Alle hatten ihre Sachen ausgepackt und begonnen, die Schuluniform anzuziehen. Die Uniform war ein schwarz-grauer Overall. Sie bot kaum Schutz, war aber leicht und luftdurchlässig.
Wir Schüler mussten die standardisierte Ausrüstung der Schule verwenden, darunter auch Waffen und Rüstungen. Persönliche Gegenstände durften wir behalten, diese aber nur bei Missionen oder besonderen Aufgaben benutzen. Es sollte so für eine Ausgewogenheit gesorgt werden. Niemand sollte nur durch seine Ausrüstung einen Vorteil haben.
Slyvia bat uns alle, den Raum zu verlassen, während sie sich umzog. Draußen stellte ich fest, dass wir nur zu fünft waren. Ich sah mir die Namen an der Tür an.
"Zwei fehlen noch. Einen Namen erkenne ich, aber wer ist Martha?" sagte Gary.
Just in dem Moment blieb ein großer, schlanker Mann mit schwarzem Haar, der einen Holzstab auf dem Rücken trug, vor der Tür stehen.
"Hey Leute, was macht ihr hier draußen?" fragte der Mann.
"Du bist Dan, oder?" antwortete Gary.
"Genau, ich nehme an, ich werde ab jetzt bei euch sein. Also warum steht ihr hier rum? Lasst uns reingehen."
"Das wird lustig", flüsterte mir Gary ins Ohr.
"Also, es war da drinnen eine große Kakerlake und wir alle hatten zu viel Angst, um sie zu entfernen. Würdest du uns da nicht helfen?" fragte Gary mit seinem Hundeblick.
Ich wusste nicht, ob Gary sich damit bloß an Slyvia rächen wollte oder ob er wollte, dass jemand seinen Schmerz mit ihm teilte.
"Sicher, ein künftiger Ritter darf vor nichts Angst haben."
Kurz darauf kam Dan mit einem Veilchen und einer Beule am Kopf wieder aus der Tür. Gary und die anderen konnten sich ein Lachen nicht verkneifen.
Nachdem Slyvia sich fertig umgezogen hatte, gingen wir alle zurück in den Raum und stellten uns vor.
Ich und Gary kamen aus demselben Dorf und hatten den gewöhnlichsten Hintergrund. Ian war von einem Waisenhaus ins nächste gezogen, und jedes war von einer Katastrophe heimgesucht worden. Eine traurige Geschichte, die uns zu Tränen rührte. Ich dachte darüber nach, ob mir das Gleiche passiert wäre, wenn ich andere Eltern gehabt hätte.
Dan stammte aus einer adligen Familie von Speerträgern und wollte das Erbe seiner Familie fortsetzen. Sein Stab, sein Trainingsgerät, wog eine Tonne. Wir versuchten ihn alle aufzuheben, aber niemand außer ich und Ian waren in der Lage, ihn zu schwingen. Gary konnte ihn zwar anheben, konnte sich aber danach keinen Zentimeter mehr bewegen.
Der kleine Junge mit den langen schwarzen Haaren, die seine Augen verdeckten, stellte sich nur mit einem Wort vor. Mönch. Weil wir sonst nichts wussten, mussten wir annehmen, dass dies sein Name war.
Auch Slyvia stammte aus einer Adelsfamilie, die jedoch für ihre magischen Fähigkeiten bekannt war. Slyvia hatte keine und wollte ihren Wert beweisen, indem sie eine Ritterin wurde.
Nachdem wir uns vorgestellt hatten, kamen wir schnell auf die bevorstehende Prüfung zu sprechen.
"Welche Schärpen hofft ihr zu bekommen?" fragte Dan.
"Tut mir leid, das zu fragen, aber welche Schärpen kann man überhaupt bekommen?" sagte Gary.
Alle zuckten mit den Schultern und sahen Slyvia an. Sie seufzte, beantwortete aber die Frage. Offenbar genoss sie es, ihr Wissen vor uns ausbreiten zu können.
"Leute, habt ihr denn gar nichts gelernt? Die Schärpen repräsentieren nicht wirklich Macht, es geht mehr um euer Potenzial. Wenn ihr eine rote Schärpe bekämt, würde das bedeuten, dass ihr kein Potenzial habt, die Schule weiß dann einfach nicht, was sie mit euch anfangen soll, und steckt euch in die Grundausbildung. Es gibt keine Extra-Kurse für euch und ihr habt Freizeit, um selbst euer Potenzial zu entdecken."
"Das klingt eigentlich gar nicht so schlecht", sagte Gary.
"Ja, wenn du ein Verlierer sein willst. Ich habe gehört, dass die Rot-Schärpengänger hier ziemlich mies behandelt werden. Sie werden von den anderen immer rumgeschubst, weil sie wissen, dass die nicht mächtig genug sind, um was dagegen zu machen", sagte Dan.
Slyvia sprach weiter.
"Auf der anderen Seite haben wir die weiße Schärpe, die bedeutet, dass du unendliches Potenzial hast und von den Meistern selber unterrichtet wirst."
"Und was ist mit den anderen Rängen?" fragte Ian.
"Wenn wir rot als unterste Stufe betrachten, wäre die nächste gelb, dann blau und schließlich weiß. Das sind die Standard-Ränge. Darüber hinaus haben wir noch grüne und schwarze Schärpen. Grün ist für diejenigen, die im Bogenschießen brillieren, bei Schwarz bin ich mir nicht sicher. Es war schon immer etwas geheimnisvoll und scheint seltener zu sein als Weiß."
"Ist Schwarz also besser als Weiß?"
"Das würde ich nicht sagen, wenn ich richtig liege, dann ist Schwarz wie Grün. Ihr Fähigkeiten müssen für sonst etwas nützlich sein, aber ich weiß nicht, wofür."
"Wer hätte das gedacht, Slyvia Herz, die etwas nicht weiß. Ich hätte nie gedacht, dass ich den Tag erleben würde", sagte Gary.
Slyvia hob ihre Faust und schlug nach Garys Gesicht. Gerade als sie treffen wollte, öffnete sich die Tür.
Lancy stand in der Tür.
"Okay, Schüler, ihr habt noch ein paar Minuten Zeit, euch fertig zu machen. Wir treffen uns im Speisesaal. Wir werden zu Mittag essen und danach eine kurze Besprechung abhalten. Anschließend geht es zum Trainingsfeld zur Bewertung."
Lancy verließ schnell den Raum, um die anderen Räume zu unterrichten.
Gary sprang auf und packte mich an den Schultern.
"Das ist es! Wir werden endlich Ritter. Hey, wie wäre es, wenn wir beide versuchen, eine weiße Schärpe zu ergattern."
Gary war so aufgeregt, dass ich gar nicht dazu kam, zu antworten. Ich sah mich im Raum um, um zu sehen, ob die anderen die gleiche Aufregung wie Gary hatten. Einigen schien es egal zu sein, so als wäre es etwas Alltägliches, während andere einen ernsten Gesichtsausdruck hatten, als stünde ihr Leben auf dem Spiel.
Wir verließen den Raum und machten uns bereit für die bevorstehende Prüfung.