Manchmal frage ich mich, ob mein Leben eine versteckte Kamera-Show ist. So eine, bei der die Zuschauer sich schlapp lachen, während ich mich durch die Absurditäten meines Daseins kämpfe. Nehmen wir zum Beispiel heute. Es fängt harmlos an. Ich bin auf dem Weg zur Arbeit, habe mir Kopfhörer aufgesetzt und höre Musik, während ich durch die Stadt schlendere. Die Sonne scheint, es ist einer dieser seltenen Tage, an denen die Luft nach frischem Kaffee und nicht nach Abgasen riecht, und für einen kurzen Moment denke ich: Hey, vielleicht wird das heute mal ein ganz normaler, unspektakulärer Tag. Ich hätte es besser wissen müssen. Denn kaum biege ich um die Ecke, kracht jemand direkt in mich rein. Ich meine nicht so ein harmloses „Ups, sorry, ich hab dich leicht gestreift"-Zusammenprallen. Nein. Das ist ein Full-Body-Slam, ein „Oh mein Gott, ich habe gerade einen menschlichen Airbag getroffen"-Zusammenprall.
Mein Kaffee, den ich in der rechten Hand halte, fliegt in einem perfekten Bogen durch die Luft. Der andere, der Typ, der mich umgerannt hat, stolpert zurück, rudert wild mit den Armen – und bekommt den kompletten Inhalt meines Bechers mitten auf sein teures, offensichtlich maßgeschneidertes Hemd. Es gibt diesen einen Sekundenbruchteil, in dem die Welt stillzustehen scheint. Dann setzt das Chaos ein. „Verdammt!" Er schaut an sich herunter, während braune Kaffeeflecken sich langsam über den weißen Stoff ausbreiten. Ich starre ihn an. „Oh." Er hebt den Kopf, seine Augen blitzen auf. „Oh? Mehr fällt dir dazu nicht ein?" Ich zucke die Schultern. „Hättest du lieber ein herzzerreißendes Drama? Soll ich mich theatralisch entschuldigen und auf die Knie fallen?" Er funkelt mich an. „Ich wurde gerade mit heißem Kaffee übergossen." „Hey, sieh es mal positiv: Jetzt hast du wenigstens eine Ausrede, dir neue Klamotten zu kaufen." Er zieht eine Augenbraue hoch. „Und du hast wirklich nicht das geringste Schuldgefühl?" „Nicht wirklich. Immerhin warst du derjenige, der mich umgerannt hat." „Ich war abgelenkt."
„Tja. Willkommen in der Welt der Menschen, die aufpassen, wohin sie gehen." Er schüttelt den Kopf, als könne er nicht glauben, dass das gerade wirklich passiert. Ich nutze die Gelegenheit, um ihn mir genauer anzusehen. Teure Klamotten – oder zumindest das, was davon übrig ist. Teure Uhr am Handgelenk. Haare, die so perfekt gestylt sind, dass ich fast sicher bin, dass er einen persönlichen Friseur hat. Und dieses Gesicht… Moment mal. „Oh, scheiße." Ich blinzele. „Du bist ER." Er verzieht das Gesicht. „Wer?" „Der Prinz-Typ." Ich schnippe mit den Fingern, als könnte ich so seinen Namen aus meinem Gedächtnis ziehen. „Wie hieß du noch gleich? Richard? Henry? Sebastian?"
„Adrian", sagt er trocken. „Ah. Stimmt. Adrian." Ich nicke. „Der royale Bachelor. Ich hätte dich mir irgendwie… größer vorgestellt." Er schnaubt. „Und ich hätte gedacht, dass du ein bisschen mehr Anstand hast."
„Tja, wir beide wurden enttäuscht." Ein paar Passanten bleiben stehen, tuscheln, schauen neugierig herüber. Wahrscheinlich haben sie erkannt, wer er ist. Ich dagegen frage mich nur, wie zur Hölle ich es geschafft habe, den zukünftigen König mit Kaffee zu taufen. „Also gut", sagt er schließlich und seufzt. „Wie gedenkst du, das wieder gutzumachen?" „Hä?" „Du hast mein Hemd ruiniert." Er deutet auf die Kaffeeflecken. „Das ist ziemlich sicher nicht mehr zu retten. Also? Was schlägst du vor?" „Ähm." Ich kratze mich am Kopf. „Ich könnte dir einen neuen Kaffee kaufen?" Er blinzelt mich an. „Einen neuen Kaffee?" „Ja. Also, ich meine… du hast jetzt ja nichts mehr zu trinken." Für einen Moment sieht es so aus, als könnte er nicht fassen, dass ich das ernst meine. Dann lacht er leise. „Wow. Deine Problemlösungsfähigkeiten sind wirklich beeindruckend." Ich zucke die Schultern. „Besser als gar nichts." Er mustert mich, dann schaut er an sich herunter. „Fein. Ein Kaffee. Aber du bezahlst." Ich rolle mit den Augen. „Ja, ja. Komm schon." Und so passiert das, was ich nie für möglich gehalten hätte: Ich lande auf einem „Date" – wenn man das so nennen kann – mit dem Prinzen. In einem kleinen Café, das definitiv nicht zu den edlen Etablissements gehört, in denen er normalerweise abhängt. Er nimmt sein Hemd ab, trägt jetzt nur noch ein einfaches schwarzes T-Shirt (und wow, der Typ ist wirklich trainiert), während ich ihm seinen Kaffee über den Tisch schiebe. „Also", sagt er, während er den Becher an seine Lippen führt. „Hast du dich eigentlich schon für den großen Ball vorbereitet?" Ich verschlucke mich fast an meinem eigenen Getränk. „Oh, bitte. Ich gehe nur hin, weil meine Stiefmutter mich zwingt. Ich habe null Interesse an dem ganzen Zirkus." Er hebt eine Augenbraue. „Ist das so?" „Ja." Ich lehne mich zurück. „Ich habe eine prinzipielle Abneigung gegen alles, was mit Märchenklischees zu tun hat. Und dich inklusive." „Wow. Charmant." „Ich weiß." Er grinst, und für einen Moment sieht er gar nicht mehr so aus wie der arrogante Prinz aus den Magazinen. Mehr wie… ein Typ, der eigentlich ganz normal sein könnte, wenn man ihn aus seinem goldenen Käfig lässt. „Weißt du", sagt er schließlich, „ich habe eine Theorie."
„Oh, bitte. Erleuchte mich." „Du gibst dich cool und distanziert, aber in Wahrheit willst du genauso ein Märchen wie alle anderen." Ich lache laut. „Oh, nein. Da liegst du komplett falsch." „Ach ja?" „Ja." Ich lehne mich vor. „Wenn ich ein Märchen hätte, dann wäre es keines mit einem hübschen Prinzen und einem kitschigen Ballkleid. Mein Märchen wäre ich, in einer coolen Wohnung, mit einem Job, den ich liebe, und absolut niemandem, der mir sagt, wie ich zu leben habe." Er betrachtet mich nachdenklich. Dann hebt er sein Glas. „Auf dein Märchen." Ich grinse und stoße mit ihm an. Und in diesem Moment denke ich zum ersten Mal, dass Adrian vielleicht doch nicht so schrecklich ist, wie ich dachte. Vielleicht.