Nach den Hallen von Morvain führte die nächste Etappe ihrer Reise die Gruppe in die hochgelegenen Gipfel vonCaladras, wo der zweite Knotenpunkt der Dunkelheit verborgen lag. Doch diese Reise war anders – nicht nur gefährlicher, sondern auch von inneren Konflikten geprägt.
Die Dunkelheit in Danny, die er in Morvain unter Kontrolle gebracht hatte, war seitdem unruhiger geworden. Sie regte sich, flüsterte und suchte immer neue Wege, ihn zu beeinflussen. Jedes Mal, wenn er innehielt, um zu ruhen oder zu meditieren, spürte er, wie sie stärker wurde.
Die Unsicherheit wächst
„Du schläfst kaum noch," bemerkte Kira eines Abends, als sie ein Lager am Fuß der Berge aufschlugen.
Danny saß abseits, das Gesicht von Schatten gezeichnet, die nur er sehen konnte. „Wie könnte ich? Die Schatten hören nicht auf, mich zu rufen."
Kira setzte sich neben ihn, ihre Augen voller Sorge. „Ich habe dich gewarnt. Die Dunkelheit gibt nicht nach. Aber ich sehe, dass du stärker wirst. Du widerstehst ihnen, Danny. Das ist mehr, als die meisten könnten."
„Aber wie lange noch?" fragte Danny leise.
Kira schwieg. Sie wusste, dass es keine einfache Antwort gab.
Am nächsten Morgen erreichten sie die ersten Hänge von Caladras, und Kael'thar, der über ihnen kreiste, warnte sie.
„Die Schatten sind hier noch stärker," sagte er, als er landete. „Der Knotenpunkt in diesen Bergen muss uralt sein. Vielleicht ist er sogar älter als der in Morvain."
„Dann wird er schwieriger zu schließen sein," sagte Kira und überprüfte ihre Ausrüstung.
Danny nickte, doch er sagte nichts. Er konnte bereits spüren, wie die Dunkelheit in den Bergen wuchs, wie sie sich um ihn wickelte, jede Entscheidung schwieriger machte.
Die Prüfung beginnt
Als sie tiefer in die Berge vordrangen, änderte sich die Landschaft. Der Schnee, der die Gipfel bedeckte, wirkte nicht reinweiß, sondern war von einem unheimlichen grauen Schimmer überzogen. Die Luft war kalt, aber sie trug den fauligen Geruch von Verfall in sich.
Sie fanden den Knotenpunkt in einer Höhle, verborgen hinter einem Wasserfall, dessen Ströme wie schwarzes Glas glänzten. Der Eingang war von schroffen Felsen umgeben, und eine eisige Aura strömte aus dem Inneren.
„Das ist der Ort," sagte Kael'thar, seine Stimme tief und ernst.
Danny spürte es auch. Der Knotenpunkt war stark – stärker als der in Morvain. Die Dunkelheit, die aus ihm hervorging, rief nach ihm, und diesmal fühlte es sich nicht wie ein Flüstern an. Es war ein Befehl.
Als sie die Höhle betraten, wurden sie von einer tiefen Stille empfangen. Der Boden war bedeckt von einer dünnen Schicht aus schwarzem Eis, und die Wände schimmerten im schwachen Licht, das von ihrer Ausrüstung ausging.
„Das ist nicht wie das letzte Mal," sagte Kira leise.
Kael'thar nickte. „Hier wird die Dunkelheit aggressiver sein. Bereitet euch vor."
Danny führte die Gruppe tiefer in die Höhle, bis sie den Knotenpunkt erreichten – einen gewaltigen schwarzen Obelisken, der inmitten eines gefrorenen Sees stand. Der Obelisk pulsierte, seine Energie so stark, dass Danny sie in jeder Zelle seines Körpers spürte.
„Du bist unser. Kämpfe nicht gegen das, was du bist."
