Gu Zhous Miene verdunkelte sich und in seinen Augen erlosch das Licht. Die Kälte, die ihn umgab, intensivierte sich zusehends. Die Qiao-Villa schien keinen Anlass zur Freude zu bieten – als wäre ihre Tochter nicht unter die Haube gekommen.
Qiao Nian beobachtete, wie sich Gu Zhous Gesichtsausdruck verdüsterte. Sie sah ihn verwirrt an, enthielt sich jedoch eines Kommentars. Ihr war aufgefallen, dass Gu Zhou ihr gegenüber eine gewisse Wachsamkeit an den Tag legte, obwohl sie nicht wusste, was in ihm vorging.
Als beide am Garten vorbeikamen, entzogen sich die Bediensteten, die sie erblickten, ihren Blicken und tuschelten untereinander. Alle schienen neugierig auf die Identität des Mannes an Qiao Nians Seite zu sein.
Schon von weitem vernahm Qiao Nian die sarkastische Stimme Su Xues, als sie die Tür zum Salon erreichten.
"Ein Glück, dass das kleine Flittchen verheiratet wurde. Unsere Familie wird von nun an Ruhe haben."
"Mami, auch für Schwester kann das nicht leicht sein." Qiao Xin legte erneut ihre Unschuldsmiene auf, von Reinheit erstrahlend wie eine weiße Lotusblume.
"Xin Xin, ich habe dir doch gesagt, du sollst nicht so gutherzig sein. Hast du vergessen, wie sie dich behandelt hat?"
Su Xues Worte drückten ihren Herzschmerz für ihre Tochter aus. "Sie betrachtet dich überhaupt nicht als ihre jüngere Schwester. Du brauchst sie auch nicht als deine ältere Schwester anzusehen."
"Stimmt." Qiao Shan, der bisher geschwiegen hatte, legte den Vertrag, den er in Händen hielt, beiseite. Er blickte zu Qiao Xin auf und sagte mit Bedeutung: "Sie hat nichts mit unserer Familie zu tun. Ich hoffe nur, dass die Familie Gu nichts über ihre schändlichen Taten in der Vergangenheit erfährt. Andernfalls wird es unserer Familie nicht gut gehen!"
"Was für schändliche Taten? Was hat euch dazu gebracht, eure eigene Tochter derart zu hassen?"
Die plötzlich kalte Stimme ließ alle im Raum Erschrockenen aufhorchen. Sie drehten sich um und waren perplex, Gu Zhou zu sehen.
Su Xue betrachtete den Mann an Qiao Nians Seite. Der Mann war groß, breitschultrig und gutaussehend, keineswegs wie jemand, der erkrankt wäre.
War Qiao Nian von der Hochzeit weggelaufen?
Su Xue fuhr hoch, zeigte mit dem Finger auf Qiao Nian und schimpfte erzürnt: "Du Miststück, wie kannst du es wagen, vor der Hochzeit zu fliehen? Und dann auch noch einen fremden Kerl anzuschleppen? Ich sage dir, wenn du nicht umgehend zur Familie Gu zurückkehrst, wirst die ganze Qiao-Familie wegen dir in den Ruin getrieben!"
Fremder Kerl?
Qiao Nian grinste und wandte sich Gu Zhou zu, der neben ihr stand. Sie war gespannt, wie Gu Zhou darauf reagieren würde, einen fremden Kerl genannt zu werden.
Qiao Xin, die neben Su Xue saß, betrachtete den Mann an der Tür. Dieser Mann schien königliches Blut in seinen Adern und Adel in seinem Wesen zu tragen. Er war 1,85 Meter groß, stattlich und gutaussehend – nahezu perfekt.
Ob es um sein Auftreten oder sein Äußeres ging, offensichtlich war er ein Drache unter den Menschen.
Qiao Xins Herz begann langsam zu blühen und ihre Lippen formten ein leichtes Lächeln. Sie erhob sich mit Eleganz und blickte zu Qiao Nian, die an der Tür stand. Mit sanfter Stimme sagte sie: "Schwester, du bist doch bereits vermählt. Wie kannst du immer noch mit anderen Männern sein, wie vorher? Dein Ehemann wird mit Sicherheit unglücklich sein, wenn er davon erfährt!"Qiao Nians Augen wurden kalt.
