Chapter 4 - Ich habe keine Magie

Cassandra empfand seine Einladung und den Flirt in einem ganz anderen Licht. Das Misstrauen, das sie gegenüber Menschen entwickelt hatte, weil sie immer wieder verletzt wurde, nährte ihre Ängste.

Sie dachte, er hielte sie für schwach, so wie ihre Familie. Einfach weil sie sich nicht verteidigen konnte, wenn gegen sie Magie eingesetzt wurde.

Ihre Nasenflügel weiteten sich und ihre Wangen färbten sich vor Verlegenheit rot. Sie wusste, ihr Vater hatte sie gebeten, ihn wie einen würdigen Gast des Alphas zu behandeln und ihn nicht zu enttäuschen.

Sie glaubte, dieser Mann spielte ebenfalls mit ihren Gefühlen. Mittlerweile hatte sie erkannt, dass außer Lotus niemand sich um sie kümmerte.

„Seien Sie nicht respektlos. Ich bin verlobt und obwohl wir zusammen für die Arena arbeiten sollen, werde ich mich sicherlich nicht in Ihrer Nähe niederlassen oder auf Ihrem Schoß sitzen", sagte sie bestimmt. Das Unbehagen in ihrer Magengegend verstärkte sich unter seinem glühenden Blick.

„Es wird bequem sein, ich habe kräftige Schenkel." Er klopfte auf den rechten, während sich die Muskeln unter seiner Hand wölbten.

Der Mann wusste definitiv nicht, wann er aufgeben sollte. War er so stur oder war es eine Anstiftung seines Alphas?

Mit ihr zu flirten, nur um sie bloßzustellen oder zu erniedrigen. Wenn irgendjemand sie so sehen würde, würde ihr Ruf zerstört sein, und ihr Verlobter, der sich ohnehin distanziert verhielt, fände vielleicht einen Grund, die Verlobung zu lösen.

„Ich würde es vorziehen, höflich abzulehnen. Können wir darüber sprechen, wie wir diese Arena überleben? Das ist kein Kinderspiel. Beide könnten wir dort sterben."

Cassandra versuchte, das Thema zu wechseln.

„Wir werden nicht sterben, ich werde auf dich aufpassen", sagte er lässig, während er sein gebräuntes Bein über das andere schlug und seinen Ellbogen auf die Armlehne legte.

'Schützen? Meinte er das ernst? Noch nie hatte sich jemand angeboten, sie zu schützen.'

Er saß da wie ein König, nicht wie ein gewöhnlicher Sklave, obwohl das Sklavenhalsband um seinen Hals etwas anderes andeutete. Cassandra konnte diesen Mann und seine Absichten nicht ergründen.

Sie musste offen mit ihm sein; er musste wissen, worauf er sich einließ. Cassandra wollte nicht der Grund für seinen Tod sein.

„Ich beherrsche keine Magie, ich kann allenfalls ein paar Schwert- und Kunaimessertricks", gestand sie, eine Spur von Traurigkeit in ihrer Stimme, während sie sich auf jede herablassende Bemerkung vorbereitete, die von ihm kommen könnte. Sie verschränkte die Arme und umschloss sich damit selbst. Eine Art, sich zu schützen, wenn man über sie herzog.

So war es immer gewesen. Die jüngste Magierprinzessin des größten magischen Königreichs war ohne Magie.

Was für ein Witz.

Doch er sprach mit ruhiger Stimme, als hätte er genau diese Antwort von ihr erwartet. In seinen Augen lag kein Spott, sondern ein sanftes Leuchten.

„Zeig es mir und wir werden von da aus eine Strategie entwickeln. Mach dir keine Sorgen wegen der Magie."

Cassandra blinzelte mehrmals und hoffte, sie hatte ihn richtig verstanden. Schließlich fasste sie sich und sagte:

„Wir sollten zu den Übungsplätzen gehen, ich kann dir auch die Arena zeigen. Das gibt dir einen Anhaltspunkt."

Langsam erhob er sich und schlenderte auf sie zu.

„Führe mich, Prinzessin Cassandra", bat er, als koste er ihren Namen auf der Zunge. Töne so tief, dass sie sie beunruhigten. Obwohl das Wort „Prinzessin" eher neckisch anstatt als Titel ausgesprochen wurde.

