Die Morgenluft war eisig, als das Rudel in die Berge aufbrach. Es war ein schmaler Pfad, der sich durch das zerklüftete Gelände schlängelte, und die Stille war so tief, dass selbst das leiseste Geräusch wie ein Donnern klang. Luan ging an der Spitze, dicht gefolgt von Nina und Kael. Die Verletzungen hatten Kael geschwächt, doch er hatte darauf bestanden, mitzukommen.
»Ich bleibe nicht zurück, während ihr das hier beendet«, hatte er gesagt, sein Blick entschlossen. Nina hatte keine Diskussion zugelassen. »Aber du bleibst in der zweiten Reihe. Wir können es uns nicht leisten, dich zu verlieren.«
Als sie die alte Festung erreichten, lag sie in einer Senke zwischen den Bergen, ihre Mauern waren hoch und mit Schatten durchzogen. Das Artefakt, das Ridley in seinem Besitz hatte, war die Quelle eines pulsierenden, dunklen Lichts, das die Festung wie ein Leuchtfeuer umgab.
»Da drin ist es«, sagte Nina leise. Luan spürte, wie sein Herz schneller schlug. Das Ziehen in seiner Brust wurde stärker, und der Wolf in ihm war unruhig.
»Er weiß, dass wir kommen«, sagte Kael. »Das hier wird keine Überraschung.«
Das Rudel teilte sich auf. Nina und die stärksten Wölfe würden den Haupteingang angreifen, während Luan, Kael und eine kleine Gruppe durch einen versteckten Tunnel in die Festung eindringen würden.
Luan wusste, dass sie nicht viel Zeit hatten. Wenn Ridley das Artefakt weiter nutzte, könnte es das Gleichgewicht endgültig zerstören. Der Tunnel war eng und dunkel, doch Luan spürte die Energie, die sie führte. Es war, als ob das Artefakt ihn rief, ihn provozierte, näher zu kommen.
»Wir müssen schnell sein«, flüsterte Kael. »Wenn Ridley uns entdeckt, bevor wir ihn erreichen, verlieren wir unsere Chance.«
Luan nickte, seine Sinne waren geschärft, und jeder Schritt brachte sie näher an die Quelle der dunklen Energie. Schließlich erreichten sie eine große Kammer im Herzen der Festung. Ridley stand in der Mitte, das Artefakt in seinen Händen. Es pulsierte in einem tiefen, violetten Licht, und die Energie, die davon ausging, war überwältigend.
»Da seid ihr ja«, sagte Ridley, ohne sich umzudrehen. »Ich wusste, dass ihr kommen würdet.«
Luan trat vor, sein Blick war fest. »Das endet hier, Ridley.« Ridley drehte sich um, ein kaltes Lächeln auf seinem Gesicht. »Enden? Nein, Junge. Das hier ist der Anfang. Mit diesem Artefakt werde ich alles verändern. Kein Gleichgewicht. Keine Grenzen. Nur Macht.«
Nina und die anderen stürmten in die Kammer, und der Kampf begann. Ridleys Männer griffen an, und die Luft war erfüllt von Knurren, Schreien und dem Aufprall von Klauen auf Stahl. Luan konzentrierte sich auf Ridley. Das Artefakt war die Quelle seiner Macht, und er wusste, dass er es zerstören musste.
»Du bist stark«, sagte Ridley, als sie aufeinanderprallten. »Aber du verstehst nicht, was wahre Stärke ist.«
Luan knurrte. »Stärke bedeutet, das Richtige zu tun – nicht nur für sich selbst.« Der Kampf war brutal. Ridleys Bewegungen waren schnell, und das Artefakt verstärkte seine Angriffe. Doch Luan spürte, dass er stärker wurde, je näher er dem Artefakt kam. Er ließ den Wolf in sich vollständig frei, und seine Angriffe wurden schneller, präziser. Schließlich gelang es ihm, Ridley zu Boden zu werfen, das Artefakt fiel aus dessen Hand und landete in der Mitte der Kammer. Ridley kroch zurück, seine Augen voller Zorn. »Du kannst es nicht zerstören«, zischte er. »Es ist unbesiegbar.« Luan trat an das Artefakt heran, seine Hand zitterte, als er es berührte. Ein Schwall aus Energie durchströmte ihn, und er sah Bilder – die Schöpfung des Artefakts, die Macht, die es besaß, und die Dunkelheit, die es brachte.
Doch er sah auch das Gleichgewicht, das es bedrohte.
»Ich werde das nicht zulassen«, flüsterte Luan. Er konzentrierte sich auf die Energie des Artefakts, ließ es mit der Kraft des Wolfs in ihm verschmelzen. Das Artefakt begann zu leuchten, das Licht wurde heller und heller, bis es die gesamte Kammer erfüllte. Ridley schrie, als das Licht ihn erreichte, und die Dunkelheit, die ihn umgab, begann zu verblassen. Luan spürte, wie das Artefakt in seinen Händen zerbrach, seine Energie verpuffte in einem letzten, hellen Lichtblitz. Als die Stille zurückkehrte, lag Ridley reglos auf dem Boden. Das Artefakt war verschwunden, und die Kammer war dunkel. Nina trat an Luans Seite, ihr Atem war schwer. »Es ist vorbei.«
Luan nickte, doch er spürte die Last der Verantwortung, die auf ihm lag. Das Gleichgewicht war wiederhergestellt, doch er wusste, dass es nicht für immer halten würde. Kael trat vor, sein Gesicht war erschöpft, aber zufrieden. »Du hast es geschafft, Junge.« Luan sah ihn an und lächelte schwach. »Nicht allein.« Kael legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Das Gleichgewicht mag zerbrechlich sein, aber du hast gezeigt, dass es immer einen Weg gibt, es zu bewahren.« Das Rudel verließ die Festung bei Sonnenaufgang. Die Luft war frisch, und die Dunkelheit, die das Artefakt hinterlassen hatte, schien verschwunden. Luan blickte zurück, seine Gedanken waren bei dem, was sie erreicht hatten – und bei dem, was noch kommen könnte.
»Das Gleichgewicht ist gerettet«, sagte Nina, als sie sich an seine Seite stellte. Luan nickte. »Für jetzt. Aber wir müssen wachsam bleiben.«