Sieh nur, wie geschickt sich die weiße Lotusblume ausdrückt. Mit diesen wenigen, beiläufigen Worten hat sie alle glauben lassen, dass ihre Schwester ein loses Mädchen sei.
Qiao Nian wandte sich Gu Zhou zu. Als sie den gefährlichen - fast zerstörerisch wirkenden - Ausdruck in seinen Augen sah, kräuselten sich ihre Lippen zu einem leichten Lächeln.
"Der Zweite junge Herr Gu hat mich heute begleitet, um Sie zu besuchen. Wie ist er dann zu dem wilden Mann geworden, den ihr euch alle vorstellt?" sagte Qiao Nian leichthin. Sie genoss das Schauspiel und schürte das Feuer gern noch etwas.
Qiao Xins hübsches Gesicht wandelte sich plötzlich, und sie sah den Mann schockiert an.
Su Xue sah aus, als würde sie ersticken. Sie war so geschockt, dass sie kein Wort hervorbringen konnte!
Sowohl Qiao Xin als auch Su Xue hatten sich den Zweiten Jungen Herrn Gu extrem hässlich vorgestellt. Sogar die Ärzte hatten prognostiziert, dass er keine zwanzig Jahre alt werden würde. Wie konnte er nur so aussehen?
Gu Zhou warf einen gleichgültigen Blick auf Mutter und Tochter. Seine Augen waren erfüllt von Verachtung und Kälte, als sei er ein Gott im Himmel, der auf Ameisen am Boden herabschaute.
Su Xue bekam eine Gänsehaut unter seinem Blick. Sie glaubte nicht einen Moment lang, dass dieser Mann der Zweite Junge Herr Gu war. Der Zweite Junge Herr Gu sah bestimmt nicht so aus. Der Zweite Junge Herr Gu lag sicher gelähmt im Bett und war auf die Hilfe anderer angewiesen. Der Zweite Junge Herr Gu war sicher ein nutzloser Mensch!
Qiao Xin biss sich auf die Lippen. Dieser Mann hätte ihr Ehemann sein sollen!
Qiao Shan, der an der Seite saß, zeigte wenig Reaktion. Seiner Meinung nach würde der Zweite Junge Herr Gu nur ein kurzes Leben haben. Es machte keinen Unterschied, ob er gutaussehend oder hässlich war.
Als er die schockierten Gesichter von Su Xue und Qiao Xin sah, dachte er an das, was sie Gu Zhou gesagt hatten. Qiao Shan knurrte: "Ihr beiden könnt einfach eure Münder nicht halten! Entschuldigt euch sofort!"
Auch wenn der Zweite Junge Herr Gu nur ein kurzes Leben vor sich haben sollte, konnten sie es sich nicht leisten, Unsinn vor ihm zu reden. Man sollte nicht vergessen, dass die Gu-Familie die Macht hatte, die Qiao-Familie in Sekunden zu vernichten.
Su Xue kam wieder zu sich. Ein strahlendes Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Sie führte Gu Zhou und Qiao Nian eilig hinein. "Ach je, achten Sie nicht auf das, was ich sage. Ich weiß manchmal nicht, wie ich mich ausdrücken soll. Nehmen Sie es mir nicht übel, lieber Schwiegersohn. Kommen Sie herein und nehmen Sie Platz!"
"Sie können sich weitaus besser ausdrücken als meine Frau", sagte Gu Zhou gelassen und mit kühler Stimme. Su Xue hätte fast Blut gespuckt.
Ehefrau?
Dieser Mann nannte Qiao Nian so mühelos seine Ehefrau.
Obwohl es Qiao Nian nicht gefiel, dass er sie so nannte, freute sie sich doch über Gu Zhous Seitenhieb gegen Su Xue.
"Nein, nein, ich wollte nur..." Su Xues Gesicht wurde rot.