Mit majestätischen Schritten tritt der König in den Raum, seine Präsenz füllt sofort die gesamte Atmosphäre mit einer bedrückenden Macht. Eine schwere, silberne Krone thront auf seinem Haupt, kunstvoll verziert mit blauen Edelsteinen, die im schwachen Licht des Raumes kalt funkeln. Der königsblaue Umhang, den er über seine breiten Schultern trägt, ist dick und schwer, mit weichem Pelz besetzt, der ihn imposanter wirken lässt, als er ohnehin schon ist. Er schimmert leicht im Licht, als er sich bewegt, und verleiht ihm ein fast übermenschliches Aussehen. Seine Hände – die bei jedem Schritt elegant neben ihm schwingen – sind mit Ringen überladen, jeder einzelne ein Symbol seiner Macht und seiner Gier. Hinter ihm, wie ein Schatten, tritt Eldor in den Raum. Der Ausdruck auf seinem Gesicht ist emotionslos, wie immer, wenn er in der Nähe seines Vaters ist.
„Prinzessin Valeria." Die Stimme des Königs trällert förmlich, seine Worte klingen wie Hohn in meinen Ohren. „Ich gratuliere Ihnen zur erfolgreichen Absolvierung der ersten Prüfung." Seine Augen fixieren mich. Neben mir verbeugt sich Ida tief vor ihm. Zögerlich und widerwillig folge ich ihrem Beispiel, meine Bewegungen steif und angespannt, während mich König Alvar mit einem überheblichen Lächeln von oben herab betrachtet. Wie sehr ich dieses Grinsen hasse – ein Grinsen, das mich an all die Macht erinnert, die er über uns hat. An die Schikanen und Schmerzen, die wir aushalten mussten. Am liebsten würde ich ihm ins Gesicht schlagen. Diesem widerlichen Mistkerl.
„Sie schlagen sich bis jetzt gut, Prinzessin. Wer hätte das gedacht." Seine Stimme trieft vor falscher Höflichkeit, als ob ihm wirklich etwas an meinem Erfolg läge. „Das freut mich zu sehen."
Und dann platzt es aus mir heraus, bevor ich mich zurückhalten kann.
„Ihr habt mich belogen!" Die Worte sind scharf, fast wie ein Vorwurf, und in diesem Moment ist mir egal, dass ich vor dem König stehe. Alles, was ich in den letzten Tagen, Monaten, Jahren ertragen habe, all die Hoffnung, die ich für mich und Ida gehegt habe in den letzten Wochen, es bricht aus mir heraus.
Eldors Augen durchbohren mich förmlich, als er mich ansieht. In seinem Blick liegt eine stumme Warnung, eine Mahnung, jetzt nicht weiterzusprechen. Doch die Worte sind bereits gesagt, und ich spüre, wie die Spannung im Raum ansteigt. Ida wird stocksteif neben mir. Alvars Blick verfinstert sich, und für einen Moment sehe ich die Kälte in seinen Augen, die nur Macht und Kontrolle kennt.
„Belogen, sagst du?" Seine Stimme ist leise, fast flüsternd, doch in ihr schwingt eine gefährliche Schärfe mit. „Du wirfst den König von Nordela und Besetzer des Königreiches Bonaris, vor ein Lügner zu sein."
Mein Herz pocht laut in meiner Brust, und ich spüre, wie sich die Wut in mir aufbaut. Seine Spiele gehen mir sowas von auf die Nerven. Ich weiß, dass er mich in eine Falle gelockt hat, dass er nie die Absicht hatte, uns frei zu lassen. Ich hass mich selbst dafür, seine Worte auch nur eine Sekunde geglaubt zu haben. Dennoch habe ich jetzt begonnen, ihm diese Täuschung vorzuwerfen und kann jetzt keine Rückzieher mehr machen.
"Die Verlobung", presse ich hervor, während meine Hände sich zu Fäusten ballen. „Sie war nie Teil unseres Deals!"
König Alvar hebt eine Augenbraue und schenkt mir ein gelangweiltes Lächeln.
„Stimmt", sagt er in einem Ton, der fast beiläufig klingt, als wäre die ganze Situation nichts weiter als ein kleines Missverständnis.
„Von einer Verlobung – oder keiner – war nie die Rede." Fügt er belustigt hinzu. Natürlich war nie expliziter die Rede davon, dass es keine Verlobung geben würde. Alvar dreht sich seine Worte zurecht. So wie es ihm passt, so wie er das immer macht.
