Chapter 3 - Kapitel 2: Die mysteriöse Uhr

Ich war über den Aufzeichnungen eingeschlafen. Wer auch immer diese Stimme war, er wusste mehr über Jenson aktuellen Aufenthaltsort, als er zugeben wollte, das war mir sofort klargeworden, als ich mir diese Dokumente angeschaut hatte. Es waren handgeschrieben Aufzeichnungen eines engen Vertrauten von Jenson. Am Ende aber war ich weggetreten und mich musste jemand wecken. Ich sah verschlafen hoch und entdeckte Noman.

„Lolo, hast du Nacht etwa hier verbracht?"

„Offensichtlich. Ich hatte einen Streit mit Kalli und bin dann etwas erbost hierher geflüchtet."

Ich hatte Rückenschmerzen und hielt mir kurz den Nacken. Er sah sich die Aufzeichnungen an.

„Was ist das?"

„Das ist so verrückt, dass du mir das nicht glauben wirst, Nom. Kannst du dich daran erinnern, wie ich das Tagebuch von Keran Warus damals erhalten habe?"

Er nickte nur und nahm die Mappe hoch, um sie genauer anzusehen.

„Sag bloß unser anonymer Freund hat sich wieder bei dir gemeldet?"

„Ich fürchte ja, und ich glaube er hat eine besondere Fähigkeit, die heraussticht. Ich glaube er hat eine Art von Astralfähigkeit. Ich habe im Garten oben niemanden gespürt, keine Aura, gar nichts. Er konnte aber trotzdem mit mir reden."

Noman sah mich unsicher an.

„Das ist alles wahnsinnig komisch. Aber wir sollten dem Nachgehen."

Ich nickte.

„Bevor du aber andeutest, dass wir uns nochmal durch Moons Aufzeichnungen kämpfen, uns wäre so eine Uhr sicherlich im Gedächtnis geblieben. Das bedeutet, dass Moon auch nichts darüber wusste."

„Trotzdem solltest du ihn mit Roro fragen gehen. Und ich suche noch einmal mit Stolas alle Aufzeichnungen von Moon ab."

Schlug Nom vor.

„Gut, so machen wir es. Auch wenn ich mir nicht allzu große Hoffnungen mache."

Ich griff in meine Lederjacke und hielt ein Buch in der Hand. Es war mein Buch mit besonderen Gegenständen. Ich suchte den Schlüssel zu Moons Bibliothek. Ich fand ihn und beschwor meine besondere Fähigkeit in dem ich laut und deutlich sagte:

„Libara selecta."

Im nächsten Moment hielt ich ihn in der Hand, danach tauschte ich die Beiden Bücher und so hielt ich das Buch mit meinen Wesen in der Hand. Mittlerweile waren es über hundert. Ich suchte Stolas heraus und sagte auch hier wieder:

„Libara selecta."

Und sie erschien vor uns.

„Hallo Loki. Was kann ich für dich tun?"

fragte sie fröhlich trillernd.

„Das erklärt dir Noman. Ich zieh den Schlüssel ab und komme dich holen, sobald ich mit Moon gesprochen habe."

„Aber hol mich da wirklich wieder raus. Ich will da nicht bis in alle Ewigkeiten festsitzen."

„Du sitzt da allerhöchsten bis heute Nachmittag. Ich habe heute noch eine Schulführung."

„Okay, bis nachher."

Ich ließ ihn in die Bibliothek und verstaute gerade wieder den Schlüssel, als Merlin mir vor dem Raum entgegenkam.

„Loki, da bist du ja. Wohin gehst du?"

„Das erkläre ich dir auf den Weg in die Anderswelt, wir müssen mit Moon reden."

Seine Augen fielen ihm beinahe aus dem Kopf. Für mich waren diese, wenn auch mittlerweile unregelmäßigen, „Kaffeekränzchen" mit dem ersten Nachtmagier zur Gewohnheit geworden. Er lief hinter mir her und ich erklärte ihm, was in der letzten Nacht geschehen war. Auch er sah mich mit dem gleichen unsicheren Blick an, wie Noman.

„Es wäre zumindest einen Versuch wert. Eine Uhr, die die Zeit zurückdrehen kann. Das wäre revolutionär. Wann wirst du Thorsten darüber informieren?"

„Wahrscheinlich erstmal nicht."

