-Aus Satoru's Sicht-
„Genug für heute", läutete ich den wohlverdienten Feierabend für heute ein.
Das ließ sich die neue Jujuzistin nicht zweimal sagen und fiel erschöpft zu Boden der Turnhalle, wie eben auch, mit meiner Fluchtechnik festgehaltenen Objekte, die ich für das Training benutzt hatte.
Eigentlich hätte das Training dazu dienen sollen, dass ich ihre verborgene Fluchkraft aus ihren Fängen befreien sollte, aber auch heute verspürte ich nichts. Seit geschlagenen vier Monaten hatte ich nun das Vergnügen gehabt, diesem Mädel ihre Fluchkräfte sowie Fluchenergie zu entfesseln, aber nach wie vor vergebens. Ich verspürte nichts. Nicht mal einen Hauch von dem, was ich sehnsüchtig in ihr suchte.
„Gott sei Dank", seufzte sie fertig und schnaufte mit hängendem Kopf lautstark die Luft aus, wobei ihr fliederfarbenes Pony ins Gesicht fiel sowie einzelne gelöste Strähnen aus ihrem geflochtenen Zopf.
Was machte ich falsch? Bisher war es mir nahezu immer gelungen, dass ich meine Schüler an ihr und mein gesetztes Ziel brachte. Nur bei ihr nicht. Jegliche Versuche und Einfälle zeigten keinerlei Wirkung. Sie konnte Fluchwerkzeuge und Fluchobjekte einsetzen, auch die Flüche darin sehen, aber es verhalf auch nicht weiter, um ein Stück weit etwas aus ihr herauszulocken. Und an körperlicher Stärke hatte es diesem zierlichen Mädchen auch gefehlt, um gegen sie gewachsen gewesen zu sein – jedenfalls ohne Waffen. Ganz zu schweigen vom fehlenden Mut, diesen Viechern schlichtweg eins übers Maul zu hauen.
Allmählich bereitete es mir Kopfzerbrechen, aber es entsprach nicht der Norm eines Jujuzisten und Aufgeben kam für mich keineswegs infrage.
„Geh dich ausruhen", befahl ich ihr strenger als beabsichtigt und wurde sogleich im Ton weicher, „für morgen habe ich mir ein Spezialtraining für dich ausgedacht."
Wäre doch gelacht, wenn ich das nicht hinbekommen würde...
Jedoch war das nicht wirklich das, was sie hören wollte und schaute prompt entsetzt als auch erschrocken zu mir auf. Aus weit aufgerissenen ultravioletten Augen schaute sie mich an, als würde sie mich jeden Moment in Stücke reißen wollen.
Reizend schoss mir sogleich durch den Kopf.
„Ernsthaft?! Willst du mich umbringen? Habe ich dir was getan?!", versuchte sie verzweifelt, ihrem bereits festgelegten Schicksal zu entkommen.
Da hatte jemand so gar keine Lust mehr darauf, von mir gequält worden zu sein. Aber ich musste hart und standfest bleiben.
„Ernsthaft. Und nein, du hast mir nix getan, wobei ich schon glücklich darüber gewesen wäre, wenn du endlich mal aus dir herauskommst und mich mit Fluchkraft angreifen würdest."
Ich ging vor ihr in die Hocke, blickte über meine Sonnenbrille hinweg in ihre violetten Augen und strich ihr eine weiche Haarsträhne hinters Ohr zurück, die sich aus ihrem Zopf gelockert hatte.
„Ich möchte endlich deine Fluchkraft sowie Fluchtechnik kennenlernen."
Sie legte ihren Kopf schief und lächelte aufgezwungen, „das wird doch nichts, Satoru. Seit vier Monaten. Tagein, tagaus. Und ich besitze nichts anderes, als die Fähigkeit, diese blöden Viecher nur zu sehen."
„Ja, aber ohne jegliche Hilfsmittel, Mayu. Das wiederum bedeutet, dass du auch in der Lage bist, sie auszutreiben."
Entmutigt sprach sie in der Mitte meines Satzes die Worte mit, die ich aussprach.
