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Chapter 10 - Blutiger Kampf

Der trockene Wind trägt feinen, roten Staub durch die Luft.

Der Trainingsplatz ist still, abgesehen von den schweren Atemzügen der Rekruten, die sich in sicherem Abstand um das Spektakel versammelt haben. 

Zwei Figuren stehen sich gegenüber: Seren und Nico.

Nico, ein Jahr älter als Seren, ist ein Berg von einem Mann. Seine muskulöse Statur, die scharfe Narbe, die sich über seine rechte Wange bis zu seinem Hals zieht, und der glühende Ehrgeiz in seinen Augen verleihen ihm eine einschüchternde Präsenz.

Nico hebt eine blutverschmierte Hand, und die Erde unter Seren beginnt zu beben. Scharfe, glänzende Blutstacheln schießen mit tödlicher Präzision aus dem Boden in ihre Richtung. 

Sie weicht geschickt aus, als könnte sie die Zukunft sehen. 

Ihr Körper bewegt sich elegant, wie in einem Tanz.

Ein massiver Pfeil aus Blut schießt knapp an ihr vorbei, trifft jedoch die Unterkunft von General Marcus Veylith. Das laute Krachen von berstendem Holz und der aufsteigende Rauch ziehen die Aufmerksamkeit des Generals auf sich. 

Er steht jetzt am Rand des Platzes, seine Präsenz wie ein eisiger Wind. Seine Augen sind wie zwei kalte Messer, sein Gesicht so ausdruckslos wie ein Standbild.

Nico und alle anderen Rekruten sind schockiert, ihre Kinnladen reichen fast bis zum Boden. Die Unterkunft des Generals zu treffen kann man mit einem Todesurteil vergleichen.

Doch Nico darf sich nicht im Kampf ablenken lassen. Jede Sekunde ist kostbar.

Denn Seren nutzt den kurzen Moment, um die Distanz zu Nico zu verkleinern. 

Allerdings hat er andere Pläne. Mit einem scharfen Atemzug formt er aus dem Blut einen weiteren Angriff. 

Rote Tropfen fliegen durch die Luft und verschmelzen zu neuen Stacheln, die vor Seren emporsteigen. Er will sie auf Abstand halten, koste es, was es wolle.

Schweiß läuft ihm in dicken Tropfen über die Stirn. Blut rinnt langsam aus seiner Nase und tropft auf den Boden. 

Samir, der den Kampf von der Seite aus beobachtet, verengt die Augen.

"Das reicht," ruft Samir mit lauter, durchdringender Stimme. "Wir brechen hier ab. Es wird als Unentschieden gewertet."

"Nein!" Nicos Stimme ist scharf. 

"Ich kann das nicht akzeptieren!"

Die Zuschauer flüstern leise untereinander, doch ihre Blicke bleiben auf den beiden Kämpfern haften. 

Seren bleibt still, aber ihr Blick verrät, dass sie diese Herausforderung nicht scheut. Nico ist entschlossen.

 Sein Stolz erlaubt es ihm nicht, zurückzuweichen, schon gar nicht, nachdem Seren ihr Stigma nicht einmal benutzt hat.

Die Luft verändert sich. Das Blut, das sich während des Kampfes über den Platz verteilt hat, hebt sich langsam vom Boden. 

Es zieht sich zusammen, Tropfen um Tropfen, bis eine massive, flüssige Kugel entsteht, die knapp zwei Meter über dem Boden schwebt. Die blutrote Masse pulsiert bedrohlich, und weitere Tropfen fließen in sie hinein, als würde sie sich vom Boden ernähren.

Seren erkennt die Gelegenheit. Nicos Fokus liegt vollkommen auf seinem Angriff, und sie weiß, dass dies der Moment ist, um die Distanz zwischen ihnen gutzumachen. 

Mit einem kurzen Atemzug spannt sie ihre Muskeln an und sprintet los. Die 50 Meter zwischen ihnen schrumpfen schneller, als die meisten es realisieren können.