„Warum?"

„Ganz einfach, weil das sonst in einer riesigen Aktion endet, die vielleicht keine Früchte tragen wird."

„Stimmt, Thorsten neigt leider dazu Situation zu überschätzen. Lass uns mit Moon reden."

 Eine Stunde später flogen wir im Nachthimmel der Anderswelt und suchten. Roro flog ruhig, aber weder Merlin noch ich entdeckten ihn.

„Ist er vielleicht unten, bei Rulan?"

Fragte mich Merlin.

„Kann nicht sein, Rulan ist gestern mit Rania zu ihr nach Hause gegangen. Er ist nicht hier in der Anderswelt. Außerdem ist es hier gerade erst Nacht geworden, wir haben Zeit."

„Apropos Nacht, schläfst du heute Nacht wieder zu Hause?"

„Kommt drauf an, hat sich Kalli beruhigt?"

„Ja im Gegenteil, sie hat das nicht so gemeint. Sie hat nur an Matt und nicht an dich oder an sich selbst gedacht, als sie gesagt hat, dass nur Böses von diesem Mann abstammt."

Es war kurz ruhig, bevor mein Seufzer die nächtliche Stille durchbrach.

„Ich hol sie nachher von der Schule ab du geh mit ihr ein Scalisque essen."

„Das ist schön, ich will nicht, dass zwischen dir und ihr dasselbe passiert, wie zwischen mir und meinen älteren Geschwistern."

Merlin hatte drei ältere Geschwister. An sich war es in der magischen Welt einem Magier nur möglich sich drei Mal zu vermehren, durch eine Seelenteilung, Verschmelzung und Einpflanzung in einen Körper, der muss bei uns nicht unbedingt weiblich sein. Zwillinge, Drillinge und alles darüber waren von dieser Regelung ausgeschlossen. Merlins Mutter hatte zwei Mal Zwillinge und einmal Drillinge bekommen. Seine ältesten Geschwister, ein Zwillingspärchen von Schwester und Bruder, saßen in Hochsicherheitsgefängnis in Lusania, nachdem sie vor gut vier Jahren bei einen Amoklauf der Negativen, in der Präfektur Sebteka mitgeholfen haben. Mewina, seine jüngere Drillingsschwester war vor sechzehn Jahren spurlos verschwunden und Urian, sein älterer Drilling war ein Spion gewesen, der auf der Seite der Negativen stand, und leider mit ihnen unterging. Das wusste Merlin aber nicht, um genau zu sein wussten das nur Noman und ich. Trotzdem nagte das an mir, obwohl ich Urian versprechen musste, ihm ja nichts zu verraten. Jedes Mal, wenn er ihn ansprach, musste ich mir praktisch die Zunge rausschneiden, weil mir das so leidtat. Noman hatte mich auch einmal unterm Frühstückstisch treten müssen, damit ich ja nichts preisgab. Zu meiner Verteidigung es war Merlins Geburtstag gewesen und er war sehr traurig, weil weder Mewina noch Urian bei ihm waren.

„Mach dir keine Gedanken über mich und Kalli. Sie kommt in die Pubertät, das wird in Zukunft immer mal wieder zu Spannungen führen."

Merlin sah an mir vorbei, auch ich wurde auf ihn aufmerksam. Moon, mein Großvater, kam auf uns zu.

„Loki, du bist mal wieder da!"

Er verwandelte sich in einen sehr großen Mann, mit dunkelblauen Haaren und dunkelblauen Augen, ein paar Stellen in seinem Gesicht und seinem Körper generell waren anders pigmentiert als der Rest, ja von ihm hatte ich Vitiligo geerbt. Moon sah aus wie ein siebzehn Jahre alter Mann, sehr jung für einen Großvater. Er lächelte breit und umarmte.

„Ich weiß, du musstest arbeiten, aber ich habe dich trotzdem so vermisst."

Er hätte mich beinahe nicht mehr losgelassen.

„Es ist auch schön dich wieder zu sehen, Opa Moon."

Er begrüßte Merlin höfflich, dann setzte er sich anständig hin.

„Also, was ist in letzter Zeit so bei dir passiert?"

Ich wollte von dem neuen Roman meiner Lieblingsautorin und vom Fortschreiten meines eigenen Buchladens erzählen, doch Merlin ahnte das bereits und fuhr mir ins Wort:

„Sie hat ein Denkmal gewidmet bekommen."