„Ich weiß, das sagst du mir, seitdem wir trainieren, aber dann wäre doch längst etwas passiert. Aber da ist nichts. Ich fühle mich nicht komisch, mächtig oder Fluch austreibend."
„Deswegen starten wir morgen einen neuen und anderen Versuch. Morgen nach dem Frühstück gehen wir los."
„Wie losgehen?!", wiederholte sie überrascht, „treffen wir uns nicht wieder hier in der Turnhalle?"
Ich schüttelte den Kopf, „nein. Für morgen habe ich mir etwas anderes überlegt. Einzelheiten bekommst du morgen früh."
Ich erhob mich wieder und reichte ihr meine Hand, um ihr auf die Beine aufzuhelfen.
„Komm, wir gehen zurück ins Wohnheim."
Kurzum legte sie ihre kleine und warme Hand in meine und half ihr auf.
„Das verheißt nichts Gutes...", meckerte sie qualvoll und verzog das Gesicht, „kommt Megumi oder Kento mit?"
„Nein. Nur wir zwei alleine", verriet ich.
Schluss mit dem trockenen Training in der Turnhalle. Wir brauchten Action.
„Was hast du bitte mit mir vor?!", fragte sie bereits deutlich entsetzter.
„Das erfährst du morgen", wiederholte ich amüsiert und zog sie hinter mir mit zum Ausgang der Turnhalle.
„Och nö. Wie gemein von dir. Jetzt kann ich mit allem rechnen und mir unendlich viele Gedanken dazu machen."
„Viel Spaß dabei", frohlockte ich unverschämt zu ihr nach hinten und verließen unseren heutigen und erfolglosen Übungsplatz.
Hätte ich ihr auch nur ein Detail verraten, wäre sie sicherlich über Nacht untergetaucht und spurlos verschwunden. Ich kannte doch meinen Angsthasen seit der ersten Sekunde zu gut. Zusammen mit Megumi hatten wir sie vor dem Fluchgeist des 2. Ranges gerettet. Zusammengekauert in einer dunklen Nische, hatte sie Schutz vor dieser Ungestalt gesucht und gehofft, nicht gefunden zu werden. Es war purer Zufall, dass wir an diesem Ort vorbeiliefen. Sie wäre nur ein weiteres unnötiges und geschätztes Opfer geworden.
Angekommen in meinem Zimmer ließ ich mich blindlings auf mein Bett fallen, nahm meine Sonnenbrille ab und strich mir mühselig übers Gesicht, ehe ich an die Decke starrte. Ich ließ das eben hinter uns gebrachte Training Revue passieren. Auch heute verspürte ich wiedermal nichts. Rein gar nichts. Es floss nicht mal ein Fünkchen Fluchkraft in sie durch.
Meinen Angriffen wich sie mehr panisch als strategisch aus und war eher damit beschäftigt, das Ganze endlich hinter sich zu bringen.
Flüche konnte sie sehen, auch mit ihnen hantieren, wenn es sich um kleinere Fluchgeister handelte, die einem Kleintier ähnelten, aber sie gewiss nicht austreiben. Es sei denn, es war einer des 4. Ranges. Den konnte sie auch mit einem Gummihammer zur Strecke bringen, aber das war auch keine Kunst. Dafür benötigte man auch nicht sonderlich viel an Fluchenergie. Aber immerhin einen geringen Funken. Ein Nicht-Jujuzist hingegen war nicht in der Lage, diesen zu vertreiben. Also musste da was gewesen sein! Das verspürte ich auch, wenn ich einen Fluchgeist des 4. Ranges, bei den wenigen Male im Training, auf sie losgelassen hatte.
Ich seufzte schwermütig aus.
Lag es an mir? War ich zu streng? Hatte ich einen falschen Plan verfolgt? Hatte Mayu wirklich keinerlei Fluchenergie in sich und das alles war umsonst? Das konnte nicht wahr gewesen sein. Woher kam es denn dann, dass sie befähigt war, diese zu sehen? Es hatte jemanden in ihrer Familie geben müssen, von dem sie das vererbt bekommen hatte. Aber sie darauf ansprechen erwies sich für meinen Geschmack als unpassend. Jedenfalls jetzt noch nicht.
