Der Herzog stand bedrohlich über Faye, die Hände in die Hüften gestemmt und die Beine breit aufgestellt, als Zeichen seiner Intimidation. Er starrte auf ihre winzigen nackten Füße, die auf dem eiskalten und schmutzigen Boden standen.
Sterling lächelte spöttisch und tadelte sie sanft. "Es ist unglaublich, dass du deinen Zustand ohne Schuhe nie erwähnt hast." Mit einer übertriebenen Geste hob er sie schnell auf und trug sie zurück in den Laden, aus Furcht, sie könnte sich an den Füßen verletzen.
Faye protestierte heftig, als Sterling sie in die Arme schloss.
"Bitte! Setz mich ab, Sterling. Was werden die Dorfbewohner denken, wenn sie uns so sehen?"
Seine Stirn hob sich, als er lachend auf ihre Beschwerde reagierte. "Ich befürchte, sie werden annehmen, dass ich zutiefst für dich empfinde. Aber keine Sorge", fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu. "Ich werde ihnen nicht verraten, dass ich hoffnungslos in dich vernarrt bin."
Fayes Augen weiteten sich, als sie den merkwürdigen Ton in seiner Stimme vernahm. Sie war sich sicher, dieser Mann musste wahnsinnig sein. Aber im Moment war sie bereit, jede Form der Freundlichkeit anzunehmen, die er ihr entgegenbrachte – ein großer Unterschied zu ihrer ersten Begegnung vor ein paar Tagen.
Dann hörte sie das Klacken seiner Stiefel auf dem Boden, als er zur Tür ging. Sein Duft hing in der Luft, als er den Laden verließ und auf seinem mächtigen Pferd saß. Faye schaute Sterling hinterher, wie er davonritt und das Geräusch der Hufen von Helio auf dem festgetretenen Boden der Straße widerhallte. Als er aus ihrem Blickfeld verschwand, umklammerte Faye ihre Röcke. Sie vernahm ein Gefühl der Unsicherheit und die Vorahnung, dass etwas Schreckliches bevorstand.
Sie hatte dieses Gefühl schon einmal gehabt. Faye schien zu spüren, wenn Unheil drohte. Sie verabscheute diese Fähigkeit, zu ahnen, wann furchtbare Dinge bevorstanden. Es hatte angefangen, als sie ihren Vater verloren hatte.
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Die Inhaberin der Boutique begab sich in das Lager, um einige Waren zu holen. Faye erkundete den Laden, der angefüllt war mit Rollen von Stoffen, die sauber im gesamten Geschäft gestapelt waren.
Neben einfarbigen Stoffen fielen Faye auch Stoffe mit dezenten Mustern ins Auge. Das Tuch duftete leicht nach frischer Baumwolle und fühlte sich weich an. Sie ließ ihre Finger über jeden einzelnen gleiten, um ihre beruhigende Textur zu spüren.
Das Gefühl ihrer Hände, die über das Gewebe glitten, erinnerte sie an all die Stickerei, die sie in Wintershold gemacht hatte. Sie hatte viele von Alices Roben mit kunstvollen Stichen veredelt und sogar Perlen und Edelsteine eingenäht, um die Garderobe ihrer Schwester zu schmücken.
"Herzogin… Milady – seid Ihr bereit, Euch die Kleider anzusehen?"
Die Geschäftsinhaberin war aus dem Lager zurückgekehrt und sprach mit Faye, stellte ihr Fragen, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Plötzlich berührte sie Faye, die daraufhin scharf zusammenzuckte, aus ihren Gedanken gerissen.
"Entschuldigung, was sagten Sie?"
Vor Faye stand eine Frau, die mehrere Bündel mit prächtigen Kleidern hielt. Die Gewänder waren mit erlesenen Details geschmückt, die Faye fesselten. Der Anblick solch prunkvoller Bekleidung in dieser abgeschiedenen Ansiedlung ließ sie verblüfft zurück.
