Chereads / Das ewige Gericht / Chapter 1 - Der ruf zum Dienst

Das ewige Gericht

🇩🇪Einsam
  • 14
    chs / week
  • --
    NOT RATINGS
  • 433
    Views
Synopsis

Chapter 1 - Der ruf zum Dienst

Ein dumpfes Klopfen hallt durch das schäbige Zimmer. Die schwachen Strahlen der Morgensonne brechen durch die zerschlissenen Vorhänge, streifen über staubige Möbel und bleiben schließlich auf einem jungen Mann liegen, der halb unter seiner Decke vergraben liegt.

Sein rabenschwarzes Haar steht im direkten Kontrast zu seinen goldglühenden Augen, die im Moment noch hinter geschlossenen Lidern verborgen sind. Sein Bett knarrt protestierend, als er sich umdreht, den Kopf tiefer ins Kissen drückt und versucht, das nun lautere Klopfen zu ignorieren.

"Lumen Eldareth!" Die schrille Stimme seiner älteren Vermieterin durchdringt die dünnen Wände, genervt wie gewohnt.

"Mach auf! Die Helden von Nirgendwo sind da!"

Lumen seufzt tief, seine Schultern heben und senken sich träge. Er zieht sich die Decke über den Kopf und murmelt: "Kann die alte Hexe nicht einfach tot umfallen und mich weiterschlafen lassen?"

Das Klopfen wird energischer, schwerer. Eine tiefere Stimme ersetzt die der Vermieterin.

"Schon gut, ich komme ja."

Mit einer Mischung aus Genervtheit und Resignation schwingt sich Lumen aus dem Bett. Seine goldenen Augen glühen schwach im dämmrigen Licht, als er auf die Tür zugeht. Seine Schritte sind langsam, fast schleppend.

Er öffnet die Tür einen Spalt – genug, um nicht das faltige Gesicht seiner Vermieterin, sondern einen großen, breit gebauten Mann in Militäruniform zu sehen. Der Anblick lässt Lumen erstarren.

Er realisiert es sofort: Seine Vermieterin meinte das Militär, als sie von den "Helden von Nirgendwo" sprach.

"Lumen Eldareth?" Der Offizier spricht knapp, sein Blick wandert abwertend über Lumen, dessen zerzaustes Haar und abgenutzte Kleidung alles andere als beeindruckend wirkt.

"Kommt drauf an, wer fragt," antwortet Lumen, seine Stimme träge, während er sich gegen den Türrahmen lehnt.

"Ich gratuliere, Rekrut. Sie sind hiermit offiziell eingezogen. Treffen Sie in vier Stunden in der Kaserne ein."

"Nein danke." Lumen versucht, die Tür zu schließen, doch der Offizier blockiert sie mit seinem kräftigen Fuß. Seine Augen verengen sich, und er beugt sich leicht vor.

"Sich gegen das Militär zu widersetzen, kann mit der Exekution bestraft werden. Erscheinen Sie in vier Stunden." 

Mit einem letzten scharfen Blick dreht sich der Offizier um und marschiert davon.

Lumen bleibt stehen, starrt die Tür an, als würde er die Worte erst jetzt vollständig begreifen. Seine Gedanken wirbeln, doch er schüttelt den Kopf, bevor er sich abwendet.

"Die Miete für diesen Monat musst du trotzdem zahlen" ruft seine Vermieterin aus dem Flur, ihr Tonfall hart und unnachgiebig.

"Die senile Frau kann froh sein, dass ich sie noch nicht die Treppen runtergestoßen habe" murmelt Lumen und lässt sich zurück auf das Bett fallen.

Die Atmosphäre auf der Straße ist gedrückt, die Menschen sprechen gedämpft. Der Schatten des Militärs und der plötzlichen Einberufungen liegt schwer auf ihnen. Familien umarmen sich, einige Mütter wischen Tränen aus den Augen, während Väter versuchen, ihre Unsicherheit hinter starren Mienen zu verbergen.

Ein Bildschirm in der Nähe eines kleinen Restaurants flackert, die Lautsprecher knistern, bevor die Nachrichtensprecherin spricht: "Berichten zufolge gibt es in der Altstadt erneut einen Essenzsturm. Wir empfehlen allen Bürgern, die sich im Umkreis von zwei Kilometern befinden, dringend zu evakuieren."

Lumen bleibt kurz stehen, starrt auf den Bildschirm. Der Gedanke, bald als Kanonenfutter in so einen Sturm geschickt zu werden, lässt ihn schaudern. 

Er schüttelt den Kopf, seine Augen glimmen kurz, als er weitergeht. Das Militär rekrutiert bereits erwachte Menschen, die in ihrer Datenbank registriert sind und noch keiner Organisation angehören, um sie im Kampf gegen die Monster des Abyss einzusetzen. 

Ebenso werden nicht erwachte, gewöhnliche Menschen ohne Kräfte in Essenzstürme geschickt, in der Hoffnung, dass sie kompatibel sind, erwachen und so Funkenträger werden.

Er erinnert sich an das Erwachen, das für jeden anders verläuft, aber immer denselben Ursprung hat.

Zu viel Essenz, die aus dem Abyss zur Erde fließt, konzentriert sich manchmal an einem Punkt und bildet so einen Essenzsturm. 

Wenn ein Mensch in der Nähe fähig ist, diese Essenz aufzunehmen, beginnt das Leerenfeuer – eine brutale Prüfung, die alles verändert.