Auch Megumi hatte bisweilen ein und dasselbe berichtet. Bei jeder Mission zeigte sich kein Wunder. Und auch er verspürte keinerlei Fluchenergie. Genauso wenig wie Kento, der sie zwei oder dreimal mit auf seine Aufträge mitgenommen hatte. Immerhin konnte er ihr ein wenig Klarheit über Residuen verschaffen, die sie komischerweise auch sehen konnte.
„Wie anstrengend", beschwerte ich mich und massierte mir die Schläfen.
Wie konnte man nur ein derartiges Rätsel gewesen sein? Es nervte mich ungemein, aber auf der anderen Seite bereitete es mir unglaublich viel Spaß. Es forderte mich auf allen Ebenen heraus und das spornte mich immer weiter an. Zudem konnte ich auch eine Menge Zeit mit Mayu verbringen, die ich still und heimlich genossen hatte.
Ich biss mir auf die Unterlippe.
Sie faszinierte mich. Auf eine gewisse Art und Weise, die ich nicht beschreiben konnte. Sie war überaus freundlich und nahezu immer gut gelaunt. Auch wenn das Training, welches ich ihr auferlegt hatte, alles andere als leicht war. Klar, sie meckerte viel darüber, aber davon ließ sie sich nicht länger als maximal zwei Minuten einnehmen und sie stellte sich wieder ihrer Aufgabe mit erhobenem Haupt.
Hatte ich ein Lächeln gesucht, musste ich ihr nur in das hübsche Gesicht schauen und sie erhellte nebenbei meine Stimmung sowie Gemüt. Ich verlor mich viel zu oft in ihren strahlenden violetten Augen, die einen unsagbaren passenden Kontrast zu ihren fliederfarbenen Haaren abgab.
Vielleicht hätte ich mir auch schlichtweg eingestehen müssen, dass sie mich ein klein wenig eingenommen hatte. Mehr als mir lieb war.
Anderen war sie stets mit Respekt gegenübergetreten. Zu Megumi hingegen pflegte sie eine besondere Bindung. Auch wenn er über zehn Jahre jünger als sie war, verhielt sie sich Megumi gegenüber unerfahrener, wenn es um Sachen Jujutsu ging. Aber auf der anderen Seite war sie für ihn wie eine große Schwester und schien immer ein offenes Ohr für ihn zu haben.
Auch war mir aufgefallen, dass sie sehr ordentlich war. Das konnte man an ihrem Erscheinungsbild sowie Zimmer ausmachen. Und kochen. Oh ja, wenn sie gekocht hatte, standen wir drei bei ihr Schlange und bei dem Gedanken daran, musste ich gerade aufpassen nicht zu sabbern.
Jedoch wuchs in mir der Wunsch nach meinem Lieblingssushi und wer könnte mich da heute besser begleiten als Mayu? Sie würde bestimmt nicht nein sagen und so einen Abend zu zweit außerhalb der Akademie würde uns beide sicherlich ein wenig näher bringen.
Aber vorher hatte ich mich nach einem heißen Bad gesehnt. Dieses Kopfzerbrechen um diesen weiteren erfolglosen Trainingstag wollte ich schnell hinter mich bringen. Kurzum verließ ich meinen Entspannungsplatz, kramte aus dem großen Wandschrank frische Kleidung heraus und ließ mein Rückzugsort hinter mich. Am Bad angekommen stellte ich fest, dass unter der Tür Licht durch schien. Jemand war also im Bad.
Riskierte ich es und traf auf einen der anderen Jungs oder hatte ich vielleicht sogar Glück und erwischte Mayu? Ich legte fies grinsend die Hand an die Klinke, riss die Tür mit Schmackes auf und wurde sogleich von einem heiß dampfenden und fruchtig duftenden Nebel begrüßt. Inklusive spitzer Aufschrei.
„Satoru!", kreischte meine Wunschperson giftig auf und versank sogleich tiefer in die rundlichere Wanne hinunter.
