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Chapter 22 - Nachbeben - 1

Yoon Se Ah kam zwei Stunden früher als üblich zur Arbeit, weil sie überhaupt nicht schlafen konnte. Das, was im YL Hotel mit Lim Sang Hyuk geschehen war, hatte sie bis ins Mark erschüttert. Von Zeit zu Zeit, ganz unvorhergesehen, begannen ihre Hände zu zittern, und sie musste sich zusammenreißen, um es unter Kontrolle zu bekommen.

"Es fühlt sich an wie ein Nachbeben. Mein Herz wurde von einem Erdbeben getroffen."

Sie musste unweigerlich daran denken, was als Nächstes passieren könnte – würde Sang Hyuk aus Bosheit Gerüchte über sie verbreiten, dass sie eine aggressive Schlampe sei? Sie hatten zwar zusammen die Bar verlassen, doch keiner hatte gesehen, wie sie in ein Taxi stiegen und zum Hotel fuhren. Vielleicht sollte sie mit Lee Min Hyun reden und ihn bitten, mit ihr zu kooperieren und einfach zu behaupten, dass sie wegen Unwohlsein früher gegangen sei.

"Ich war damals wirklich hart zu ihm, ich bezweifle, dass er mir helfen wird."

Während sie alle möglichen Szenarien durchging, die eintreten könnten, wenn Lim Sang Hyuk zur Arbeit kam, verlor Se Ah das Zeitgefühl und wurde erst durch das laute Stimmengewirr ihrer Kollegen in die Realität zurückgerufen.

"Oh, Fräulein Yoon, Gott sei Dank geht es Ihnen gut!"

Sowohl Teamleiter Shin als auch Herr Woo eilten zu ihrem Platz und musterten sie mit besorgten Gesichtern.

"Als wir erfahren haben, was Lim Sang Hyuk letzte Nacht passiert ist, haben wir uns große Sorgen um Sie gemacht!"

Se Ah weitete die Augen in aufrichtiger Verblüffung.

"Hm? Wovon sprechen Sie? Ist Lim Sang Hyuk etwas zugestoßen?"

"Ist das nicht der Mann, der auf der Party mit Ihnen geflirtet hat?"

Lee Min Hyun setzte sich auf seinen Stuhl und sah Se Ah neugierig an. Herr Woo nickte und fuhr fort:

"Genau! Sein Manager hat gesagt, dass er auf dem Parkplatz direkt vor seinem Haus angegriffen wurde! Er wurde grün und blau geschlagen, ein Wunder, dass seine Knochen heil geblieben sind. Aber was ich gehört habe, sein Gesicht ist... vollkommen entstellt."

Er schauderte, als ob er sich etwas Furchtbares vorstellte, und sah wieder zu Fräulein Yoon, deren Augen immer noch vor Verwirrung weit aufgerissen waren. Herr Shin bemerkte ihren Kummer, stupste Herrn Woo an der Seite an und seufzte:

"Mensch, Herr Woo, Sie ängstigen Fräulein Yoon. Fräulein Yoon, es ist wohl ein Glück, dass Sie damals nicht bei Herrn Lim waren. Wer weiß, was hätte passieren können? Ach, die Kriminalitätsrate ist in letzter Zeit wirklich gestiegen, es ist zum Verzweifeln."

"Ja... Das ist zum Verzweifeln."

Die Hände von Se Ah begannen wieder zu zittern, doch diesmal nicht aus Sorge oder Angst – sie war seltsamerweise aufgeregt. Min Hyun beobachtete ihre Reaktionen genau und als er sah, wie sich ihre Mundwinkel leicht nach oben zogen, hatte er das Gefühl, gleich zu explodieren. Er hatte alles richtig gemacht. Und er wollte von ihr gelobt werden.

"Wenn ich darüber nachdenke, Hwang Na Ra ist heute auch nicht zur Arbeit gekommen. Sie hat sich unerwartet krankgemeldet. Min Hyun, seid ihr beiden nicht zusammen von der Party gegangen?"

Fräulein Lee stand vor dem Schreibtisch des Praktikanten und betrachtete ihn mit misstrauischem Blick. Min Hyun lehnte sein Kinn auf die linke Hand, während er auf den Computerbildschirm blickte, und antwortete beiläufig:

"Richtig. Sie sagte, sie hätte zu viel getrunken und fühle sich übel, also habe ich sie heimgebracht."

