'Da war er - groß, schlank, mit schwarzem, ziemlich ungekämmtem Haar, breiten Schultern und einem unglaublich warmen Lächeln auf seinem jungen Gesicht. Er war für einen Büroangestellten ungewöhnlich einfach gekleidet - eine gerade schwarze Hose, klobige weiße Turnschuhe und ein sorgfältig in die Hose gestecktes weißes T-Shirt, insgesamt ein erfrischender Look.
„Mein Name ist Yoon Se Ah, ich bin Kundenbetreuerin und leite das Verkaufsteam. Es freut mich, Sie kennenzulernen."
Der Mann nickte und lächelte erneut, was Frau Yoon etwas verlegen machte. Sie ließ ihre Handtasche auf die Schublade ihres Schreibtisches fallen und ließ sich in ihren Stuhl fallen, bereit, ihren Tag zu beginnen. Min Hyun starrte sie eine Minute lang an, dann zog er einen weiteren Stuhl heran und setzte sich.
„Kommen Sie immer so früh zur Arbeit? Ich dachte, Sie fangen um neun Uhr an."
Er legte seinen linken Ellbogen auf den Rand von Se Ahs Schreibtisch und lehnte sich vor, während er sie weiterhin mit überraschend verträumten Augen ansah. Ohne ihren Blick von ihrem Laptop abzuwenden, seufzte sie leise und antwortete,
„Ja, in unserer Abteilung gibt es immer viel zu tun, und bevor alle um neun mit der Arbeit beginnen, organisiere ich den Zeitplan und die Arbeitsabläufe des Teams, das ich betreue."
„Das ist wirklich beeindruckend!"
Schließlich sah Se Ah ihm ins Gesicht, woraufhin der Mann mit einem plötzlichen Zusammenzucken reagierte. Er richtete sich auf und weitete seine Augen ein wenig - es war seltsam, ihren intensiven Blick auf seinem blassen Gesicht zu spüren.
„Lee Min Hyun, warum sind Sie so früh hier?"
Min Hyun atmete unerwartet laut aus, als hätte er die ganze Zeit die Luft angehalten, dann kratzte er sich verlegen am Hinterkopf und senkte den Blick.
„Nun, ich war zu aufgeregt, um zu schlafen, also kam ich hierher, sobald die U-Bahnstation geöffnet wurde."
Frau Yoon schnaubte kurz, drehte dann ihr Gesicht weg und begann zu tippen.
„Das wird sich bald ändern. Sobald Sie mit der Arbeit beginnen, werden Sie das Gefühl haben, nie genug Schlaf zu bekommen."
Min Hyun antwortete nicht, und nach einiger Zeit, als sie feststellte, dass er weder seinen Platz verlassen noch aufhören würde, sie anzustarren, setzte Se Ah ein gekünsteltes Lächeln auf, erhob sich und nahm ihre Handtasche.
„Lee Min Hyun, haben Sie schon gefrühstückt? Möchten Sie etwas mit mir essen?"
Der junge Mann sprang fast auf und nickte begeistert, wie ein übermütiges Kind.
‚Das ist jetzt schon anstrengend. Ich hoffe, Teamleiter Shin lässt mich nicht seinen Mentor spielen.'
Das firmeneigene Café im Erdgeschoss hatte zwar schon geöffnet, war aber noch recht leer - obwohl die Mitarbeiter dort einen recht hohen Rabatt bekamen, wollten die meisten ihre kostbare Zeit vor der Arbeit nicht dort zum Essen opfern. Se Ah hingegen war eine Stammkundin, weil sie es lästig fand, ihr eigenes Frühstück oder überhaupt eine Mahlzeit zuzubereiten.
Sie kaufte zwei Tassen Americano und eine Auswahl an Gebäck, da der neue Praktikant sich völlig auf ihre persönliche Wahl verlassen wollte, setzte sich dann mit ihm an einen Tisch neben dem Fenster und reichte ihm eine heiße Tasse in die großen Hände.
„Danke, Frau Yoon, aber Sie hätten nicht darauf bestehen müssen, zu bezahlen! Ich bin zwar nur ein Praktikant, habe aber trotzdem Geld."
Sein hübsches Gesicht verzog sich zu einem fröhlichen Grinsen, als er diese Worte sagte, und Se Ah konnte nicht anders, als ihn charmant zu finden.
‚Lee Joo Yeong wird entzückt sein, wenn sie ihn sieht. Er ist wirklich eine Augenweide.'
Sie lächelte zurück und nahm einen Schluck von ihrem Kaffee.
„Also, Lee Min Hyun..."
„Oh, bitte, Frau Yoon, nennen Sie mich Min Hyun, ich bin schließlich jünger als Sie!"
Se Ah hob überrascht die Augenbrauen bei seiner unverblümten Unterstellung, entschied sich aber, nicht darauf zu reagieren, es war nur natürlich, dass er jünger war, er war ein Praktikant.
