Die versammelten Drachen standen in einem Halbkreis um Thalor, der in der Mitte der Lichtung thronte. Die Luft war schwer, gefüllt mit dem Knistern der Magie, die die Drachen ausstrahlten. Jeder von ihnen wusste, dass die letzte Schlacht entscheidend gewesen war – doch der Sieg hatte sie nicht sicher gemacht.
„Wir haben die Jäger in die Flucht geschlagen," begann Thalor, seine Stimme war tief und ruhig. „Aber der Anführer ist noch am Leben, und solange er lebt, wird dieser Krieg nicht enden. Wir müssen wachsam bleiben."
Die Drachen murmelten zustimmend. Viele waren verletzt, die Flügel von Schrammen gezeichnet, ihre Schuppen teilweise verbrannt. Doch der Geist der Drachen war ungebrochen.
Ein mächtiger, schwarzer Drache trat vor. „Was ist der nächste Schritt, Thalor? Wir können nicht einfach hier sitzen und warten, bis sie wieder angreifen."
Thalor nickte. „Wir werden eine Verteidigungslinie errichten, aber ich will nicht nur warten. Ich werde in der Nacht alleine auskundschaften, um herauszufinden, was der Anführer plant. Diese Ungewissheit müssen wir beenden."
„Sei vorsichtig," sagte eine Drachenkriegerin, deren goldene Schuppen im Mondlicht glänzten. „Die Jäger sind listig."
Thalor nickte erneut, entschlossen. „Ich werde es sein." Mit diesen Worten löste sich die Versammlung langsam auf. Die Drachen bereiteten sich darauf vor, Wache zu halten oder sich für den kommenden Tag zu erholen. Thalor aber wandte sich nachdenklich ab, hob sich mit einem kräftigen Flügelschlag in die Lüfte und verschwand in die Dunkelheit.
Die Nacht war still, nur das leise Flattern seiner Flügel und das entfernte Rauschen des Windes waren zu hören. Thalor flog niedrig über den Wäldern, seine Augen wachsam, als er nach Spuren der Jäger suchte. Er wusste, dass der Feind sich nicht weit entfernt haben konnte.
Er war allein, wie er es wollte. Seine Sinne waren geschärft, und er konnte das dumpfe Knirschen von Ästen und das entfernte Hufgetrappel hören. Er verengte die Augen und flog tiefer, näher an den Boden, um bessere Sicht auf die Bewegungen unter sich zu bekommen.
Plötzlich, ohne Vorwarnung, zischte ein Speer durch die Luft. Er war kaum zu sehen, ein Schatten im Dunkeln, und er traf Thalor direkt in die Flanke. Ein brennender Schmerz durchzog seinen Körper, und bevor er reagieren konnte, begann er zu fallen. Der Aufprall war heftig. Er landete hart auf dem Waldboden, seine Flügel und Beine in einem Knäuel, während der Speer tief in seinem Fleisch steckte.
Thalor versuchte, sich zu erheben, doch bevor er auch nur die Flügel ausbreiten konnte, war er bereits von einem Netz umhüllt. Dutzende von Jägern sprangen aus den Schatten, ihre Netze und Seile engten ihn immer weiter ein. Er brüllte vor Zorn, spie Feuer, doch die Netze waren mit feuerfestem Material durchsetzt. Seine Flammen verpufften wirkungslos in der Nachtluft.
„Haltet ihn fest!" schrie eine Stimme aus der Dunkelheit. Der Anführer der Jäger trat in den Lichtkreis, den die Fackeln der Männer warfen. Sein Gesicht war kalt, seine Augen funkelten vor Triumph. Er ging mit langsamen, entschlossenen Schritten auf Thalor zu, der immer noch versuchte, sich aus dem Netz zu winden.
„So, da haben wir ihn endlich. Den großen Drachen, der dachte, er könnte uns besiegen," sagte der Anführer höhnisch, als er sich über den gefesselten Thalor beugte. „Aber jetzt wirst du lernen, was es heißt, gedemütigt zu werden."
Thalor funkelte ihn an, sein Blick war voller Hass. „Du wirst diesen Krieg verlieren," knurrte er, obwohl der Schmerz in seiner Flanke pochend und unerträglich war.
Der Anführer lachte nur kalt. „Du verstehst es nicht, Drache. Es geht nicht nur um den Sieg. Es geht darum, dir zu zeigen, dass selbst eine Kreatur wie du, so stark und furchteinflößend, unterworfen werden kann." Er beugte sich näher zu Thalors Gesicht, sein Lächeln wurde breiter. „Ich werde dich nicht einfach töten. Nein, ich werde dich zur Schau stellen. Deine Gefangenschaft wird das Symbol unseres Triumphes."
Thalor zischte und versuchte, seinen Kopf zu bewegen, doch das Netz war zu eng. „Was hast du vor?" verlangte er zu wissen.
Der Jäger trat einen Schritt zurück und sah sich seine Männer an, die weiter daran arbeiteten, Thalor zu sichern. „Morgen, bei Tagesanbruch, werde ich dich den Menschen zeigen. Sie werden sehen, wie machtlos du bist. Sie werden verstehen, dass Drachen nichts weiter als Tiere sind, die unter der Ferse der Menschheit stehen." Sein Gesicht verzog sich zu einem bösartigen Grinsen. „Und dann, nach Tagen der Qual und Demütigung, werde ich dich töten. Langsam."
Thalors Herz raste vor Wut und Verzweiflung, doch er gab sich keine Blöße. „Du wirst scheitern," sagte er mit fester Stimme. „Meine Brüder und Schwestern werden kommen. Und wenn sie das tun, wirst du für all das bezahlen."
„Ich denke nicht," sagte der Anführer ruhig, „denn bis sie kommen, wirst du längst ein gebrochener Schatten deiner selbst sein."
Mit einem letzten, abfälligen Blick drehte sich der Anführer um und ließ seine Männer zurück, die weiterhin daran arbeiteten, Thalor vollständig in Ketten zu legen. Thalor versuchte, seine Magie zu rufen, doch die Ketten und das Netz unterdrückten seine Kräfte.
Der Schmerz des Speers, die Schwere der Netze und die Worte des Anführers legten sich wie eine erdrückende Last auf Thalor. Zum ersten Mal seit langem fühlte er die kalte Klinge der Niederlage in seinem Herzen. Doch er wusste, dass dies noch nicht das Ende war.
Seine Flügel waren gebunden, sein Feuer unterdrückt, doch tief in ihm brannte ein Funke – die Hoffnung auf Rettung. Er war nicht allein. Die Drachen würden kommen.