Chereads / Die vier Wächter - Das Eisherz / Chapter 14 - Kapitel 13

Chapter 14 - Kapitel 13

Abends um 20 Uhr treffe ich mich dann endlich mit Raven in der Trainingshalle. Es ist schon dunkel draußen. Die Halle ist komplett leer. Wir haben ein paar Laternen angemacht, die spärlich die Halle beleuchten. Was der Trainingshalle einen für mich sehr gruselige Atmosphäre gibt. Ab und zu sind Schritte ab dem Gang zu hören, aber ansonsten herrscht schon still auf dem gesamten Gelände.

Mein Freund trägt die dunkelgraue Uniform, die seine Truppe bekommen hat. Jede Truppe hat eine andere Farbe und ein anderes Symbol auf dem Aufnäher am Arm. Unsere Uniform ist schwarz und der Aufnäher ist ein großer grauer Wolfskopf mit der Nummer 18 darunter. Ravens Nummer ist 10 und sein Symbol sind zwei gekreuzte Schwerter. 

"Wo sollen wir anfangen?", fragt er und steckt seine Hände lässig in die Hosentaschen und sieht mich abwartend an. 

"Ich dachte, du könntest mir zeigen, wie man den hier effektiv einsetzt." Ich ziehe den silbernen Dolch mit blauen Edelsteinen am Griff aus meiner Halterung am Oberschenkel und präsentiere ihm die Waffe. 

"Wo hast du denn den her?", fragt er mich fasziniert und bewundert die feine Handwerkskunst und die scharfe königliche Klinge. 

"War ein Geschenk." beantworte ich schnell. Vielleicht zu schnell. 

Skeptisch betrachtet er mich. 

"Wer macht dir denn hier in der Kaserne, in der dich alle töten wollen, so ein teures Geschenk? Hast du jemanden schöne Augen gemacht?" Eine seiner Brauen wandert nach oben. 

"Nicht so wichtig.", nuschle ich, weil ich jetzt wirklich keine Lust habe, mich mit ihm über Eldor zu unterhalten. 

"Okay, wenn du es sagst.", antwortet er immer noch skeptisch, aber hackt nicht mehr weit nach. So war es schon immer zwischen uns. Wir erkennen, wenn einer von uns über etwas nicht reden will, und respektieren es. Er würde mich nie zu etwas drängen, wenn ich nicht dafür bereit bin. 

"Also schön. Ich gehe mal davon aus, dass deine Hauptwaffe der Bogen bleibt, so wie früher. Hast du schon mal wieder mit dem Bogen trainiert?" Ich schüttle den Kopf. Bis jetzt hatte ich noch nicht die Gelegenheit dazu. 

"Dann machen wir das morgen. Der Dolch ist eine Waffe für den Nahkampf. Solltest du mal in eine Situation kommen, wo dir Pfeil und Bogen nicht mehr weiterhilft, ist diese Waffe eine gute Wahl für dich." 

Er nimmt mir den Dolch aus der Hand. Schwenkt ihn in der Luft hin und her, dann fühlt er an der Klinge. Zieht den Daumen aber schnell wieder weg, als er bemerkt, wie scharf die Schneide ist. 

"Exzellente Klinge.", murmelt er mehr zu sich selbst als zu mir. Dann hebt er wieder den Kopf in meine Richtung. 

"Du musst immer bedenken, dass ein Gegner mit einem Langschwert eine viel größere Reichweite hat. Schnelligkeit und Wendigkeit sind deine Vorteile. Diese musst du trainieren."

aufmerksam höre ich ihm zu. Dann führt er mir noch ein paar effektive Handgriffe und Schritte vor, die ich dann bei ihm ein paar mal üben darf. 

Danach beschließen wir zum Ende noch einen Faustkampf gegeneinander zu machen.

"Wie ist denn deine Truppe so? Kommst du mit allen klar?", frage ich mittendrin und weiche einen seiner Schläge aus.

