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Chapter 8 - Auf Wanderung

Ravyn wandert seit einer Woche durch das Abyss. Der Himmel erstreckt sich endlos über ihm, ein pulsierendes Chaos aus roten und schwarzen Mustern, das mit seinen sich stetig bewegenden Wellen hypnotisch wirkt. Riesige goldene Risse durchziehen den Himmel, strahlen ein schimmerndes Licht aus und lassen Essenz hindurchströmen. Diese Essenz spendet der ansonsten dunklen Welt eine surreale Helligkeit – ein Licht, das eher beunruhigt als beruhigt.Ab und zu ziehen Flugmonster am Himmel vorbei. Sie erinnern an skelettierte Drachen, mit schwarzen Schuppen und hohlen, rot glühenden Augen. Ihre Körper sind schlank und ihre Flügel groß genug, um sie agil und schnell zu machen. Oft fliegen sie in Schwärmen, deren düstere Silhouetten wie eine wabernde Wolke wirken. Einzeln sind sie nicht allzu gefährlich, aber ein Moment der Unachtsamkeit kann verheerend sein, wenn sie in Gruppen angreifen. Ravyn beobachtet, wie einer dieser Schwärme durch einen Leerenbruch schlüpft – eine Verbindung zur Erde – und fühlt die Beklemmung in seiner Brust wachsen.Das Ziel, seine verschollene Schwester Aris zu finden, treibt ihn weiter durch die trostlose Landschaft. In seiner Tasche trägt er eine Karte, die er vom Dorfältesten Sylvorn erhalten hat. Sie dokumentiert einige der Leerenbrüche, die zwischen dem Abyss und der Erde existieren. Die meisten führen in unbewohnte Regionen, Ozeane oder Wüsten, doch Ravyn sucht einen, der ihn direkt nach Europa bringen könnte – zur Akademie Sanctum Arcanum. Diese Akademie ist nicht nur eine Hochburg der klassichen Wissenschaft, sondern auch ein Ort, an dem der Umgang mit Essenz, Stigmata und Arkana gelehrt wird.Die Karte in seiner Hand ist ein Trost und eine Bürde zugleich. Sylvorn hat ihm von der Geschichte Europas erzählt: Wie die Kontinentalplatten sich in den letzten Jahrzehnten so stark verschoben haben, dass es in mehrere Teile zerbrochen ist. Umso wichtiger ist es keinen Leerenbruch zu wählen, der ihn im Meer aussetzt, welches die zerbrochen Regionen Europas trennt.Diese Erzählung erinnert Ravyn an das Abyss – ein Ort, der größtenteils aus unberechenbaren Gewässern und verstreuten Inseln besteht. Die einzige Ausnahme ist die Zentralregion Tenebris, auf er jetzt wandert, sie hat die Größe eines Kontinents auf der Erde.-----------------------------------------Ravyn sitzt an einem Lagerfeuer inmitten eines kleinen Waldes.Die Bäume sind um die 50 Meter hoch und sollen Schutz vor Feinden aus der Luft bieten. Das Lagerfeuer ist extra klein gehalten um keine Aufmerksamkeit aufsich zu ziehen.Ravyn ist zwar im Abyss geboren, aber biologisch ein Mensch. Die regulären Bewohner kommen also nicht so gut auf ihn zu sprechen. Er schnitzt ein Messer aus dem Horn eines roten Drachens, das Ravyn einst benutzt hat, um einen temporären Leerenbruch zu erzeugen. Das knisteren des Lagersfeuers erklingt beruhigend im Hintergrund.Die mächtige Energie des ehemaligen Artefakts ist verblasst und soll nun Geschenk für seine Schwester dienen. Es bleibt ihm keine andere Wahl, als das halbe Abyss zu durchqueren um zu dem richtigen Leerenbruch zu gelangen. Das Horn eines Drachens wäre natürlich auch eine Option, allerdings gibt es die nicht gerade wie Sand am Meer...-----------------------------------------Während Ravyn weitergeht, mittlerweile hat er bereits den kleinen Wald verlassen, verändert sich die Atmosphäre um ihn herum. Die Luft wird kühler, der Himmel dunkler. Die Schatten scheinen sich zu bewegen, als hätten sie ein Eigenleben. Ein Gefühl der Bedrohung kriecht in seine Glieder. Dann bleibt er abrupt stehen.

Aus der Dunkelheit tritt etwas hervor. "Ein Schattenhund..." murmelt Ravyn, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

Vor ihm bildet sich ein dichter Nebel, der sich zu einer massiven Silhouette verdichtet. Der Schattenhund ist fast so groß wie Ravyn, ein beeindruckendes Tier auf vier kräftigen Beinen. Sein schwarz-braunes Fell wirkt wie ein Mantel aus schimmernder Dunkelheit, und seine weißen Zähne blitzen im diffusen Licht. Zwei hohle, schwarz glänzende Augen fixieren Ravyn, als ob sie direkt in seine Seele blicken. Sein eigenes Gesicht spiegelt sich in ihnen wider.Das Biest zögert nicht. Mit einem knurrenden Ausbruch stürmt es los, die zwanzig Meter Distanz sind in einem Augenblick überbrückt. Ravyn springt zur Seite, sein Körper reagiert geschmeidig in einer fließenden Bewegung. Der Schattenhund landet elegant, seine Krallen graben sich in den Boden. Dunkler Staub wirbelt auf, und die Luft füllt sich mit dem modrigen Geruch des Abyss.Ravyn bringt Distanz zwischen sich und das Monster. Seine Finger kribbeln, als er sein Stigma aktiviert. Absolute Leere – ein neues Stigma, das er noch immer nicht vollständig kontrolliert. Dunkle Funken tanzen um ihn herum, und in seinen Händen formen sich zwei Kurzschwerter, schwarz-rot glühend wie seine Augen. Die Klingen der Schwerter bestehen aus flammenden Schatten, die zischend Funken in die Luft spucken.Der Schattenhund hält nicht lange in. Mit einem tiefen Grollen stürzt er sich erneut auf Ravyn. Diesmal sprintet dieser vorwärts, das Adrenalin treibt ihn an. Er taucht unter dem gewaltigen Körper des Biests hindurch, seine Schwerter schneiden durch den Bauch des Hundes. Eine klebrige, grüne Flüssigkeit spritzt heraus und bedeckt den Boden.Ein markerschütterndes Jaulen erfüllt die Luft, doch der Schattenhund gibt nicht auf. Ravyn erkennt, dass das Monster in seinen letzten Momenten zu einer finalen Attacke ansetzt – ein verzweifelter Versuch, ihn mit in den Tod zu reißen.Er lässt sein rechtes Schwert los, und wandelt es in einen Bogen. Mit einem fließenden Zug legt er einen Pfeil aus purer Essenz an. Der Pfeil schimmert, seine Spitze glüht bedrohlich. Ravyn visiert den Kopf des Schattenhundes an. Der Moment scheint ewig zu dauern, doch als das Monster nur noch wenige Schritte entfernt ist, lässt er los.Der Pfeil schlägt ein, durchbohrt den Schädel des Biests und explodiert in einer lichterloh brennenden schwarzen Flamme. Der Kopf des Hundes zerbirst, und seine Überreste sinken in den Boden, während sein Blut in alle Richtungen spritzt.Ravyn bleibt stehen, hebt den Kopf und schaut in die Ferne. Der Abyss zeigt ihm keine Gnade, doch er hat keine Wahl. Sein Ziel wartet, und er wird es erreichen – egal, wie lange es dauert und was ihn erwartet.