Vor Angst wäre Ron beinahe in die Knie gegangen. Nur beinahe, denn der Mann mit dem silbernen Haar fing ihn auf, bevor sein Körper den Boden berührte.
Ron fiel in eine warme, sanfte Umarmung. Er hob den Kopf, öffnete seine langen Wimpern und sah direkt in die kalten violetten Augen des Mannes, der ihn hielt. Ron spürte einen enormen Kontrast zwischen dem Gefühl seiner Arme und diesen schönen Augen.
"Verfolge ihn nicht", sagte der Mann, während er mit seinen pflaumenfarbenen Augen auf ihn herabblickte. "Er hat noch nie jemanden getötet. Das kann ich dir sagen, glaub mir. Wenn er es getan hätte, hätte er nicht so gezögert, mich zu töten. Ich bezweifle, dass er jetzt, nach dem, was er heute gesehen hat, auch nur einer Fliege etwas zuleide tun würde. Also bitte, verfolge ihn nicht."
Die anfängliche Angst verschwand spurlos. Etwas in Ron sagte ihm, dass dieser Mann ihm nichts tun würde.
Der Mann nickte. "Du bist verletzt", bemerkte er und sein Blick wanderte zu der blutenden Wunde an Rons Hals. Seine Stimme war tief, verführerisch und zog an Rons Herz. Perfekt. Einfach perfekt!
Ron war verwirrt. Wann hatte er sich verletzt?
Der Mann trug ihn wie eine Braut zu einem nahegelegenen Baum und setzte ihn mit dem Rücken an den Stamm gelehnt hin. Ron beobachtete, wie der Mann eine Wasserflasche und ein weißes Taschentuch herausnahm, ein Stück des Taschentuchs tränkte und es an seinen Hals drückte. Ron zischte bei dem plötzlichen Stich. Es stimmte also. Er war verletzt.
„Wer bist du?", fragte er. „Warum hast du mich gerettet? Warum hilfst du mir?"
Der Mann antwortete nicht. Stattdessen reinigte er ruhig und sanft Rons Wunde und wischte dann die Blutstropfen von seinem Gesicht. „Warum willst du etwas über den Norden wissen?", fragte er nach einer Weile.
Ron war schockiert. „W-Wie weißt du, dass ich etwas über den Norden wissen will?" Dann schlug sich Ron vor den Kopf. Wenn das ein Trick war, war er darauf reingefallen.
„Ein junger, arm aussehender Mann betritt eine Taverne und zahlt dem Barkeeper eine Goldmünze für ein Glas Ingwer-Ale. Das ist sehr verdächtig", antwortete der Mann. „Es ist auch sehr einfach für mich, den gleichen Barkeeper zu bedrohen, damit er mir erzählt, worüber ihr gesprochen habt. Außerdem habe ich gehört, wie du 'König im Norden' gesagt hast. Warum versuchst du, etwas über ihn herauszufinden? Was hast du mit ihm zu tun?"
Ein Schweißtropfen rollte Rons Stirn hinunter. Er war also zu laut gewesen. Er konnte auch nicht die Wahrheit sagen. „Ähm...", versuchte er eine kluge Ausrede zu finden. „Nun, siehst du... ich, äh... ich bin Händler! Ja, und ich habe gehört, dass der Norden stark im Schmuckhandel ist. Ich habe noch nie von diesem Ort gehört, also war ich natürlich neugierig. Deshalb habe ich Informationen eingeholt."
Ron wusste nicht, ob der gutaussehende Mann ihm glaubte oder nicht, doch der Mann sagte nichts weiter. Nachdem er die Wunde gesäubert hatte, legte er zwei Finger auf die dünne Linie.
Ron beobachtete, wie der Mann die Augen schloss und ein paar Worte murmelte. Er spürte ein kribbelndes, juckendes Gefühl an seinem Hals. Er wollte sich kratzen, traute sich aber nicht, sich zu bewegen.
Der Mann mit den silbernen Haaren hörte nach einigen Sekunden auf zu murmeln und wich zurück. Rons Hand flog sofort zu seinem Hals. Er berührte und suchte, aber da war nichts. Auch kein Schmerz!
