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Chapter 9 - Zu weich

Das Schwert eines Gentlemans - eine Modeerscheinung unter den Literaten der Hauptstadt, denn das Schwert war ein Symbol für Macht und Respekt. Unter den gebildeten Kreisen, wie Dichtern und Gelehrten, hatten Schwerter einen anderen Namen: "Drei Fuß Herbstwasser". Sie waren das schöne Sinnbild für Gerechtigkeit und Anstand und daher eine passende Zierde für einen Gentleman.

Ein Gentleman, das war ein Mann von edler Haltung. Doch irgendwann in der Geschichte schien sich die Bedeutung dieses Begriffs gewandelt zu haben und wurde schlichtweg zum "Edelmann". Es gab einen feinen, aber dennoch wichtigen Unterschied. Ein Edelmann musste sich nicht edel verhalten, musste nicht diejenigen ehrenhaft behandeln, die er als unter ihm stehend erachtete. Edelmann bedeutete lediglich eine Klasse, einen Rang und einen Machthaber.

Wu Bin sprach zwar, aber Yan Zheyun konnte ihn wegen des Tinnitus in seinen Ohren nicht verstehen. Kalter Schweiß rann seine Wirbelsäule herunter, während er auf die sich langsam ausbreitende dunkelrote Blutlache unter Wu Zhis Körper starrte.

Die anderen Diener waren bereits auf die Knie gefallen. Yan Zheyun wollte es ihnen gleichtun, aber seine Beine gehorchten ihm nicht. Sie zitterten und weigerten sich, sich so zu bewegen, wie er es wollte.

Wu Bin bemerkte sein merkwürdiges Verhalten.

"Yun Er, was ist los? Du dummes Kaninchen, du brauchst keine Angst zu haben, er wird dich nicht mehr belästigen."

Er sah Yan Zheyun mit liebevoller Sorge an, doch Yan Zheyun sah nur ein Monster.

Yan Zheyun war ein logischer Mensch. Als er in diesem fremden alten Land zu sich kam, hatte er schnell erkannt, dass es Unterschiede in den Gesetzen der modernen Welt und dieser konservativen feudalen Gesellschaft geben musste. Aber das zu wissen war das eine, mit anzusehen, wie ein Mann direkt vor seinen Augen getötet wurde, das andere.

Der Adel. Die Gentry und das Königtum. Das waren die Klassen von Menschen, die buchstäblich mit Mord davonkommen konnten, sofern das Opfer keinen ebenfalls adligen Status besaß.

Ein Sklave? Das war nichts in den Augen des Gesetzes. Hatte er erst einmal ein gewisses Alter erreicht, war er nicht mal so viel wert wie gesundes Vieh. Wu Zhi mochte abscheulich sein, aber aus Yan Zheyuns Sicht hätte er einen Prozess wegen sexueller Belästigung verdient. Er hatte es nicht verdient, wie ein gejagtes Tier zu sterben, mit aufgerissenen Augen und offenem Mund vor Schreck.

"Du hast ihn getötet", sagte Yan Zheyun leise. Er war so benommen, dass er vergaß, Wu Bin mit den richtigen Ehrenbezeichnungen anzusprechen. Glücklicherweise störte das Wu Bin nicht. Er zog es sogar vor.

"Natürlich habe ich das", sagte er, als wäre es ein Grund zum Stolz. Wie ein Pfau, der sein Gefieder für eine umworbene Partnerin präsentiert. Er streckte die Hand aus und strich mit einem Finger über Yan Zheyuns Wange. "Yun Er, ich kann dich beschützen, also komm zurück zu mir. Was meine Mutter auch zu dir gesagt hat, bei mir bist du sicher, einverstanden? Dein großer Bruder wird nicht zulassen, dass dir jemand etwas antut."

Solch schöne Lügen. Doch Yan Zheyun glaubte sie nicht. Er hatte den Vorteil der Voraussicht, er ahnte, wie der Roman weiterging. Er wusste, was Wu Bin ihm in Zukunft antun würde. Er hatte es bereits mit Yan Yun in dem Buch getan, das Yan Lixin gelesen hatte, und Yan Yun war in unheilbare Stücke gebrochen worden.

