aus und kontert mit einem Faustschlag in den Bauch des Zeitstürmers. Getroffen taumelt Moriphos ein paar Schritte zurück, sein Blick liegt auf dem Kämpfer und ist angefüllt mit Hass.
„Gib auf!", keucht Mak, er ist noch deutlich angeschlagen von der Zeit, als die Kette um seinen Hals gelegen hat.
Ängstlich wandert mein Blick von einem zum anderen. Wie ich die Beiden nur auseinander bekomme, geht es mir durch den Kopf. Kyle steht nur da und schaut dem Treiben amüsiert zu, die andere Wache scheint auch nicht eingreifen zu wollen.
Ich tue einen Schritt auf die Beiden zu. Auch wenn ich keine Ahnung habe, wie ich beide stoppen soll. Wenigstens versuchen will ich es.
Mak scheint zu verstehen, was ich vorhabe. „Misch dich nicht ein!", geht er mich an und schaut dabei kurz zu mir. Ein kleiner Augenblick der Unachtsamkeit, die Moriphos sofort ergreift. Seine Faust trifft den Gegner im Gesicht, genauer zwischen Lippe und Kinn.
Mak stolpert ein paar Schritte zurück, die Augen liegen wütend auf dem Gegner, der erneut angreift. Diesmal weicht Mak dem Schlag aus, wieder mit dem nachfolgenden Versuch zu kontern, den Moriphos allerdings diesmal mit der Kette abwehrt.
Während Maks Angriff ins Leere geht, sieht der Zeitstürmer erneut seine Chance. Er holt aus und verpasst Mak einen heftigen Schlag in die Magengrube.
Mak keucht unter dem Schlag auf und stolpert ein paar Schritte nach vorne.
Moriphos tritt vor ihn. Er holt erneut zu einem Schlag in das Gesicht des Gegners aus. Doch wieder weicht der Kämpfer aus. Diesmal, indem er in die Knie geht.
Mak stützt sich mit der Hand vom Boden ab, mit einem schnellen Tritt reißt er seinem Gegner die Füße weg. Moriphos verliert das Gleichgewicht. Bei seinem Sturz schlägt er mit dem Kopf auf dem Boden auf. Regungslos bleibt er liegen. Nur ein Stöhnen kommt noch von ihm.
Ob Mak das geplant hat?, frage ich mich. Moriphos tut mir so leid. Hätte ich gewusst, wie es endet, hätte ich abgelehnt. Für so etwas wollte ich nie der Köder sein.
Ich will zu ihm gehen, schauen, ob ich irgendwie helfen kann, doch Maks warnender Blick lässt mich innehalten. Erst jetzt bemerke ich, dass er nicht nur den Abdruck auf seinen Hals vom Kampf zurück behalten hat, auch seine Lippe ist bei einem Schlag aufgesprungen.
Der Kämpfer tritt neben dem am Boden liegenden Mann. Langsam beugt er sich zu ihm herunter. Seine Hand greift in Moriphos Haar und zieht seinen Kopf zu sich hoch. „Was meist du, wie gut du sie in ein paar Tagen beschützen kannst?", flüstert Mak ihm ins Ohr, damit ihn die anderen Beiden nicht hören können. „Wenn du sie beschützen möchtest, dann gelingt dir das sicher nicht, indem du an deinem Stolz krepierst." Nach Beenden dieses Satzes holt Mak zu einem letzten Schlag aus, mit dem er Moriphos bewusstlos schlägt. Er lässt das Haar des Gegners los, dessen Kopf auf den Boden fällt. Dann wendet er sich an die beiden Wachen. „Schafft ihn zur Krankenstation!"
Kyle tritt demonstrativ vor Mak. „Was bist du eigentlich für ein Typ?", erkundigt er sich. Sein Blick liegt dabei kampflustig auf dem Schwarzhaarigen. „Eine Wache bist du kaum!"
„Doch", ruft Mak. Mit seiner Hand wischt er sich dabei etwas Blut von der Lippe. „Aber nur für kurze Zeit." Sein Blick wandert zu dem am Boden liegenden Zeitstürmer. „Schafft den Kerl endlich zur Krankenstation!" Danach schaut er zu mir. „Der Typ ist zäh, also mach dir keine Sorgen!", sagt er mit einem Lächeln auf den Lippen.
Mein Blick wandert betrübt zum Boden. Das Moriphos so etwas passiert, ist das Letzte was ich gewollt habe. Er ist immer so nett zu mir und jetzt ist es zum Teil meine Schuld, dass er hier auf dem Boden liegt.
„Wieso sollten wir deiner Anweisung Folge leisten?", kommt es von Kyle. Jetzt hat er Maks Aufmerksamkeit. Zuerst wirkt der Kämpfer verwirrt, dann misstrauisch. „Wir könnten doch Marto holen, dann bist du ganz schnell weg."
„Oh nein! Sagt bloß nichts dem Alten!" Mak verdreht die Augen und klingt von der Drohung des Anderen nicht gerade eingeschüchtert, eher gelangweilt. „Am Ende behält der mich armen Kerl noch hier unten, solang bis er die Station verlässt."
„Aber doch nicht, bis ich die Station verlasse", kommt es von einer versteckt liegenden Abbiegung des Ganges aus, die mir bisher noch nicht aufgefallen ist. Marto tritt zu uns, der Blick des Alten liegt dabei auf Mak.
