In dem Moment, als ich die weißen Vorhänge an meinem Bett beiseiteschob, fiel mir der mit einem silbernen Schwert bestickte Teppich ins Auge. Auch der Ganzkörperspiegel, dessen Rahmen mit Silber und mit jenem Emblem verziert war, das ich nie vergessen könnte, zog meine Aufmerksamkeit auf sich.
Obwohl ich es bereits erkannt hatte, kam es mir immer noch unwirklich vor, wieder zu leben. Es war ein seltsames, aber dennoch vertrautes Gefühl. Ich stand auf und schaute mich um.
Ich ging zum Fenster und zog die weißen Vorhänge zurück. Mein Herz stockte, als ich die Person erblickte, die draußen stand.
Was ist geschehen? Warum ist er noch hier? Habe ich ihm nicht gesagt, dass ich ihn nicht treffen will? Wenn er spazieren gehen möchte, warum begibt er sich nicht in seinen eigenen Garten, der immerhin doppelt so groß ist wie meiner?
Er schien meinen Blick zu spüren, schaute in meine Richtung und ich drehte mich um. 'Wie konnte ich nur seine scharfen Sinne vergessen?' tadelte ich mich selbst, schloss die Augen und lehnte mich mit dem Rücken an die Wand.
Ich holte tief Luft und näherte mich dem silbernen Spiegel, der im Sonnenlicht glänzte. Mein dunkles Haar fiel in Wellen über meinen Rücken und mein grünen Augen starrten mir entgegen.
Offensichtlich war ich das. Meine Augen, mein Gesichtsausdruck und meine Statur waren leicht anders, als ich mich aus meiner Erinnerung kannte. Es wirkte so, als sei ich erneut jung. Vermutlich so um die 25 oder 26 Jahre alt...
"Guten Morgen, gnädige Frau. Sie haben nach mir gerufen."
"Lina?"
Ich starrte das Mädchen mit den braunen Haaren und weit aufgerissenen Augen an. Es tat unendlich gut, sie wiederzusehen. Als ich ins Gefängnis gebracht wurde, wurde sie ermordet.
Sie wurde beschuldigt, mir bei meinen Intrigen geholfen zu haben. Ich beteuerte ihre Unschuld, doch wer hört schon auf eine Gefangene.
Mit Tränen in den Augen konnte ich kein Wort herausbringen.
"Ich weiß, dass es Ihnen, gnädige Frau, schwerfällt, frühmorgens aufzustehen. Doch ich konnte die Gesellschafterin des Erzherzogs nicht abweisen. Ich entschuldige mich für mein Versäumnis und stehe für jede beliebige Strafe zur Verfügung", sagte das Mädchen und verneigte sich tiefer.
Ich spürte, wie sie zitterte. Mein Schweigen musste sie in Angst versetzen. Habe ich bereits begonnen, sie zu bestrafen?
In der Vergangenheit ließ ich oft meinen Ärger an den Dienstmädchen aus. Lina diente mir als Kammerzofe, seit ich Herzogin des Forchestiere-Reiches geworden war.
Besonders im ersten Jahr legte ich eine beispiellose Verbitterung an den Tag über das, was ich erdulden musste.
Ihr Verhalten und ihre Kleidung reflektierten die harte Hand, mit der ich mein Personal führte. Ihre Zittern zeigte deutlich, dass sie eine strenge Bestrafung erwartete.
Ich hatte mir wahrlich einen Ruf als Schurkin erarbeitet. Das Personal erwartete bei kleinsten Fehlern sofort Tadel. Ich hatte sogar Angestellte für ein zu hübsches Aussehen bestraft, um nur ja nicht die Aufmerksamkeit von Cassius auf sich zu ziehen.
In einem Anfall von wahnsinniger Eifersucht hatte ich mich so verhalten. Wenn ich nur darüber nachdenke... es ist schon wieder wegen ihm. Wenn ich ihn bloß nicht geliebt hätte, wäre ich nie zur Schurkin geworden.