Mit einiger Mühe schluckte sie und zwang sich selbst zu reden.

„Sagen Sie mir zuerst Ihren Namen."Ein vages Lächeln umspielte seine Lippen und zog sie nach oben.

"Siroos! So nennen sie mich jedenfalls", sagte er und zuckte mit den Schultern, als ob es keine große Sache wäre.

"Siroos", wiederholte Kassandra leise seinen Namen und fragte sich, was er bedeutete.

"Danke! Kommen Sie." Sie führte ihn durch die verschiedenen Gänge des großartigen Schlosses mit seinen majestätischen Türmen und den reich verzierten Böden. Überall war der Reichtum und die Pracht dieses Ortes spürbar, doch Siroos' Blick war nur auf sie gerichtet.

Er ging einen Schritt hinter ihr, aber sie konnte seine Anwesenheit spüren. Er weckte etwas in ihr, etwas, das sie nicht verstand.

Die Kerzen flackerten in ihren Haltern und die Laternen erleuchteten die Gänge, durch die sie gingen. Sie nahm eine Laterne von einem Haken an der Wand.

Die Stille war unangenehm.

"Sind Sie enttäuscht?" Mit ihrer Frage durchbrach sie die Stille. Es lag ihr schon lange auf der Zunge.

"Enttäuscht?" Er schaute sie ratlos an.

"Jeder andere Teilnehmer hat einen magiebegabten Partner, das erhöht ihre Chancen zu gewinnen, und ich habe... nun, mich", meinte sie, Gesenkten Blickes, während sie weitergingen.

"Ich wurde nicht ohne Grund als dein Krieger ausgesandt. Es wird meine Pflicht sein, dich in dieser Arena zu beschützen", sprach er mit solch einer Selbstsicherheit, dass Kassandra sich wünschte, sie besäße nur ein Fünkchen seines Selbstvertrauens, das dieser geheimnisvolle Mann aus einem fremden Land ausstrahlte.

Wollte er sie wirklich beschützen?

Oder war das Teil eines raffinierten Plans?

Nur die Zeit würde dies zeigen.

Außerhalb des Schlosses stapfte Kassandra den geschlängelten Pfad entlang, der zu der riesigen Struktur führte, die sie die Arena nannten.

Die Kolossale Anlage bestand aus massiven weißen Kalksteinblöcken und ragte mehrere Stockwerke hoch.

Das Äußere war mit einer Reihe von Bögen geschmückt, die in mehreren Ebenen gestapelt waren und dem Bauwerk eine Art von Eleganz verliehen, unabhängig von dem Blutbad, das sich innerhalb seiner Mauern abspielte.

"Hier!", verkündete Kassandra, als sie durch einen der Eingangsbögen aus weißem Marmor, der mit verschiedenen Edelsteinen verziert war, eintraten.

Mit wilder Bewunderung betrachtete Siroos die Arena, die sich in seinen Augen widerspiegelte. Diese animalistische Seite in ihm, die er stets unter Kontrolle hielt, begann sich angesichts des vergossenen Blutes zu regen.

Cassandra hob die gläserne Metalllaterne an, während sie den dunklen Gang betraten; ihr Begleiter hingegen benötigte kein Licht, um im Dunkeln zu sehen.

Der scharfe Geruch von Feuchtigkeit schlug ihnen entgegen, als sie den Gang durchquerten und die große Freifläche aus gestampfter Erde erreichten.

An den vier Wänden hingen Waffen jeglicher Art, und dahinter befanden sich auf erhöhten Plattformen die Zuschauerränge sowie ein großes Podium für die Ehrengäste und Mitglieder der königlichen Familie.

"Nicht schlecht", bemerkte Siroos, in dessen Augen das Gold in vielen schattierten Tupfern funkelte. Es war, als wäre ein Konglomerat von Farben in ihnen entstanden. Kassandra war mehr als fasziniert, noch nie hatte sie so etwas gesehen.

"Lasst uns anfangen. Zeigen Sie mir, was Sie können", forderte er sie mit einem Anflug von Belustigung heraus.