Wie erwartet, nahm Rains Vater ihre Nachricht über ihre Heirat nicht ernst und verlangte, dass sie trotzdem an dem Treffen teilnahm. Es war nichts Neues, dass ihre Stimme ständig überhört wurde, und er erwartete immer, dass sie seinen Wünschen Folge leisten würde. Deshalb beschloss Rain, dort aufzutauchen, um ihm eine Lektion zu erteilen.
Am Abend erreichte sie das Oasis Hotel, eines der luxuriösesten Hotels der Stadt, wo das Abendessen stattfinden sollte. Ein ironisches Schnauben konnte sich Rain nicht verkneifen; ihr Vater war nur dann bereit, viel Geld auszugeben, wenn es darum ging, sie zu verheiraten.
Solche Gesten hatte er ihr gegenüber nie gezeigt - es war immer Dina, die die pompösen Geburtstagsfeiern in den Ballsälen der Hotels bekam, während Rain nicht einmal ein Stück Kuchen abbekam. In den Augen ihres Vaters war sie keine Tochter, sondern eher eine Schachfigur, ein Tauschmittel, um Vorteile vom Bürgermeister zu erhalten.
Doch heute würde alles anders werden. Sie hatte ein Ass im Ärmel - ihre neue Heiratsurkunde steckte in ihrer Tasche.
Mit diesem Gedanken eilte sie zum Aufzug. Doch gerade als sich die Türen schließen wollten, kam Dina hinein, mit einem breiten, selbstgefälligen Lächeln auf dem Gesicht, als sie sich neben Rain stellte.
Das Herz sank Rain bei Dinas Anblick, doch sie nahm sich zusammen. Sie weigerte sich, ihrer intriganten Halbschwester irgendeine Schwäche zu zeigen. Diesmal würde es nach Rains Regeln laufen.
"Sieh mal einer an," begann Dina mit spöttischem Tonfall. "Jemand hat seine Lektion gelernt! Es ist gut, dass du heute hergekommen bist. Es wird Zeit, dass du deinen zukünftigen Ehemann triffst. Ein perfekter Partner für ein uneheliches Kind. Du solltest deinen Platz kennen."
Rain ballte die Fäuste, ließ sich jedoch nicht zu einer heftigen Reaktion hinreißen.
"Paul hast du nie verdient", fuhr Dina fort, wobei ihre Stimme vor Verachtung triefte. "Und er würde niemals jemanden wie dich heiraten. Es ist besser, wenn du das jetzt einsiehst, bevor du dich noch lächerlicher machst."
"Dina, du kannst Paul ganz für dich haben," entgegnete Rain kalt, "aber ich habe nicht die Absicht, irgendwen zu heiraten, den ich heute Abend hier treffe. Das weiß auch Vater."
Dinas Augen verengten sich, Verwirrung glomm in ihrem Blick. "Was soll das heißen?"
Rain lächelte geheimnisvoll, schritt aus dem Aufzug und ignorierte Dina.
Doch Dina griff nach Rains Handgelenk. "Was planst du, Schlampe?! Hast du Paul angefleht, heute hierherzukommen und unsere Verabredung zu stören?!" Dina tobte vor Wut, während die Verunsicherung ihren Verstand umnebelte.
Rain lächelte schadenfroh, genoss die Wut ihrer Halbschwester. Sie befreite sich aus Dinas Griff. "Wie gesagt, Paul kannst du haben. Für mich wird er nie eine Option sein."
Mit diesen Worten ging Rain auf den Besprechungsraum zu. Doch bevor sie eintrat, drehte sie sich ein letztes Mal zu Dina um und sagte mit einem breiten Lächeln: "Ach, übrigens, ich habe vergessen, dir zu danken."
Dina runzelte die Stirn, verunsichert. "Bist du verrückt geworden?"
"Danke, dass du meinen Müll weggeräumt hast, Dina." Damit betrat Rain mit unerschütterlicher Miene den Raum und ließ eine wütend kochende Dina auf dem Flur zurück.Rain ging ohne zu zögern direkt auf ihren Vater, Tim Clayton, zu. Sie griff in ihre Tasche, holte ihre Heiratsurkunde hervor und reichte sie ihm.
Tim warf einen kurzen Blick auf das Dokument, bevor sein Gesicht sich vor Wut verzog. Ohne ein Wort zu sagen, nahm er die Urkunde, knüllte sie zusammen und zerriss sie in Stücke.
