Aber als ihm der Gedanke kam, Ron zu verletzen, erinnerte er sich an den maskierten Tänzer - an seine Sanftheit und die anmutigen Bewegungen beim Tanz. Er dachte daran, wie der Prinz seine Schwester vor dem Messer beschützte, an das wunderschöne Bild des halbnackten Prinzen im Mondlicht und an das unverkennbare Kribbeln in seiner Leistengegend. Es war ihm unerträglich, den Prinzen zu verletzen.
Erst nachdem er die Verletzung behandelt hatte, richtete er seinen Blick auf Ron, der ihn bereits ansah. Sein Herz klopfte heftig. Jene leuchtend grünen Augen, die helle, glatte Haut, die sinnlich roten Lippen...
Er wandte den Blick hastig ab. Was dort vor sich ging, konnte er nicht fassen. Der König wusste, dass er seine Gedanken ordnen musste.
In jener Nacht erhielt Ron keine Antworten auf seine Fragen. Nachdem Zedekiel die Wunde versorgt hatte, legte er Ron sanft ins Bett und verließ das Zimmer, ohne auch nur ein Wort zu sagen.
Ron seufzte und starrte die Tür an. Nach dem, was ihm die Königinmutter offenbart hatte, war er sich sicher, dass seine Familie Zedekiel etwas angetan hatte, was dieser ihnen nie vergeben könnte.
Hieß das, dass er keine Chance beim König hätte?
Er schüttelte den Kopf und verbannte alle negativen Gedanken. Er würde dem König zeigen müssen, dass sie nicht die Aschenmeres waren, als die er sie ansah. Sie waren besser. Jetzt hatte er zwei Ziele: Die aufrichtige Vergebung des Königs zu erlangen und die Königin von Netheridge zu werden!
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"Ihr solltet mir jetzt alle gut zuhören. Ich werde mich verstecken, und ihr zählt alle von 1 bis 50, dann sucht ihr mich. Jeder von euch muss zählen. Wer mich zuerst findet, darf sich als Nächster verstecken. Habt ihr das verstanden?", sagte Ron zu den dienstbaren Geistern, die vor ihm standen.
"Ja, Prinz Ron!", antworteten sie im Chor.
Rons schlechte Stimmung hellte sich ein wenig auf. Er hatte verschlafen, das Frühstück verpasst, daher hatten die Königinmutter und Prinzessin Mariel ihm etwas zu essen gebracht und nach dem Rechten gesehen. Prinzessin Mariel hatte geweint und den Prinzen umarmt und sich immer wieder entschuldigt.
Doch der Prinz machte sich nichts daraus. Er wusste, dass sie sich schuldig fühlte, ließ sie weinen und nahm ihre Entschuldigung an. Erklärte ihr jedoch auch, dass es nicht ihre Schuld war.
Die Königinmutter konnte nicht anders, als sich zu wünschen, Ron möge wirklich ihre Schwiegertochter werden. Sie blieben eine Weile bei ihm und als Ron nach dem Verbleib des Königs fragte, erfuhr er, dass dieser mit der Prinzessin einen Morgenspaziergang machte. Rons gute Laune verflog. Seine Schwester machte also schon ihre Züge.
Als Prinzessin Mariel und die Königinmutter Rons verfinsterte Miene bemerkten, gingen sie und sagten ihm, er solle sich ausruhen.Ausruhen? Wie konnte Ron nur an Ruhe denken, wenn er wusste, dass seine Schwester mit seinem Geliebten zusammen war? Sie könnten jetzt alle möglichen Dinge tun! Ron kannte seine Schwester genau; wenn sie etwas wollte, dann besorgte sie es sich mit allen erdenklichen Mitteln. Er musste unbedingt ihr Stelldichein vereiteln!
Leider bestand Leo darauf, kein Auge von ihm zu lassen, unter dem Vorwand, der Prinz sei verletzt und er wolle weitere Zwischenfälle verhindern. So blieb Ron nichts anderes übrig, als sich ein Spiel auszudenken - Verstecken.