Volltreffer! Meine Freude stieg und das Kopfzerbrechen von eben hatte sich in Luft aufgelöst. Wie herrlich! Und ein Bad musste ich mir auch nicht mehr einlaufen lassen, da Mayu bereits inmitten eines riesengroßen Schaumbergs saß. Eigentlich bedauerlich, denn so bekam ich leider nicht viel von ihr zusehen, aber alleine die Tatsache, dass ich mich jetzt unverschämterweise mit in die Wanne setzen würde, hatte mir zunächst einmal gereicht.
„Wie du sehen kannst, ist das Bad besetzt!", herrschte sie mich scharf an.
„Moin!", begrüßte ich hingegen überschwänglich und zog die Tür hinter mir zu, schloss ab und legte meine Kleidung aus der Hand in das Regal.
Hätte sie vorhin bereits die Tür verschlossen, wäre dieses Szenario erst gar nicht passiert. Aber auch so hielt ich eine Erklärung für unnötig und ergriff den Saum meines weißen T-Shirts, wobei sie mir ungläubig dabei zusah, wie dieses Kleidungsstück seinen Weg auf den Boden fand.
Scheinbar hatte soeben der Satz 'macht der nicht wirklich' seinen Weg auf ihr Gesicht gefunden, denn aus ungläubig zusehen wurde soeben entsetzt dreinblickend.
„Satoru!! Du hast doch nicht etwa vor-", „doch habe ich", unterbrach ich sie geschwind korrigierend und wanderte mit meinen Händen zu meiner Gürtelschnalle.
In Sekundenschnelle hielt sie sich ihre Hände vors Gesicht, sog scharf die Luft ein und wandte sich letztendlich mit ihrem Rücken zu mir um.
„Du spinnst doch", kicherte sie argwöhnisch, „kommst du jetzt wirklich mit in die Badewanne?!"
„Oh ja", prophezeite ich, entledigte mich noch meiner restlichen Kleidung und stieg in die Wanne.
„Hach, wie herrlich", schwärmte ich, während ich es mir im heißen Nass gemütlich machte.
Da machte es sich doch bezahlbar, dass wir eine große und rundliche Badewanne hatten, in der genug Platz für zwei Personen war.
„Ich glaubs einfach nicht", lachte sie auf, „bist du jetzt wirklich in der Wanne? Hinter mir?"
„Jap. Kannst dich auch gerne wieder umdrehen."
„Du bist doch echt verrückt", erwiderte sie und warf bedacht einen übervorsichtigen Blick über ihre Schulter hinweg zu mir und ging auch ja sicher, dass sie mir nichts wegschauen konnte, ehe sie sich gänzlich zu mir umdrehte.
Doch, was hatte sie denn da? Mit zusammengezogenen Augenbrauen erblickte ich durch ihr pastelllinanes Haar einen dunkelblauen Fleck an ihrer Schulter durchblitzen. Verdutzt beugte ich mich nach vorne und strich zärtlich ihre zur Hälfte nasse Haarpracht zur Seite hinweg. Ihren aufgeschreckten sowie hochroten Blick ließ ich dabei unbeachtet.
„Was hast du denn da gemacht?"
„I-ich?", fragte sie erschrocken und schaute ebenfalls auf ihre Schulter, „ach das? Das kommt von unserem Training."
Das war das Letzte, was ich wollte. Zärtlich legte ich meine Hand an ihren Oberarm ab und strich sanft mit meinem Daumen über die geschundene Hautstelle. Ich konnte mich gewiss nicht mehr daran erinnern, wie ich ihr den zugefügt hatte. Ich hatte deutlich mehr aufpassen müssen.
„Das war keine Absicht von mir."
„Ach, ich bitte dich", lächelte sie mich besänftigend an, „das hättest du auch nicht vermeiden können. Das vergeht schon wieder. Außerdem ist das nicht der Einzige. Ich habe noch so viele andere, die ich teilweise nur im Spiegel erblicken kann."
„Ernsthaft?", was hatte ich bitte mit ihr angestellt? Das erschreckte mich, „das tut mir leid. Hast du noch mehr Verletzungen?"
„Satoru", tadelte sie mich lieb, „nein. Nur die paar blauen Flecken. Sonst geht es mir gut."