Ich wurde rot vor Scharm. Moon hingegen war stolzer denn je. Wir redeten kurz über allgemeine Dinge, bis ich ihm von dem Streit mit Kalli, meiner komischen Begegnung im Garten seiner Schwester und von dem, was ich aus den Aufzeichnungen des mysteriösen Fremden geschlossen habe.

„Hmm… Jenson… ich wusste nicht einmal, dass er diese Uhr hatte, geschweige denn, was auch im geworden ist."

Wow, sogar Merlin sah enttäuscht aus.

„Naja, das mit Jenson ist halt doch schon sehr lange her… und mein Gedächtnis war nie das Beste, typisch Großvater halt."

Du hast den Körper, und Eigenschaften, eines sechzehn Jahre alten Jungen, Mann konnte man das noch nicht nennen, dachte ich mir genervt.

„Zu meiner Verteidigung wir hatten zum Schluss kaum noch Kontakt. Nach dem er abgedankt hat uns seinen Nachfolger, Marius Jeevah, vorgestellt hatte, haben wir ihn nie wieder gesehen. Aber Solar könnte was wissen, meine Schwester hatte schon immer ein gutes Gedächtnis, vielleicht hat er einmal kurz erwähnt wo er hin wollte. Wenn ihr in Richtung Süden fliegt, musste ihr in den Tag auf der anderen guten Seite der Anderswelt gelangen. Ich muss sowieso weitermachen."

„Das waren aber noch nicht zwei Stunden, machen die Negative auf der anderen Seite Terz?"

fragte ich besorgt, aber er lächelte nur müde und umarmte mich nochmal.

„Mach dir darum keine Sorgen, sie kommen hier nie durch, ich werde euch schützen, vor allem dich."

Er verwandelte sich zurück, als er cool von Roro sprang. Ich hingegen drehte ab und flog in Richtung Süden.

„Solar bin ich bisher noch nie begegnet. Hoffentlich trägt sie mir das mit Riguldo nicht nach."

„Sicher nicht. Riguldo war ein Arsch dir gegenüber. Moon wird ihr sicherlich davon erzählt haben. Mach dir keine Sorgen, außerdem sind wir beide stärker als sie, mittlerweile. Wäre sie in ihrer Höchstform, wäre das was anderes."

Wir kamen immer näher ans Licht und rannte direkt in die Kleinwächter von Solar. Sie sahen aus wie Wölfe aus Wolken. Wir beide schauten uns konzentriert um, nicht, dass wir aus Versehen in die erste Tagmagierin reinflogen, da war es schon zu spät, wir krachten gegen einen geflügelten Wolf, der etwas größer war, als Moon und ein regenbogengestreiftes Fell hatte. Sie knurrte kur, sah mich dann aber an und erkannte mich von Moons Erzählungen.

„Loki Esyia Woods und ihr Meister, Merlin Eugen Woods."

Eugen! Ich wusste, Merlin hatte einen Zweitnamen, der mit E anfing, aber Eugen! Ich musste mir kurz das Lachen verkneifen. Er würgte mich mit seinen Todesblick ab.

„Meine Herrin, ich habe eine Frage an sie."

Sie sah mich streng an und meine Eingeweide zogen sich zusammen. Ich erwartete die Standpauke meines Lebens, doch dann strahlte sie über Beide Wangen hinweg und sagte:

„Nenn mich doch gerne Tantchen, ich habe zwar anders als Moon, keine menschliche Form, aber ich bin nach wir vor deine Großtante."

Mir fiel vor Erleichterung alles ab, sie wirkte sehr freundlich, aber ich wusste genau wie A-Lyn und Ignis hatte auch sie ein feuriges Temperament. Trotzdem wirkte sie nett, höfflich und zuvorkommend.

„Wollen wir vielleicht kurz uns am Boden unterhalten."

Schlug sie vor und wir flogen ihr hinterher. Wir standen irgendwo auf einen leeren Plateau und Solar setzte sich.

„Ich würde dir ja gerne etwas zum Trinken anbieten, aber wie du siehst."

„Schon gut, wir haben ein paar Fragen an dich."

„Lass mich raten, Moon hat etwas wichtiges vergessen?"

Ich nickte. Sie seufzte wurde aber direkt wütend.