Wut lodert in mir auf, heiß und brennend.
„Das war nicht die Abmachung!", werfe ich ihm erneut vor. Ich merke, wie meine Stimme lauter wird, fast unkontrollierbar, doch ich kann es nicht stoppen.
„Ihr habt mir versprochen, Ida und ich würden nach den Prüfungen frei sein. Frei, zu gehen, wohin wir wollen!"
Verlobungen können zwar wieder aufgelöst werden, aber ich denke nicht, dass Alvar dies im Sinn hat. Er wird Ida für immer an Aegir binden. Damit sie ihr restliches Leben in seinem Schloss gefangen ist. Im Goldenen Käfig.
Alvar tritt langsam auf mich zu, jeder Schritt klingt schwer und bedrohlich auf dem Boden. Sein Blick ist fest auf mich gerichtet.
„Frei?", wiederholt er, als ob das Wort allein schon lächerlich wäre.
„Ich habe dir versprochen, euch freiheiten zu geben. Aber ich meinte euch doch niemals damit, euch einfach in die weite Welt hinaus spazieren zu lassen. Freiheit ist ein Privileg, das sich nur die Mächtigen leisten können. Und du…" Er lässt seine Augen abschätzig über mich gleiten, „…du bist nicht mächtig. Du bist mein Werkzeug. Dein Leben gehört mir."
Seine Worte treffen mich hart, als hätte er mir die Luft aus den Lungen geschlagen. Ich will ihm widersprechen, ihm ins Gesicht schreien, dass er Unrecht hat. Doch meine Kehle schnürt sich zu, und alles, was ich sagen kann, ist ein leises, ersticktes: „Das ist nicht fair."
„Fair?" Alvar lacht amüsiert, ein kalter, höhnischer Laut, der mir die Haut gefrieren lässt.
„Dieses Wort hat in dieser Welt keinen Platz. Du dachtest wirklich, ich würde dir und deiner Schwester die Freiheit schenken? Nur, weil du ein paar Prüfungen bestehst?"
Mein Blick fällt auf Ida, die stumm dasteht, den Kopf gesenkt. In ihrem Gesicht spiegelt sich keine Freude, nur ein resigniertes Schweigen, das mir das Herz zerreißt. „Ida…", flüstere ich, fast flehend, doch sie hebt den Kopf nicht.
Alvar dreht sich zu Ida um und sieht sie mit einem besitzergreifenden Blick an. .
„Deine Schwester hat ihren Platz hier gefunden. An meiner Seite. An der Seite meines Sohnes Aegir."
„Du hast sie gezwungen!", rufe ich, meine Stimme bricht fast unter der Last meiner eigenen Verzweiflung.
„Das war nicht ihre Wahl!"
„Oh, aber sie hatte die Wahl", entgegnet Alvar kühl. „Eine Verlobung mit Aegir oder…" Er macht eine bedeutungsschwere Pause, während seine Augen auf Ida ruhen und mir war sofort bewusst was er meinte. „...etwas viel Schlimmeres. Glaub mir, Prinzessin, sie hat sich für das Bessere entschieden."
Mein Herz rast, und meine Gedanken wirbeln durcheinander. Wie hat er meine Schwester gefoltert? Körperlich? Geistig? Der König spielt mit uns, als wären wir nichts weiter als Figuren in seinem grausamen Spiel.
"Aber jetzt zu etwas Wichtigem. Ich bin nicht hier, um mit dir über deine Träume und Wünsche zu reden.", sagt er und gähnt demonstrativ, als ob ihm das Gespräch bereits zu langweilig wäre. Sein Desinteresse scheint fast gespielt, eine bewusste Beleidigung.
„Ich bin hier, damit du mir berichtest, was du die letzten Tage hier in der Auslese erlebt hast."
Meine Kehle schnürt sich zusammen, doch ich zwinge mich, ihn direkt anzusehen.
„Ich habe Ihnen nichts zu sagen", antworte ich, meine Stimme bewusst ruhig. Jeder Muskel in meinem Körper ist angespannt, bereit für das, was als Nächstes kommt. Niemals würde ich ihm freiwillig auch nur ein Wort geben.