Während die beiden Wachen zusammenzucken, wendet sich der Kämpfer nur mit einem strahlenden Gesichtsausdruck zu dem Aufseher. „Ach du lässt Gnade walten, weil ich so ein netter Kerl bin."
Marto beginnt sofort laut loszulachen. Dabei kommt er langsam auf uns zu. „Junge, wenn ich dich herumkommandieren könnte, dann würde ich solange hier bleiben, bis es mir vom Alter nicht mehr erlaubt wird."
„Sag das bloß niemandem, besonders nicht Otscharsan, sonst steht die Chance gut, dass dir das möglich ist!", ruft er und lacht dabei auf.
„Auch wenn es hier ganz nett ist", gesteht Marto und schüttelt dabei leicht den Kopf. „Es gibt jemanden, mit dem ich meinen Lebensabend lieber verbringen würde, als mit den Jungs hier."
Mak lächelt den Alten nett und verstehend an. Ich dagegen verstehe absolut nichts davon, wie ihre Unterhaltung gemeint ist. Das Einzige, was mir auffällt, ist, dass sie scheinbar ein sehr gutes Verhältnis zueinander haben.
Marto schaut kurz auf Moriphos herunter, dann wendet er sich an die beiden Wachen. „Bringt ihn zur Krankenstation!"
Im Gegensatz zu der von Mak, gehorchen die Wachen sofort seiner Aufforderung. Sie heben den Zeitstürmer auf und verlassen mit ihm den Ort Richtung Fahrstuhl. Sobald sie weg sind, lehnt sich Mak gegen die Wand und lässt sich seufzend auf dem Boden nieder.
Marto setzt sich neben ihn, die Hand legt er dem Jüngeren auf die Schulter. „Junge, irgendwann gerätst du mal an einen, der stärker ist, als du."
Der Kämpfer deutet nur auf seinen Hals „Nah dran war der Kerl, aber ich passe schon auf mich auf."
„Ich kenne jedenfalls einige, die trauern würden, wenn du nicht mehr da wärst." Auf den Lippen des Alten liegt ein Lächeln, während er das sagt.
Mak verschränkt die Arme hinter seinem Kopf und lehnt sich gegen die Wand, dabei lacht er laut auf. „Ich weiß, der Großteil wäre weiblich."
Nicht nur arrogant, sondern auch sehr von sich überzeugt. Unweigerlich muss ich kichern bei seiner Bemerkung.
„Sag mal Junge." Marto sieht Mak plötzlich sehr ernst an. „Letztens konntest du dich doch dank Gasard vor der Arbeit drücken aber heute hast du sicher niemanden, der dich davor retten könnte." Über das Gesicht des Alten zieht sich ein Grinsen, das extrem vorfreudig wirkt.
„Zuerst muss ich ihr helfen." Mak deutet auf mich, dann kommt ein verträumtes Seufzen von ihm. „Danach lass ich armer Kerl mich von unseren netten Damen auf der Krankenstation umschwärmen, umsorgen und bedauern."
„Wie ich dich kenne, ist das eh wieder nur eine Ausrede", ist Marto der Meinung. „Du arbeitest brav mit den Wachen, dem Mädchen kann ich kurz helfen." Bei Beenden dieses Satzes steht er auf.
„Das bereust du noch!", murmelt Mak, während er aufsteht.
Marto kommt zu mir, auf seinem Gesicht liegt ein Lächeln. Er wirkt wie ein netter Mann und scheint auch so ganz in Ordnung, wie er mit Mak umspringt.
„Was habe ich dem armen Kerl denn jetzt für eine ach so schwierige Arbeit abgenommen?", will er von mir wissen.
„Sag mal, ist dir nicht aufgefallen, dass zehn der Männer fehlen?", erkundigt sich Mak grinsend.
„Ich bin heute noch nicht dazu gekommen es zu überprüfen", gibt Marto zu.
„Na dann bring sie nur erst mal zu Akara, der Rest ist tragen!" Damit verabschiedet sich Mak.
***
Als wir an der Kantine sind, ist Akara immer noch nicht zurück aber Tosa wirkt etwas freundlicher, als bei dem vorigen Besuch. Sie bringt Marto ungewöhnlich viel Respekt entgegen. So viel, dass ich sie erst mal eine Zeit lang nur vollkommen verwirrt anschaue.
Der Raum, indem wir uns jetzt befinden, ist eine riesige Küche, in der einige Frauen herumlaufen oder arbeiten. Ich sitze mit Marto an einem Tisch und betrachte mir den Trubel hier.
„Bist du wirklich Malgards Tochter?", lautet Martos Frage an mich. Er schüttelt den Kopf und beginnt sich zu erklären. „Überall hört man von Malgard, er soll ein großer Krieger und Rebell gewesen sein und Gasard sagt mir, er war in Wirklichkeit ein guter Freund von Makkos. Das kann ich einfach nicht glauben!" Er lässt den Kopf hängen und seufzt. „Ach, was sag ich? Ich will es nicht glauben."
Betrübt lasse ich meinen Kopf hängen. „Ich weiß es nicht", gestehe ich ihm. „Es ist gerade mal ein paar Tage her, als ich erfahren habe, dass meine Familie nicht einmal von dem Planeten stammt, auf dem wir gelebt haben." Ich kann selbst jetzt noch nicht alles glauben.
