Das Mädchen saß noch in der Badewanne, mit dem Badewasser das dunkel von dem Schmutz war, Gabriel unbewegt vor der Tür, als Messie rausging, um ihre Kleidung zu holen. Sie wurde dann in ein flauschiges rosa-farbenes Handtuch gewickelt und die Angestellte, die sich inzwischen wieder beruhigt hatte, trocknete sie mit großer Vorsicht und Gewissheit ab.
Ihr wurde ein rosa Kleid mit weißen Rüschen an den Ärmeln übergezogen und sie wurde aus dem Bad zu dem Frisiertisch gegenüber dem Bett geleitet. Gabriel stand auf und nahm ein anderes Handtuch. Behutsam trocknete er die langen Haare des Mädchens. Sie sah in den Spiegel vor sich. Hatte sie sich schon einmal selbst gesehen? Sie überlegte, irgendwie fühlte sich die Unbekannte im Spiegel vertraut an, die großen schwarzen Augen ihre geraden dunkelbraunen Haare, die gerade Nase, schmalen eingerissenen Lippen. Sie sollte bald die Pubertät erreichen, nur war davon nichts an ihrem Körper zu sehen, selbst durch das Kleid sah man die kantigen Ecken ihrer Schultern, ihre Schlüsselbeine, die hervortraten. Sie sah mindestens 3 Jahre jünger aus als sie war. Ihr Gesicht wirkte bei genauerer Betrachtung gräulich und hatte trockenen Stellen ein Zeichen der Mangelernährung, genauso wie ihre abgekauten Fingernägel, von denen sie Schichten abziehen konnte, weil diese so brüchig waren.
Sie traute sich nicht den Mund zu öffnen, um ihre Zähne zu betrachten da sie wusste sie wären nicht so schneeweiß wie die der anderen, ihre Backenzähne bereiteten ihr Schmerzen, und ihr Eckzahn war ihr ausgefallen, aber ein neuer war zur Hälfte durchgebrochen. Irgendwie war sie erleichtert, dass sie nicht sprach.
Ihr Blick streifte nach oben, wo sie im Spiegel Gabriel mit ihren Haaren hantieren, sah. Er nahm die Haarsträhnen einzeln in die Hand und trocknete sie mit dem Handtuch ab, als wäre es unverzeihlich, wenn er auch nur ein Haar beschädigte. Seine Haare hingen ihm wieder ins Gesicht. Trotzdem sah man das kalte Violett seiner Augen, seine schwarzen Wimpern, Haut in einem edlen Weiß, blasse schmale Lippen, und wenn er nicht zu konzentriert wäre, um sie anzulächeln, würde man schneeweiße gerade Zähne sehen. Das schwarze Shirt, dass er auch schon in der Zelle trug, hängte von seinen breiten Schultern, er war dünn, doch als er sie hielt konnte sie spüren, dass er nicht wie sie Haut und Knochen war, sondern muskulös, auch wenn eindeutig nicht massig. Seine Arme waren narbenfrei, im Gegensatz zu ihren, wenige dunkle Haare auf seinen Armen, seine Hände mit langen schlanken Fingern, er war insgesamt einfach zu schön, um ihn lange ansehen zu können. Sie tat es trotzdem und verlor sich in dem Spiegelbild dieses perfekten Jungens.
Er sah auf und ihre Augen trafen sich. Er ließ das Handtuch lässig auf den Boden fallen und führte einer ihrer Haarsträhnen zu seinen Lippen, während er ihr durch den Spiegel weiter in die Augen sah. Wie hypnotisiert sah sie ihm zu, zu gebannt, um einen klaren Gedanken zu fassen.
Die Tür ging plötzlich auf, und Messie kam hinein. Sie war unbemerkt aus dem Zimmer gegangen, um eine Creme für das Gesicht des Mädchens zu holen. Gabriel zuckte zusammen und gab ihr Haar frei, während er sich ruckartig umdrehte und sich mit einer Hand durch die Hare fuhr. Er setzte sich auf das Fußende des Bettes, lehnte sich zurück und stützte sich auf seine Hände. Gabriel sah zu wie Messie das Gesicht des Mädchens eincremte.