„Wie alt sind Sie denn?"
„Ich bin fünfundzwanzig! Frisch von der Universität."Er grinste erneut und biss in sein Schokobrötchen, das er mit einem kräftigen Schluck Kaffee herunterspülte.
"Sie sind also einfach so von unserer Firma angestellt worden? Das ist wirklich beeindruckend."
Um ehrlich zu sein, war Se Ah alles andere als beeindruckt. Eher war sie ziemlich eifersüchtig – sie hatte während ihres Studiums drei unbezahlte Praktika bei verschiedenen Technologieunternehmen durchlaufen müssen, bevor sie sich überhaupt getraut hatte, sich bei dieser Firma zu bewerben. Der Gedanke, dass jemand so mir nichts, dir nichts eingestellt wurde, ließ sie recht miserabel fühlen.
'Vielleicht ändern sich die Zeiten tatsächlich zum Besseren.'
Den Rest der Mahlzeit verbrachte sie schweigend und vermied es aus irgendeinem unerklärlichen Grund, Min Hyun anzusehen, der seinerseits seinen Blick nicht von ihr abwenden konnte. Als es schließlich unerträglich wurde, seufzte Se Ah leise und blickte auf, gerade als sie eine vertraute Stimme hörte, die ihren Namen rief.
"Frau Yoon!"
Teamleiter Shin Eun Tae winkte ihr zu, ging zu ihrem Tisch und stellte eine braune Papiertüte darauf.
"Guten Morgen! Ich bin es gewöhnt, Sie morgens an Ihrem Schreibtisch essen zu sehen; das hier ist eine angenehme Überraschung."
Ohne auf eine Antwort zu warten, wandte er seinen Blick nach rechts und stieß einen erleichterten Ausruf aus.
"Oh! Ich sehe, Sie haben unser neues Praktikum schon kennengelernt. Ein ziemlich attraktiver Bursche, finden Sie nicht auch? Frau Lee wird sicherlich begeistert sein, ha! Wie auch immer, ich freue mich, dass Sie sich bereits gut verstehen, denn Frau Yoon, ab heute möchten ich, dass Sie ihn trainieren und anleiten."
"Was?!"
Sowohl Herr Shin als auch Min Hyun weiteten die Augen, und sie selbst war schockiert über ihre ungewöhnlich heftige Reaktion.
'Toll, jetzt habe ich den Bock zum Gärtner gemacht.'
Teamleiter Shin lachte, um die peinliche Stimmung zu übertünchen, die sie eben erzeugt hatte, klopfte dem Praktikanten auf die Schulter und sagte:
"Frau Yoon ist nur etwas überrascht, weil es schon lange her ist, dass wir einen neuen Mitarbeiter eingearbeitet haben. Sie ist das kompetenteste Teammitglied, und Sie, Herr Lee Min Hyun, werden viel von ihr lernen. Daran zweifle ich nicht."
Min Hyun lächelte zurück und nickte.
"Ich freue mich darauf."
Als die drei in ihr Büro zurückkehrten, waren die anderen Teammitglieder bereits bei der Arbeit, was Se Ah extrem unwohl fühlte – zum ersten Mal seit Jahren musste sie den Raum betreten, nachdem alle anderen schon da waren.
Herr Shin räusperte sich und erregte die Aufmerksamkeit aller, und sechs Paar Augen richteten sich fast gleichzeitig auf ihn.
"Guten Morgen, meine Damen und Herren. Das ist Lee Min Hyun, unser neuer Praktikant, der von der Firma eingestellt wurde, und ab heute wird er eng mit Frau Yoon zusammenarbeiten, die ich als seine Trainerin und Mentorin ausgewählt habe. Seien Sie nett zu ihm, aber stellen Sie auch sicher, dass er keinen Ärger macht."
Ein Murmeln ging durch den Raum, als die Leute begannen, den Neuen zu begrüßen. Die gelassene Miene, die Min Hyun den ganzen Morgen über behalten hatte, wisch einem verlegenen Mix aus Schüchternheit und Höflichkeit Platz.
"Wahnsinn, Frau Yoon, Sie haben wirklich Glück! Ich wünschte, ich wäre für seine Einarbeitung zuständig."
Frau Lee schmollte spielerisch mit den Lippen, um dann in ein zufriedenes Grinsen zu verfallen, und klopfte Min Hyun sanft auf seinen muskulösen Arm.
"Brav gemacht, Lee Min Hyun, ich hoffe, wir verstehen uns gut."
Der Praktikant lächelte zurück und wischte sich, als er dachte, niemand würde es sehen, mit einem kaum wahrnehmbaren Ausdruck des Ekels über den Arm. Als er merkte, dass Se Ah seine vorherige Handlung beobachtet hatte, zwinkerte er ihr einfach zu, ging dann zu ihrem Schreibtisch und sagte mit einer süßen Stimme:
"Ich bin ganz zu Ihren Diensten, Frau Yoon."
'Was zum Teufel?'