Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann
Die Ruhe im Gasthaus hielt nicht lange an. Am nächsten Morgen wurden Céleste und Lucien von energischem Klopfen an ihrer Zimmertür geweckt. Lucien, dessen Laune vor dem ersten Wein des Tages immer zweifelhaft war, öffnete die Tür nur widerwillig und wurde sofort von einem Mann in einfacher, abgenutzter Kleidung und mit durchdringendem Blick fixiert. „Lucien Dubois?" fragte der Mann mit einer Stimme, die mehr nach Befehl klang als nach Frage. „Das kommt darauf an," antwortete Lucien, die Tür halb schließend. „Wer fragt?" „Ein Freund der Revolution," sagte der Mann und schob die Tür ohne weiteres auf. „Und Ihr Ruf eilt Euch voraus." „Mein Ruf?" Lucien rieb sich den Schlaf aus den Augen. „Das ist nicht gut. Mein Ruf hat eine unangenehme Angewohnheit, Ärger zu machen." Der Mann musterte ihn unbeeindruckt. „Ihr habt euch einen Namen gemacht, Monsieur Dubois. Das Volk weiß, dass Ihr einer von uns seid – oder zumindest einer, der es wagt, sich gegen die Krone zu stellen." Lucien warf einen Blick zurück zu Céleste, die neugierig lauschte. „Was wollt Ihr?" Der Mann trat einen Schritt näher. „Ihr habt Zugang zu Kreisen, die für uns von unschätzbarem Wert sind. Adlige, Händler, Informanten. Wir könnten jemanden wie Euch gebrauchen." „Und warum sollte ich Euch helfen?" fragte Lucien. „Weil Ihr bereits mitten in diesem Kampf steckt," sagte der Mann. „Und weil Ihr, wenn Ihr nicht mit uns seid, schnell Euer Leben verlieren werdet." Céleste stand auf und trat zu Lucien. „Ihr wollt ihn in den Widerstand ziehen," stellte sie fest. Der Mann nickte, warf ihr aber einen kritischen Blick zu. „Und wer seid Ihr?" „Céleste d'Armand," sagte sie stolz. Der Mann hob eine Augenbraue. „Die Tochter des Comte d'Armand? Ihr habt Mut, Euch hier aufzuhalten." „Ich habe mehr als Mut," entgegnete Céleste. „Und wenn Ihr Lucien wollt, bekommt Ihr mich dazu." Lucien stöhnte. „Oh wunderbar. Noch mehr Ärger."
Der Eintritt in den Widerstand
Noch am selben Tag wurden Lucien und Céleste zu einem Treffpunkt des Widerstands geführt – einer versteckten Druckerei, die unter einer scheinbar verlassenen Werkstatt lag. Männer und Frauen arbeiteten fieberhaft an Flugblättern, Karten und Plänen. „Willkommen in der Zentrale des Widerstands," sagte ihr Begleiter, der sich als Étienne vorstellte. Lucien sah sich skeptisch um. „Das ist also der Ort, an dem die Revolution geplant wird? Ich hatte mehr Drama erwartet. Vielleicht ein paar Guillotinen in der Ecke." Céleste boxte ihm leicht in die Seite. „Hör auf, dich lustig zu machen." „Ich mache mich nicht lustig," sagte Lucien. „Ich bin nur nervös." Étienne ignorierte ihn und führte sie zu einer Frau, die offenbar die Führung hatte. Sie war klein, mit scharfen Augen und einem schneidenden Ton. „Ihr seid also der berühmte Buchhändler," sagte sie und musterte Lucien. „Ich hatte mehr erwartet." „Nun, das sagen viele Frauen," antwortete Lucien und verbeugte sich leicht. Céleste rollte mit den Augen. „Er ist nützlicher, als er aussieht." Die Frau schnaubte. „Wir werden sehen. Euer erster Auftrag: Findet heraus, welche Informationen die Krone über die geplanten Barrikaden hat. Wenn sie uns überraschen, ist alles verloren." Lucien seufzte. „Natürlich. Warum nicht? Ich wollte ohnehin mein Leben riskieren."
Ein Tanz der Täuschung
Um die benötigten Informationen zu beschaffen, mussten Lucien und Céleste sich in einen Ball einschleichen, der im Hôtel de Ville stattfand. Es war ein Fest für loyale Unterstützer der Krone, voller Soldaten, Beamter und Adliger. „Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist," sagte Lucien, während er sich in eine viel zu enge Weste zwängte. „Natürlich ist es keine gute Idee," erwiderte Céleste, die ein schlichtes, aber elegantes Kleid trug, das sie sich von einer Freundin geliehen hatte. „Aber es ist unsere einzige Möglichkeit." „Du sagst das mit beunruhigender Gelassenheit." „Weil ich darauf vertraue, dass du es vermasseln wirst, aber auf eine charmante Weise." Der Ball war eine extravagante Affäre, bei der die Gäste Champagner tranken und sich über die „Unruhen" lustig machten, als wären sie nur ein belangloser Sturm im Tee. Lucien und Céleste bewegten sich durch die Menge, immer darauf bedacht, nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „Da ist er," flüsterte Céleste und deutete auf einen hohen Offizier in der Ecke. „Er hat die Informationen." „Wunderbar," sagte Lucien trocken. „Und wie genau willst du, dass ich sie bekomme? Soll ich ihn zum Armdrücken herausfordern?" „Nein," sagte Céleste und lächelte gefährlich. „Du wirst ihn ablenken, während ich mich umsehe." „Oh, natürlich. Lucien Dubois, Hofnarr und Ablenkungskünstler."
Ein gefährliches Spiel
Während Lucien den Offizier in ein Gespräch über Weine und Pferde verwickelte – beides Themen, bei denen er keinerlei Expertise hatte, aber mit schamlosem Selbstvertrauen improvisierte –, nutzte Céleste die Gelegenheit, um einen Blick auf die Dokumente zu werfen, die auf dem Tisch lagen. „Interessant," murmelte der Offizier, als Lucien einen völlig erfundenen Jahrgang lobte. „Ihr scheint Euch mit guten Dingen auszukennen." „Oh, Monsieur," antwortete Lucien, „meine Kenntnisse sind so tief wie die Weinfässer von Burgund." Céleste, die die gesuchten Pläne entdeckt hatte, steckte sie geschickt unter ihr Kleid und nickte Lucien unauffällig zu. „Nun, ich bedauere, dass ich Euch nicht länger unterhalten kann," sagte Lucien und verbeugte sich tief. „Pflichten rufen." Der Offizier nickte, und Lucien verschwand mit Céleste in der Menge.
Zurück zur Druckerei
Zurück in der Druckerei übergaben sie die Pläne an Étienne und die anderen. Die Reaktion war eine Mischung aus Erleichterung und Erstaunen. „Das habt Ihr gut gemacht," sagte Étienne. „Natürlich haben wir das," sagte Lucien. „Aber ich hoffe, das war unser letzter Auftrag." Céleste sah ihn an, ihre Augen funkelten. „Das glaubst du doch selbst nicht." Und sie hatte recht. Denn während sie glaubten, einen kleinen Sieg errungen zu haben, lauerten neue Gefahren – und neue Intrigen – bereits am Horizont.