Joo Yeong hob auf das Geräusch einer vertrauten Stimme den Kopf und zuckte zusammen – Lee Min Hyun ragte wie ein Berg über ihr auf. Obwohl er lächelte, war sein sonst so attraktives Gesicht nun von einem dunklen, etwas unheimlichen Schatten überzogen.
„Oh... Richtig. Ja, es geht mir gut. Es tut mir leid."
„Das ist beruhigend. Aber... Sie sehen seit heute Morgen nicht mehr so gut aus. Geht es Ihnen nicht gut?"
Frau Lee blickte in seine freundlich lächelnden Augen und konnte ein seltsames Gefühl nicht abschütteln – sein übliches distanziertes Verhalten war plötzlich von Rücksicht und Sorge ersetzt worden, die er bisher nur Yoon Se Ah entgegengebracht hatte. Auch heute fiel ihr das auf, denn nachdem beide die Party besucht hatten, hatte Min Hyun sich von seiner Mentorin abgewendet und sprach nicht mit ihr, es sei denn, sie sprach ihn zuerst an. Was hatte ihn verändert?
„Nein, mir geht es gut. Ich mache mir nur Sorgen um meine Freunde... Hätten sie nicht zur Party kommen müssen, wären sie vielleicht nicht verletzt worden."
Der Praktikant beugte sich vor, sein Gesicht kam Joo Yeongs Gesicht fast nahe, und er sprach mit sanfter, charmanter Stimme:
„Oh, Frau Lee, Sie sind zu nett. Ich hatte keine Ahnung, dass Sie so rücksichtsvoll sein können."
Die Frau zuckte zusammen, als sie seinen heißen Atem an ihrem Ohr spürte, und zog ihr Gesicht zurück. Sie fühlte sich unwohl. Aber auch geschmeichelt.
„Nun, Frau Yoon ist nicht die einzige freundliche Person hier, wissen Sie."
Sie erwähnte Frau Yoon absichtlich, um den Mann zu provozieren, und es gelang ihr. Min Hyun führte seine linke Hand hinter sich und ballte die Faust, während sein Gesicht von ihrer erbärmlichen Provokation unbeeindruckt blieb. Er richtete sich auf und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand, wobei er Frau Lee immer noch tief in die Augen schaute.
„Frau Lee, haben Sie heute Abend Zeit?"
„Wie bitte?"
Sie riss die Augen auf, als hätte sie gerade etwas Ungeheures gehört. Min Hyun schmunzelte und wiederholte:
„Ich fragte, Frau Lee, ob Sie heute Abend Zeit haben?"
„Warum? Wollen Sie sich mit mir verabreden?"
„Nur, wenn Sie ja sagen."
Obwohl sie bereits zugegeben hatte, dass sie sich körperlich zu dem Praktikanten hingezogen fühlte, hatte sie nie erwartet, dass er diese Gefühle erwidern würde. Hatte sie sich also geirrt? Mochte er sie die ganze Zeit über anstelle von Frau Yoon? Joo Yeong konnte nicht anders, als zu schmunzeln, als dieser Gedanke ihr durch den Kopf ging, aber dann fasste sie sich schnell wieder und nickte.
„Also gut. Wir treffen uns um 20 Uhr in der Bar 'Blue Rooster' neben dem K-Mall. Ich muss noch etwas erledigen, wenn ich Feierabend habe, also können Sie dort einfach auf mich warten."
„Perfekt."
Min Hyun winkte Frau Lee zu, als er in den Besprechungsraum ging, und ließ sie allein und ziemlich verwirrt zurück. Er ging zu dem breiten weißen Schreibtisch, nahm sein Telefon in die Hand und tippte eilig etwas mit einem seltsam zufriedenen Lächeln auf seinem Gesicht. Alles lief nach Plan."Blue Rooster" war eine der ältesten Bars in Itaewon und bekannt für seine einzigartigen Cocktails und seine gemütliche, doch düstere Atmosphäre. Es war der perfekte Ort für diejenigen, die ungestört und alleine Zeit verbringen, oder auch diskret Menschen treffen wollten. Glücklicherweise war die Bar an Wochentagen stets menschenleer, was für Min Hyun ein Segen war, da genau diese Bar von Miss Lee ausgewählt wurde.
Es war bereits 8:15 Uhr, als Joo Yeong neben der Praktikantin auf die Couch fiel und ihre leicht zerzausten Haare mit den Händen richtete.
"Entschuldige die Verspätung! Ich musste noch etwas bei einem Freund vorbeibringen und steckte im Stau fest. Bestell mir bitte ein Glas trockenen Rotwein, ich gehe zuerst auf die Toilette."
Mit einem freundlichen Lächeln nickte Min Hyun, und nachdem die Frau die Toilettentür hinter sich geschlossen hatte, gab er dem Kellner ein Zeichen und bestellte die Getränke.
"Verfahren wir wie besprochen?"
Der Kellner fragte leise, während er in Min Hyuns ausdrucksloses Gesicht schaute, und auf ein weiteres Nicken hin ging er zur Bartheke, machte eine Geste zum Barkeeper und kam mit zwei Gläsern Rotwein zurück.
Kurz darauf kehrte Miss Lee zurück, ließ sich auf die Couch sinken und ließ einen langen, lauten Seufzer heraus. Dann griff sie nach ihrem Glas und nahm einen großzügigen Schluck.
"Wie erwartet, der Alkohol ist wirklich von einem anderen Kaliber."
"Aber Miss Lee, warum wollten Sie sich in der Bar treffen? Wir hätten doch auch schön essen gehen können."
Mit den ehrlich neugierigen Augen eines Hundewelpen schaute Min Hyun die Frau an, was bei ihr ein höhnisches Schnauben auslöste, als würde sie ihm am liebsten den Kopf tätscheln.
"Erste Dates können ziemlich stressig sein, Alkohol entspannt und lässt einen den Abend genießen. Findest du nicht auch?"
Sie nahm noch einen Schluck und richtete ihre bereits funkelnden Augen auf den Tisch – sie begann, den Fokus zu verlieren.
"Mann, ich fühle mich schon ganz schwindelig, liegt das daran, dass ich auf leeren Magen trinke?"
Min Hyun beobachtete, wie sie mit ihrem Glas herumspielte, als wüsste sie nicht, wohin damit, und musste grinsen. Joo Yeongs Mund fühlte sich an, als würde er schmelzen, und ihre Augen konnten keinen Moment fokussieren. Sie versuchte, ihre Zunge zum Sprechen zu bewegen, aber sie fühlte sich ungewöhnlich schwer an, und alles, was sie in einem fast unverständlichen Gemurmel sagen konnte, war das Wort "Hyun".
Min Hyun beugte sich vor und ergriff ihr Gesicht am Kinn.
"Miss Lee, wie konnten Sie nur so betrunken sein? Ist das Ihre Vorstellung von einem Date? Ich hätte Sie nicht für so leichtsinnig gehalten."
Als er diesen Satz beendet hatte, standen bereits zwei große Männer am Tisch, bereit für seine Anweisungen.
"Bringt sie in Zimmer 1001."
Die Männer packten Miss Lee an den Armen, führten sie aus der Bar und schoben ihren fast reglosen Körper in ein schwarzes Auto mit getönten Scheiben. Min Hyun steckte sich eine Zigarette in den Mund, Chae Ji Seon zündete sie mit seinem Feuerzeug an und als eine dicke graue Rauchwolke aus seinem Mund aufstieg, gab er Ji Seon ein Zeichen, sich zu bewegen, und stieg in sein eigenes Auto.