Heute stimmte etwas nicht mit Wu Bin. Nach seinem Charakter zu urteilen, hätte er niemals derart prahlerisch sein dürfen. Selbst wenn das Gesetz beim Mord an einem eigenen Sklaven ein Auge zudrücken würde, hieß es nicht, dass die Gesellschaft dieses Verhalten nicht missbilligen würde. Für jemanden, der sein Image fast eifersüchtig schützte, hätte Wu Bin nicht so handeln sollen. Er hätte Yan Zheyun nicht als sein Eigentum deklarieren oder vor anderen Dienern süße Worte zu ihm sagen sollen.Warum verhielt er sich so? Lag es daran, dass er spürte, wie sich Yan Zheyun aus seinen Klauen winden wollte? Oder hatte Liang Hui etwas gesagt, das ihn provozierte?

Yan Zheyun fühlte sich auf einmal sehr müde. Das Ringen mit seinen Firmengegnern um ein Geschäft kam ihm im Vergleich vor wie ein Kinderspiel.

Er ließ sich von Wu Bin aus der Küche führen, der Yan Zheyun die ganze Zeit liebevoll ermahnte.

"Ich verstehe nicht, warum du so töricht bist, Yun Er. Meine Mutter sagte, du wärst sehr reif und wüsstest, was zu tun ist. Aber wie kann es richtig sein, in die Küche zu fliehen? Du hast dich nur selbst in Gefahr gebracht." Wu Bin legte seinen Arm um Yan Zheyuns Schultern und ignorierte die schockierten Mienen der anderen Hausbewohner.

"Was macht der Große Junge Herr?"

"Ist er nicht besorgt, dass es sich herumspricht, dass er eine männliche 'Begleitung' hält? Was, wenn die Familie des Generals davon Wind bekommt und die Verbindung aufkündigt?"

"Aiya, es ist nur ein Spaß, wen kümmert's, welcher adlige junge Herr nicht ein oder zwei Lieblinge hat?"

[Ich bin kein 'Begleiter'], wollte Yan Zheyun sagen. [Ich bin kein Liebling.]

[Ich bin kein wertloser Sklave.]

Sein Hals war trocken. Sein Gehirn war so verwirrt wie damals, als er nach dem Ertrinken aufgewacht war. Zum ersten Mal überlegte er, ob es nicht besser gewesen wäre, an einer Lungenentzündung zu sterben, als in der Gefangenschaft dieser wahnsinnigen, exzentrischen Figuren zu überleben.

Yan Zheyun wurde von der Realität seiner misslichen Lage getroffen. Die ganze Zeit hatte er arrogant geglaubt, sich an seine neue Situation anzupassen. Er hatte gemeint, auf alles vorbereitet zu sein, um jeden zu überlisten. Schließlich hatte er es doch nur mit NSCs zu tun, oder? Und das auch noch von einem Autor, der eine so gedankenlose Handlung verfasst hatte. Wie könnten sie ihn da überlisten?

Aber nun begann er zu erkennen, wie sehr er sich getäuscht hatte. Es spielte keine Rolle, dass in seiner Welt der Minister der Riten, Wu Bin und Liang Hui nur zweidimensionale Konzepte auf einer Seite waren. Hier war er in ihrer Welt und musste sich nach ihren Regeln richten.

Er könnte vergewaltigt, gefoltert, ja wirklich getötet werden. Und es wäre echt.

"Mein armer Yun Er, immer noch so geschockt? Du warst schon immer zu zartbesaitet." Eine Hand strich über Yan Zheyuns Haar und zupfte spielerisch am Pferdeschwanz.

Er zwang sich, sich zu konzentrieren und bemerkte erst jetzt, dass sie nicht zu Wu Bins Residenz zurückkehrten. Tatsächlich standen sie am Eingang des Wu-Anwesens, wo bereits eine elegante Kutsche auf sie wartete."Junger Meister?" Er runzelte verwirrt die Stirn.