Als Tosa zu uns an den Tisch kommt, verstumme ich sofort. Mit einem Lächeln auf den Lippen serviert sie uns zwei Gläser.
„Werter Herr, wünschen Sie noch etwas?", erkundigt sie sich höflich bei ihm.
Mein verwirrter Blick, mit dem ich sie anstarre, wird mir erst bewusst, als Marto zu lachen beginnt. Mit einem Kopfschütteln macht der Alte dem Mädchen begreiflich, dass er nichts benötigt. Erst danach wendet er sich wieder mir zu.
Doch ich lasse ihn nicht mal zu einem einzigen Wort kommen.
„Tosa scheint in der Gegenwart von anderen ziemlich unfreundlich zu sein", äußere ich meine Meinung. „Mich scheint sie jedenfalls nicht zu mögen."
„Tosa ist eigentlich ganz nett", meint Marto. „Nur da du dauernd von bestimmten Personen herumgeschleppt wirst und nettes Essen bekommst, wird sie dich genauso wenig sympathisch finden, wie jeder andere es auch tun würde."
Ich sehe ihn nur fragend an, doch Marto erklärt es sofort.
„Besonders Gasard und Kaia sind verhasst. Sogar unter denjenigen, die hier auf der Station arbeiten, gibt es kaum jemanden, der Kaia und Gasard nicht verabscheut."
Mein Blick wirkt immer noch verwundert, was mir jetzt Marto selbst entgegenbringt. Doch meine Verwunderung erkläre ich ihm sofort. Auf meinem Gesicht erscheint ein Lächeln. „Ich verstehe nicht, wieso die beiden so verabscheut werden, ich finde sie ganz nett."
„Beide?", kommt es unfassend von ihm.
„Es mag sein, dass sie überall verabscheut werden, aber ich habe noch nie etwas von ihnen gehört", erkläre ich es ihm genauer.
„Aber du magst wirklich beide?", fragt Marto verwundert nach, worauf von mir ein Nicken kommt. „Sogar Kaia?"
„Sie scheint nett", ist meine Meinung. Meine Stimme wird leiser und meine Verwunderung ist daraus zu hören. Ich verstehe diese Fragen nicht, und ich verstehe nicht, wieso ich sie nicht mögen sollte.
Marto hebt die Augenbrauen. „Kaia und nett, es gibt niemanden, der das findet", ruft er unfassend. Ich sehe ihn weiter verwundert an. Marto seufzt und schüttelt den Kopf. „Selbst ich halte dieses Mädchen für eine selbstgefällige Furie."
„Mir gegenüber war sie ziemlich nett", werfe ich ein.
„Kann sein, dass sie eine Seite hat, die bisher keiner kannte." Er lächelt mich an, dann nimmt er einen Schluck aus seinem Glas.
Ich folge seinem Beispiel.
Es ist derselbe Saft, den ich auch in Maks Zimmer getrunken habe.
„Kaia sagte auch, sie wäre gerne meine Freundin."
Marto starrt mich plötzlich an, als hätte ich einen schlechten Witz gemacht. Nach einer kurzen Weile lächelt er mich nett an. „Sollte Kaia es ernst meinen, dann sei froh und tu nichts, dass sie erzürnt." Ich nicke. Sie als Freundin zu haben fände ich ganz nett. „Mit Kaia befreundet zu ein, kann einem das Leben hier sehr erleichtern." Er lacht leise. „Besser, als unter ihren Launen leiden zu müssen."
Ich beginne leicht zu lachen. „Ich habe schon gehört, sie solle sehr launisch sein."
Plötzlich wird Marto ernst und sieht mich neugierig an. „Wieso warst du eigentlich mit auf Tormahs?", erkundigt er sich bei mir. Mein Lachen verstummt, mein Blick wandert auf das Glas. „Zu einem Besuch dort, um dir die Gegend anzuschauen, bezweifle ich." Er bemerkt, wie bedrückt mich die Frage macht, und setzt ein leichtes Lächeln auf. „Nur, wenn du es mir sagen willst."
Ich schüttele den Kopf. „Die Gegend vom Palast ist zwar herrlich, aber deswegen war ich wirklich nicht da." Tränen steigen in meine Augen, als ich daran denke. An die Bilder, die ich dort gesehen habe. „Gasard wollte mir nur einen Gefallen tun, weil ich mir so Sorgen um meine Mutter gemacht habe." Meine Tränen kann ich kaum noch zurückhalten, doch es gelingt.
„Deine Mutter ist auf Tormahs?", fragt Marto nach. „Sicher ist sie im Palast untergebracht."
Erneut schüttele ich den Kopf und Marto sieht mich verwirrt an.
„Meine Mutter und Torsos haben nicht das beste Verhältnis", erkläre ich weiter. „Es sind einige Dinge vorgefallen … Ich kann verstehen, dass er sie deswegen hasst." Ich mache eine kurze Pause, damit es mir gelingt die Tränen weiter zurückzuhalten. Marto schaut mich die ganze Zeit verwirrt an. „Meine Mutter ist in Kaera."
„Kaera?" Marto wirkt sehr überrascht. „Armes Mädchen. Ausgerechnet Kaera." Er seufzt und ich lasse meinen Blick wieder betrübt auf den Tisch sinken. „Ich weiß, was dort aus den Gefangenen gemacht wird." Er schaut mich an. In seinem Blick liegt bedauern. „Du musst Torsos dafür ja sehr hassen."
