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Chapter 10 - Schlaflose Nacht

Mitten in der Nacht, als die Mäuse schliefen und die Welt stillstand, gab es eine leise Störung. Die Tür zu Adelines unheimlich großem Zimmer knarrte, als sie aufging. Eine Gestalt schlich sich auf Zehenspitzen auf sie zu, die sich nicht bewegte.

Der graue Mond war nirgends zu sehen; dichter Nebel hatte seinen hellen Schein eingehüllt. Asher benötigte kein Licht, um zu sehen. Sein Weg wurde nicht erleuchtet, doch er sah alles klar und deutlich – eine Fähigkeit, die nur wenige Menschen ohne langwieriges Training besitzen konnten.

"Adeline", flüsterte Asher leise.

Asher stand am Rand ihres Himmelbetts. Die durchsichtigen Vorhänge waren zugezogen und machten sie ähnlich einer Prinzessin in einem Märchen. Ihre Hände lagen gehorsam übereinandergelegt auf ihrer Brust. Die Decken waren bis zu ihrem Schlüsselbein hochgezogen und offenbarten ihren zart blassen Hals.

Als keine Reaktion von ihr kam, beugte sich Asher vor. Er umfasste ihr Ohr und flüsterte: "Ich habe Zitronen-Baiser-Torte."

Nichts. Sie zuckte nicht einmal.

Seine Lippen formten ein zufriedenes Lächeln. Die Geschichte würde sich nicht wiederholen, da war sich Asher sicher. Er würde in Rage geraten, sollte sie erneut davon schleichen. Dies war bereits vor ein paar Tagen geschehen. Seitdem hatte er nachts ihr Schlafzimmer aufgesucht, um sicherzustellen, dass sie wirklich schlief.

Adeline war zurückhaltend, aber erstaunlich mutig. Es machte keinen Sinn. Ihr ganzer Mut war unangebracht, ebenso wie ihr Mitgefühl.

"Gute Nacht, Adeline. Schlaf gut", sprach Ashers Stimme leiser als ein Summen. Er sprach seine Worte wie ein stilles Gebet aus, in der Hoffnung, dass sie behaglich schlief.

Alpträume quälten sie, doch sie wusste, dass sie ihre traumatische Kindheit dafür verantwortlich machen musste. Manchmal hielt sie seine Hand die ganze Nacht fest, bis sie schließlich einschlief. Manchmal war sie so kühn, ihn zu bitten, bei ihr zu schlafen, freilich nicht in sexueller Hinsicht.

Ohne ein weiteres Wort zog sich Asher still in die Dunkelheit zurück. Er zählte jeden seiner Schritte, achtete darauf, nicht zu eilig zu gehen. Vor allem wollte er sie nicht aufschrecken, wenn seine Schritte verstummten. Sie würde vor Schreck die Seele aus dem Leib schreien.

Asher warf ihr einen letzten Blick zu. In der pechschwarzen Dunkelheit ihres Zimmers blieb sie in derselben Lage wie zuvor. Ein kleiner Seufzer der Erleichterung entwischte ihm.

In dieser Nacht gab es keine Nachtangst.

Zu seinem Unglück würde der Schrecken erst beginnen, wenn er fort war.

Kaum war Asher fort, schlug Adelines Augen auf. Dieses schlechte Angewohnheit von ihm hatte sich nun schon zu häufig wiederholt. Sie lag hellwach im Bett und rührte sich noch ein paar Sekunden nicht.

Adeline kannte Asher gut. Wahrscheinlich stand er noch vor der Tür und wartete darauf, dass sie ein Geräusch machen würde.

Es war beeindruckend, wie ungewöhnlich empfindlich Ashers Sinne waren. Er konnte eine Stecknadel in einer Menschenmenge fallen hören. Er konnte im Dunkeln sehen und sich darin bewegen wie ein Geschöpf der Nacht.

Adeline war nicht überrascht.

'Er hat sehr hart für seine Position trainiert', dachte sie bei sich.

Sie erinnerte sich an eine liebevolle Erinnerung aus ihrer Jugend. Sie las auf dem großen Balkon des elterlichen Anwesens ein Buch. In der Nähe übte ein junger Asher fleißig für sich allein. Er war ganz allein und dachte, niemand würde ihn durch das dichte Geäst hindurch sehen.

Die Sonne war sanft und der Wind milde. Das Wetter war herrlich an jenem Tag, als Asher mit Pfeil und Bogen im Wald übte. Er schoss auf kleine Kreaturen, doch seine Ziele waren stets verfehlt. Er traf die Tiere immer nur so, dass sie nicht getötet wurden.

Adeline wollte glauben, dass er sich einfach zu sehr davor fürchtete, Lebewesen Schaden zuzufügen.

"Also gut, genug getrödelt", entschied sich Adeline. Sie setzte sich aufrecht hin und richtete ihre Kleidung. Sie warf einen Blick auf den Türspalt, durch den Licht drang, und stellte fest, dass Asher gegangen war und kein Schatten mehr vor ihrer Tür stand.