"Du solltest dich besser auf den Kampf trainieren als zu reden.", belehrt er mich. Wieder versucht er mich mit einem Schlag in Richtung meines Bauches zu treffen. Ich wehre den Schlag mit meinem Oberarm ab und setzte sofort zum Gegenangriff an. Ziele mit meiner Faust auf sein Brustbein und lande einen Treffer.

"Vielleicht will ich dich nur ablenken mit einem Gespräch. Du weißt, doch Frauen sind multitaskingfähiger als Männer."

"Ach ja. Ist das so?", fragt er amüsiert und grinst, ehe er mich packt und ich plötzlich mit dem Rücken zu ihm stehe und er seinen Arm an meinen Hals presst. Ich spüre seinen Atem auf meiner Wange. Sofort will ich mich entspannen. Mich an seine starke Brust lehnen. Ein Kribbeln erfüllt meinen Bauch. Leicht lege ich meinen Kopf zur Seite. 

"Also, wie entkommst du meinem Griff.", flüstert er mir ins Ohr. Am liebsten gar nicht. Wir können meinetwegen für immer so stehen bleiben, denke ich mir. Bis mir wieder einfällt, dass das hier ein Kampf sein soll. Schnell verbanne ich die Gedanken aus meinem Kopf und versuche mich zu konzentrieren. Zuerst versuche ich ihn zu treten, was sich als nicht sehr effektiv herausstellt. Dann verpasse ich ihm eine Kopfnuss. Überrascht lässt er mich los und fasst sich an die Nase. 

"Ich glaub du hast mir die Nase gebrochen.", jammert er übertrieben und legt seinen Kopf in den Nacken. 

"Niemals. So fest war das gar nicht. Du hast doch nicht mal Nasenbluten."

"Du warst schon immer brutal. Aber so gewalttätig hab ich dich nicht mehr in Erinnerung."

Laut lache ich auf. Raven mustert mich kurz wütend, eher er sich auch kein Lachen mehr verkneifen kann. 

 Nach gut einer Stunde beschließen wir das Training für heute zu beenden, und machen uns bereit, die Halle zu verlassen. 

Wir waren gerade auf den Weg zum Ausgang der Halle, als einige Schritte durch den Flur hallten. Auch Gelächter und Stimmen kamen um die Ecke. Je weiter wir gingen, umso lauter wurden die Geräusche. Alle meine Alarmglocken klingelten. Mein Fluchtinstinkt setzte ein. Raven dachte sich wohl weniger dabei und ging ohne Zögern einfach weiter. Dicht folge ich Raven auf den Gang. Unsere Arme berühren sich bei jedem Schritt. 

"Setzt deine Kapuze auf. Bleib dicht bei mir.", befiehlt er mir. Ich ziehe mir die Kapuze meiner Jacke so tief ins Gesicht, wie es nur geht. Vielleicht erkennen sie mich dadurch ja nicht. Vielleicht wollen sie mir gar nichts tun. Aber vorsichtig zu sein ist immer besser als tot. 

Wir gehen den breiten Gang entlang und biegen um die Ecke, aus der die Geräusche kamen. Die Gruppe aus vier Männern ist nicht mehr weit von uns entfernt. Sie wirken ein bisschen beschwipst. Grölen und lachen laut. Alle haben eine Flasche in der Hand, in der bestimmt kein Wasser ist. Die Luft ist von Tabak und etwas anderem Süßlichem erfüllt. Ein kurzer Blick verrät mir, dass ich mindestens einen von ihnen kenne. 

Dan. 

Der, der mich gestern verfolgt hat. Schnell schaue ich zu Boden und hoffe, dass er uns nicht wirklich zur Kenntnis nimmt. Die anderen drei kenne ich nicht. Aber alle haben merklich Drogen genommen und sind nicht mehr zurechnungsfähig. Was uns im Falle eines Kampfes vielleicht einen Vorteil bringt.

Mit schnellem Schritt gehen wir an ihnen vorbei. Bis jetzt hat uns noch keiner von ihnen wirklich Beachtung geschenkt. 

Ich will schon ausatmen, als wir an ihnen vorbei sind und die Tür noch draußen nur noch wenige Meter vor uns ist. Als...