Mein Blick wandert zu ihm und ich schüttele den Kopf. Aus Martos Bedauern wird wieder Verwirrung. „Was damals vorgefallen ist, klingt schrecklich. Ich kann gar nicht glauben, dass meine Mutter das getan hat." Nach einer kurzen Pause spreche ich erst weiter. „Auch wenn es mich schmerzt, wenn ich daran denke, ich kann auch Torsos verstehen. Das er sie über alles hasst und ihr so etwas wünscht." Ich verstumme. Ein paar Tränen kullern mir über die Wange.
„Wen haben wir denn heute zu Besuch?", ruft plötzlich jemand von der Tür aus. Akara ist endlich wieder in die Küche gekommen. Als sie einen Blick auf mich wirft, ist sie im ersten Moment verwirrt. „Ist irgendetwas?", erkundigt sie sich besorgt bei mir.
Ich schüttele den Kopf und wische mir meine Tränen weg. „Nein, es geht schon wieder", antworte ich ihr.
Akara stellt den leeren Korb, den sie in den Händen trägt, beiseite und kommt zu uns.
Bevor Akara noch weiter fragt, beschließe ich auf ein anderes Thema zu lenken.
Ich sehe Marto an und frage neugierig: „Wie kommt es eigentlich das die Gefangenen in Ketten gelegt werden? Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass das nötig ist"
Marto schüttelt den Kopf. „Ist es auch nicht aber irgendjemand hat es mal eingeführt, weil ihn so was amüsiert hat. Torsos hat das zwar nicht gefallen, aber er duldet es." Marto zuckt mit den Schultern. „Bei dem, was heute passiert ist, werden die eh demnächst abgeschafft."
Akara macht auf sich aufmerksam und erkundigt sich bei uns, was wir hier eigentlich wollen. Ich erkläre es ihr kurz.
Nach einem weiteren kleinen Plausch gibt uns Akara das Essen. Einen großen Topf gefüllt mit Brei und einen riesigen Korb voller Früchte.
Marto nimmt den Topf, weil der etwas schwerer ist als der Korb. Dennoch muss ich hin und wieder eine Pause einlegen. Der Korb ist zwar etwas leichter, aber doch zu schwer für mich, als das ich ihn den ganzen Weg tragen könnte.
Am Gleiter trennen sich unsere Wege. Marto meint, dass er etwas später Pause macht, als er eigentlich vorhat. Er scheint nicht darauf zu vertrauen, dass Mak wirklich brav arbeitet, sondern meint, der Junge hätte sich sicher verdrückt. Auch scheint es ihm wirklich ziemlich zu freuen, eine Chance zu haben, dass er alles tut, was der Alte von ihm verlangt.
Im Gleiter brauche ich wieder nur einen Knopf drücken, mehr nicht. Der Autopilot bringt mich sofort an das gewünschte Ziel.
„Janine!" Stürmisch werde ich von Gasard mit einer Umarmung begrüßt, sobald der Gleiter gelandet ist. Sein Blick wandert auf den Korb und den Topf. „Akara übertreibt es immer!", ist seine Meinung. Er lächelt mich dabei freundlich an. „Da ist es ja kein Wunder, dass du so lange gebraucht hast."
Ich schüttle den Kopf. „Akara war gerade unterwegs", erkläre ich.
„Oh", kommt von ihm. Gasard deutet mir an, mit raus zu gehen. „Hätte ich das gewusst, hätte ich dich etwas später losgeschickt."
Gasards Lächeln finde ich einfach nur toll. Ich mag es in seiner Nähe zu sein. Er ist mir von allen die ich bisher kennenlernte am sympathischsten. Ich kann einfach nicht verstehen, wie man ihn hassen kann.
Draußen arbeiten die Gefangenen an den Wänden. Sie tauschen die verbeulten oder aufgerissenen Stellen aus und prüfen, ob im Inneren etwas an den Kabeln zerstört ist. Dabei stehen sie so verteilt, das Otscharsan hin und herlaufen muss, um ihnen alles zu bringen.
„Endlich Essen", ruft Musator. Er klopft Otscharsan, der gerade bei ihm ist, auf die Schulter. „Los! Sei so gut und hol mir doch mal mein Essen."
Otscharsan verdreht genervt die Augen, gehorcht aber brav.
„Es ist schön zu sehen, wie er den Laufburschen spielt", kommt es von Gasard. Über sein Gesicht zieht sich ein Grinsen.
Ich muss etwas schmunzeln, auch wenn mir Otscharsan leidtut.
Gasard führt mich in den Gang, aus dem er kam, als wir ankamen.
Der Gang ist ziemlich hell erleuchtet, wie schon die Schleuse. Außerdem stehen ein paar Geräte an einer Wand, die ich schon von seiner Reparatur an den Raumschiffen her kenne. Ein Haufen Kabel und weitere Materialien stehen daneben. Der Gang hat scheinbar auch etwas abbekommen.
„Dieser Gang ist eigentlich zum Transport gedacht", erklärt Gasard mir. Mit seinem Blick deutet er auf ein kleines Gefährt. „Nur hat Otscharsans Unfall hier einiges beschädigt und ich bin derjenige, der es wieder reparieren darf."