Als sie sich der Frau näherte, hörte sie das sanfte Rascheln von Seide und Satin und das feine Spiel von Perlen und Spitzen funkelte wie glitzernde Sterne im Sonnenlicht. Allein der Anblick ließ Faye die Üppigkeit des luxuriösen Materials nahezu spüren. Es war ein unwirkliches Erlebnis, solche Opulenz in diesem bescheidenen Rahmen zu sehen.
„Ich habe die Kleider gebracht, damit Ihr sie begutachten könnt."Fayes besorgte Blicke waren auf die Ladenbesitzerin gerichtet. Ihr war bewusst, dass das Geld, das sie ihr ganzes Leben lang verdienen würde, für ein einziges solches Kleid nicht ausreichen würde.
"Haben Sie vielleicht etwas Schlichteres? Ein einfaches Kleid würde genügen. Ich kann mir diese prunkvollen Stücke nicht leisten."
Die Schneiderin schaute Faye verwundert an.
"Gnädige Frau, Ihr Gatte hat bereits genug bezahlt, um den gesamten Ladeninhalt zu erwerben. Sie dürfen mitnehmen, was Sie möchten."
Auf Fayes Gesicht zeigte sich ein zartes Lächeln. Sie erkannte, dass Sterling ihr neue Kleider geschenkt hatte. Es wurde ihr klar, warum er gefragt hatte, ob sie wie eine Adlige behandelt werden wollte. Sterling wusste, dass sie seine Geschenke zu schätzen wissen und sie nicht als selbstverständlich hinnehmen würde.
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Bald darauf hatte Faye ihre Auswahl im Laden getroffen. Sie hatte sieben Kleider und dazu passende Schuhe ausgesucht. Die Dame half ihr, ihre Füße zu waschen und die neuen Pantoffeln anzuziehen, und kleidete sie in ein wunderschönes samtenes Kleid in Topasblau mit langen, fließenden Ärmeln und Röcken, die mit subtilen silbernen Stickereien und kleinen Perlen ausgefasst waren.
Der Stoff war weich und dennoch dick genug, um sie bei der Kälte in Hertesk warm zu halten. Zudem gehörte ein passender Umhang zum Kleid, und Faye wählte mehrere Sets Spitzenhandschuhe, Handtaschen und Haarschmuck aus.
Wenn Herzog Sterling Thayer eine würdige Herzogin wollte und bereit war, ihr solch kostbare Geschenke zu machen, dann würde sie sich bemühen, dieser Rolle gerecht zu werden.
Die Ladeninhaberin nahm nicht den gesamten Beutel mit Goldmünzen und gab Faye nach Begleichung der Rechnung den angemessenen Rest zurück. Sie steckte ihn in ihre neue Handtasche und machte sich auf die Suche nach Andre. Faye wollte ein Geschenk finden, um Sterling für seine Großzügigkeit zu danken. Sie hatte eine besondere Idee, war sich jedoch unsicher, wo sie das gesuchte besondere Stück finden könnte.
Als Andre merkte, dass sie den Laden verließ, entspannte sich seine strenge Miene. Er fragte höflich.
"Sind Sie fertig, gnädige Frau?"
Ihr Kopf nickte leicht als Zeichen, dass sie bereit war. Plötzlich umwehte sie eine kalte Brise, die ihre goldenen Haarsträhnen wild tanzen ließ. Sie zog ihren neuen Umhang fester um sich, und sie freute sich, dass sie nun wärmere Kleidung und bessere Schuhe besaß.
"Andre, darf ich Sie etwas fragen? Wo kann man Sporen kaufen?"
Der wuchtige Ritter stoppte seinen Schritt und lachte leise über ihre unerwartete Frage. Er kratzte sich am Nacken und fragte zurück.
"Planen Sie, Paladin zu werden?"
Faye blieb mitten auf der Straße stehen und wandte sich mit einem Hauch von Sarkasmus in der Stimme an den kräftigen Ritter.
"Ja. Damit ich dem Schöpfer näher kommen und meine Feinde mit gerechtem Zorn bestrafen kann!"