Eva~
Ich wurde gründlich gewaschen; jeder Teil von mir wurde sauber geschrubbt. Man ließ mich sechsmal Mundwasser gurgeln. Nachdem sie fertig waren, war meine Haut roh und brannte leicht, doch das war nichts im Vergleich zu den Schlägen, die ich über die Jahre ertragen hatte. Mir fiel auf, dass alle Handschuhe trugen, um keinen direkten Kontakt mit meiner Haut zu haben.
Man setzte mich vor einen Schminktisch, und ich sah das Mädchen an, das ich geworden war, doch ich konnte es nicht ertragen und wandte meinen Blick ab. Innerhalb von Minuten war ich angezogen, der Kloß in meinem Hals blieb jedoch.
Ich wurde durch die vertrauten Gänge meines Elternhauses geführt, jeder Schritt hallte in der hohlen Stille wider. Erinnerungen klammerten sich in den Ecken meines Geistes fest, aber ich hielt meinen Kopf gesenkt, um nicht von ihnen überwältigt zu werden. Der Duft von Lavendel und altem Holz weckte eine verdrehte Form von Nostalgie, doch der Knoten in meinem Magen zog sich zusammen.
Bald erreichten wir das Salon – der Ort, an dem Gäste empfangen wurden. Es war zu seiner früheren Pracht restauriert, ein Raum, den ich einst stolz Freunden gezeigt hatte. Jetzt fühlte es sich nur wie eine Falle an. Sie führten mich zu einem Samtstuhl, auf den ich mich als Kind nur ungern gesetzt hatte.
Ich saß steif da, die Hände im Schoß gefaltet, meine Knöchel weiß gegen mein Gewand. Mein Herz schlug wild, doch ich konnte mich nicht dazu bringen aufzublicken. Nicht auf den großen Kronleuchter, der sein kaltes Licht über mich warf, nicht auf die Porträts an den Wänden und schon gar nicht auf die Gesichter der Menschen, die mich jetzt umgaben. Meine Familie – oder das, was von meiner Familie übrig war, bevor alles zerfiel.
Ich spürte ihre Blicke auf mir – beobachtend, urteilend. Meine Haut kribbelte unter ihrem Blick, und meine Kehle schnürte sich noch weiter zu. Ich schluckte schwer, aber der Kloß verschwand nicht.
Die Stimme meines Vaters durchschnitt die angespannte Stille. "Dies ist meine reizende Tochter", stellte er mich vor, und ich kämpfte, um meine Augen nicht aufzureißen. Reizende?
Unwillig hob ich meinen Blick, meine Haut prickelte vor Unbehagen. Mein Herz machte einen Sprung, als mein Blick auf den Fremden, den Gast fiel.
Ich fand mich in den Augen eines Mannes wieder, dessen Anwesenheit den gesamten Raum zu beherrschen schien, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Seine Augen, kalt und grau, funkelten bedrohlich silbern, scharf und schneidend wie die Klinge eines Messers. In dem Moment, als sie mich erblickten, fühlte ich, wie meine Seele entblößt und ihm dargelegt wurde. Sein Blick war durchdringend und doch beunruhigend desinteressiert, als könnte er alles sehen, doch nichts interessierte ihn.
Sein dunkles, mitternächtliches Haar umrahmte sein Gesicht, verschluckte das Licht um ihn herum und betonte die scharfen Linien seines Kiefers und den Grat seiner Stirn. Seine Züge waren starr und fest, als wären sie aus Stein gemeißelt – schön auf eine unnatürliche Weise, fast aus einer anderen Welt. Die Härte seines Ausdrucks ließ keinen Platz für Weichheit oder Wärme, nur eine eisige Distanz, die mich bis auf die Knochen frösteln ließ.
Und doch hatte er etwas schmerzlich Vertrautes an sich, ein Déjà-vu-Gefühl, das den Amboss in meinem Bauch noch schwerer werden ließ. Er strahlte Gefahr aus – eine so dichte Bedrohungsatmosphäre, dass ich instinktiv zurückwich, obwohl mein Körper wie erstarrt blieb. Er brauchte nicht zu sprechen, um mir zu zeigen, wozu er fähig war. Die Schatten klebten an ihm wie alte Freunde.
Die Stimme meines Vaters plätscherte im Hintergrund weiter, aber ich hörte kaum hin. Ich war zu sehr auf den Mann vor mir konzentriert – den Fremden, der alles andere als das schien. Der Knoten in meiner Kehle zog sich zu, erstickte mich, und es kostete mich jede Kraft, die ich noch hatte, meine Angst nicht zu zeigen.
Wer war er? Und warum fühlte er sich an wie der Beginn von etwas Schrecklichem?