In diesem Leben schwöre ich, jede Beziehung zu ihm zu vermeiden.
"Eure Hoheit", hörte ich ihre zitternde Stimme.
Ich seufzte. Es sah ganz danach aus, als hätte ich mehr Arbeit vor mir, als ich gedacht hatte."Ah, ja. Lina, ich möchte ein Bad nehmen. Bereite alles vor." antwortete ich so sanft wie möglich.
Ich denke, auch ich muss noch üben.
Ich sah sie, wie sie dort immer noch zitterte, wie ein Blatt im Sturm. 'Habe ich etwa etwas Falsches gesagt?', fragte ich mich verwirrt.
"Ich... Ich bitte um Verzeihung, meine Dame." gab sie erneut zur Antwort, woraufhin sich meine Stirn in Falten legte. 'Welches meiner Worte klang so, als hätte ich eine Entschuldigung verdient?'
"Es ist in Ordnung. Du kannst jetzt gehen." sagte ich wieder, und versuchte sanft zu sein. Doch sie war misstrauisch. Es schien fast, als würde sie glauben, dass ich sie auf die Probe stelle. Als ob ich sie härter bestrafen würde, sollte sie gehen. Geschlagen schloss ich die Augen. Ist das wirklich eine zweite Chance, Gott! Oder eine neue Art, mich zu strafen?
"Lina", rief ich. "Das Bad."
"Ah, ja, Eure Hoheit, ich entschuldige mich für meine Nachlässigkeit, Eure Hoheit." Damit verneigte sie sich und eilte davon.
Ich sah ihr nach und überlegte, ob sie noch misstrauischer werden würde, wenn ich mich jetzt freundlich zu ihr verhielte.
Als ich allein war, blickte ich erneut in den Spiegel. Meine Haut wirkte hell und weich, wie einst. Aber ich konnte den Schmutz und Dreck immer noch spüren.
Ich habe die letzten Tage meines Lebens in einem unterirdischen Gefängnis verbracht, umgeben von nichts außer Dunkelheit und Schmutz.
Ich fühle mich immer noch schmutzig von dort. Ich brauche ein ausgiebiges Bad, um mich besser zu fühlen. Ich berührte erneut die Stelle an meinem Ohr, als müsste ich sie immer wieder spüren, um mich selbst zu beruhigen.
'Ich werde später im Garten bleiben, um die Sonne auf meiner Haut zu spüren', dachte ich und summte eine Melodie, als ich ein 'Knall' hörte.
Ich drehte mich um und sah Norma, ein anderes Dienstmädchen, auf dem Boden liegend, mit weit aufgerissenen Augen zu mir aufsehen. In dem Moment, als sich unsere Blicke trafen, senkte sie blitzartig ihren Kopf, als würde mein Blick sie verbrennen.
Um ehrlich zu sein, jetzt nervt mich das. Es ist schwieriger, gütig zu sein, besonders wenn jeder um dich herum deinen Bewegungen gegenüber so misstrauisch ist.
Seht, sie liegt immer noch auf dem kalten Boden, wie eine Statue. Hat sie vergessen, wo sie ist?
"Norma."
Sie zuckte zusammen und stotterte: "Ja, Eure Hoheit, ich bitte um Entschuldigung, Eure Hoheit."
Seht, sie sitzt immer noch da, als wäre sie sich ihrer Lage gar nicht bewusst. Norma ist mein jüngstes Dienstmädchen. Früher war sie immer lebhaft und quirlig, wenn ich hierher kam.
Aber mein Hohn und meine harschen Worte haben sie verändert. Jetzt war sie die Ängstlichste von allen. Lina muss ihr von meinem Verhalten erzählt haben, deswegen scheint sie so benommen zu sein.
Doch wenn ich ihr helfen würde, würde sie sich noch mehr fürchten.
'Oh Gott! Welch ein Dilemma.'
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