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Chapter 34 - Die Jagd beginnt

Der Wald war lebendig mit dem Geräusch von Bewegung – Blätter, die raschelten, Äste, die knackten, und das leise, rhythmische Atmen von Jägern, die sich ihren Weg durch das Unterholz bahnten. Es war Nacht, und der Mond schien hell, doch Luan fühlte sich sicher. Das Rudel hatte ihn aufgenommen, und in den letzten Tagen hatte er gelernt, was es bedeutete, ein Wolf zu sein. Kael und die anderen hatten ihn trainiert, ihm gezeigt, wie er seine Sinne schärfen, seine Stärke nutzen und die Instinkte kontrollieren konnte, die immer an der Grenze seiner Gedanken lauerten. Doch heute Nacht war anders. Die Luft war schwer, und ein seltsamer Geruch lag in ihr – Rauch und etwas Chemisches, das Luan nicht zuordnen konnte.

»Bleib wachsam«, flüsterte Kael und deutete auf die Bäume vor ihnen. Das Rudel war auf Patrouille, eine Übung, die normalerweise dazu diente, die Grenzen ihres Territoriums zu überwachen. Doch Luan konnte die Anspannung in der Gruppe spüren. Die Blicke waren schärfer, die Bewegungen leiser.

»Was ist los?«, fragte Luan leise, während sie durch das Unterholz schlichen. Kael warf ihm einen schnellen Blick zu. »Etwas hat unser Territorium betreten. Etwas, das hier nicht hingehört.«

Sie erreichten eine kleine Lichtung, wo der Geruch stärker wurde. Der Boden war aufgewühlt, und in der Mitte lag etwas, das wie eine silberne Kugel aussah, leicht rauchend und glühend.

»Was ist das?«, fragte Luan und trat näher, doch Kael packte ihn am Arm.

»Nicht anfassen«, zischte er. »Das ist eine Falle.«

»Eine Falle? Für wen?«, fragte Luan, doch bevor Kael antworten konnte, hörten sie es – das leise Knacken von Ästen, das fast zu perfekt getarnt war, als dass es ein Tier hätte sein können. Kael sprang in Bewegung, und das Rudel folgte. Sie stürzten sich ins Unterholz, ihre Bewegungen lautlos und fließend, doch Luan konnte das Zittern in seinen Beinen nicht verbergen. Sie erreichten einen Hügel, von dem aus sie eine Gruppe von Männern sehen konnten, die sich durch den Wald bewegten. Es waren fünf oder sechs, alle in dunkler Kleidung, ihre Gesichter halb verdeckt. Jeder von ihnen hielt eine Waffe – Gewehre, die im Mondlicht blitzten.

»Wer sind die?«, flüsterte Luan. Kael kniff die Augen zusammen. »Jäger.«

Der größte der Männer trat vor und hob eine Hand, um den anderen ein Signal zu geben. Er war breitschultrig, mit einem Gesicht, das aus harten Winkeln bestand, und einer Narbe, die sich über seine Stirn zog.

»Das ist Ridley«, sagte Kael, und Luan konnte die Spannung in seiner Stimme hören.

»Du kennst ihn?«

Kael nickte, ohne den Blick von den Männern abzuwenden. »Er ist ein Jäger, einer der schlimmsten. Er hat mehr Wölfe getötet, als ich zählen kann. Und jetzt ist er hier.« Luan spürte, wie sich seine Muskeln anspannten, ein instinktives Bedürfnis zu fliehen oder zu kämpfen, doch Kaels Hand auf seiner Schulter hielt ihn zurück.

»Bleib ruhig«, sagte Kael. »Sie wissen noch nicht, dass wir hier sind. Wir müssen sie beobachten.«

Ridley sprach leise mit den anderen Männern, und Luan konnte die Worte nicht hören, doch der Tonfall war kalt und entschlossen. Dann deutete Ridley auf die Lichtung, wo die silberne Kugel lag.

»Das ist ein Köder«, flüsterte Kael. »Sie hoffen, dass einer von uns dumm genug ist, um darauf zuzugehen.«

Einer der Männer trat vor und holte eine Art Zünder aus seiner Tasche. Luan konnte sehen, wie er die Kugel aktivierte, und ein leises Summen erfüllte die Luft.

»Was macht das Ding?«, fragte Luan, seine Stimme zitterte. Kael sah ihn an, sein Blick hart. »Es zieht uns an. Das Silber – es macht uns schwächer, langsamer. Wenn wir uns zu nah heranwagen, sind wir leichte Beute.«

Luan wollte etwas sagen, doch bevor er konnte, hörten sie das leise Knurren eines der Rudelmitglieder. Es war ein junger Wolf, vielleicht ein oder zwei Jahre älter als Luan, der die Nerven verloren hatte. Er sprang vor, stürzte auf die Lichtung zu, bevor jemand ihn aufhalten konnte. Nein!«, rief Kael, doch es war zu spät. Die Männer sahen die Bewegung und reagierten sofort. Zwei von ihnen hoben ihre Gewehre, und das laute Knallen von Schüssen hallte durch den Wald. Der junge Wolf schrie auf, fiel zu Boden und verwandelte sich zurück in seine menschliche Form, während Blut aus einer Wunde an seiner Schulter sickerte. Ridley trat näher, ein Messer in der Hand. »So fangen wir an«, sagte er, seine Stimme ruhig. Luan spürte, wie das Knurren in seiner Brust lauter wurde. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, und bevor er wusste, was er tat, stand er auf. Luan, nein!«, zischte Kael, doch er hörte nicht zu. Er stürzte sich auf die Lichtung, seine Sinne geschärft, sein Körper schneller, stärker, als er es je für möglich gehalten hätte. Die Männer drehten sich zu ihm um, doch Luan war bereits bei ihnen. Er packte einen der Jäger und warf ihn zu Boden, das Knurren in seiner Kehle tief und animalisch. Ridley wich zurück, seine Augen weiteten sich kurz vor Überraschung, doch dann grinste er.

»Ein neuer Welpe«, sagte er und hob das Messer. »Mal sehen, wie lange du überlebst.«

Kael und die anderen Wölfe stürzten aus den Schatten, und die Lichtung wurde zum Schlachtfeld. Luan kämpfte, spürte das Adrenalin, das durch seinen Körper jagte, und das Beben des Wolfes in ihm, der alles um sich herum zerschmettern wollte. Doch dann spürte er es – ein brennender Schmerz in seiner Seite. Ridley stand vor ihm, das Messer in der Hand, dessen Klinge mit Silber überzogen war.

»Willkommen in der echten Welt, Junge«, sagte er kalt. Luan fiel zu Boden, während die Dunkelheit ihn verschlang.