„Das mein kleiner Bruder nicht auch noch seinen eigenen Namen vergisst, ist ein Wunder. Also, sag schon, was hat Koray nun schon wieder vergessen?"

Ich sah Merlin fragend an, der genauso wissenslos zurückschaute.

„Koray?"

fragte ich unsicher, sie sah mich schockiert an.

„Er hat euch nie seinen echten Namen gesagt?"

gegenfragte sie entrüstet.

„Zu seiner Verteidigung, nicht einmal die Geschichtsbücher geben eure echten Namen preis. Bis eben dachte ich tatsächlich, dass eure echten Namen Moon und Solar seien."

beruhigte ich sie, doch sie wurde noch wütender:

„Ja, weil mein verblödeter Ex sie gefälscht hat!"

Sie knurrte und ihr Fell stellte sich auf.

„Wir sind gerade dabei, das richtig zu stellen…"

Ich wollte noch sagen: dafür brauchen wir aber deine Hilfe auf der Suche nach Jenson Jeevah, doch sie schimpfte direkt weiter:

„Ja, aus Korays Seite, meine hat dieser falsche Hund von Riguldo vernichtet."

Das war meine Chance:

„Nun ja, nicht ganz, wir sind auf der Spur von meinen Großonkel, Jenson Jeevah, dabei werden wir sicher einiges von deiner Seite erfahren."

Sie sah mich etwas überrumpelt an, wahrscheinlich hatte sie weiterschimpfen wollen, bevor ich sie so unverschämt unterbrach.

„Jenson, den habe ich seit hunderten von Jahren nicht mehr gesehen. Ich weiß nicht einmal, wo er überhaupt ist."

„Ich bin auf der Suche nach ihm, dafür muss ich aber wissen, wo er seine Aufzeichnungen aufbewahrt hat."

Sie überlegte kurz.

„Ich weiß nicht ganz genau wo, aber ich glaube, dass er in der Gebirgskette nördlich von der Menschenstadt Konihi eine kleine Höhle hatte, wahrscheinlich hatte er dort oft Experimente gemacht. Ich würde dort mal nachschauen."

Merlin hatte das bereits aufgeschrieben.

„Danke dir, Tante… wie heißt du in Wirklichkeit, ich will meine Tante und meinen Großvater richtig grüßen."

Sie lächelte und ich sah einen Schein von Nostalgie in ihren Augen.

„Kiah. Mein Name ist Kiah Nel Tengosa und Moon heißt Koray Luno Tengosa."

„Ich werde Beweise für eure Namen suchen und sie sofort veröffentlichen."

versicherte ich ihr.

„Danke."

Sie trappte wieder los und verschwand in den Wolken.

 Ich öffnete die Bibliothek und begrüßte nebenbei eine Schulklasse. Es waren Zweitklässler, seitdem ich die Bibliothek geöffnet hatte, waren regelmäßig Schulklassen und Schüler mit ihren Meistern da. Es war schön, dass die Kinder so neugierig waren und sich respektvoll benehmen konnten.

„Also meine Lieben, willkommen in der größten Bibliothek der neumagischen Welt."

Ich öffnete die Türe und trat ein. Ich trug meinen Mantel des Hohen Magier, wie er offiziell genannt wurde, und das Diadem. Ich führte die Kinder und den Lehrer rein und führte sie ein wenig herum. Stolas kam und ich stellte sie vor, Roro auf meiner Schulter wurde leicht eifersüchtig.

„Das ist das frühere Begleittier von Moon, die Dämoneneule Stolas, wenn ihr in dieser Bibliothek seid, werdet ihr auf sie treffen, sie ist die Schützerin der Bibliothek und diejenige, die dieses Chaos überblicken kann."

Sie lehnte sich zu den Kindern und gurrte sie freudig an. Ich musste kurz nach Noman schauen, deswegen übergab ich kurz an sie. Meine Beine trugen mich schneller nach oben, als sonst. Moon hatte seine privaten Aufzeichnungen ganz oben in einer Art Planetarium gelagert, das immer den Nachthimmel zeigte. Bei meinem ersten Besuch auf der obersten Ebene habe ich sogar noch eine Jacke und eine leere Tasse von ihm gefunden. Noman saß inmitten von Tagebüchern und las.

„Ich erlöse dich, mein Lieber."

Er sah mich an.

