Die Drachenstadt war erfüllt von einem gespenstischen Frieden. Thalor lag in einem weichen Nest aus warmen Fellen und frischem Moos, umgeben von den sanften Geräuschen der Natur. Nach der dramatischen Flucht von den Jägern hatte er sich in den Tagen darauf zurückgezogen, um sich von den körperlichen und emotionalen Wunden zu erholen. Seine Mutter Elowen blieb stets an seiner Seite, während Elara und Aleric alles taten, um den Drachen zu helfen, die immer noch in Angst vor weiteren Angriffen lebten.
Thalor öffnete die Augen und sah den strahlend blauen Himmel durch das Blätterdach blitzen. In seinem Herzen spürte er den unaufhörlichen Drang, zu kämpfen. Er hatte die Schrecken der Jäger erlebt und wollte nicht, dass jemand anderes das Gleiche durchmachen musste. Doch die Dunkelheit der vergangenen Tage hatte auch ihre Spuren hinterlassen. Er fühlte sich schwach, und der Gedanke an einen weiteren Kampf jagte ihm Angst ein.
„Thalor, wie fühlst du dich?", fragte Elara, die leise an sein Nest trat. Ihre Stimme war sanft und tröstend.
„Ich bin bereit zu kämpfen", antwortete er mit fester Stimme, seine Augen funkelten vor Entschlossenheit.
„Du musst dich erholen, mein Sohn", kam Elowens Stimme, die sanft, aber bestimmt war. „Es ist noch nicht an der Zeit."
Gerade in diesem Moment näherte sich Aleric, der die Vorbereitungen für den bevorstehenden Angriff koordinierte. „Die Ältesten haben sich versammelt, um zu beraten, was als Nächstes zu tun ist", erklärte er und sah Thalor besorgt an. „Es ist gefährlich, jetzt ins Geschehen einzugreifen."
„Ich kann nicht untätig zusehen!", rief Thalor und spürte, wie Wut in ihm aufstieg. „Die Jäger haben meine Freiheit gestohlen. Ich muss kämpfen!"
Aleric schüttelte den Kopf. „Deine Stärke wird gebraucht, aber du bist noch nicht bereit. Die Drachen müssen dich als vollwertigen Krieger sehen, wenn du an ihrer Seite kämpfen möchtest. Das erfordert Geduld."
Als sie sich auf den Weg zum Versammlungsort der Ältesten machten, hörte Thalor die aufgeregten Stimmen der Drachen, die sich um den zentralen Platz versammelten. Die Stimmung war angespannt, und die Gedanken um einen weiteren Angriff schwebten in der Luft.
Die Drachenältesten, mächtige und weise Wesen, standen in einem Halbkreis. Der älteste unter ihnen, ein ehrwürdiger Drache namens Kaelan, sprach mit fester Stimme: „Wir müssen den Anführer der Jäger ausschalten. Nur dann können wir sicher sein, dass unsere Stadt in Frieden lebt."
„Aber was ist mit Thalor?", rief ein jüngerer Drache. „Er hat die Kraft, sie zu besiegen!"
Thalor spürte, wie sein Herz schneller schlug. Er wollte sich beweisen, nicht nur vor den anderen, sondern auch vor seinen Müttern. Doch als er Elowens besorgtes Gesicht sah, wurde ihm bewusst, dass seine Eltern andere Pläne hatten.
„Er ist noch nicht bereit", wiederholte Elowen mit einem Blick, der nichts Gutes verhieß. „Wir können Thalor nicht in einen Kampf schicken, während er sich noch erholt."
„Ihr glaubt nicht an mich!", rief Thalor, der den Drang verspürte, seine Stärke zu beweisen.
„Es geht nicht darum, an dich zu glauben, sondern darum, dass wir dich schützen wollen", erklärte Elara, ihre Augen voller Zuneigung. „Du bist unser kostbarstes Gut."
„Wir müssen klug handeln", sagte Kaelan. „Thalor, deine Zeit wird kommen. Aber jetzt müssen wir unsere Kräfte sammeln und sicherstellen, dass die Jäger nicht wieder über uns herrschen."
Die Diskussion drehte sich um Strategien und Pläne, und Thalor hörte aufmerksam zu, auch wenn der Drang, sich zu beweisen, in ihm brodelte. Schließlich wurde beschlossen, dass eine Gruppe von Kriegern die Jäger ausspionieren sollte, um ihre Bewegungen zu überwachen, bevor ein entscheidender Angriff geplant wurde.
„Wir müssen bereit sein, wenn die Zeit kommt", schloss Kaelan die Versammlung. „Und Thalor, wenn du bereit bist, wirst du an unserer Seite kämpfen. Doch jetzt musst du dich erholen."
Als sich die Drachen zerstreuten, sah Thalor in die Gesichter seiner Mütter. „Ich verstehe", murmelte er, „aber ich will nicht schwach erscheinen."
„Du bist nicht schwach, Thalor", sagte Elowen sanft. „Es erfordert Mut, Geduld zu zeigen. Du wirst deinen Platz finden, wenn die Zeit reif ist."
Während er in die Ferne blickte, spürte Thalor die Mischung aus Enttäuschung und Entschlossenheit. Er wollte stark sein, nicht nur für sich selbst, sondern auch für die, die er liebte. Und obwohl er im Moment nicht kämpfen konnte, wusste er, dass seine Zeit kommen würde – und dass er bereit sein musste, wenn sie endlich anbräche.