Ich schau Gasard verwundert an. Eine Frage beschäftigt mich schon seit einer Weile, nun kann ich ihm sie endlich stellen.
„Gasard."
Er lächelt mich an. „Was ist?", erkundigt er sich.
Bei seinem Lächeln entfällt mir irgendwie die Frage. Ich sehe ihn nur an. Gasard ist ein wirklich ziemlich attraktiver Mann.
Als er zu lachen beginnt, erröte ich leicht und sehe verlegen weg.
Seine Hand fährt mir durch mein schwarzes Haar.
Irgendwie habe ich das Gefühl, als wenn er mich nicht als Frau sehen würde, sondern mehr als eine Art kleine Schwester. Was ich schade finde.
„Du bist doch mit Torsos befreundet, aber scheinst alles zu reparieren, was anfällt", beginne ich mit meiner Frage.
Er nickt, dann beginnt er zu lachen. „Ich kann mir vorstellen, was du fragen willst." Er lässt sich seufzend auf dem Boden nieder. „Wieso kümmert sich jemand, wie ich um alle technischen Arbeiten, die anfallen? Ich könnte doch eigentlich meinen Tag genießen und andere arbeiten lassen."
Ich nicke. Genau das ist meine Frage. Langsam lasse ich mich neben ihm nieder.
„Eigentlich hätte ich nichts dagegen, wenn mir jemand zur Hand geht", gesteht er. „Die Männer sind nützlich, wenn es um kleinere Reparaturen geht, und haben mein vollstes Vertrauen. Ich hab ihnen auch schon angeboten, sie könnten hier arbeiten, aber es gefällt ihnen als Gefangene irgendwie besser." Er zuckt die Schultern. „Das, was ich alles eingebaut habe, die ganzen technischen Sachen, ist sogar ihnen etwas zu kompliziert. Auf den anderen Stationen und den Werften, die zu uns gehören, hab ich einige darin eingewiesen. Nur würde niemand mit mir zusammenarbeiten wollen. Meine Rasse wird gefürchtet und gehasst." Er seufzt auf und kratzt sich am Kopf. Beim nächsten, was er sagt, wirkt Gasard nicht gerade fröhlich. Eher sehr bedrückt. „Und die gute Kaia bestärkt leider diese Furcht und diesen Hass noch dazu." Er seufzt. Ein gequältes Lächeln huscht über seine Lippen. „Ich hätte gerne, dass mir jemand hilft. Nur diese Station hab ich geplant. Sogar die ganze Technik hab ich dafür entwickelt. Ich könnte einfach niemanden daran arbeiten lassen, wenn ich nicht in der Nähe bin. Aber leider kann auch niemand mit mir zusammenarbeiten. Ich hab es einmal versucht, ich bin sogar so nett gewesen, wie ich kann. Nur was nützt es mir, wenn alle in meiner Nähe total verängstigt sind?"
Ich nicke verstehend.
Plötzlich beginnt Gasard zu strahlen. „Was hältst du davon, wenn du mir öfters zur Hand gehst?", fragt er mich.
„Hatte ich dazu nicht schon einmal ja gesagt?", erkundige ich mich lächelnd bei ihm.
Er schüttelt den Kopf. „Ich meine, auch in Zukunft. Demnächst wird ja ein Zimmer frei." Beim Nächsten, was er sagt, lacht er auf. „So, wie ich Torsos kenne, denkt der eher daran, wie praktisch es wäre, jemanden zu haben, der ihn bedient, als dir irgendeine Aufgabe zu geben. Oder du langweilst dich nur, weil dir hier alles verboten sein wird." Gasard lächelt mich an. „Es ist zwar nicht sehr aufregend mir zu helfen …"
„Es ist interessant dir zu helfen!", unterbreche ich ihn lächelnd.
„Dann frag ich Torsos heute einfach mal", verspricht Gasard mir.
Er rafft sich auf und will nun endlich mit seiner Arbeit weitermachen. Wie auch bei den Raumschiffen besteht meine Aufgabe daraus, ihm alles zu reichen. Aber ich habe eher das Gefühl, ich behindere ihn bei der Arbeit, als ihm eine Hilfe zu sein. Dauernd entfällt mir der Name des Gerätes oder ich reiche ihm das falsche. Doch Gasard ist geduldig mit mir. Immer und immer wieder weist er mich auf meinen Fehler hin und zeigt mir, was er meint.
Verlegen und etwas niedergeschlagen lasse ich mich am Ende der Arbeit an die Wand sinken. „Ohne meine Hilfe währst du doch sicher schneller."
Er versucht erst gar nicht, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Gasard lässt sich neben mir nieder, sein muskulöser Oberkörper ist leicht verschwitzt, das Oberteil hat er ausgezogen. Die Wunden und Narben, die über seinem Körper verteilt sind, sehen schlimm aus.
„Da hast du recht!", lacht er. „Im Moment bist du mir absolut keine Hilfe!" Mit seiner Hand durchwuschelt er mein Haar. „Aber irgendwann wirst du mir sicher eine sehr große Hilfe sein." Ich erwidere sein Lächeln. „Außer, wenn Torsos absolut dagegen ist, dass du mir zur Hand gehst, aber das glaube ich nicht. Er hat ja nicht mal was dagegen, wenn ich mir jemanden aus der Todeszone hole."
Ich hoffe sehr, dass es möglich ist. Gasard zu helfen, wäre ein sehr angenehmer Gedanke für mich.