„Du hast was interessantes gefunden?"

„Ja ich habe mit Solar gesprochen. Jenson muss eine geheime Kammer in irgendeiner Höhle in der Gebirgskette von Konihi gehabt hab, in der er herumexperimentiert hatte."

„Davon gibt es ja nur ein paar tausend. Diese Gebirgskette wird ja nicht umsonst als Konihis Käse bezeichnet."

Motzte er.

„Aber wir haben wenigstens eine Spur. Und noch was Interessantes. Moon und Solar haben echte Namen."

„Was!"

„Neugierig? Wenn du mir versprichst bei der Suche nach Jenson zu helfen, verrate ich dir die Namen."

„Alles, was du willst!"

Echte Namen bedeutete für uns viel. Wir konnten vielleicht noch eine lebende Familie finden, die vielleicht auch noch wichtige aufschriebe, hatte, wie schon Solar sagte, ihre echten Tagebücher sind von Riguldo vernichtet worden. Noman sah mich bewundert an und warf sich vor mir auf die Knie, um mich besser anbetteln zu können. Moon wie ich das hasste.

„Steh auf, du bist nach wie vor ein hoher Magier, ist ja peinlich. Solar heißt Kiah Nel Tengosa und Moon Koray Luno Tengosa."

Er sah direkt unzufrieden aus.

„Was ist jetzt los?"

„Ich kenne eine Familie Tengosa. In meiner Grundschulklasse war ein Mihael. Er war ganz cool, aber seine restlichen älteren Geschwister und seine Eltern waren arrogant und selbstverliebt, weil sie eine sehr alte und wohlhabende Familie sind. Ich habe aber noch Kontakt zu ihm, vielleicht kann ich ihm fragen, ob er uns in die Familienbibliothek lässt."

„Gute Idee, aber ich habe mir auch was überlegt. Wenn ich schon in der Familie der hohen Geschwister herumschnüffle, dann auch bei Moons Blut. Ich frage Rania und Rulan nach Hilfe und daher, dass wir jetzt so langsam eine handfeste Grundlage haben, können wir nun endlich Thorsten einweihen. Je mehr helfen, desto besser."

„Darf ich dann bitte auch meinen Partner einweihen, der nervt mich, so langweilig ist ihm."

„Gerne, dann lass mich die Schulführung beenden und Kalli abholen, geh du schonmal mit diesem Mihael und Sajin reden, lad Mihael gerne in den Palast ein."

„Okay gut."

Ich ging wieder zu der Klasse, die sich superbrav benahmen und Stolas super konzentriert zuhörten. Darauf war ich immer stolz.

 Ich stand vor der Schule und wartete, ich hatte wieder meine Lederjacke an und das Diadem hatte auch meiner Fliegerbrille Platz machen müssen, trotzdem kamen viele Eltern zu mir und sahen mich respektvoll an. Kalli hatte noch fast einen Monat Schule, die Schule wollte noch einen letzten Ausflug in das neue Museum über den Bürgerkrieg machen. Roro putzte sich und stopfte mir die losen Federn in die Haare. Ein Bild für die hohen Geschwister, der hohe Magier Nummer eins mit Federkrone. Aber was sollte ich tun, das war seine Art wir zu sagen, dass er mich liebte.

„Im Übrigen, wann fangen wir wieder an zu trainieren? In zwei Monaten gehen die ersten Wettrennen wieder los."

fragte er und ich zog mir heimlich eine Feder nach der anderen aus den Haaren.

„Ich denke das wir nächste Woche mal wieder Zeit haben. Sajin und A-Lyn haben mir ja jetzt ihre Mithilfe bei der Renovierung des Bücherladens versichert."

„Hast du eigentlich schon einen Namen für deinen Laden?"

„Nein…"

Dann hörte ich die Schulglocke schellen, die letzten Stunde für Kalli war beendet, und man sah ein paar Minuten später Kinder aus der Schule kommen. Ich sah meine kleine Schwester aus dem Gebäude kommen. Sie sah traurig aus, aber als ich sie zu mir winkte rannte sie zu mir und umarmte mich.

„Tut mir leid, Lolo."

„Ach Kalli, das ist doch schon Schnee von gestern. Mir tut es aber auch leid, ich hätte es dir aber auch anders sagen können."