Eindringlich schaute ich in ihre Seelenspiegel, um etwaige Schwindeleien zu erhaschen, aber sie sprach die Wahrheit.
„Außerdem", begann sie erneut, „werde ich mich schon noch früh genug dafür revanchieren. Auch dafür, dass du jetzt einfach hier mit im Bad bist!"
Mit diesem Versprechen lehnte sie sich wieder zurück und streckte ihre Beine neben mir aus. Zu schade aber auch, dass sie sich nicht ein Stück weiter hoch gesetzt hatte. So hätte ich ein wenig mehr ersehen können, statt nur ihre nass benetzten Schultern. Und wenn sie wirklich gewollt hätte, dass ich nicht mit hier drin gesessen hätte, wäre ihre Ablehnung darüber auch sicherlich anders ausgefallen.
„Und wie?", wollte ich neugierig wissen und hob eine Augenbraue in die Höhe, während ich meine Hand unter dem Wasser auf ihr Schienbein legte. Bemerkte dabei, dass ihre Haut genauso glatt und weich, wie ihr Oberarm war.
„Vielleicht macht sich das Training ja irgendwann bezahlbar und ich entwickel ja doch Fluchkraft und dann zahle ich es dir heim."
Ich grinste schelmisch auf, „und das soll, wann sein? Wenn wir unter der Erde liegen?", ließ ich ein kleines bisschen meiner Frustration durchsickern.
„Allerspätestens dann, ja. Dann werfe ich dich imaginär mit Erde ab, also so mit meiner entfachten Fluchkraft oder so", versprach sie mir ironisch, worauf wir beide auflachten.
„Ich bitte darum. Dann habe ich immerhin doch mein Ziel erreicht."
„Um ehrlich zu sein, glaube ich aber immer noch nicht daran", schaute sie entmutigt zur Seite hinweg und zum großen Fenster hinaus, welches neben uns für einen hereinfallenden orangefarbenen Lichtschein sorgte, der von der untergehenden Sonne hineinkam.
Ihre nasse Haut glänzte sachte von dem warm erhellenden Sonnenlicht. Auch wenn das gerade nicht zwischen uns gepasst hatte, konnte ich nicht umhin, als sie anzuschmachten.
„Du musst selbst daran glauben, Mayu. Nur weil sich bisher deine Fluchkraft noch nicht gezeigt hat, bedeutet es nicht, dass du nicht über sie verfügst."
„Quatsch", stieß sie niedergeschlagen die Luft aus und stützte ihren Ellenbogen auf dem Wannenrand ab, wie auch ihr Kinn in die Hand, „das ist doch bloß verschwendete Zeit. Willst du das wirklich noch durchziehen?"
„Natürlich. Es dient ja nicht alleine dazu, dass ich deine Fluchkraft erwecken möchte, sondern dich auch im Wesentlichen darauf vorbereite, was alles drumherum zu beachten ist. Fluchkraft alleine macht noch lange keinen starken Jujuzisten aus. Deshalb ist es mir auch wichtig, dass du dich auch mit den anderen kurzschließt."
„Ja, das mache ich auch bereits, aber wenn doch die Basis gar nicht vorhanden ist, kann ich mit dem drumherum auch nicht wirklich was anfangen. Ich besitze keine Fluchenergie und von einer Technik brauche ich erst gar nicht anzufangen."
Sie blickte nach wie vor der Sonnenstrahlen entgegen, die sie wie ein seichter Schleier umhüllten. Irgendwie beruhigte es mich, dass sie dieselbe Frustration darüber mit mir teilte, denn auch, wenn ich es ungern zugab, trieb es mich allmählich in die Ratlosigkeit. Hätte ich möglicherweise doch darüber nachdenken sollen, dass sie eine der wenigen war, die tatsächlich keine Fluchkraft besaß? Das erwies sich mir aber als nicht richtig.
„Lass den Kopf nicht hängen. Noch habe ich einige Ideen auf Lager."
„Dein Optimismus in allen Ehren. Ich hoffe doch, dass du recht hast."