Wu Bin lächelte. "Wir gehen aus. Freust du dich nicht?" Er winkte dem Stalljungen zu, näherzutreten. Ein kleiner, schmächtiger Junge lief zum hinteren Teil der Kutsche, beugte sich vor und bot den Fahrgästen seinen Rücken als Aufstiegshilfe an.

Yan Zheyun wich fast entsetzt zurück.

Wu Bin spürte seine Abneigung. Er kicherte und packte Yan Zheyun an der Taille, um ihn in die Kutsche zu heben, ohne den Jungen zu berühren.

"Wie ich schon sagte, du bist immer noch so sanftmütig, Yun Er."

Früher hätte Yan Zheyun darüber gespottet und ihm entgegnet, er solle das den Eigentümern der kleinen Firmen sagen, die er übernommen hatte. Nun jedoch konnte er darauf keine Antwort mehr geben.

[Ich bin sanftmütig,] gestand er sich ein. [Denn, egal wie gerissen und schlau ich im Geschäftsleben bin, ich sehe Menschen immer noch als meinesgleichen. Doch du tust das nicht, was in deiner Welt kein Problem ist, weil du in ein hohes Ansehen geboren wurdest und von dir erwartet wird, das Leben anderer nicht ernst zu nehmen.]

[Aber weißt du, wie wir das nennen, dort wo ich herkomme? Junger Meister Wu, wir nennen das 'böse'.]

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Obgleich es bereits Abend wurde, wimmelte die Hauptstadt noch immer vor Betriebsamkeit. Yan Zheyun blickte regungslos durch den Vorhang der Kutsche nach Draußen. Er versuchte, sich von den fremdartigen Sehenswürdigkeiten und Geräuschen abzulenken, als wäre er auf Urlaub, doch es war vergeblich.

So interessant und lebendig dieser Ort auch war, er wusste um die Dunkelheit im Gefüge ihrer Gesellschaft.

Schwache Bilder aus Yan Yuns Erinnerungen tauchten in seinem Kopf auf, als die Kutsche an Geschäften und Gärten vorüberfuhr. Er erkannte Yan Yuns Lieblingsbäckerei. Er erblickte auch das Kloster, in dem Wu Bin und Yan Yun sich einst versprochen hatten, ihre Namen nach Bestehen der kaiserlichen Prüfungen einzumeißeln. Yan Zheyun fragte sich, ob Wu Bin letztes Jahr allein dort war. Er glaubte es nicht.

Schuft. Wu Bin war ein wahrer Schuft. Und wenn Yan Zheyun sich nicht bald zusammenriss, könnte er womöglich für immer in seinem goldenen Käfig gefangen bleiben.

"Junger Meister", sagte er und sprach damit zum ersten Mal seit Beginn ihrer Reise. "Wohin gehen wir? Ich diene Euch nicht mehr, und die Dame wäre verstimmt, wenn ich meinen Posten ohne Erlaubnis verlassen hätte."Wu Bin versteifte sich bei der Erwähnung seiner Mutter, doch verlor er nicht die Beherrschung gegenüber Yan Zheyun. "Ich habe bald einen freien Tag und hatte vor, dann mit dir auszugehen," sagte er ruhig. "Aber dann fiel mir ein, dass die Gewürzhändler aus der Wüste nur bis morgen in der Stadt sind. Du magst ihren Basar, erinnerst du dich? Ich dachte, wir könnten erst zusammen essen, bevor wir über einen der Nachtmarkte schlendern."

Yan Zheyun erinnerte sich. Yan Yun hatte die unterschiedlichen Farben der Gewürze geliebt, die wie umgestülpte Kegel in ihren Holzschüsseln geformt waren. Die Rottöne, Cremefarben und Gelbtöne erinnerten ihn an den Herbst.

