Die Rückkehr zum Lager war angespannt. Luan trug die Erinnerung an die Höhle mit sich – das unheimliche Licht, den Dolch mit den Runen, und das Gefühl, dass sie nur einen Bruchteil dessen gesehen hatten, was Ridley plante. Kael war schweigsam, sein Blick in die Ferne gerichtet, während sie durch den Wald schlichen. Luan spürte die Unruhe in ihm, doch er wartete, bis sie das Lager erreichten, bevor er etwas sagte.
Nina erwartete sie bereits. Sie stand am Rand der Lichtung, ihre Haltung aufrecht, doch ihre Augen zeigten, dass sie sich Sorgen machte.
»Was habt ihr gefunden?«, fragte sie, als Kael und Luan näher traten. Kael berichtete von der Höhle, den Jägern und dem Dolch auf dem Altar. Ninas Stirn legte sich in Falten, als sie zuhörte.
»Ein weiterer Teil der alten Macht«, sagte sie schließlich. »Ridley sucht mehr als nur das Amulett. Wenn er den Dolch bekommt …«
»… könnte er das Gleichgewicht endgültig zerstören«, beendete Luan den Satz.
Die Wölfe versammelten sich um Nina, als sie sprach. Ihre Stimme war ruhig, aber bestimmt.
»Ridley hat einen Plan. Er sammelt Artefakte, die einst benutzt wurden, um die Verbindung zwischen Mensch und Wolf zu stärken. Doch in den falschen Händen können diese Artefakte unser Ende bedeuten.«
Kael trat vor. »Wir müssen den Dolch holen, bevor er es tut. Das Amulett ist stark, aber zusammen mit dem Dolch wird seine Macht unermesslich.« Nina nickte. »Wir dürfen keine Zeit verlieren. Luan, du wirst mit Kael und einer kleinen Gruppe dorthin zurückkehren. Ihr müsst den Dolch sichern – um jeden Preis.« Die Wölfe begannen, sich vorzubereiten. Luan fühlte das Gewicht der Verantwortung auf seinen Schultern stärker denn je. Das Amulett hing schwer um seinen Hals, und die Verbindung, die er zu ihm spürte, war jetzt klarer. Kael trat an seine Seite, während er sein Messer schärfte. »Du bist ruhig«, stellte er fest. Luan nickte. »Ich weiß, was ich tun muss. Aber …«
»Aber du hast Angst«, beendete Kael den Satz. »Das ist gut. Angst hält dich wachsam.«
In der Nacht zogen sie aus. Luan, Kael und drei weitere Wölfe bewegten sich lautlos durch den Wald, ihre Sinne geschärft. Der Mond war hell, doch die Schatten der Bäume ließen die Dunkelheit tiefer wirken.
Als sie die Höhle erreichten, schlichen sie vorsichtig näher. Die Männer, die zuvor dort gewesen waren, waren verschwunden, doch das Gefühl von Gefahr lag immer noch in der Luft.
»Bleibt wachsam«, flüsterte Kael, als sie den Eingang betraten. Die Höhle war genauso wie zuvor – kühl, feucht und von phosphoreszierendem Licht erfüllt. Luan spürte, wie das Amulett pulsierte, als ob es ihn warnen wollte. Sie erreichten die Kammer, und der Altar stand noch immer in der Mitte. Doch der Dolch war verschwunden.
»Verdammt«, flüsterte einer der Wölfe. Kael knurrte leise. »Ridley war schneller.«
Luan trat näher an den Altar heran, seine Hand berührte die kalte Oberfläche. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Energie des Amuletts. Plötzlich durchströmten ihn Bilder – Ridley, der den Dolch hob, seine Männer, die etwas in den Schatten trugen, und eine neue Kammer, tief im Inneren eines Berges. Luan konnte das Summen der Macht hören, das von den Artefakten ausging, und er wusste, dass Ridley mehr gefunden hatte. Er öffnete die Augen und keuchte. »Er hat den Dolch. Und noch etwas anderes. Er ist in den Bergen.« Kael sah ihn mit scharfen Augen an. »Woher weißt du das?«
Luan hielt das Amulett hoch. »Es zeigt es mir. Es ist, als ob die Artefakte miteinander verbunden sind.« Kael nickte, seine Kiefer mahlten vor Anspannung. »Dann wissen wir, wohin wir als Nächstes müssen.« Doch bevor sie die Höhle verlassen konnten, hörten sie Schritte. Luan spürte das Gewicht von Feindseligkeit in der Luft, und sein Herz schlug schneller.
»Wir sind nicht allein«, flüsterte er. Kael gab ein Signal, und die Wölfe zogen sich zurück, ihre Augen auf den Eingang gerichtet. Drei Männer traten ein, gefolgt von Ridley. Der Dolch war in seiner Hand, und sein Lächeln war triumphierend.
»Ihr seid spät dran«, sagte Ridley kalt. »Der Dolch gehört mir.«
Kael knurrte tief, doch er blieb ruhig. »Du verstehst nicht, womit du spielst, Ridley. Das wird dich zerstören.« Ridley lachte. »Vielleicht. Aber zuerst werde ich euch zerstören.« Er hob den Dolch, und die Luft wurde schwer. Luan spürte die Energie, die davon ausging – roh, dunkel, gefährlich.
»Lauf«, sagte Kael zu Luan, seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Ich halte ihn auf.«
Doch Luan wusste, dass er nicht weglaufen konnte. Das Amulett pulsierte in seiner Hand, und er spürte, dass dies der Moment war, auf den es ankam.
»Ich bleibe«, sagte er leise, seine Augen auf Ridley gerichtet. Ridley lachte erneut, doch dieses Mal war es ein Lachen, das von Unsicherheit durchzogen war. »Dann komm, Junge. Zeig mir, was das Kind des Blutes wirklich kann.«
Luan trat vor, das Amulett leuchtete auf, und der Wolf in ihm erwachte vollständig.