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Chapter 9 - Die Jäger greifen an

Die Nacht war still, unnatürlich still. Der Wind, der sonst durch die Baumwipfel des Waldes sang, war verstummt, und die Tiere hatten sich in ihren Höhlen verkrochen. Es war die Art von Stille, die vor einem Sturm liegt – und Luan konnte sie fühlen. Er stand am Rand der Lichtung, auf der das Rudel sein Lager hatte. Die anderen waren verstreut, einige schliefen, andere patrouillierten die Grenzen. Kael war irgendwo draußen, und Nina saß wie ein Schatten neben dem Feuer, ihre Augen funkelten im flackernden Licht. Luan spürte das Ziehen in seiner Brust, das Beben des Wolfs, der unruhig unter seiner Haut lauerte. Es war, als ob das Tier in ihm etwas wusste, das er selbst noch nicht verstand.

»Du spürst es, nicht wahr?«, fragte Nina plötzlich. Luan zuckte zusammen. Er hatte nicht bemerkt, dass sie ihn beobachtete.

»Ja«, sagte er leise. »Es fühlt sich an, als ob … etwas näherkommt.«

Nina nickte langsam. »Die Jäger. Sie sind hier.« Die Worte ließen seine Kehle trocken werden. Er dachte an Ridley, an dessen kalte Augen und das Messer, das ihn beinahe getötet hatte.

»Was machen wir?«, fragte Luan. Nina stand auf, ihre Bewegungen geschmeidig wie die einer Raubkatze. »Wir kämpfen. Aber zuerst müssen wir wissen, wo sie sind.«

Bevor Luan etwas sagen konnte, ertönte ein Knall in der Ferne – ein lauter, metallischer Klang, der den Wald zum Zittern brachte. Vögel stoben aus den Bäumen, und in der Lichtung brach Unruhe aus.

»Das war ein Köder«, sagte Nina und ballte die Fäuste. »Sie versuchen, uns herauszulocken.«

Kael tauchte aus den Schatten auf, sein Gesicht ernst. »Es ist Ridley«, sagte er. »Ich habe ihn gesehen. Sie haben den Fluss überquert und bewegen sich auf uns zu. Wir haben nicht viel Zeit.« Nina nickte. »Sammle die Wölfe. Wir müssen uns vorbereiten.« Kael verschwand wieder, und Luan folgte Nina zum Zentrum der Lichtung, wo die anderen Rudelmitglieder sich bereits versammelten. Die Spannung war spürbar, jeder von ihnen wusste, was bevorstand. Nina hob die Hände, und ihre Stimme war ruhig, aber fest. »Die Jäger sind hier. Sie kommen nicht, um zu verhandeln – sie kommen, um zu töten. Wir haben keine Wahl: Wir müssen sie aufhalten, bevor sie uns finden.« Die Wölfe bewegten sich schnell, ihre Bewegungen waren wie ein gut einstudierter Tanz. Luan warf Nina einen unsicheren Blick zu. »Was soll ich tun?« Sie sah ihn einen Moment an, ihre Augen kalt. »Bleib an meiner Seite. Kämpfe, wenn du kämpfen musst. Aber sei vorsichtig – du bist noch nicht bereit, dich ihnen allein zu stellen.«

Luan nickte, auch wenn er nicht sicher war, ob er ihre Worte wirklich glauben konnte. Der Wolf in ihm knurrte leise, und er spürte die Hitze, die in seinem Inneren aufstieg. Die Jäger griffen bei Einbruch der Dunkelheit an.

Es begann mit einem weiteren Knall, der die Stille zerriss, gefolgt von einem blendenden Licht, das die Lichtung erhellte. Luan blinzelte, sein Kopf schmerzte von der plötzlichen Helligkeit.

»Sie kommen!«, rief Kael, der am Rand der Lichtung stand. Aus den Bäumen tauchten Gestalten auf, dunkel gekleidet, mit Waffen in den Händen. Ridley führte die Gruppe an, sein Gesicht war ein Bild der Kälte, und in seiner Hand hielt er das silberne Messer, das Luan fast das Leben gekostet hatte. Die Wölfe sprangen in Aktion, ihre Bewegungen schnell und präzise. Luan sah, wie Kael einen der Jäger zu Boden warf, während Nina wie ein Schatten durch die Feinde glitt, ihre Klauen blitzten im Licht. Luan stand unsicher in der Mitte der Lichtung, das Knurren in seiner Brust wurde lauter, und er spürte, wie der Wolf in ihm aufstieg.

»Du kannst nicht zögern!«, rief Kael, während er einen weiteren Jäger niederschlug. Luan nahm einen tiefen Atemzug, und dann ließ er los. Die Verwandlung war schneller als beim letzten Mal. Der Schmerz war da, aber er wurde überlagert von der Wut, von der rohen Kraft, die durch seinen Körper strömte. Er spürte, wie seine Muskeln sich veränderten, wie seine Sinne schärfer wurden. Als er die Augen öffnete, sah er die Welt anders – klarer, intensiver. Ein Jäger stürzte auf ihn zu, doch Luan wich aus, seine Bewegungen waren instinktiv. Mit einem schnellen Schlag riss er die Waffe aus der Hand des Mannes und warf ihn zu Boden. Ridley sah ihn und blieb stehen. Ein seltsames Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Da bist du also«, sagte er leise. Luan knurrte, das Tier in ihm war bereit, zuzuschlagen. Doch bevor er sich bewegen konnte, hob Ridley etwas in die Luft – eine kleine silberne Kugel, die leise summte. Kael schrie: »Luan, weg da!« Doch es war zu spät. Die Kugel explodierte, und ein grelles Licht breitete sich aus, gefolgt von einem durchdringenden Ton. Luan schrie auf, sein Körper fühlte sich an, als würde er in Flammen stehen. Er fiel zu Boden, die Verwandlung brach ab, und er spürte, wie die Welt um ihn herum zu verschwimmen begann. Als er wieder zu sich kam, war die Lichtung still. Das Feuer war erloschen, und die Wölfe hatten sich zurückgezogen. Luan lag auf dem Boden, sein Körper schmerzte, und als er den Kopf hob, sah er Ridley, der mit einem grimmigen Lächeln über ihm stand.

»Du bist stärker, als ich dachte«, sagte er. »Aber das macht dich nur zu einer noch größeren Bedrohung.«

Bevor Ridley zustoßen konnte, stürzte sich Kael auf ihn, und die beiden verschwanden in den Schatten. Luan blieb liegen, seine Kraft war verschwunden. Doch in seinem Inneren brannte etwas – ein Funke, ein Verlangen, das stärker war als der Schmerz. Die Jäger hatten gewonnen. Doch der Kampf war noch lange nicht vorbei.