Ihre Bewegungen sind präzise, jeder Schritt wie ein perfekt platzierter Schlag. Sie greift ihr Holzschwert fester, zielt auf Nicos Schulter und holt aus. 

Doch kurz vor ihrem Ziel erhebt sich die blutrote Kugel und breitet sich wie ein Schutzwall vor Nico aus. Der Boden vor Seren reißt auf, und ein blutiger Stachel schießt empor, direkt auf ihren Weg gerichtet.

Seren springt, ihre Bewegungen so instinktiv wie elegant. 

Sie nutzt den aufragenden Stachel als Sprungbrett, drückt sich ab und wirbelt in der Luft. Mit einer fließenden Bewegung schleudert sie ihr Holzschwert in Richtung Nico.

Das Schwert trifft sein Ziel mit einem dumpfen Knall, der über den Platz hallt. Nicos Augen weiten sich, als das Schwert gegen seine Brust prallt. 

Er taumelt leicht zurück, und im nächsten Moment ertönt ein schrilles Pfeifen. Das Signal, dass der Kampf vorbei ist.

Die Zuschauer brechen in Applaus aus, während Nico schwer atmend stehen bleibt.

 Seren landet neben ihm auf dem Boden, ihr Blick, trotz der Schmerzen in ihrem Fuß, ist triumphierend aber nicht arrogant.

Sie geht auf Nico zu und streckt ihm die Hand entgegen.

"Guter Kampf," sagt sie, ihre Stimme ruhig, aber respektvoll.

Nico zögert einen Moment, bevor er ihre Hand ergreift. 

"Guter Kampf," murmelt er, sein Stolz offensichtlich angekratzt, aber nicht zerstört.

Samir, der den gesamten Kampf beobachtet hat, tritt nun näher. Sein Blick ist anerkennend. 

Seren hat den Kampf ohne Einsatz ihres Stigmata gewonnen, und hat gezeigt, dass sie selbst ohne dessen Kraft außergewöhnlich ist.

Ihre Fähigkeit, bereits Essenz geschickt zu kanalisieren und ihren Körper zu verstärken, hebt sie von den anderen Rekruten ab. 

Diese machen es nur Instinktiv und nicht so geschickt wie Seren.

Sie hat zum Beispiel in den letzen Momenten des Kampfes ihre Essenz in die Oberschenkel gepumpt, um möglichst hoch zu springen.

Sein Blick wandert zu Marcus Veylith, der noch immer am Rand des Platzes steht. Doch bevor Samir etwas sagen kann, hat der General sich bereits umgedreht und den Platz verlassen. 

Das überrascht Samir. Er hat erwartet, dass der General Nico zur Rede stellen würde, vor allem nach dem Treffer auf sein Büro. Doch es passiert nichts.

Samir runzelt die Stirn. 

Vielleicht liegt es daran, dass dieses Büro eigentlich nicht ihm gehört. 

Schließlich ist er normalerweise im Südosten Europas stationiert, wo die Lage zunehmend kritischer wird. Die Küstenregion ist besonders stark von Leerenbrüchen betroffen. 

Gerüchte kursieren, dass die Regierung plant, Zivilisten in den Norden zu evakuieren und den gesamten Südosten aufzugeben.

Samir versteht die Strategie. Es ist einfacher, die verbleibenden Truppen an einem zentralen Ort zu konzentrieren, als sie über einen ganzen Kontinent zu verteilen. 

Doch was bedeutet das für die Menschen, die zurückgelassen werden?

Sein Blick kehrt zu Seren zurück, die inzwischen mit Nico und den anderen Rekruten spricht. Ihr Selbstbewusstsein und ihre Entschlossenheit sind beeindruckend, doch Samir fragt sich, ob sie versteht, welche Verantwortung auf ihr lastet.

Der Staub auf dem Trainingsplatz legt sich langsam wieder, und die Zuschauer beginnen sich zu zerstreuen.