Die Rückkehr ins Lager war still. Luan hielt das Amulett fest in der Hand, während Kael neben ihm ging. Die Luft war schwer, und obwohl sie Ridley zurückgeschlagen hatten, wusste das gesamte Rudel, dass dies kein Sieg war – nur eine Verzögerung. Als sie die Lichtung erreichten, traten die Wölfe aus den Schatten, ihre Gesichter gezeichnet von Sorge und Erwartung. Nina stand in der Mitte, ihre Haltung war wie immer aufrecht, doch ihre Augen waren auf das Amulett in Luans Hand gerichtet.
»Du hast es geschafft«, sagte sie leise, doch in ihrer Stimme lag keine Erleichterung. Luan trat vor und reichte ihr das Amulett. »Wir haben es, aber Ridley wird zurückkommen. Und er hat gesagt, dass es nicht nur um das Amulett geht.«
Nina nahm das Amulett vorsichtig, als ob es sie verbrennen könnte. Sie musterte die verblassten Runen, ihre Stirn in Falten gelegt.
»Das Gleichgewicht ist gestört«, sagte sie schließlich. »Das Amulett ist geschwächt, und Ridley weiß, wie er diese Schwäche ausnutzen kann.«
Kael trat näher, seine Stimme ruhig, aber fest. »Er hat etwas geplant, Nina. Das war kein zufälliger Angriff. Er wusste genau, wo wir sein würden.«
Nina nickte langsam. »Er hat uns beobachtet. Und er wird wiederkommen – mit mehr Macht und mehr Verbündeten.« Luan ballte die Hände zu Fäusten. »Dann müssen wir uns vorbereiten. Wir können nicht weiter weglaufen oder uns verstecken.« Nina sah ihn an, ihre Augen scharf. »Das sagst du jetzt, aber bist du bereit, die Verantwortung zu tragen? Das hier ist nicht nur ein Kampf. Es ist ein Krieg um das Überleben unserer Art.«
Luan hob den Kopf, sein Blick war fest. »Ich habe Angst. Aber das bedeutet nicht, dass ich weglaufen werde. Ich bin das Kind des Blutes – und ich werde tun, was ich tun muss.« Ein leises Murmeln ging durch das Rudel, und Kael legte eine Hand auf Luans Schulter. »Er hat recht. Wir können nicht länger passiv sein.« Nina atmete tief ein, ihre Augen wanderten über das Rudel. »Gut. Dann bereiten wir uns vor. Wenn Ridley wirklich eine Armee sammelt, müssen wir ihm zuvorkommen.« Die Wölfe nickten, und Luan spürte zum ersten Mal, dass er nicht allein war. Doch tief in seinem Inneren wusste er, dass ein Teil dieser Verantwortung allein auf ihm lag. In der Nacht konnte Luan nicht schlafen. Er saß allein am Rand der Lichtung, das Amulett lag auf einem flachen Stein vor ihm. Das Leuchten war schwach, doch er konnte die Energie spüren, die darin schlummerte. Kael setzte sich neben ihn, wie er es schon so oft getan hatte. »Was geht dir durch den Kopf?« Luan seufzte. »Ich habe keine Ahnung, wie ich das machen soll. Was, wenn ich es vermassle?« Kael sah ihn lange an, dann sagte er: »Jeder Anführer hat Angst, Luan. Angst, zu scheitern. Angst, zu verlieren. Aber die wahre Stärke liegt darin, trotz dieser Angst weiterzumachen.«
»Und was, wenn ich zu schwach bin?«, fragte Luan leise. Kael lächelte schwach. »Du bist nicht schwach. Du hast das Amulett zurückgebracht. Du hast Ridley überlebt. Das zeigt, wie stark du bist. Aber du musst lernen, deiner Stärke zu vertrauen – und dem Wolf in dir.« Luan sah auf das Amulett, seine Gedanken waren ein Wirrwarr aus Zweifeln und Entschlossenheit. Er wusste, dass Kael recht hatte. Doch er wusste auch, dass die größten Herausforderungen noch bevorstanden. Am nächsten Morgen versammelte Nina das Rudel. Ihre Stimme war klar und scharf wie ein Messer, als sie sprach.
»Ridley wird nicht aufgeben. Er wird zurückkommen – und er wird stärker sein als je zuvor. Aber wir haben einen Vorteil.«
Sie sah zu Luan, ihre Augen trafen seine. »Wir haben das Kind des Blutes. Und wir haben das Amulett. Das wird nicht reichen, um diesen Krieg zu gewinnen, aber es gibt uns eine Chance.« Die Wölfe begannen, sich vorzubereiten. Wachen wurden verstärkt, Trainingseinheiten intensiviert, und Luan wurde von Kael in die Geheimnisse des Amuletts eingeführt. Er lernte, wie er die Energie spüren konnte, wie er sie kontrollieren und nutzen konnte. Es war schwer, doch mit jeder Lektion fühlte er sich stärker, sicherer.
»Es ist wie der Wolf«, sagte Kael. »Es ist ein Teil von dir. Du musst lernen, damit zu leben, anstatt dagegen zu kämpfen.«
Doch in den tiefsten Ecken seines Geistes wusste Luan, dass die wahre Prüfung noch bevorstand. Ridley war da draußen, und mit ihm die Dunkelheit, die das Gleichgewicht bedrohte.
Und dieses Mal würde er vorbereitet sein.