Es war nett von Wu Bin, sich daran zu erinnern. Sogar überaus aufmerksam. Kein Wunder, dass Yan Yun sich nicht hatte dagegen wehren können, sich zu verlieben. Aber Yan Yun wusste nicht, dass all dies nur eine subtile Form der Manipulation war. Er hatte seinem großen Bruder Wu zu sehr vertraut, um auch nur für einen Moment an dessen Charakter zu zweifeln.

Und was hatte Wu Bin getan? Er hatte Yan Yun genommen, sich gelangweilt, eine Frau geheiratet und dann den armen Jungen als Geschenk für das Bett des Kronprinzen hergerichtet. Alles nur, um die Beförderung zu bekommen, die er sich so sehnlichst wünschte.

Ein Windstoß wehte in die Kutsche und ließ die zarten Vorhänge vor Yan Zheyuns Gesicht flattern. Sie verliehen ihm eine geheimnisvolle Anziehungskraft – Wu Bins Augen verschlangen den Anblick –, verbargen aber auch die Eisigkeit von Yan Zheyuns Blick.

Die Kutsche hielt vor einem eleganten, mehrstöckigen Gebäude. Vor dem Eingang befand sich ein kleiner Teich, über den sich eine filigrane Holzbrücke spannte. Yan Zheyun konnte im Wasser den orangefarbenen und goldenen Schimmer der Karpfenschuppen erkennen, während sie träge dahin schwammen. Im Gegensatz zu den lebendigen roten Laternen an den Traufen der umliegenden Gebäude, waren die Lampen hier in einem blassen Cremeton gehalten und mit verschiedensten Frühlingsblumen bemalt. Fainte Noten einer Zither strömten durch ein offenes Fenster und verliehen dem ohnehin eleganten Ort einen vornehmen Charakter.

Trotz seiner schlechten Stimmung konnte Yan Zheyun nicht umhin, einen guten Eindruck zu bekommen. Etwas an der Atmosphäre beruhigte ihn.

Über dem prächtigen Portal hing eine horizontal beschriftete Tafel mit der Aufschrift "Meiyue Tower" – Der Turm der zunehmenden Mondsichel. Die Kalligraphie der Worte war das einzige Detail, das im Kontrast zur schlichten Eleganz des Gebäudes stand. Die kühnen und dynamischen Schwünge widerspiegelten den ungezähmten, sorglosen Geist ihres Verfassers.

Da seine Eltern kultivierte Kinder heranziehen wollten, hatte Yan Zheyun schon in jungen Jahren die Guqin erlernt sowie Kalligraphie und traditionelle Aquarellmalerei. Seine Geschwister hatten sich der gleichen Tortur unterziehen müssen – nur dass Lixin darauf bestanden hatte, die Guzheng zu spielen, weil sie dann zumindest nicht unterschiedliche Nagellängen behalten musste.

Die einzige Kunst, die Yan Zheyun wirklich schätzen gelernt hatte, war die Kalligraphie. In seiner Kindheit hatte er sogar einige Wettbewerbe gewonnen, fast als Naturtalent. Und jetzt, mit den Erinnerungen an Yan Yun, konnte er in noch mehr Stilen schreiben. Seine Wertschätzung war nur noch gewachsen.

Doch heute konnte er sich nicht auf die Schönheit der Inschrift konzentrieren. Sein Herzschlag beschleunigte sich, als ihm klar wurde, dass er sich im Meiyue Tower befand. Dank der Insiderinformationen seiner kleinen Schwester wusste er wohl als einer der wenigen, dass dieser beliebte Elite-Gasthof persönliches Vermögen des Kaisers war.

Das Innere war ausschließlich mit Privatspeisesälen ausgestaltet, versehen mit gewundenen Gängen und Geheimgängen, um größtmögliche Privatsphäre zu garantieren. So konnte sichergestellt werden, dass vornehme Gäste, die nicht auf ein bekanntes Gesicht treffen wollten, ungestört kommen und gehen konnten.

Diese Gäste schätzten den Ort, weil er ihr Wohlbefinden schützte. Yan Zheyun schätzte den Ort, weil er ihm eine neue, kühne Chance bot.

Wenn er jemals die Gelegenheit zur Flucht hatte, dann war es jetzt.