„Wollen wir für heute Schluss machen?", fragt er mich. Von mir kommt sofort ein energisches Nicken. Als er es sieht, überlegt er kurz. „Die Männer bekommen immer als Belohnung das Essen, aber dir würde ich gerne anders danken." Plötzlich beginnt er zu grinsen. „Was hältst du davon?" Neugierig lausche ich seinen Worten. „Ein Bad mit warmen Wasser?"
„Das klingt toll!", gestehe ich.
Gasard ruft zum Aufbruch.
Seine Geräte, Werkzeuge und Materialien lässt er liegen. Das Einzige, was er mitnimmt, ist seine Jacke.
Als wir in die Schleuse treten, sind die Männer noch eifrig bei der Arbeit.
„Ihr könnt Schluss machen", ruft Gasard ihnen zu.
„Endlich", stöhnt Otscharsan. Er lässt sich erschöpft auf den Boden sinken, seine Hand greift nach einer der Früchte. Ich mache es ihm gleich und geselle mich zu dem Blonden.
„Och Chefchen", ruft Musator schmollend. „Es macht doch so viel Spaß den Herren hier herumzuscheuchen." Mit seinem Blick deutet er auf Otscharsan, der wenig begeistert ausschaut.
Gasard beginnt lauthals loszulachen. „Das glaub ich euch!", gesteht er. „Das Vergnügen könnt ihr haben, bis alles wieder repariert ist." Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu. „Wenn ihr wollt."
„Leckeres Essen, einem Kommandanten zum herum kommandieren, was will man mehr?", ruft ein anderer Gefangener. Seine Kameraden geben ihm vergnügt recht.
„Aber Gasard, du weißt schon, dass ich eigentlich eine wichtige Aufgabe habe?", erinnert der Blonde ihn.
„Dich kann jemand vertreten!", meint dieser nur. „Außerdem, was ist dir lieber? Hier den Laufbuschen spielen, oder Torsos über den Weg laufen, der heute früh noch ziemlich wütend war und was davon gesagt hat, er sperrt dich mit in die Todeszone."
„Wenn ich es mir recht überlege, ist die Arbeit als privater Sklave doch ganz angenehm." Otscharsan lacht auf und scheint sich in sein Schicksal zu ergeben.
Die Männer beenden ihre Arbeit. Fast alle gesellen sich zu uns und greifen nach den Früchten, nur Musator stürzt sich auf den Brei.
Gasard mustert ihn kopfschüttelnd. „Deine Rasse hat einen komischen Geschmack, wenn es um Essen geht!"
Musator sieht zu dem Rothaarigen hoch und beginnt zu lachen. „Das Gleiche könnte ich auch behaupten!"
Grinsend wendet sich Gasard ab. Er hockt sich neben mich und nimmt wie alle eine der Früchte.
„Chefchen, so lass ich mich gern bestechen!", ruft einer der Männer.
Gasard hebt die Augenbrauen. „Bestechen?" Er beißt in die Frucht, dann steht er auf. „Wie sieht's aus? Wollt ihr mir die Freude machen und laufen, oder mit dem Gleiter?"
„Chef überarbeite dich nicht!", ruft Musator mit vollem Mund.
Gasard seufzt leise auf. „Als ob ich mir mal einen Tag leisten könnte, an dem ich nicht arbeite." Er wendet sich an die Männer. „Was wollt ihr nun?"
„So eilig haben wir es noch nicht, außerdem schaut der Junge so aus, als mag er lange Spaziergänge." Während Musator das sagt, klopft er Otscharsan auf den Rücken.
Dieser sieht den Gefangenen schockiert an, dann wendet sich sein Blick Hilfe suchend an Gasard. „Hey tu mir so was bitte nicht an."
Der Rothaarige sieht auf den Blonden hinunter, dann schüttelt er den Kopf. „Doch!" Damit verabschiedet er sich. Mir deutet er an, ihm zu folgen. Auf die Frage, wieso er mich mitnimmt, antwortet Gasard, ich solle ihm noch etwas behilflich sein.
Mit dem Gleiter geht es in den Hangar, von dort aus weiter in die Station hinein. In einen mir unbekannten Teil. Aber eigentlich sieht jeder Teil für mich gleich aus. Nichts gibt mir die Chance mich zu orientieren. Der einzige Unterschied hier ist der, dass wir durch einen gläsernen Gang gehen, an dem ich nur auf ein Sternenmeer blicke. Der riesige sandfarbene Planet ist nirgends zu entdecken.
Dennoch ist der Anblick so eindrucksvoll, dass ich einen Augenblick staunend stehen bleibe.
Durch die Spiegelung im Glas werfe ich einen kurzen Blick auf Gasard. Auf seinen Lippen liegt ein Schmunzeln, während er mich betrachtet.
Nach einer Weile, die wir hier so stehen, ruft Gasard zum Aufbruch.
Das Zimmer, zu dem er mich führt, ist im Vergleich zu dem von Mak total anders. Es ist viel größer, vierfach so groß sogar, außerdem stehen hier einige Tische, mit allen möglichen Apparaturen, Materialien und Werkzeugen darauf. Sogar größere Maschinen stehen im Raum.
Wozu die dienen, frage ich mich einen Moment lang.