"Nimm Platz, Rain. Die Astor-Familie wird gleich eintreten", befahl er mit kalter Stimme.
Rain presste die Kiefer zusammen, aber sie kam seinem Befehl nach. Sie setzte sich hin, und ihr Herz pochte heftig, als die Tür aufging und die Astor-Familie eintrat. Bürgermeister Richard Astor kam zusammen mit seiner Frau Mary und ihrem jugendlichen Sohn Rudolf herein, der seinen Bruder Michael in dessen automatisiertem Rollstuhl hinter sich her schob.
Es folgte ein Austausch von Höflichkeiten, und Rain konnte fühlen, wie Michael sie mit seinem begehrlichen Blick durchbohrte, sobald er den Raum betreten hatte, seine Augen musterten sie von Kopf bis Fuß.
"Hallo, zukünftige Ehefrau", sagte er mit einem Grinsen. Rain knirschte mit den Zähnen und nickte ihm knapp zu. Er steuerte seinen Rollstuhl an ihre Seite, während alle ihre Sitze einnahmen.
Rain erschrak, als sie Michael so nah neben sich spürte. "Wie wäre es, wenn wir zwei nach dem Essen ausgehen und ein bisschen für unsere Flitterwochen üben?", flüsterte er ihr unverschämt ins Ohr. Rain ballte die Hand zur Faust, blieb aber geduldig.
"Michael hat selbst um Rains Hand angehalten. Obwohl sie ein uneheliches Kind ist und nur durchschnittlich aussieht, ist sie als Michaels Ehefrau geeignet, da sie eine gute Ausbildung hat. Sie hat die Anwaltsprüfung bestanden und arbeitet jetzt als Anwältin in der Kanzlei Smith Legal Firm", äußerte sich Richard Astor, der Bürgermeister von Meta City.
Rain kämpfte gegen den Drang, mit den Augen zu rollen. Richard Astor war ein Wolf im Schafspelz, genau wie ihr Detektivfreund Brandon ihr gewarnt hatte. Sie hatte diese Familie nie gemocht; jedes Mitglied benahm sich, als ob es die ganze Stadt besitzt.
"Wir wollen keine große Hochzeit. Es ist besser, wenn die beiden sich einfach das Jawort geben und morgen ihre Heiratsurkunde erhalten", fuhr Richard fort.
Das war Rains Stichwort zu unterbrechen. Sie brannte darauf, zu gehen. "Es tut mir leid, aber ich glaube, ihr liegt alle falsch. Ich kann morgen nicht heiraten, da ich bereits verheiratet bin", sagte Rain gelassen, obwohl ihr Herz schneller schlug.
"Wovon zum Teufel sprichst du? Was ist das für ein Unsinn?!", fuhr Richard auf einmal auf.
"Oh nein, Richard. Rain redet nur Unsinn. Sie fühlt sich gerade nicht gut. Sie wird ihre Ehe mit Michael morgen registrieren, das versichere ich Ihnen", entgegnete ihr Vater schnell und warf Rain tödliche Blicke zu.
Rain sah den Bürgermeister direkt in die Augen und entgegnete: "Mir geht es eigentlich sehr gut, Herr Bürgermeister. Ich weiß nicht, warum mein Vater darauf besteht, dass ich Ihren Sohn heiraten soll, obwohl ich ihm bereits gesagt habe, dass ich verheiratet bin. Warum ziehen Sie nicht meine Schwester Dina in Betracht? Sie ist doch die Unverheiratete..."
"Rain! Hör auf mit diesem Blödsinn!", fiel ihre Stiefmutter Sylvia ihr wütend ins Wort, ihre Stimme kreischend und schrill, dass es Rain in den Ohren schmerzte.
Rain atmete tief durch, sah weiterhin den Bürgermeister an, lächelte und fügte hinzu: "Ich bin mir sicher, Sie, Herr Bürgermeister Richard, haben alle Möglichkeiten, mit einem Anruf zu überprüfen, ob ich verheiratet bin oder nicht..."
"Rain lügt!", schrie Sylvia, ihre Stimme hallte im Raum wider. "Sie versucht nur, ihrer Verantwortung zu entgehen."
Ruhig wandte sich Rain an den Bürgermeister. "Falls Sie mir nicht glauben, können Sie, wie ich bereits sagte, alles mit einem Anruf überprüfen, Herr Bürgermeister Richard."