„Natürlich habe ich recht", merkte ich an und schnappte mir meinen Duschschwamm. Auf diesen verteilte ich eine ordentliche Portion meines Duschgels und streckte Mayu den hellblauen Knäuel entgegen. Perplex schaute sie auf meine Hand, streckte mir dennoch fragend wie zögernd ihre Hand entgegen und entnahm mir den Schwamm.
„Könntest du mir den Rücken einseifen?"
„Äh- ja natürlich!", schoss es wie aus einer Pistole aus ihr heraus, wobei ich auflachen musste.
„Gibs zu, du hast gerade an nicht jugendfreie Szenen gedacht. Mir ist bereits aufgefallen, dass du ganz schnell im Kopfkino versinkst."
Entsetzt sog sie die Luft ein, während ihre Wangen die Farbe einer saftigen Kirsche annahmen, was mir bestätigte, dass ich vollkommen richtig lag.
„Bin ich so leicht zu durchschauen?!"
„Deinen roten Wangen nach zu urteilen, ja."
Wäre es unmoralisch, mir zu wünschen, gerade die Hauptrolle ihres Kopfkinos zu spielen? Zu schade aber auch, dass es zunächst nur dabei bleiben sollte, wonach ich sie gebeten hatte. So war ich es nun, der ihr den Rücken zuwandte.
„Mit dir mache ich was mit", entfleuchte es ihr peinlich berührt und spürte, wie sie den Schwamm an mein Schulterblatt ansetzte und begann mir den Rücken einzuseifen.
„Jede Menge spannende Ereignisse und Gedanken", erlaubte ich mir den Spaß und zog sie weiter auf.
„Sehr witzig", brummte sie, wobei ich hätte schwören können, dass sie dabei die Augen verrollte.
Ich hingegen schloss meine und genoss die Zärtlichkeit, die sie in ihr Tun legte. Bis zu jenem Moment, bei dem sie den Schwamm achtlos ins Wasser fallen ließ, sich hinkniete und sich daran zu schaffen machte, mit ihren Handflächen über meine Schultern zu streichen.
„Hast du mit diesen Verspannungen keine Schmerzen?!", fragte sie entsetzt, wobei sich ein besorgter Unterton hineinschlich, „die bemerkt man ja selbst durch den Schwamm hindurch."
„Das sind doch keine Verspannungen", tat ich ab und bekam eine gewaltige Gänsehaut.
Solch eine Berührung hatte ich schon lange nicht mehr...
Zunächst strich sie gleichzeitig und druckvoll über meine Schultern, übte dabei gleichmäßig Druck auf ihre Handflächen aus, die großzügig über meine sehr wohl verspannten Körperpartien glitten.
„Von wegen", widersprach mir meine beginnende Masseurin und übte weiterhin ordentlich Druck aus, „das massiere ich dir jetzt weg."
Na, das klang wie Musik in meinen Ohren.
Sogleich wurde ihr gefühlvolles Streichen durch eine sanfte Druckmassage ersetzt, wobei sie punktuell die Bewegungen ihrer Daumen intensivierte. Mir stellten sich augenblicklich die Nackenhaare auf, während mir ein Schauer über den Rücken jagte. Alleine das tat bereits unfassbar gut und presste die Lippen aufeinander.
Sie übte noch mehr Kraft aus und konzentrierte sich nun mehr auf ihre Feinarbeit mit den Daumen, die sich meinen Verspannungen annahmen. Gerade so, dass es an der Schmerzgrenze vorbeischlitterte, denn zugegeben hatte ich derweil einiges an Verspannungen gesammelt. Und bei Gott konnte sie das gut.
Kraftvoll massierte sie gleichzeitig über meine Schulterblätter bis hoch zu meinem Schlüsselbein und wieder zurück. Diese Wohltat durfte ich einige Male genießen, ehe sie augenblicklich mit beiden Händen zu meiner linken Schulter wanderte, um sich vollends auf sie zu stürzen.
Annähernd knetend massierte sie und strich über meine Haut und kümmerte sich um meinen Muskel, der es bitter nötig hatte, derartig durch die Mängel genommen zu werden.