„Nein, ich… habe mit Merlin geredet und er hat mir alles wirklich ausführlich erzählt. Ich war im Unrecht…"

Ich lächelte sie an.

„Komm lass uns schnell ein Scalisque essen gehen, danach bring ich dich nach Hause, ich muss danach weiter, es gibt noch was Wichtiges, was ich zu erledigen habe."

„Kann ich dir helfen?"

„Nein, das ist leider noch geheim. Aber ich beeile mich und wir gehen nach Feierabend noch in den Laden."

„Oh ja!"

Ich half ihr auf Roro und brachte sie nach Hause. Sie war trotzdem immer noch etwas komisch, sie lag im Sattelkorb und sah in den vorbeiziehenden Himmel. Ich saß auf den vorderen Teil des Sattels und hatte meine Fliegerbrille, die ich von Thorsten bekommen hatte, und sah nach hinten.

„Roro, kann ich dich auf Autopilot stellen?"

„Gerne."

Ich legte mich zu ihr und kuschelte mich an sie.

„Was wurmt dich?"

„Wie sahen unsere echten Eltern eigentlich aus? Hast du ein Foto von ihnen?"

Da musste ich kurz überlegen, ich glaube es gab kein einziges Foto von ihm und meiner Mutter.

„Nein, es tut mir leid… Ich hatte damals keinen Kommi."

Sie sah mich enttäuscht an. Da kam mir eine Idee. Mit Glitzer und meinen Erinnerungen könnte ich sie ihr vielleicht ein Abbild unserer Eltern zeigen. Ich beschwor mein lila Glitzer und zeigte ihr unsere Eltern. Ihre Augen strahlten regelrecht. Danach bombardierte sie mich mit Fragen. Eine Frage stach mir ins Herz:

„Wie war Mutter? War sie so warmherzig wie Ignis?"

Ich verstummte und starb innerlich eine Sekunde. Sollte ich ihr die Wahrheit sagen? Unsere Mutter war die Bosheit in Person, wir waren mit Ignis besser dran, auch wenn manchmal ihr inneres Feuer mit ihr durchging, sie war eine großartige und warmherzige Mama. Wahrscheinlich war ich mit der Wahrheit besser dran, also gestand ich ihr folgendes:

„Sie war… ein typischer Negativer. Weißt du, warum ich so klaustrophobisch bin?"

Sie sah mich besorgt an und schüttelte den Kopf.

„Mutter hat mich wegen meines Aussehen gehasst und bei jeden Familienfest, die sehr oft stattfanden, wurde deine große Schwester in einen der vielen Besenschränkte gesteckt und eingeschlossen. Sie schlug mich, sie ließ es sogar zu, dass andere Familienmitglieder und Midnight mich schlugen. Aber ich weiß, dass sie dich sehr mochte. Das lag daran, dass du schon als Baby wunderschön wie eine kleine Blume warst. Sie hätte dich früh an jeden hohen Negativen verheiraten können, vielleicht sogar an Midnight."

„Igitt."

Ich musste kurz lachen, es klang so süß, wenn sie Igitt sagte.

„Aber du bist doch auch ein Mädchen, wie kam es dann dazu, dass du von Nightmare erwählt wurdest?"

„Ich war der erste Dämmerungsmagier, der unter den Negativen geboren wurde. Er wollte mich. Ich galt also ab da als Mann."

„Glaubst du, ich wäre schon bei meiner ersten Blutung verheiratet worden?"

Sie hatte vor drei Monaten ihre erste Blutung bekommen. Sehr früh, normalerweise bekamen Magier die Blutung erst zwischen dem zwölften und den sechzehnten Lebensjahr. Noman aber meinte, dass alles mir ihr okay war, trotzdem war sie sehr aufgelöst gewesen. So sehr, dass sie nicht einmal was Süßes essen wollte.

„Wären wir noch unter den Negativen, ja, dann wärst du jetzt verheiratet und… wahrscheinlich auch schon schwanger."

Ich hatte vor Jahren einen schlimmen Traum gehabt, der genau das beinhaltete. Ich gruselte mich heute noch vor ihm und musste Kalli etwas fester drücken.

„Igitt."

Das brachte mich wieder zum Lachen. Sie klang wie eine Maus, wenn sie das sagte und sie wusste, dass mich das zum Lachen brachte.

„Loki, danke…"

„Für was?"