Die Schatten übernehmen
Kael'thar öffnete sein Maul, bereit, den Obelisken mit einem mächtigen Feuerstoß anzugreifen, doch bevor er es konnte, erwachte die Dunkelheit. Schatten stiegen aus dem gefrorenen See auf, formten sich zu Gestalten mit glühenden Augen und Klauen, die nach ihnen griffen.
„Verteidigt euch!" rief Kael'thar, während er sich in die Luft erhob und die Kreaturen mit Feuer attackierte.
Kira zog ihren Dolch und stürzte sich in den Kampf, während Danny stehen blieb, seine Augen auf den Obelisken gerichtet.
„Komm zu uns, Danny. Wir sind ein Teil von dir. Nimm uns an."
Die Stimmen in seinem Kopf wurden lauter, dröhnender. Sein Körper fühlte sich schwer an, seine Glieder wie von Ketten gefesselt.
„Danny!" schrie Kira, während sie eine der Kreaturen mit einem gezielten Schlag niederrang.
Doch Danny hörte sie nicht. Die Dunkelheit hatte ihn umschlossen, und der Obelisk zog ihn zu sich.
Die Entscheidung
Plötzlich befand sich Danny nicht mehr in der Höhle. Er stand in einem endlosen Raum aus Dunkelheit, in dem nichts existierte außer den Schatten. Vor ihm erschien eine Gestalt – eine verzerrte, dunkle Version von ihm selbst.
„Warum kämpfst du?" fragte die Gestalt. Ihre Stimme war seine eigene, doch durchdrungen von einem unheilvollen Ton. „Du bist nicht der Hüter des Gleichgewichts. Du bist ein Diener der Schatten. Das warst du immer."
Danny starrte die Gestalt an, seine Hände zu Fäusten geballt. „Ich bin nicht euer Diener. Ich bin ich selbst."
„Und doch bist du hier," sagte die Gestalt. „Du bist gekommen, weil du uns brauchst. Wir geben dir Stärke, Macht, Kontrolle. Alles, was du willst, liegt in uns."
Die Dunkelheit formte sich um ihn, umklammerte ihn wie ein kalter Nebel. Danny spürte die Versuchung, die Wahrheit in den Worten der Gestalt.
„Erinnere dich, warum du kämpfst."
Die Stimme kam von irgendwo tief in ihm, klar und ruhig. Es war nicht die Dunkelheit – es war das Licht, das er in sich trug.
„Ich kämpfe, weil ich die Wahl habe," sagte Danny leise. „Und ich wähle das Gleichgewicht."
Mit einem Schrei riss er sich aus der Dunkelheit los. Seine Augen öffneten sich, und er stand wieder in der Höhle. Der Obelisk pulsierte, doch Danny spürte, dass die Dunkelheit schwächer wurde.
„Danny, beeil dich!" rief Kira, während sie weiter gegen die Kreaturen kämpfte.
Danny hob sein Schwert, das in seinem Griff zu glühen begann. Mit einem mächtigen Schlag stieß er es in den Obelisken.
Das Ende des Knotenpunkts
Der Obelisk zerbrach in einem gleißenden Licht, das die Dunkelheit in der Höhle verdrängte. Die Schatten schrien, bevor sie sich auflösten, und der gefrorene See begann zu schmelzen.
Kira sank keuchend auf die Knie, während Kael'thar landete und Danny ansah.
„Du hast es wieder getan," sagte der Drache, seine Stimme voller Respekt.
Doch Danny sah sie nicht an. Sein Blick war auf den Ort gerichtet, an dem der Obelisk gestanden hatte.
„Es wird nicht das letzte Mal sein," murmelte er.
Kira trat an seine Seite. „Und trotzdem hast du gewonnen. Du hast bewiesen, dass du stärker bist als sie."
Danny nickte langsam. Doch tief in seinem Inneren wusste er, dass die Dunkelheit noch lange nicht aufgegeben hatte.
Und er war bereit, weiterzukämpfen.