Die Worte hingen in der Luft, erdrückend wie eine dunkle Wolke. Bei dem Anblick des leblosen Körpers ihres Vaters entwich Emily ein entsetzter Laut, und unwillkürlich schlug sie die Hände vor den Mund. Sie wich zurück, prallte gegen die Wand und die Wahrheit der Situation krachte mit voller Wucht auf sie ein.
Anne spürte, wie ihr Herz einen Schlag aussetzte, und Fassungslosigkeit machte sich in ihrem Kopf breit. Sie hatte nicht beabsichtigt, ihn zu töten – sie wollte nur Heather und Emily schützen. Der Anblick der reglosen Gestalt auf dem Fußboden und das Entsetzen in den Gesichtern von Heather und Emily ließen sie sich wie ein Monster fühlen.
"Nein, nein, das darf nicht wahr sein", murmelte Anne, während sie erschüttert zurückwich. "Das darf einfach nicht passieren."
Heather kniete noch immer neben ihrem Ex-Mann. Starr vor Schock, fixierte sie seine stille Brust. Ihr Atem ging in hastigen Zügen, Tränen rannen über ihre Wangen und hinterließen schimmernde Spuren auf ihrer fahlen Haut. Der Mann, der sie jahrelang terrorisiert hatte, der ihr so viel Leid zugefügt hatte, war nicht mehr.
Emilys Schluchzer durchbrachen die erdrückende Stille. Ihr Körper bebte, während sie die Wand hinabrutschte. "Mum, was sollen wir nur tun?" Die Worte quollen hervor, unterbrochen von ihren angestrengten Atemzügen.
Heather drehte sich langsam zu ihrer Tochter um. Tiefes Mitgefühl lag in ihrem Blick. "Es tut mir so leid", flüsterte Anne, ihre Stimme kaum mehr als ein Hauch. "Das wollte ich nicht. Ich wollte ihn nicht verletzen."
In Heathers ruhigen Augen spiegelte sich keine Wut, nur ein trauriges Verständnis. Sie hatte die Verzweiflung und die Gewalt in den letzten Momenten ihres Mannes gesehen und verstand, dass Annes Handeln durch Schutztrieb geleitet worden war.
Endlich atmete Heather tief und schwankend ein und erhob sich. Ihr Blick auf Anne war eine Mischung aus Kummer und Ergebung. "Es ist nicht deine Schuld, Anne", sprach sie sanft. "Er hat es selbst so weit kommen lassen. Aber jetzt müssen wir entscheiden, wie es weitergeht."
Anne presste die Fäuste zusammen und kämpfte darum, ihre Emotionen zu zügeln. Ihnen war klar, dass sie hier nicht bleiben konnten, nicht mit einem Toten im Raum. Panik drohte sie zu übermannen, doch sie zwang sich zu klarem Denken. Sie mussten gehen, und zwar schnell.
"Ich… ich werde mich um ihn kümmern", sagte Heather, ihre Stimme zitterte vor Ungewissheit. "Du und Emily, ihr solltet eure Sachen packen. Wir müssen los, bevor es jemand bemerkt. Hilf mir aber erst mit ihm."
Anne und Emily warfen sich einen Blick zu, ihnen beiden wurde kalt bei dem Gedanken an das, was sie nun tun mussten. Annes Herz pochte heftig, trotzdem zwang sie sich, Heather zu folgen. Gemeinsam näherten sie sich dem reglosen Körper von Heathers Mann – dem Mann, der sie noch vor wenigen Minuten terrorisiert hatte.
Heather handelte gefasst und routiniert, als sie seinen Körper in die Bettlaken wickelte. Anne zögerte einen Augenblick, schüttelte das Gefühl aber schnell ab. Jetzt war nicht die Zeit für Zaudern. Sie beugte sich hinunter, um beim Anheben des Körpers zu helfen.
Emily wich zurück, ihre Hände bebten, als sie zusah, wie ihre Mutter und Anne mit ihrer Last rangen. Ihr Gesicht war blass, ihre Augen weit aufgerissen von Angst und Verwirrung. "Mum, was sollen wir tun?", wisperte sie, kaum hörbar.
Heather antwortete nicht sofort, konzentrierte sie sich darauf, den Körper aus dem Zimmer zu bringen und überlegte, was als Nächstes zu tun war. Nachdem sie es schließlich geschafft hatten, den Körper im Kofferraum des Autos zu verstauen, wandte sie sich an Emily und legte ihre Hand sanft, aber bestimmt auf deren Schulter.