Sie lächelte und küsste mir auf die Wange, um mich direkt fest zu umarmen.

„Das du so stark wie hundert Negative warst und bist."

Ich lächelte und drückte sie fest an mich.

Ich wein gerade!

Hast du deine Blutung?

Klappe! Man darf ja wohl weinen dürfen, wenn sich die Töchter auf die schönste Weise überhaupt vertragen.

Schön, dass wir nach tausendfünfhundert Jahren nach wie vor deine Töchter sind. Aber weine mir trotzdem nicht auf die Schulter.  

Ich betrat das Haus, mit einer lachenden Kalli an der Hand. Doch als ich das Haus betrat, fand ich Sajin, Thorsten, Ignis, die Zwillinge und Merlin vor. Die Stimmung war sehr ernst. Ich sah Noman, der dasaß wie ein begossener Hund. Das bedeutete, er hatte eine ordentliche Standpauke bekommen. Oh Moon, irgendwas war passiert und ich hatte das schlechteste Gefühl überhaupt. Ich war mir zu einhundert Prozent sicher, dass auch ich eine bekommen würde.

„Kalli geh hoch in dein Zimmer lernen."

Sie hatte keine Arbeiten mehr, trotzdem wollte ich, dass sie kurz hochging. Sie ging an mir vorbei und raste hoch. Ich wollte nicht, dass sie mit ansehen musste, wie ihre große Schwester von sechs der stärksten Magier in Elystria ermordet, oder schlimmeres, wurde.

„Was ist los?"

Ich setzte Roro auf die Kommode neben der Türe. Alezsa zog ein Buch hervor. Es war das Tagebuch von Keran Warus. Und sie hatten es alle gelesen, sie wussten nun die Wahrheit über Riguldo und Urian. Das war schlecht für mich, um es nett auszudrücken. Sehr schlecht, Mord war nicht einmal übertrieben. Also zog ich meine Zigarettenschachtel aus der Jacke und holte eine raus.

„Du rauchst nicht wirklich in meinen Haus!"

Schimpfte Ignis, durch ihre Hitze konnte ich die Zigarette anzünden.

„Du gönnst ja hoffentlich einer Totgeweihten ihre letzte Zigarette."

Ich nahm einen Zug, die Zigaretten schmeckten nach Erdbeere, frustriert, dass das das Letzte war, was ich jemals schmecken sollte, fragte ich zögernd:

„Ihr habt Noman schon eine Standpauke gehalten, wann bekomm ich meine?"

„Ist dieses Buch echt? Hat Riguldo all diese Sachen gemacht. Ist Urian…"

Fragte mich Merlin nervös.

„Oh ich hätte jetzt echt gerne Sjn."

Sagte Noman und holte seine Zigaretten aus seinen Kosmosbeutel.

„Es ist so echt wie das Papier, auf dem es geschrieben ist."

Ich nahm noch einen Zug und sah auf den Boden. Merlin sah mich erschlagen an, während Ignis weiterqualmte. Alezsa kam auf mich zu und ich dachte sie wollte mich schlagen.

„Bitte sag, dass Urian in Wirklichkeit irgendwo ganz anders ist, dass er sich versteckt hält!"

Ich schüttelte den Kopf und nahm einen großen Zug.

„Er ist mit ihnen gegangen. Urian… hat sich dazu entschieden, weil sich Riguldo gegen ihn gestellt hat. Die Mitternacht Rebellion hat er schließlich freiwillig eingeleitet, weil er sich wirklich an Riguldo rächen wollte, er wurde ja von diesen Mann schlussendlich ausgenutzt und ins Maul eines gefräßigen Tieres geworfen. Er sagte zu mir, dass es für ihn kein Leben mehr in Elystria gibt, obwohl er eigentlich gut ist. Ich war in jener Nacht zu schwach, um mit ihn richtig zu kommunizieren."

Ich rauchte die eine Zig aus und nahm direkt die nächste, seit diesen Moment hasse ich Erdbeeren, noch mehr als Fisch sogar. Alezsa sah mich schockiert an. A-Lyn sah ich das erstmal nicht cool, wie sonst auch immer, sondern ängstlich und gebrochen, und Merlin… ich sah direkt in seine Augen, der Mann, der mich wie sein eigenes Kind aufgenommen hatte, sah mich so wütend und traurig an. Das konnte ich ihm nicht verübeln, letzendes hatte ich meinen geliebten Meister verraten. Merlin drehte sich einfach um und schlug einen Teil der massiven Backsteinwand seines Hauses aus.