„Es ist etwas chaotisch", ruft Gasard. Mein Blick geht neugierig durch das Zimmer. „Die normalen Quartiere sind etwas kleiner als meines", erklärt er mir. Mit seiner Hand greift er zu dem Armreif und öffnet ihn, wie er es auch schon zuvor getan hat.
Mein Blick wandert fragend zu ihm.
„Du denkst doch sicher nicht daran abzuhauen." Er lächelt mich an, worauf ich nur den Kopf schüttle. Mal davon abgesehen, dass ich nicht wüsste, wie man hier von einem Ort zum anderen kommt, ohne sich zu verlaufen, hätte ich sicher nie Erfolg.
Gasard legt den Armreif auf einen der Tische, dann spricht er weiter. „Früher waren es mal mehrere Quartiere, aber da mein Labor in der Nähe liegt, und mein früheres mir etwas zu klein war, hab ich mir dieses ausgebaut."
Er geht zu einer der Wände, ich folge ihm. Wie ich schon aus Maks Zimmer kenne, öffnet sich eine Tür, die ins Bad führt. Unter anderem befindet sich dort eine große Wanne.
Gasard lässt mir Wasser ein, auch wenn ich nicht mitbekomme, wie. Mein Blick wandert von einer Wand zur anderen und betrachtet sich den ganzen Raum.
„Wenn du irgendwas brauchst, sag bescheid." Gasard lächelt mich an.
Bevor er den Raum verlässt, legt Gasard mir aber noch ein Handtuch heraus.
Das Wasser der Wanne ist angenehm warm, richtig entspannend.
Ich tauche unter Wasser. Einen Augenblick genieße ich es, bis ich wieder auftauche und mich an den Rand lehne.
Was sollte das vorhin?, frage ich mich. Was sollte dieser Kuss?
Ob Moriphos Reaktion auch nur so war, weil er mich beschützen wollte? Und wie es ihm geht? Auch quälen mich Gedankenbisse, weil ich Mak geholfen habe. Hätte ich es gewusst, hätte ich im nicht geholfen. Aber Mak hatte ja auch gesagt, was er bei meiner Weigerung getan hätte.
Ich steige aus der Wanne, greife nach dem Handtuch.
Noch eine Frage quält mich. Wie geht es meiner Mutter? Ob Mak sein Versprechen war macht? Ob er ihr helfen kann? Glauben kann ich nicht so recht daran.
Langsam trockne ich meinen Körper ab.
Tränen steigen in meine Augen, als wieder die Bilder aufsteigen.
Ich schlinge das Handtuch um meinen Körper und lehne mich gegen die metallene Wand.
Wie sehr wünsche ich mir, es wäre nur ein Traum. Alles wäre nicht real.
Egal, wie gern ich Moriphos oder Gasard habe, ich wünsche mir, dass alles wieder so ist, wie vor ein paar Tagen.
Ich lasse mich auf den Boden sinken, ziehe meine Knie an meinen Körper. Gegen die heißen Tränen komme ich einfach nicht an.
Mittlerweile würde ich alles dafür geben, dass alles wieder so ist wie früher. Nicht damit ich hier raus komme, sondern damit es meinen Eltern gut geht.
Plötzlich öffnet sich die Tür. Gasard tritt ein, sein Blick wandert zu mir. Er schaut mich voller Mitleid an.
„Armes Mädchen", ruft er leise. Er hockt sich zu mir, seine Hand streichelt sanft meinen Kopf. „Wegen deiner Mutter?"
Ich bringe nur ein Nicken zustande.
„Ich hab gehört, wie sie zugerichtet wurde."
Bei seinen Worten beginne ich noch mehr zu weinen.
Gasard fährt mit seiner Hand unter mein Kinn und hebt meinen Kopf, sodass ich ihn ansehe. Auf seinen Lippen liegt ein aufmunterndes Lächeln, das mich im ersten Augenblick nur verwirrt. Seine andere Hand wischt mir ein paar Tränen weg.
„Warte ein paar Tage", sagt er. Ich sehe ihn nur fragend an, will meinen Blick wieder zum Boden senken und weiß nicht, wie er lächeln kann, doch er hindert mich daran. „Torsos hat gesagt, er kümmert sich darum. Er hat den Wärtern dort befohlen, sie nicht anzurühren."
Hoffnung steigt in mir auf.
„In ein paar Tagen darfst du wieder zu ihr."
Ich springe Gasard in die Arme. Wenn er es sagt, wird das doch sicher keine Lüge sein.
Weitere Tränen kullern mir über die Wangen, doch diesmal nicht aus Trauer, sondern weil ich so glücklich über seine Worte bin.
Gasard fährt mir sanft und tröstend mit seiner Hand über den Rücken. „Du wirst sie bald wieder sehen und es wird ihr sicher besser gehen."
„Danke", hauche ich glücklich.
Plötzlich löst sich Gasard aus meiner Umarmung. Neugierig sehe ich ihn an.
„Janine, mach dich bitte fertig." Ich nicke. „Wenn du irgendwo hier untergebracht währst, dann würde ich dich mitnehmen." Mein Blick wird noch neugieriger. „Wandernde Händler sind heute in der Station", erklärt er mir. „Händler, die von Planet zu Planet reisen und überall Waren erstehen, die sie tauschen oder verkaufen. Manchmal sind interessante Dinge darunter."
Das kann ich mir vorstellen und meine Neugier steigt.
Gasard steht auf.