Mit aller Mühe hielt ich ein unterdrücktes Aufstöhnen auf, hätte aber zu gerne kundgetan, wie sehr mir das gefiel.
„Tuts weh?", wollte sie sich vergewissern – scheinbar rutschte mir doch ein tiefes aus atmen aus.
„N-nein", raunte ich zufrieden, „das ist perfekt."
Bestärkt in ihrer Wohltat führte sie ihr durchkneten weiter fort, was mir wortwörtlich den Atem raubte. Ich neigte meinen Kopf zur Seite, was sie dazu veranlasste noch weitere Verspannungen mit in ihre Bahnen hineinzunehmen.
Waren es fünf Minuten oder gar mehr, die sie auf der einen Seite verbracht hatte? Keine Ahnung, aber soeben wechselte sie die Seite, wobei sie erneut anfing, sanft mit ihren warmen Handflächen druckvoll über meine Haut zu streichen. Die Gänsehaut, die sie mir bescherte, hatte keineswegs vorgehabt zu verschwinden, im Gegenteil wurde sie um Längen stärker.
Auch hier legte ich bereits zu Beginn meinen Kopf wieder zur Seite und genoss diese himmlische Verwöhnung in vollen Zügen, die sie mir gefühlvoll schenkte.
Schien auch diese Seite genug aufgewärmt zu sein, verwandelte sich ihr gefühlvolles Streichen wieder in die Massage, die sich eben noch auf der anderen Seite befand. Kraft ausübend und druckvoll, immer noch darauf bedacht, mir nicht wehzutun, steigerte sie sich von Mal zu Mal und ging meinen Verspannungen an den Kragen.
Es entkam mir doch hin und wieder ein zufriedenes Aufseufzen, was ich auch nicht mehr versucht hatte zu unterdrücken. Es ging schlichtweg nicht.
Nach unzähligen Minuten nahm sie sich wieder beide Schultern gleichzeitig vor und wanderte mit ihren Händen meinen Nacken hinauf, den sie sich wohl als Nächstes vornahm. Die nächste Welle an Gänsehaut und Schauer suchte mich binnen eines Augenaufschlags heim, wobei ich davon ausging, dass es nicht noch mehr werden konnte.
Beginnend mit ihren Daumen strich sie von unten nach oben über meinen Nacken und fuhr dieselbe Linie von oben nach unten zurück. Das wiederholte sie ein paar mal, ehe sie mehr Kraft in ihre langsame Bewegung legte. Wer der Meinung war, dass er jemals eine gute Massage genossen hatte, wurde noch nie von Mayu massiert.
War ich davon ausgegangen, dass dies nicht zu übertreffen war, kam ich soeben in den Genuss, mit ihren Handballen massiert worden zu sein. Ich sog tief die Luft ein, hielt kurz inne, um wieder lauter durch die Nase zu atmen. Herrgott fühlte sich das göttlich an. Das hätte ich durchweg die ganze Nacht genießen können.
Durch diesen süßlichen Schmerz hindurch spürte ich deutlich, dass sich die Verhärtungen allmählich verweichlicht hatten und sich meine Schultern sowie Nacken nach und nach leichter anfühlten. Ich hätte ihre Hände dafür küssen können.
„So", läutete sie mein befürchtetes Ende herbei, „jetzt solltest du schon eine Verbesserung merken."
Ein letztes Mal strich sie kraftvoll mit ihren Handflächen über meinen Nacken, ehe sie von hinten ihre Arme um mich schlang und sie ihren Oberkörper gegen meine eben massierte Körperstelle drückte. Zu meiner Gänsehaut, sowie den unzähligen Schauern kam eine immense Hitze dazu, die sich von meiner Brustmitte aus ausbreitete.
Ich konnte nicht anders, als gerade darüber nachzudenken, dass sie ihren Busen gegen meinen Rücken presste.
„Jetzt musst du deine Schultern und Nacken warm halten."
Genau. Und das machte man mit ihren Brüsten?! Auf diese Art und Weise hätte ich das auch getan...
Konzentrier dich auf was anderes...
Ich schaute an mir herab zu ihren Armen, die sie vollends um mich gelegt hatte und lenkte meinen Fokus auf ihr Gesicht, welches direkt neben meinem war.