Adeline spähte nach links und rechts. Wie eine kleine Diebin schlich sie aus dem Bett, eilte flink zum großen Bücherregal am anderen Ende des Raumes und zog wahllos ein Buch aus der mittleren Reihe.

"Aut!", zischte sie, als sie gegen einen Stuhl stolperte.

Adeline hüpfte auf einem Bein und unterdrückte ein schmerzhaftes Stöhnen. Als der Schmerz nachließ, eilte sie, wie ein Engel auf der Flucht vor Dämonen, zurück ins Bett.Adeline zog die Decke aufgeregt über ihre Beine und richtete ihr Kissen. Als es bequem lag, tastete sie blind nach dem Nachttisch.

"Ich muss Tante Eleanor nach meiner Nachtlampe fragen..." murmelte Adeline unzufrieden.

Endlich strichen ihre Finger über die bekannte glatte Oberfläche ihres weißen Nachttisches. Sie griff nach einem Griff und zog die Schublade auf, dabei war sie geschickt und leise, um niemanden aufzuwecken.

Die Wände waren beängstigend dünn. Selbst wenn in den benachbarten Zimmern niemand war, patrouillierte ständig ein Wächter durch die Gänge.

"Da!", flüsterte sie und holte ein werkzeugähnliches Objekt hervor, ungefähr so groß wie ihre Hand.

Adeline legte es vorsichtig auf die weiche Matratze. Dann richtete sie sich bequem ein. Mit der Taschenlampe in einer Hand und einem Buch in der anderen war klar, dass diese Nacht schlaflos werden würde.

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Der König beobachtete sie von außerhalb des Fensters. Sie war ein Narr, vielleicht sogar mehr als Easton. Wer zum Teufel hatte es zugelassen, dass sie so ungesichert schlief? Das hohe Fenster ließ wenig der Fantasie überlassen. Er könnte auf den Balkon ihres Zimmers springen und sie auf der Stelle entführen.

Seine Augen verengten sich. Der Gedanke war verlockend.

"Ich sollte diesen Mann töten", sagte der König zu sich selbst.

Es wäre eine Schande, wenn ihm ein einfacher Mensch seine Beute wegschnappe. Ein leises Knacken ertönte. Er hatte den armen Baum zu fest umklammert. Nun lief ein Riss den Stamm entlang. Dieser erbärmliche Baum sollte doch stabilere Äste haben?

Seine schlechte Stimmung würde noch schlimmer werden, wenn der Ast unter seinen Füßen bräche. Es würde alle alarmieren – so wie seine kleine Adeline, die völlig ahnungslos war bezüglich des Stalkers außerhalb ihres Fensters.

"Wie kann sie nur so einfältig sein?", murmelte er.

Er blickte angstvoll in den Himmel und wünschte sich Geduld. Er konnte alles in ihrem Zimmer sehen, als wäre das Licht angeschaltet, was es nicht war.

Er sah den eintönigen Nachthimmel und die dichten Bäume. War das der Grund, warum das Fenster einen Blick auf das Bett freigab? Damit sie auf ihrem Bett sitzen und die Wunder der Natur bestaunen konnte?

Diese törichte Tat entsprach voll und ganz ihren Moralvorstellungen. Sie war der naive Typ. Das wusste er am besten, besonders wenn sie ihn direkt in seine blutroten Augen sah und es wagte, nicht wegzuschauen.

"Ist das etwa ein Sexspielzeug?" Er blinzelte.

Etwas Zylinderförmiges hielt sie in der Hand. Und bei der Geschwindigkeit, mit der sie mit einem Buch zu ihrem Bett lief, konnte er nur vermuten, dass sie ein erotisches Buch las. Warum lesen, wenn sie es selbst erleben könnte?

"Zeit, aufzutreten", dachte er.

Er machte einen Schritt, bevor er innehalt. Licht strömte aus ihrem 'Spielzeug'. Zu seiner großen Enttäuschung war es kein Vergnügungswerkzeug. Es war eine Taschenlampe. Was machte sie da nur?

Er hielt inne, um sie noch eine Weile zu beobachten. Es war etwas länger als ein Jahrzehnt her, seit er sowas gemacht hatte.

Damals war sie ein törichtes Mädchen, das einem Dämon nachgelaufen war. In was für einer friedvollen Welt sie großgeworden war, ohne Angst vor den Kreaturen, die ihr das hübsche kleine Genick brechen, sie an die Wand drücken und ohne zu zögern wegwerfen könnten... Sie war von Geburt an unwissend.

"Aber die Zeiten haben sich geändert, nicht wahr?" überlegte er.

Fünfzehn Jahre genau genommen. Er hatte jede Minute, jeden Tag, jede Woche für sich gezählt. Geduld war eine Tugend, die er auf wundersame Weise besaß. Er zählte die Tage bis zu ihrer nächsten Begegnung. Wenn sie das nächste Mal in seinem Reich war, würde er sie nicht entkommen lassen.

Adeline Mae Rose gehörte zu ihm. Das hatte sie immer getan und würde sie auch immer tun. Jetzt hatte seine Beute die Volljährigkeit erreicht, und das auf wunderbare Weise. Es war Zeit für die Prinzessin, in ihr gläsernes Schloss zurückzukehren.