Der heiße Wind wehte über den staubigen Platz, als Elara mit festem Blick auf den Käfig zuging, in dem Thalor gefangen war. Der Drache lag zusammengerollt, sein Atem schwer, und seine goldenen Augen schimmerten vor Zorn und Traurigkeit. Seine Schuppen funkelten im Sonnenlicht, aber sie wirkten stumpf und matt, ein Zeichen seiner Erschöpfung. Die Jäger rund um ihn standen wachsam, doch das Volk drängte sich neugierig um den Platz, fasziniert von dem gefangenen Drachen und der ungewöhnlichen Ankunft zweier Frauen.
„Thalor", flüsterte Elara, als sie nahe genug war. Ihre Stimme war sanft, aber voller Entschlossenheit. Thalor hob leicht den Kopf und starrte sie an, sein Blick voller Schmerz, aber auch Hoffnung. „Wir sind hier, um dich zu befreien."
„Elara...", murmelte Thalor erschöpft, doch noch bevor er weitersprechen konnte, unterbrach ein lautes, scharfes Zischen die Stille.
„Halt die Klappe, Bestie!", rief einer der Jäger mit einer harten Stimme und trat vor. Mit einer schnellen Bewegung zog er eine lange Peitsche aus Leder hervor und schwang sie mit einem lauten Knall über Thalors Kopf. Der Drache zuckte zusammen, und ein brüllender Schrei entkam seiner Kehle. Das Echo seines Schreis hallte über den Platz, und die Menge wich ein paar Schritte zurück.
Elowen, die sich in ihrer menschlichen Gestalt gehalten hatte, trat mit scharfen Augen vor. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, und ihre Stimme war kalt und voller Zorn. „Wie wagst du es, meinen Sohn so zu behandeln?!" Ihr Blick war messerscharf, als sie den Jäger fixierte.
Der Jäger lachte spöttisch. „Dein Sohn? Du machst wohl Witze! Kein Mensch kann die Mutter eines Drachen sein."
Elowens Augen blitzten auf, und für einen Moment flackerte ein Hauch von Drachenfeuer in ihren Pupillen auf. „Sag das noch einmal", knurrte sie leise, doch die Drohung in ihrer Stimme war unverkennbar.
„Das werde ich!" rief der Jäger und grinste hämisch, während seine Kameraden in Gelächter ausbrachen. „Kein Mensch kann die Mutter eines Drachen sein. Was glaubst du eigentlich, wer du bist?"
„Ihr solltet besser aufpassen, wie ihr mit mir sprecht", zischte Elowen und trat noch näher an den Jäger heran. Die Luft um sie herum schien zu flirren, als ihre Wut anschwoll. „Niemand spricht so mit meinem Sohn. Niemand behandelt ihn so."
Die Menge begann zu murmeln. Einige der Dorfbewohner traten unruhig zurück, als sie spürten, dass sich die Stimmung veränderte. Elara beobachtete das Ganze ruhig, wissend, dass sie sich nicht einmischen sollte. Sie hatte gelernt, dass sich niemand – sei es Mensch oder Drache – jemals zwischen eine Mutter und ihr Kind stellen sollte, insbesondere bei Drachen. Drachenmütter waren dafür bekannt, ihre Jungen mit allen Mitteln zu schützen, und Elowen war keine Ausnahme.
„Und was willst du tun, Mensch?" Der Jäger trat vor, um Elowen direkt zu konfrontieren. „Glaubst du, wir haben Angst vor dir? Du bist nichts!"
Elowen lächelte kalt, und Elara, die die Situation genau im Blick behielt, erkannte den gefährlichen Funken in ihren Augen. „Ich bin mehr als du dir vorstellen kannst", sagte Elowen ruhig, und mit einem leisen Grollen begann sie, ihre menschliche Gestalt abzulegen.
Ein Raunen ging durch die Menge, als Elowens Gestalt sich veränderte. Ihre Haut begann zu schimmern, und ihre menschlichen Züge verzerrten sich zu mächtigen, geschwungenen Schuppen. Ihre Arme wurden zu kräftigen Drachenklauen, und ihre Flügel breiteten sich majestätisch aus. Vor den Augen der schockierten Menge stand nun nicht mehr eine einfache Frau, sondern eine mächtige Drachenmutter.
Die Jäger starrten sie an, die Fassungslosigkeit in ihren Gesichtern offensichtlich. „Das… das ist unmöglich!" rief einer von ihnen, während er einen Schritt zurückwich. „Sie… sie ist ein Drache!"
„Sie ist nicht nur irgendein Drache", sagte Elara ruhig und trat an die Seite von Elowen, die nun in voller Pracht vor ihnen stand. „Sie ist Thalors Mutter."
Ein Mann aus der Menge, ein älterer Dorfbewohner, trat nach vorn und hob warnend die Hand. „Ihr Narren! Ihr habt euch zwischen eine Drachenmutter und ihren Jungen gestellt! Das ist Selbstmord! Ich habe gesehen, wie Tiermütter auf Feinde losgegangen sind, die ihre Jungen bedroht haben. Und Drachenmütter sind nicht anders. Wenn ihr sie angreift, wird sie euch zerreißen."
Die Jäger sahen sich nervös an, unsicher, was sie tun sollten. Ihre einst so selbstsichere Haltung schmolz unter dem Eindruck von Elowens wütendem Blick dahin. Langsam wichen sie zur Seite und ließen den Weg zum Käfig frei.
Elowen ging mit donnernden Schritten auf den Käfig zu. Mit einer mühelosen Bewegung griff sie mit ihren mächtigen Klauen nach den Gitterstäben und riss sie auseinander, als wären sie nichts weiter als Zweige. Thalor, erschöpft, aber voller Dankbarkeit, sah seine Mutter an und bewegte sich langsam aus dem Käfig heraus.
„Es ist vorbei, mein Sohn", flüsterte Elowen, als sie sanft ihre Klauen um Thalor legte. Sie hob ihn behutsam hoch, während Elara auf ihren Rücken kletterte.
Doch bevor sie sich in die Lüfte erhoben, drehte sich Elowen noch einmal um und ließ ihren Blick über die Jäger gleiten, die voller Angst und Unsicherheit dastanden. „Dies ist eine Warnung", sagte sie mit donnernder Stimme. „Wenn ihr es jemals wieder wagt, meinen Sohn oder andere Drachen zu jagen, werdet ihr die volle Macht der Drachenmütter spüren. Das war eure letzte Chance."
In diesem Moment erschien der Anführer der Jäger, ein großer, hagerer Mann mit ernster Miene. „Was ist hier los?" fragte er, als er die Szene erfasste.
Thalor hob den Kopf und sprach mit einer Stimme, die vor Stärke und Zorn bebte. „Ihr habt mich gefangen genommen und gedemütigt. Doch nun bin ich frei. Ihr solltet euch gut überlegen, wie ihr in Zukunft handelt. Wir Drachen vergessen nicht."
Mit diesen Worten breitete Elowen ihre mächtigen Flügel aus, und mit einem gewaltigen Schlag erhoben sich Elara, Thalor und Elowen in die Lüfte, während die Jäger verblüfft zurückblieben, unsicher, was sie gerade miterlebt hatten.