"Keine Sorge", sagte Heather nun weicher. "Ich kümmere mich darum. Du und Anne bleibt hier und packt unsere Sachen. Wir müssen bereit sein, bald zu gehen."Emily nickte, obwohl sie immer noch zitterte. Heather schaute nicht zurück, als sie in die Nacht hineinfuhr und Anne und Emily auf dem leeren Parkplatz zurückließ.
Als die Rücklichter des Autos in der Dunkelheit verschwanden, wandte sich Anne an Emily und legte tröstend ihre Hand auf deren Schulter. „Lass uns tun, was deine Mutter gesagt hat", sagte Anne, während sie versuchte, beruhigend zu klingen, obwohl ihre eigene Stimme leicht zitterte. „Wir müssen packen."
Emily bewegte sich mechanisch, schnappte ihre Kleidung und Habseligkeiten und stopfte alles mit zitternden Händen in ihren Koffer. Anne tat es ihr gleich, ihr Kopf raste, während sie versuchte, alles zu verarbeiten, was passiert war.
Heather kehrte zurück, ihr Gesicht blass, aber gefasst. Sie atmete tief ein und blickte die beiden Mädchen ernst an. „Es ist erledigt", sagte sie schlicht. „Alles ist geregelt. Jetzt müssen wir ruhig bleiben und den Abend vergessen. Morgen fangen wir neu an."
Anne nickte, obwohl sich ihre Worte leer anfühlten.
Emily, noch immer zitternd, schlang ihre Arme um ihre Mutter und vergrub ihr Gesicht in Heathers Schulter. „Ich habe Angst, Mom", flüsterte sie mit brüchiger Stimme. „Was, wenn sie es herausfinden?"
Heather strich ihrer Tochter beruhigend über das Haar. „Das werden sie nicht", versprach sie. „Wir werden weit weg sein, bevor jemand auch nur daran denkt, nach ihm zu suchen. In Alaska werden wir sicher sein. Niemand wird erfahren, was hier passiert ist."
Anne beobachtete die Szene, ihr Herz schwer von der Last dessen, was sie getan hatten. Sie wollte Heather glauben und darauf vertrauen, dass alles gut werden würde, aber tief im Innern spürte sie, dass nichts mehr so sein würde wie zuvor.
Später in der Nacht, als Heather und Emily in einen unruhigen Schlaf gefallen waren, fand Anne sich allein im winzigen Hotelbadezimmer wieder, um zu tun, was sie vorhatte.
Sie hatte sich eigentlich säubern wollen, um die Spuren des Abends zu beseitigen, stattdessen fand sie sich wie erstarrt wieder, mit einem Schwangerschaftstest in der Hand, den sie früher gekauft hatte; ihr Instinkt sagte ihr, dass sie ihre Vermutung bestätigen musste. Mit zitternden Händen öffnete Anne den Test und befolgte die Anweisungen, während ihr Herz in ihrer Brust hämmerte, als sie auf das Ergebnis wartete.
Zwei blaue Linien.
Anne starrte auf den Test, während ein Wirbelsturm von Gefühlen in ihr tobte. Angst. Schock. Verwirrung. Und tief innen eine kleine, flackernde Hoffnung. Doch im kalten, sterilen Licht des Badezimmers war ihr eines klar: Ihr Leben hatte sich für immer verändert.
Tränen stiegen in ihren Augen hoch, während sie den Test an ihre Brust drückte und ihr Herz in den Ohren schlug.
Sie war nicht mehr nur Anne, die abtrünnige Wölfin auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit. Sie trug jetzt ein neues Leben in sich, das Baby ihres Gefährten. Das Baby von Alpha Damien. Sie dachte daran, ihn aufzusuchen und ihm die Neuigkeiten zu überbringen, doch eine Welle der Unsicherheit überkam sie. Würde er dieses Kind wollen? Er hatte sie nicht gewollt. Was, wenn er ihr Baby tötete?
Nein!
Sie umklammerte ihren flachen Bauch und flüsterte: „Ich werde dich beschützen, Kleines."
Sie würde alles tun, was nötig war, um ihr Baby zu beschützen, selbst wenn das bedeutete, ihr ganzes Leben lang auf der Flucht zu sein.