"Liebling? Schatz?"
Ich riss mich aus meiner Trance und drehte mich zu meinem Vater um, nur um festzustellen, dass alle Augen im Raum auf mich gerichtet waren. Ich schluckte heftig, als ich merkte, dass sie versucht hatten, meine Aufmerksamkeit zu erregen.
Meine Wangen erröteten vor Verlegenheit, und ich senkte schnell wieder den Kopf. Ich fühlte mich so fremd in meiner eigenen Haut. Die Eva, die sich immer auf Gäste eingelassen hatte, war verschwunden. Ich wollte zurück in meine Zelle. Ich fühlte mich wie ein verlorenes Schaf unter diesen Leuten.
Mein Vater kicherte ein wenig. "Meine liebe Tochter ist schüchtern, wie du sehen kannst."
Liebling? Seine liebevollen Worte ließen mir die Galle hochkommen.
Der Mann, wenn ich ihn so nennen konnte, hielt seine Worte nicht einmal einer Antwort für würdig."Schatz?" Es war die Stimme meiner Mutter, die mich aufblicken ließ. "Möchtest du dich nicht bei unserem Gast entschuldigen? Du könntest seine Gefühle verletzt haben." Ihre Stimme klang warm, doch ich vernahm die Drohung darin; ihre Augen waren schmal.
Ich stand auf und drehte mich zu dem Mann, unfähig, ihn erneut anzusehen. Ich verbeugte mich: "Ich bitte um Entschuldigung."
Er schwieg abermals.
"Siehst du, Hades," durchbrach mein Vater die Stille. "Sie ist etwas schüchtern. Das ist doch verständlich, vor allem, wenn man seinem zukünftigen Ehemann gegenübersteht."
Es dauerte einen Moment, bis ich die Tragweite seiner Worte begriff, und mein Kopf ruckartig zu meinem Vater herumfuhr, doch er tat so, als bemerke er meinen Schock nicht und fuhr fort.
"Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Allianz eine neue Ära für Werwölfe und Lykaner einläuten wird."
Allianz? Lykaner? Mein Kopf schwirrte. Ehemann? Mir wurde übel.
Ich biss auf meine Zunge und unterdrückte den Drang zu fliehen, doch eine Kraft zog mich nach unten.
Rhea? rief ich töricht.
Aber keine Antwort.
Mein Herz klopfte heftig und meine Sicht verschwamm. Das war eine Falle.
"In der Tat, eine neue Morgendämmerung, sofern du dich an unsere Vereinbarung hältst, Darius." Hades' Stimme durchschnitt die erdrückende Stille. Sie war tief, rau und erfüllt von einer Autorität, die in den Wänden des Raumes zu schwinge schien.
Seine silbern leuchtenden Augen fixierten mich, durchdrangen die schwache Maske, die ich trug. Als könnte er das Beben unter meiner Haut sehen, die Angst, die sich den Weg meine Kehle hochbahn und drohte, mich zu ersticken. Doch weiterhin sagte er nichts, was es bestätigte. Stattdessen musterte er mich mit der Geduld eines Raubtiers, darauf wartend, dass ich unter der Last seines Blickes zusammenbrechen würde.
"Ich fordere keine Entschuldigung von ihr", fuhr Hades fort, seine Stimme nun tief und tödlich, was mir einen Schauer über den Rücken jagte. "Was ich von ihr verlange... ist Gefügigkeit." Sein letztes Wort hing in der Luft, eine unterschwellige Warnung, versteckt in der Ruhe seines Tons.
Meine Knie waren schwach, aber ich zwang mich zu stehen, während die Spannung im Raum so dicht zu werden schien, dass man daran ersticken könnte. Gefügigkeit? Dieses Wort hallte in meinem Kopf wider und legte sich wie eine Kette um mein bereits fragiles Selbstverständnis. Er meinte nicht nur Gehorsam, er meinte Unterwerfung - vollständige und bedingungslose Kapitulation vor seinem Willen. Dem Willen eines Lykaners.
Mein Vater nickte, blind für den Sturm, der in mir wütete. "Natürlich, natürlich! Sie wird tun, was auch immer zum Wohle der Allianz nötig ist. Nicht wahr, Ellen?"
Ich konnte kein Wort hervorbringen. Hatte er mich gerade mit dem Namen meiner Schwester angesprochen?
Meine Mutter lachte verlegen. "Und wer würde sich nicht fügen, dem mächtigen Lykanerkönig?"
Meine Augen weiteten sich vor Schock. Das war nicht irgendein Lykaner. Der Mann, an den ich ausgeliefert wurde, war Hades Stavros, die Hand des Todes selbst.