Sein Gesicht verzieht sich zu einem schmalen Lächeln, das keinerlei Freude oder Freundlichkeit zeigt. Langsam, Schritt für Schritt, kommt er auf mich zu. Die schweren Stiefel, die er trägt, lassen den Boden bei jedem Schritt bedrohlich knarren. Ein Kloß bildet sich in meiner Kehle, aber ich weiche nicht zurück. Ich zeige keine Angst, diesen Gefallen tue ich ihm nicht.
„Liebes, du weißt doch", sagt er mit einer fast beiläufigen Kälte, „dass man sich gegen mein Wort nicht auflehnen sollte." Seine Stimme ist ruhig, fast sanft, doch in jeder Silbe steckt eine unterschwellige Drohung.
„Wie oft soll ich es dir noch beweisen, damit du es dir endlich merkst?" Er steht jetzt direkt vor mir, viel zu nah.
Seine Hand, bedeckt mit prunkvollen Ringen, die glitzern, hebt sich langsam. Innerlich spanne ich mich an. Ich weiß, was kommt. Ich kenne seine Bewegungen inzwischen auswendig, weil ich sie schon zu oft über mich ergehen lassen musste. Die Kälte seiner Hand berührt meine Wange, und ein Schauer durchfährt mich, als er seine Finger in mein Haar vergräbt. Er zieht daran fest, ohne zu zögern.
Sein Daumen gleitet über meine Schläfe, eine Bewegung, die mir vertraut und doch so widerwärtig ist. Er macht das immer. Ich weiß nicht wieso. Ein Zeichen seiner Macht, eine perverse Machtdemonstration, ein Ritual, das ihn über mich erheben soll. Ein dunkler, innerer Teil von ihm scheint daran Gefallen zu finden, das kann ich in seinen dunklen Augen sehen. Es ist, als ob er durch diese Berührung seine Macht in mich einfließen kann und meinen Geist unterdrückt.
Doch bevor es dazu kommt, bevor dieser Moment der Demütigung noch intensiver wird, ertönt ein Räuspern aus der Ecke des Raumes. Eldor, der bisher still in einer dunklen Ecke gestanden hatte, lehnt lässig an einem Bücherregal. Seine Arme sind vor der Brust verschränkt, aber sein Blick ist fest auf den König gerichtet.
„Ich denke, das ist nicht notwendig", sagt Eldor mit einer ruhigen, aber festen Stimme. Sein Ton ist respektvoll, aber bestimmend.
„Sie war die ganzen Tage über bei mir, immer unter meiner Beobachtung. Es wäre eine Zeitverschwendung für Euch, Eure Hoheit."
Alvar hält inne, seine Hand immer noch in meinem Haar vergraben. Langsam dreht er den Kopf in Eldors Richtung, und für einen Moment liegt eine unheilvolle Stille in der Luft. Doch dann lässt er plötzlich los, zieht seine Hand zurück.. Er dreht sich zu Eldor.
„Ich habe euch doch bereits einen Bericht gegeben über alle wichtigen Einzelheiten."
Mein Herz rast, doch ich versuche, meine Erleichterung zu verbergen. Eldor hat mich gerettet. Warum? Wieso sollte Eldor etwas für mich machen?
Alvar tritt einen Schritt zurück, seine Augen sind kalt wie Eis. Dann richtet er sich auf, und mit einem letzten, höhnischen Lächeln wendet er sich ab.
„Eldor", ruft er, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen, „wir gehen."
Eldor, der stumm im Hintergrund gestanden hatte, nickt kurz, seine Augen huschen jedoch noch einmal zu mir, als wollte er mir etwas sagen, was seine Lippen nicht auszusprechen wagen. Doch er folgt dem König ohne ein weiteres Wort. Verwirrt blicke ich ihm hinterher.
Ich stehe starr da, mein ganzer Körper zittert vor unterdrückter Wut und Hilflosigkeit. Die Tür schließt sich mit einem dumpfen Knall, und ich spüre, wie all die aufgestaute Verzweiflung über mich hereinbricht.
„Ida", flüstere ich und drehe mich zu ihr um. „Bitte... es muss einen Weg geben."
Doch sie steht nur still da, der Ring an ihrem Finger glänzt im schwachen Licht des Raumes, ein stummer Zeuge der Ketten, die uns beide gefangen halten. „Es gibt keinen Weg, Val", sagt sie schließlich leise, ihre Stimme kaum mehr als ein Hauch. „Nicht für uns."