Mit meiner Hand wische ich mir meine Tränen weg. Als mein Blick an mir herunter wandert, erröte ich sofort. Ich stehe hier vor ihm, nur mit einem Handtuch bekleidet, was mir erst jetzt unangenehm wird. Als mein Blick wieder zu Gasard wandert, sehe ich, dass sein Blick auf mir liegt. Er schmunzelt darüber, wie sehr ich errötet bin, was mir noch unangenehmer ist.
„Du hast so lange gebraucht, da hab ich mir Sorgen gemacht, deswegen bin ich rein gekommen", erklärt Gasard mir, bevor er das Bad verlassen will. Doch er kommt nur bis zu Tür, als ein Bild in die Luft projiziert wird.
Gasard hebt den Arm, damit er das Bild besser erkennen kann.
Es ist Mak. Er wirkt aufgeregt, sein Blick ist voller Panik.
„Was ist los?", erkundigt sich Gasard. Verwirrt und besorgt schaut er zu der Projektion.
„Du hast doch immer ein paar Gegengifte herumstehen", erkundigt sich Mak.
Gasard nickt, seine Miene wird besorgter. „Sag mir jetzt erst mal, was los ist", fordert er Mak auf.
„Einer der Händler hat seine Kinder mit", beginnt Mak. Er ist total hektisch. „Ich hab den Kleinen was zu Essen und zu Trinken angeboten. Eines der Kinder hat das Angebot angenommen und ist zusammengebrochen."
Der Rothaarige sieht Mak geschockt an. „Bring es in mein Zimmer!", ordnete er an, dann erlischt die Projektion. Gasard tritt aus dem Bad.
Ich ziehe mir schnell meine Sachen über, dann folge ich ihm.
Was da los ist, frage ich mich.
Gasard ist gerade dabei ein paar Fläschchen aus einer Art Schrank herauszuholen. Als er mich bemerkt, ordnet er mir an, mich hinzusetzen.
Sofort folge ich seiner Anweisung.
Gasard stellt ein paar der Fläschchen auf einen Tisch, dann setzt er sich neben mich.
„Und was mach ich jetzt mit dir?", fragt Gasard, dabei lächelt er mich wieder nett an. „Ich bring dich nachher zurück, erst einmal ist es wichtig, sich um das Kind zu kümmern."
„Bist du auch Arzt?", erkundige ich mich neugierig bei ihm.
Gasard schüttelt den Kopf. „Ich hab ein paar medizinische Kenntnisse, mehr aber auch nicht." Er zwinkert mir zu, beim nächsten, was er sagt. „Der Kerl verwechselt mich nur dauernd mit der Krankenstation."
Nach einer Weile öffnet sich die Tür und Mak tritt ein. Er ist ziemlich außer Atem, in seinen Armen trägt er ein kleines blondes Mädchen, das ich auf sechs Jahre schätze.
„Du weißt aber schon, das es hier Leute gib, die von so was mehr Kenntnisse haben, als ich", erinnert Gasard ihn.
Mak legt das Mädchen auf das Bett, dann lässt er sich erschöpft auf den Boden fallen. „Ich finde, du bist qualifizierter als die", ist seine Meinung.
Gasard steht auf und geht er zu dem Mädchen. „Hast du wenigstens eine Vermutung?" Er betrachtet sich die Kleine.
Der Schwarzhaarige hat wieder seine schwarze Uniform an. Er zuckt mit den Schultern. „Gift", ruft er Gasard zu.
Dieser dreht sich kopfschüttelnd zu Mak um. „Ich meinte, was für ein Gift das ist."
Mak zuckt erneut mit der Schulter. „Woher soll ich das denn wissen?" Erst jetzt bemerkt er mich. Er kommt zu mir und lässt sich neben mich auf einen Stuhl nieder. „Was machst du eigentlich hier?", erkundigt er sich bei mir.
Mein Blick hat bisher nur auf dem Mädchen gelegen, dem Gasard jetzt etwas zum Trinken gibt, aus einem der Fläschchen, die er heraus gelegt hat. „Sie sollte mir vorhin helfen", antwortet er Mak.
Ich schaue nur weiter besorgt auf das Mädchen und hoffe, dass Gasard ihr helfen kann.
Maks Blick wandert wieder zu dem Kind. „Was meinst du, wird sie wieder okay?", erkundigt er sich, seine Stimme klingt jetzt ziemlich besorgt.
„Was hast du ihr eigentlich gegeben?", erkundigt sich Gasard, seine Hand fährt sanft über den Kopf des Kindes.
„Wasser und ein Teil meiner Ration", antwortet Mak ihm.
„So geizig, wie du bist, hab ich mir das denken können", seufzt Gasard.
„Hey", beschwert sich Mak.
Gasard lässt ihn aber nicht weiter sprechen. „Bring das Mädchen erst mal auf die Krankenstation, mehr als Abwarten können wir nicht, und dann bringst du mir den Rest, ich will schauen, ob ich recht habe."
Mak nickt, dann geht er zu dem Mädchen, hebt sie in seine Arme und verlässt mit ihr das Zimmer.
***
Mak ist mir ein Rätsel. Hin und wieder, ist er der größte Idiot, dann scheint er doch so nett.
Vielleicht hat er sich ja ein paar Feinde gemacht. Aber vielleicht gilt das Gift auch jemand ganz anderen.