Er räusperte sich: „Es wird gleich ein Arzt kommen, sein Name ist Doktor Dess, er wird dich untersuchen, währenddessen werden Messie und ich im Zimmer sein, er wird dir nicht wehtun." Sie sah zu ihm und nickte, bevor sie auf den Boden sah. „Okay... danach werden wir etwas Essen, gedulde dich bitte noch ein wenig." Bei der Erwähnung von Essen sah sie plötzlich wieder zu ihm, was ihn zum Grinsen brachte. Messie sah zu ihrem jungen Master, sie hatte ihn noch nie Lächeln gesehen. Sie starrte ihn an, bis er ihr einen Blick zuwarf, der so etwas heißen sollte wie „Ist etwas?". Als das Gesicht des Mädchens mehr als nötig eingecremt war, kam auch schon Doktor Dess hinein. Er war von durchschnittlicher Größe, etwas größer als Gabriel, Schulterlange stufige dunkelblonde Haare und einen 3-Tage Bart. Blau-graue Augen sahen sie durch seine runden Brillengläser an. Er war etwa Mitte Zwanzig und trug einen grauen Anzug unter seinem weißen Kittel. Er lächelte sie breit an. „Hallo junge Dame, es ist mir eine Ehre!" Er verbeugte sich leicht. „Die Untersuchung wird nicht lange dauern und es wird nicht wehtun. Wir wollen nur sehen, wie es dir geht."
Er kam näher und öffnete seine braune Tasche. Er holte Werkzeug heraus, welches das Mädchen von dem Arzt aus der Zelle kannte. „Na dann wollen wir mal sehen..." Eines davon war ein Stethoskop, mit dem er ihren Puls abhörte. Gabriel stand neben Messie und hatte einen Arm um sich gelegt, während er den andere darauf abgestützt hatte und seine Faust vor seinem Mund hielt, er wirkte angespannt. Das Mädchen hatte inzwischen auf dem Bett platzgenommen wo die Untersuchung nun stattfand. Nach dem Abhören bat Dr. Dess sie, dass sie sich auf ihren Rücken legen sollte. Sie sah zu Gabriel der ihr zunickte. Mit seiner Zustimmung folgte sie der Anweisung. Dr. Dess erklärte ihr, dass er sie nun am Bauch abtasten würde und sie sagen solle, wenn es wehtat.
Sie zuckte einige Male zusammen, wenn es wehtat, während der Arzt nur immer wieder wissend „Mhm" murmelte. Sie drehte sich dann auf den Bauch und er tastete ihren Rücken ab, auch da zuckte sie ein paar Mal. Danach setzte sie sich wieder auf. Er bat sie ihren Mund zu öffnen und das Mädchen zögerte. Sie sah unsicher zu Gabriel und dann schnell auf den Boden. Doktor Dess murmelte „So ist das...verstehe" und bat Gabriel sich umzudrehen. Der Junge unterdrückte ein Lächeln und drehte sich wie gewünscht um. Langsam öffnete sie ihren Mund und der Arzt sah mit einer Taschenlampe hinein, er holte etwas Metallenes heraus das er in ihren Mund führte, sie zuckte mehrmals zusammen, und als er fertig war konnte sie das Blut in ihrem Mund schmecken.
Gabriel drehte sich wieder um und Dr. Dess widmete sich nun der Stelle an ihrem Hals, die trocken und in einer dunkleren Hautfarbe war, wo das Metallhalsband sie noch vor mehreren Stunden gefesselt hatte. Er sah sich alles genau an, bevor er die Narben an ihren Armen und Beinen begutachtete, dazu krempelte er ihre Ärmel hoch und hob das Kleid ein wenig an. Gabriel sah die Narben jetzt zum ersten Mal genauer, er sah geschockt aus und bevor irgendjemand reagieren konnte, stürzte er aus der Tür. Das Mädchen hörte, wie er den Gang hinunterstürzte bevor er wohl ein anderes Zimmer betrat. Die Tür knallte zu und mehrere Dinge gingen zu Bruch, etwas Schweres wurde umgeworfen. Messie und Doktor Dess ignorierten das Ganze unbeeindruckt, während das Mädchen mit großen Augen in die Richtung des Lärms sah.