Der Rückzug in die Sicherheit des Waldes fühlte sich wie eine Niederlage an. Luan half Kael, dessen Verletzungen schlimmer waren, als sie zunächst vermutet hatten, während Nina und die anderen Wölfe sicherten, dass Ridleys Männer ihnen nicht folgten. Die Energie des Artefakts, das Ridley in den Händen gehalten hatte, spürte Luan immer noch. Es war, als ob ein dunkler Schatten ihn verfolgte, selbst hier, in der Ruhe des Waldes.
»Was war das?«, fragte Luan, als sie schließlich anhielten. Kael atmete schwer, sein Gesicht war blass, doch er hob den Kopf. »Ein weiteres Relikt. Etwas, das tief in den Bergen verborgen war. Es ist anders als das Amulett oder der Dolch. Dunkler. Gefährlicher.«
Nina trat näher, ihre Augen waren voller Sorge. »Was weißt du darüber?« Kael schüttelte den Kopf. »Nicht viel. Aber Ridley hat es gefunden – und er weiß, wie man es benutzt.« Die Gruppe beschloss, ins Lager zurückzukehren, um Kael zu versorgen und ihre nächsten Schritte zu planen. Der Weg zurück war beschwerlich, und die Stille zwischen ihnen war schwer.
Luan lief an Kaels Seite, sein Blick war auf den Boden gerichtet. »Du hättest uns warnen sollen«, sagte er schließlich, seine Stimme war leise, aber angespannt. Kael sah ihn an, ein schwaches Lächeln auf seinen Lippen. »Und du hättest nicht zurückkommen sollen. Aber hier sind wir.« Luan schwieg, doch tief in ihm wuchs eine Entschlossenheit, die stärker war als je zuvor. Im Lager erwartete das Rudel sie mit gespannter Stille. Kael wurde sofort von den Heilern versorgt, während Nina Luan beiseite nahm.
»Ridley hat eine neue Macht gefunden«, sagte sie, ihre Stimme war ruhig, aber ihre Augen zeigten ihre Besorgnis.
»Es fühlt sich anders an als alles, was wir bisher gesehen haben«, antwortete Luan. »Dunkler. Und ich glaube, es hat eine Verbindung zu den Artefakten.«
Nina nickte. »Wenn das stimmt, dann dürfen wir nicht zulassen, dass er es weiter nutzt. Wir müssen ihn stoppen – diesmal für immer.« Das Rudel versammelte sich in der Mitte des Lagers. Ninas Stimme hallte über die Lichtung, als sie sprach.
»Ridley hat das Gleichgewicht bereits einmal gefährdet. Wenn er diese neue Macht entfesselt, könnte es das Ende von allem sein, was wir kennen. Aber wir sind nicht wehrlos.«
Sie sah zu Luan, ihre Augen funkelten. »Wir haben jemanden, der stärker ist, als Ridley je verstehen könnte.« Luan spürte die Blicke des Rudels auf sich, doch dieses Mal fühlte er sich nicht überwältigt. Er trat vor, seine Haltung war fest.
»Ich weiß, was auf dem Spiel steht«, sagte er. »Und ich weiß, dass wir das Gleichgewicht bewahren können – zusammen.«
Die Vorbereitungen für die Konfrontation begannen sofort. Wachen wurden verstärkt, Späher ausgesandt, und das Rudel bereitete sich auf den Krieg vor. Luan trainierte härter als je zuvor. Kael war schwach, doch er bestand darauf, Luan weiter zu unterweisen.
»Ridley wird nicht allein kämpfen«, sagte Kael. »Er hat Männer, ja. Aber dieses Artefakt wird seine wahre Waffe sein. Wenn du nicht lernst, es zu kontern, hast du keine Chance.«
Luan konzentrierte sich auf das, was er vom Amulett und dem Dolch gelernt hatte. Obwohl die Artefakte sicher verwahrt waren, spürte er ihre Energie noch immer in sich. Er wusste, dass sie ein Teil von ihm waren – und dass sie ihm die Stärke geben konnten, die er brauchte. Doch mit jeder Übung wurde ihm klar, dass Ridleys Macht nicht nur körperlich war. Das Artefakt hatte eine Verbindung zur Dunkelheit, die das Gleichgewicht bedrohte.
»Er will mehr als Kontrolle«, sagte Luan eines Abends zu Nina. »Er will alles zerstören, um es neu zu erschaffen.«
Nina nickte. »Das ist der Weg von jemandem, der nicht versteht, was wirklich zählt. Aber das macht ihn nicht weniger gefährlich.«
Die Späher kehrten zurück und berichteten, dass Ridley eine alte Festung in den Bergen besetzt hatte. Seine Männer verstärkten die Mauern, und das Artefakt strahlte eine Energie aus, die selbst die Wölfe aus der Ferne spüren konnten.
»Das ist es«, sagte Nina. »Das wird unser letzter Kampf.«
Luan sah sie an, und in seinem Inneren spürte er das Ziehen des Wolfs. »Wir dürfen nicht scheitern.« Nina legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Wir werden nicht scheitern. Nicht, solange wir zusammenstehen.« In der Nacht saß Luan allein am Rand des Lagers. Der Mond war hell, und die Sterne funkelten am Himmel.
Er dachte an Kael, an die Wölfe, die auf ihn vertrauten, und an Ridley, der irgendwo in den Bergen auf sie wartete.
»Das Gleichgewicht …«, flüsterte er. »Es liegt an mir.«
Der Wolf in ihm knurrte leise, eine Antwort, die ihn beruhigte. Er war bereit.