Lumen weiß, wie gefährlich das ist. Besteht man das Leerenfeuer, erwacht man mit besonderen Kräften. Wenn ein Essenzsturm nicht durch einen Menschen, der die Essenz aufnimmt kontrolliert wird, kann es gefährlich werden.

Ein Monster spürt die Energie aus dem Abyss, bildet eine Verbindung und wird zum Anker für einen Dimensionsriss.

"Und das Militär erwartet das Teenager wie ich, das aufhalten oder liebend gerne als Kanonenfutter geopfert werden"

Lumen schnaubt leise. 

Die Baracke sieht im Vergleich zu vielen modernen Gebäuden in der Umgebung sehr altmodisch aus. Es ist auch keine traditionelle Baracke sondern dem Anschein nach eine große Halle. 

Vor dem gut bewachten Tor sieht Lumen eine große Gruppe an jungen Männern und Frauen. Alle befinden sich in einem ähnlichem Alter wie Lumen. Neber der Gruppe neuer Rekruten steht der noch immer düster schauende Offizier von eben. 

Die meisten sehen nervös und verunsichert aus. Die Ausnahme stellt ein weißblondes Mädchen mit Militäruniform und blauen Mantel dar. Ihre eisblauen Augen sind scharf und zielgerichtet. Sie wirkt wie jemand, der für den Kampf lebt.

Neben ihr steht ein Junge mit braunen Haaren und unheimlich roten Augen, der Lumen immer wieder mit unbehaglichen Blicken mustert, als versuche er, ihn einzuschätzen. 

"Gut, ich werde nun den Ablauf und euer Leben für die nächsten vier Jahre erklären. Falls ihr überhaupt solange überlebt" Der Offizier lacht lautstark und stellt sich mit dem Namen Kael vor.

"Ihr seit ungefähr 20 Leute und werdet gleich in zwei Gruppen eingeteilt. Nützlich oder Nutzlos. Mit anderen Worten Essenzträger oder normale Menschen."

"Wir ihr hoffentlich wisst werden erwachte Menschen, also Essenzträger, in mehrere Stufen aufgeteilt, abhängig davon wie stark sie sind." 

"Die Erste Stufe, auch Funkenträger genannt, können Essenz in der Umgebung spüren und selbst in kleinen Mengen speichern. Sie können ebenfalls einfache Fähigkeiten einsetzen und ihr Körper ist so stark, wie der von einem Top Athleten.

Im Vergleich zu normalen Menschen sind sie übernatürlich, allerdings sollten Funkenträger sich nicht überschätzen. Sie können genauso schnell wieder erlischen" Der Offizier fragt wer bereits alles erwacht ist. 

Das Mädchen mit den fast silbernen Haaren meldet sich sofort und salutiert zum Gefallen des Offiziers vorschriftsgemäß. 

8 weitere Rekruten, darunter Lumen melden sich ebenfalls. Wenn auch nicht so enthusiastisch wie das Mädchen.

Der Offizier fixiert die Rekruten scharf und wirft einen besonderen Blick auf Lumen. 

Er hat für einen jungen unüblich lange, unordentliche, pechschwarze Haare die seine Augen fast vollständig verdecken. Lumens Kleidung ist verschlissen und sein Mantel ist ein bis zwei Größen zu groß. 

Er wirkt durch seine katastrophale Körperhaltung, wie ein schlafender und energieloser Obdachlose, der jeden Moment aus Faulheit Tot umfallen könnte.

"Die zweite Stufe sind Entflammte, das Ziel von allen Funkenträgern hier ist es diese Stufe so schnell es geht zu erreichen. Abgesehen von eurem bereits erwachtem Stigma, welches egal ob ihr es bereits einsetzen könnt in euch schlummert, werdet ihr euer Arkana erwachen. 

Eure so gesehen ultimative Waffe, in der Lage ein großes Haus vom Erdboden verschwinden zu lassen. Setzt diese niemals leichtsinnig ein."

Kael streckt seinen rechten Arm aus, und in der Luft über der Gruppe nervöser Rekruten beginnen sich graue Funken zu sammeln. Die Funken tanzen wie winzige, wilde Lichter und füllen die Atmosphäre mit einer unheimlichen Energie. 

Die Luft wird spürbar schwerer, wie die dünne, erdrückende Kälte auf einem hohen Berg. Einige der Rekruten fangen an, unruhig von einem Bein aufs andere zu treten, während sie ungläubig nach oben starren.

Kael schließt langsam die Finger seiner ausgestreckten Hand zu einer Faust. Die grauen Funken verändern sich, werden Goldfarben und intensiver. 

Ihr Schimmer fängt die Blicke aller ein, fast so, als würden sie eine Mischung aus Ehrfurcht und Angst hervorrufen. Die Luft selbst scheint zu flimmern, wie unter einem unerträglichen Druck.

Dann, ohne Vorwarnung, explodieren die goldenen Funken mit einer erschütternden Wucht. Die Druckwelle reißt einige der Neulinge von den Füßen, während ein gleißendes Licht den Platz erfüllt. 

Als die Rauchwolke sich langsam legt, färbt feiner Ruß die Gesichter mancher Rekruten schwarz. Eine bedrückende Stille breitet sich aus, unterbrochen nur vom Röcheln einiger, die den Staub aus der Luft einzuatmen scheinen. 

Kael betrachtet die Szene mit einem kaum merklichen Lächeln, bevor er trocken lacht.

„Das ist mein Stigma, Aschebrand