Lumen ist mit drei weiteren Jungs in seinem Alter in einem schlichten, engen Zimmer untergebracht.
Der Raum wirkt karg und zweckmäßig. Zwei einfache Hochbetten aus Holz stehen an den gegenüberliegenden Wänden, die schäbigen Matratzen darauf scheinen so dünn, dass man die Bretter darunter spürt. An der Wand neben der Tür hängt ein wackeliger Kleiderhaken, der bereits von ein paar grob gefalteten Uniformteilen belagert wird.
Ein einziges kleines Fenster lässt das graue Licht des Abends in den Raum, kaum genug, um die Ecken aufzuhellen.
Das angrenzende Bad ist nicht viel besser. Ein einzelnes Waschbecken mit abgenutztem Rand, ein fleckiger Spiegel und eine kleine Toilette, deren Spülung sich anhört, als würde sie um ihr Leben kämpfen, bilden die gesamte Ausstattung.
Auf der Etage gibt es wenigstens einen Gemeinschaftsbereich mit Duschen – ein Trost, wenn auch kein großer.
Lumen liegt auf dem unteren Bett der linken Seite, den Kopf auf seinen Armen verschränkt. Seine goldenen Augen starren an die Unterseite der Matratze über ihm, doch seine Gedanken schweifen ab.
Es ist ein seltener Moment der Ruhe, doch er fühlt sich weder entspannt noch ruhig. Seine Gedanken kreisen um Kaels Demonstration und das, was vor ihnen liegt.
Über ihm schläft Ravyn, der Junge, mit dem er das Hochbett teilt. Ravyn ist ähnlich wie Lumen ruhig und unauffällig.
Er hat braune Haare und wirkt durch sein zurückhaltendes Auftreten eher unscheinbar.
Sein am Kleiderhaken hängender schwarze Umhang, geschmückt mit einem kunstvoll verzierten roten Muster, lässt ihn trotz seiner Persönlichkeit hervorstechen.
Das rote Muster seines Umhangs passt gut zu seinen ebenfalls roten Augen, die Tagsüber oft hinter einer Sonnenbrille verdeckt sind.
Ravyn spricht nur selten, und wenn, dann in kurzen, präzisen Sätzen. Das ist eine willkommene Abwechslung zu dem Chaos, das von den Betten auf der rechten Seite kommt.
Die beiden Jungs auf der anderen Seite des Zimmers könnten nicht unterschiedlicher sein. Beide blond, beide laut und scheinbar immer voller Energie – auch jetzt, wo sie schlafen.
Kieran, der ältere der beiden, schnarcht mit einem dröhnenden Geräusch, das klingt, als würde er einen Berg erklimmen.
Der jüngere, Finn, redet im Schlaf, seine Worte unzusammenhängend und wirr, als würde er mitten in einem Traum einen Kampf austragen.
Lumen schließt für einen Moment die Augen und atmet langsam aus. Ravyn, obwohl er kaum ein Geräusch von sich gibt, scheint immer wachsam zu sein.
„Wach?" Ravyns Stimme dringt leise von oben herab. Sie ist tief und ruhig.
„Immer," murmelt Lumen und öffnet die Augen wieder. „Du?"
„Habe es aufgegeben zu schlafen" antwortet Ravyn und stützt sich halb auf seinem Ellenbogen ab, sodass er an der Bettkante erscheint.
"Wir sollten es trotzdem versuchen" flüstert Lumen.
"Ihr seid also die neuen Rekruten"
Ein Offizier mit scharfem Blick, musterte die Gruppe. Er scheint Anfang 30 zu sein.
"Ich bin Samir. Das bedeutet für euch: Ihr tut, was ich sage, wenn ihr überleben wollt."
Samir verschränkt die Arme, seine Uniform makellos, die Haltung stramm.
„Angesichts der Umstände werden wir eure Ausbildung ein wenig beschleunigen müssen. Eure Zeit ist knapp, und das bedeutet, dass ich keine Spielereien dulden werde."
Sein Blick schweift über die neun Rekruten, blieb jedoch an einem bestimmten Mädchen hängen. Seren steht aufrecht, ihr weißblondes Haar ordentlich zusammengebunden, ihre eisblauen Augen treffen seinen Blick ohne zu flackern.
"Dein Name ist Seren Veylith," sagt Samir mit einem Hauch von Interesse. "So wie in General Marcus Veylith?"
Seren nickt, ihr Ton neutral, aber respektvoll. "Ja, Sir. Er ist mein Vater."
Ein kurzes Lächeln huscht über Samirs Gesicht.
"Ich kenne ihn nur flüchtig. Doch ich bin zuversichtlich, dass sein Nachkomme ebenso außergewöhnlich ist."
Er macht eine Pause, ließ die Worte in der Gruppe wirken, bevor er fortfuhr. "Veylith, du bist ab sofort die Anführerin dieser Gruppe."
Ein erstauntes Raunen geht durch die Rekrutengruppe.
"Das bedeutet, dass du die Verantwortung für diese Gruppe trägst" erklärte Samir knapp.
„Du bist ihre Verbindung zu mir und zu den anderen Offizieren. Wenn ich einen Befehl gebe, stelle ich sicher, dass er durch dich ausgeführt wird.
Du hältst sie zusammen, korrigierst ihre Fehler und führst sie im Einsatz." Sein Blick verhärtet sich.
"Aber vergiss nicht: Sollte deine Gruppe scheitern, fällt das auf dich zurück."
Seren nickte langsam, ihr Blick unerschütterlich. „Verstanden, Sir."
Lumen, der abseits stand und das Ganze beobachtete, zog nur leicht die Augenbrauen hoch."Natürlich, wer auch sonst" denkt er.
Samir ließ seinen Blick erneut durch die Gruppe wandern. "Der Rest von euch," sagte er mit einem harten Ton, "wird tun, was Serin euch sagt."
Wenn sie euch befiehlt, zu springen, fragt ihr nicht "Wieso?" sondern "Wie hoch?".
Ein kurzes, unangenehmes Schweigen legte sich über die Gruppe, bis Samir schließlich hinzufügte: „Ihr habt eine Stunde. Lernt euch kennen, bevor das erste Training beginnt."
Mit diesen Worten wendet er sich ab und verschwindet.
Seren lässt ihren Blick kurz über die Gruppe schweifen.
"Meine Rolle bedeutet nicht nur Verantwortung. Es bedeutet auch, dass wir zusammenhalten, ob wir es mögen oder nicht." Ihre Stimme ist klar und fest.
"Ihr könnt euch auf mich verlassen – und ich erwarte, dass ich mich auf euch verlassen kann."
Lumen, der bisher nichts gesagt hat, stützte sich gegen die Wand.
„Klingt, als wüsstest du schon genau, wie das hier läuft," sagt er trocken.
Serens Augen sind kühl, aber nicht feindselig. „Ich erwarte keinen blinden Gehorsam. Aber ich erwarte, dass wir überleben. Und wenn das bedeutet, dass ich euch führen muss, dann tue ich das."
Lumens arroganter, ungehorsamer Blick irritiert Seren. Er spricht sich zwar nicht weiter gegen sie aus, aber sein Blick sagt mehr als tausend Worte.
"Wir wäre es wenn du uns dein Stigma zeigst, was sagst du Lumen?" sagt Seren herausfordernd.