Er forderte 12 Diener, einschließlich Leo, herbei. Er gab vor, gelangweilt zu sein und schlug vor, Verstecken zu spielen. Leo war strikt dagegen, also entschied sich Ron dafür, den Dienern Geschichten zu erzählen und Lieder vorzusingen.
Die Diener von Netheridge zeigten reges Interesse an den Geschichten, die der liebenswerte Prinz zu erzählen hatte, doch jedem Diener aus Eschenmoor war klar, dass es schwierig war, den Prinzen zum Schweigen zu bringen, sobald er erst einmal zu reden anfing. Die Diener, die Ron begleitet hatten, blickten alle niedergeschlagen. Warum hatten sie den Oberdiener angefleht, sie auf die Reise nach Netheridge mitzunehmen? Sie hätten besser zuhause bleiben sollen. Fluch über ihre Habsucht und Neugier!
Leo, der keine Lust hatte, den ganzen Tag seinen Ohren solch eine Tortur anzutun, presste nur die Lippen zusammen und machte bei dem Spiel mit. Der stämmige Leibwächter nahm sich vor, den Prinzen schnell zu finden. Es war die einzige Möglichkeit, seine Sicherheit zu gewährleisten.
"Ich werde mich jetzt verstecken", verkündete Ron. "Denkt daran, von 1 bis 50 richtig laut zu zählen, sodass ich es hören kann. Keine Zahl mehr und keine weniger. Wenn ihr mich sucht, bevor ihr zu Ende gezählt habt, lasse ich euch den Schweinestall ausmisten!"
Alle Diener nickten. Die von Netheridge waren nicht besonders erfreut. Sie hätten den Prinzen nur zu gerne singen hören.
Zufrieden lächelte Ron. "Gut, fangt an zu zählen", sagte er und eilte in entgegengesetzter Richtung davon, so schnell ihn seine Beine trugen. In der Ferne hörte er, wie die Diener laut zählten. Er kicherte in sich hinein, sammelte die Ränder seiner purpurnen Robe und beschleunigte seine Schritte.
Er war entschlossen, den König und seine Schwester zu suchen!
Nachdem er eine Weile gesucht und auch einige Wachen befragt hatte, fand Ron sie schließlich. Der König und die Prinzessin standen mitten auf einer Brücke und fütterten die Enten im Fluss mit Brot. Sie standen Schulter an Schulter und sahen wie ein ideales Paar aus. Der Anblick schmerzte den Prinzen in den Augen.
König Zedekiel war wie immer in schwarze Roben gekleidet, die allerdings glänzende rote Fäden zierten. Sein silbernes Haar war zu einem tiefen Dutt gebunden und die mit Rubinen verzierte silberne Krone saß auf seinem Haupt, was ihm den königlichen Anblick verlieh, der er war. Aus Rons Blickwinkel war es unmöglich, ihre Gesichter zu erkennen, deshalb wusste er nicht, welche Gesichtsausdrücke sie hatten. Rasch musste er sich etwas einfallen lassen.
Er zog ein Taschentuch hervor und tupfte sich den Schweiß ab, dann holte er einen Spiegel hervor. Er betrachtete sein Spiegelbild, richtete seine kastanienbraunen Locken und klopfte sich auf die Wangen, damit sie rosig aussahen. Anschließend befeuchtete er seine roten Lippen und lächelte. Er sah großartig aus. Dann richtete der Prinz seine purpurnen Gewänder und sorgte dafür, dass alles akkurat saß. Nun war es an der Zeit, die Unterhaltung zu stören, die sie führten.
Gerade als Ron nach seiner Schwester rufen wollte, erblickte er Prinz Ludiciel, der in die entgegengesetzte Richtung unterwegs war. Plötzlich kam ihm eine Idee und er rief: "Ludiciel! Prinz Ludiciel!"
Prinz Ludiciel blieb stehen und sah Ron auf sich zukommen. Er lächelte und kam ihm entgegen. "Prinz Ron, wie geht es Ihnen? Wie steht es um Ihren Arm? Ich war auf dem Weg zu Ihnen."