Langsam hob er seinen Blick und schaute Joo Yeong direkt an.

"Das war's."

Fräulein Lee spürte, wie sich ihr Körper unter seinem kühlen Blick versteifte, aber sie dachte nicht daran, nachzugeben."Sie meinen also, dass Sie sie zu ihrer Wohnung in der G Street gebracht haben?"

"Miss Lee, ich dachte, Hwang Na Ra sei Ihre Freundin. Wieso wissen Sie nicht, wo sie wohnt? Ich habe sie zu ihrer Wohnung in der K Street gebracht und habe ihr sogar geholfen, hineinzukommen – im dritten Stock, Wohnung fünfundzwanzig."

"Miss Lee, ist Ihrer Freundin auch etwas zugestoßen? Warum dieses plötzliche Verhör?"

Teamleiter Shin neigte erwartungsvoll den Kopf nach rechts, doch Joo Yeong schüttelte nur den Kopf und kehrte an ihren Schreibtisch zurück.

Se Ah hoffte, dass die Angelegenheit zumindest für den Rest des Tages erledigt sei. Im Büro wurde jedoch getratscht, als wäre Lim Sang Hyuk eine Art Berühmtheit. Glücklicherweise schien niemand Notiz davon zu nehmen, dass sie die letzte Person war, die ihn vor dem Vorfall gesehen hatte; das erleichterte ihr Herz ein wenig. Aber die Entwarnung währte nicht lange.

"Miss Yoon, dürfte ich kurz mit Ihnen sprechen?"

Miss Lee setzte sich an den Tisch in der Kantine neben sie und sah ihr direkt ins Gesicht.

"Miss Yoon, Sie sind doch mit Lim Sang Hyuk ins Hotel gegangen, oder nicht?"

Se Ah schluckte ihren Bissen hinunter, als Joo Yeong sich zu ihr setzte und mit ruhiger Stimme erwiderte,

"Wie kommen Sie darauf?"

Miss Lee weitete ihre Augen, als hätte sie diese Rückfrage nicht erwartet. Doch sie fasste sich schnell und lächelte,

"Nun, ist es nicht offensichtlich? Und da ich diejenige war, die Sie beiden verkuppelt hat, war ich mir seiner Absichten irgendwie bewusst... Ist dort was vorgefallen?"

"Wahnsinn, Miss Lee, ich hätte nicht gedacht, dass Sie so unsensibel sein können."

Se Ah setzte ein verschlagenes Lächeln auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Selbst wenn alle bereit waren, die zwielichtige Natur von Firmenveranstaltungen zu ignorieren, wagte es niemand, solche heiklen Themen im Nachhinein anzusprechen. Dass ausgerechnet Miss Lee frech genug war, Se Ah so zu konfrontieren, war ziemlich widerwärtig.

Lee Joo Yeong zog die Augenbrauen zusammen und blickte fast finster,

"Miss Yoon, verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte keine Details, aber... ich mache mir Sorgen um Sang Hyuk. Wenn Sie also etwas darüber wissen, was ihm zugestoßen ist..."

"Ich glaube nicht, dass meine Zeit mit Lim Sang Hyuk dazu geführt hat, dass jemand ihn auf dem Parkplatz vor seinem Haus attackiert hat. Ich weiß nicht einmal, wo er wohnt."

"Verstehe. Okay, es tut mir leid, dass ich Sie beim Mittagessen gestört habe."

Miss Lee warf Se Ah einen letzten Blick zu und verließ dann die Kantine.

'Verdammt, hat sie wirklich nichts mit ihm angefangen? Er sollte Fotos machen und Gerüchte verbreiten, dass sie eine unterwürfige Schlampe ist – muss ich das jetzt selbst in die Hand nehmen? Gott, wie nervig!'

Sie war so in Gedanken versunken, dass sie den vor ihr stehenden Menschen nicht bemerkte, und bevor sie es realisierte, stieß sie mit dem Kopf an dessen Schulter und wäre fast gefallen.

"Oh, Entschuldigung, Miss Lee, geht es Ihnen gut?"