„Womit habe ich das verdient?"
„Wer sagt denn, dass du dir das verdienen musst?"
Wow. Sind die weich und warm... Scheiße, denk nicht an ihre Brüste! Man, wieso müssen die so weich sein?!
„Du bist aber so krass verspannt, Satoru, dass das mit einem Mal noch lange nicht weg ist. Ich werde dich jetzt öfter massieren, wenn du damit einverstanden bist."
„Was für eine Frage", erwiderte ich innerlich freudig. Bekam ich dann immer ihren Busen zu spüren?!
Ich musste mich ablenken!
„Hast du das gelernt?", die Frage aller Fragen, die mich gerade verbrennend interessiert hatte...
„Nein, habe ich nicht. Ich massiere so, wie ich denke, dass es sich gut anfühlen könnte."
Mit aller Mühe konzentrierte ich mich auf ihre liebliche Stimme. Auf die Antwort, die nichts mit ihrer Weiblichkeit zu tun hatte. Also versuchte es weiterhin. Aber es gelang mir nicht so recht. Was hätte ich dafür gegeben, mich umzudrehen und ihre softe Oberweite zu massieren. Als Art Revanche für das, was ich eben genießen durfte. Ich hätte mich schlichtweg selbst aus ihren Fängen befreien können, aber so wirklich wollte ich das nicht. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mich weiter zu quälen.
Na wobei, eine Qual war das nicht, aber es quälte mich, nichts mit ihnen anfangen zu dürfen.
Jedoch wurde mir sogleich eine widerwillige Abhilfe verschafft. Sie drückte mir noch einen hauchzarten Kuss auf die Schulter, ehe sie sich zaghaft von mir entfernte und mich aus der warmen und herzlichen Umarmung entließ. Zu schade aber auch, jetzt waren die überaus kuschelweichen Kissen weg...
„Was hast du dir für morgen eigentlich überlegt, mit mir anzustellen?", riss mich ihre Frage aus meinen Gedanken.
Mit ihr anzustellen? Wäre das auf die jetzige Situation bezogen, wäre mir so einiges Unanständiges eingefallen, aber das war leider nicht die Frage. Inzwischen hatte sie sich wieder an ihren Platz gesetzt und verschränkte schützend die Arme vor sich, denn allmählich ließ der Schaum ein paar Einblicke mehr zu, wie zuvor. Und aus Respekt ihr gegenüber hatte ich ihr nicht mehr meinen Rücken zugewandt.
„Das erfährst du morgen."
„Och bitte, Satoru, sonst kann ich nicht schlafen! Ich kann dann an nichts anderes denken."
Pah. Hatte sie auch mal kurz an meine Nacht gedacht, nachdem sie mir eben derart nah gekommen war?
„Denk doch einfach an mich."
„Du Held", schmunzelte sie abgetan, „das muss ich ja indirekt sowieso damit tun. Nenn mir doch zumindest den Ort, wo du mich hin entführst."
Am liebsten in mein Bett – hätte ich zu gerne geantwortet, jedoch musste ich meine Gedanken auf morgen lenken.
„Ich entführe dich nicht. Ich möchte dich bloß ins kalte Wasser werfen, also verrate ich dir nichts."
„Och man. Du sturer Esel. Aus dir wird man auch nicht schlau."
„Doch. Spätestens morgen. Hast du eigentlich schon was gegessen? Ich lade dich gleich zum Essen ein."
Und mit diesen Worten setzte ich meinen Schmuddelgedanken ein endgültiges Ende, setzte mich ein Stück weit auf, um deutlich zu machen, dass ich mich aus der Wanne verziehen wollte. Sie verstand im Nu und drehte sich wieder mit ihrem Rücken zu mir um.
„Sicher? Ich kann uns auch einfach etwas kochen, wenn du möchtest."
Ja, am liebsten! Aber nein, ich hatte mich insgeheim schon auf mein Sushi gefreut.
„Dieses Angebot nehme ich ein anderes Mal an. Wir treffen uns in einer halben Stunde vor dem Wohnheim."