Seine Augen weiteten sich. „Unglaublich! Wahnsinn! Was hast du gemacht? Ich spüre es nicht mehr. Da ist nichts mehr!", keuchte er, als ihm die Erkenntnis dämmerte. Seine Augen weiteten sich und er zeigte auf den Mann. „D-D-D-D-Du bist ein Zauberer!"
Zauberer sind Menschen, die sich mit den Elfen vermischt und deren Magie erlernt haben. Es gab verschiedene Arten von Zauberern in der Welt, aber sie wurden nach und nach gejagt und getötet, nachdem die Elfen als ausgestorben galten. Er konnte nicht glauben, dass einer von ihnen direkt vor ihm stand!
Die Mundwinkel des Mannes zogen sich nach oben. „Angst?"
Ron schüttelte den Kopf. „Überhaupt nicht! Aber warte mal." Er streckte seine Hände unter das Haar des Mannes und fühlt seine Ohren.
Das Gesicht des Mannes verdunkelte sich und er knurrte. „Was machst du da?!"
Schnell zog Ron seine Hände zurück und lächelte nervös. „Ich wollte nur sehen, ob du ein Elf bist.""Und wenn ich es wäre?"
Ron schenkte ihm das reinste, aufrichtigste Lächeln. "Ich würde dich heiraten."
Der Mann war lange Zeit sprachlos, und als Ron schon dachte, er sei erstarrt oder so etwas, sprach er vorsichtig: "Du würdest einen Elfen heiraten?"
Ron seufzte und zeigte einen betrübten Gesichtsausdruck. "Natürlich. Wenn sie noch leben würden. Ich würde definitiv einem den Hof machen und ihn heiraten." Er kannte nicht den wahren Grund für den Krieg zwischen Menschen und Elfen. Über die Zeit war sogar die Wahrheit verblasst, aber er fand Elfen wirklich cool. Er wünschte sich nur, sie wären noch am Leben.
"...Einen Mann?"
"Was? Hast du ein Problem mit Männern, die Männer lieben?", fragte er und sah beleidigt aus.
Der Mann schüttelte den Kopf. "Nein."
Ron lachte. "Ich war nicht sauer. Jeder hat ein Recht auf seine eigene Meinung. Was die Leute von mir denken, ist mir egal. Außerdem kann ich ihre Gedanken nicht kontrollieren."
So wie er keine Kontrolle über sein eigenes Leben hatte. Alles wurde von seinem Vater geplant, um ihn zu einem perfekten König zu machen.
Der Mann mit dem silbernen Haar musterte Ron eine Weile. Dann holte er eine Halskette hervor. Sie funkelte im Mondlicht, von einer blassen Blaufärbung, die fast weiß wirkte. Er drückte sie in Rons Hand, und Ron zuckte zusammen wegen der plötzlichen Kälte.
"Was ist das?", fragte er und starrte die Kette verwundert an. Auf dem kleinen runden Anhänger standen die Initialen 'Z.N.'
"Eiskristall."
Rons Augen weiteten sich, als er sich an Old Jacks Worte erinnerte. Es stimmte also! "Du kommst aus dem Norden?"
Der Mann nickte. "Wenn du jemals in den Norden kommst, zeige dies den Wachen am Haupttor. Sie werden dich sofort zu mir bringen."
"A-Aber warum?"
"Hast du nicht gesagt, du bist ein Händler und willst mit dem Norden Geschäfte machen?"
Ron erinnerte sich an seine Lüge und nickte entschlossen, so als würde er im Ernst Geschäfte machen wollen. "Natürlich, natürlich."
Der Mann warf ihm einen strengen Blick zu. "Bewahre sie sicher auf. Bringe sie nur im Norden zum Vorschein. Wenn die Leute sie hier sehen, fürchte ich, sie könnten dich deswegen töten. Finde mich, und ich werde dir bei deinen Geschäften helfen."
Das hörte sich an wie ein Abschied. Ron wollte, dass er noch etwas blieb, doch der Mann stand auf und schnippte mit seinem Schwert, sodass das ganze Blut verschwand und eine eiskalte, glänzende Klinge zum Vorschein kam. "Bis wir uns wiedersehen."
Ron bekam nicht mal die Gelegenheit, etwas zu sagen, bevor weißer Rauch den Mann umgab und als er sich verzogen hatte, war der Mann verschwunden. Ron drückte die Halskette an sein Herz und seufzte. Er war sich sicher.
Er hatte sich verliebt.