„Warum hast du das nicht gesagt!"

Fragte Alezsa wütend und schlug mir in den Bauch. Das war aber zu schwach, sie glitt an mir runter und schluchzte lauthals los.

„Loki, mit diesen Information hättet ihr zu mir kommen müssen, seit wann hast du sie?"

Schimpfte Thorsten und wollte mich am Kragen packen, beherrschte sich aber im letzten Moment.

„Ich habe sie im Bürgerkrieg bekommen. Noman und ich wollten sie dir nach dem Bürgerkrieg geben, doch ich habe Urian versprechen müssen, dass ich euch nie die Wahrheit sage, weswegen es seitdem in meinen Schreibtisch vermodert."

„Wie meinst du das? Was hast du Urian versprechen müssen?"

Fragte mich Merlin und kühlte seine Hand mit Ciesglaelis.

„Das kann ich dir gerne erklären Meister, was willst du jetzt als erstes machen?"

„Erstmal will ich Riguldo finden, um diesen verficken Wichser zur Strecke bringen, danach werde ich versuchen meinen Bruder zurückzubekommen!"

Schrie er mir entgegen. Ich schrie genauso wütend zurück, denn ich wusste, nur so würde er mich in dieser Situation ernst nehmen:

„Ja und drei Mal darfst du raten, was dein Bruder genau wusste! Er wollte nicht, dass du ihn holen kommst, oder dass du Riguldo was zufügst. Urian hat Riguldo verehrt, er hat ihn verraten und er hat sich dann die Macht von Nightmare zu Nutze gemacht und ihn zerstört. Er wollte dich da nie zwischen den Fronten wissen."

Ich sah Merlin an, am liebsten wäre er Amoklaufen gegangen. Alles waren kurz still. Dann schloss mein Meister kurz die Augen, bevor er anfing sich abzureagieren.

„Es tut mir leid, aber Urian will euch schützen."

Fügte ich noch hinzu.

„Bullshit!"

Sagte Alezsa und schlug mich erneut, dieses Mal etwas fester.

„Alezsa, so leid es mir tut, aber Loki hat Recht."

„Was sagst du Merlin?"

Auch A-Lyn stellte sich auf meine Seite:

„Wir kennen Merlin und uns auch. Riguldo kann froh sein, dass er in Exil ist."

A-Lyn gab mir und Noman je ein Glas Sjn.

„Trotzdem, Loki, Noman, ihr müsst mir alles, was sowas angeht sagen, egal ob es mein ehemaliger Meister ist oder nicht. Ich bin das Oberhaupt der magischen Welt und hätte ich das früher gewusst, wäre die Nacht der grünen Flammen vielleicht ganz anders verlaufen und Loki…"

Thorsten hörte auf zu reden. Ich versuchte meinen Hass auf diese Nacht zu verdrängen.

„Noman und mir tut das sehr leid, aber ich denke ich habe genug für meine eigne Dummheit in dieser Nacht bezahlt."

Brummte ich und verbrannte die Reste der Zigs mit grünen Feuer. Aus Frust trank ich das Glas leer.

„Wenn wir schon bei der Wahrheit sind, dieselbe komische Stimme hat uns etwas zu Jenson Jeevah gegeben, weswegen wir sowieso zu dir wollten."

Ich erzählte Thorsten und den anderen von dem, was wir herausbekommen hatten.

„Komisch, bei der Fähigkeit muss ich an Keran denken."

Sagte Sajin und seine Wangen wurden leicht rosa.

„Ja, aber wir haben seinen Leichnam gesehen, er ist Tod."

„Das ist jetzt nicht das Thema Ignis, wir werden ab Morgen das Käse Gebirge unter die Lupe nehmen."

Ich stand auf und sagte:

„Entschuldigt mich, aber ich habe Kalli versprochen mit ihr noch in den Laden zu gehen."

„In zwei Stunden gibt's Essen, schaut, dass ihr bis dahin fertig seid, es gibt Auflauf."

„Danke Ignis, wir werden nicht lange Weg sein, Sajin, A-Lyn ihr wolltet doch mitkommen, damit ich euch erkläre, wo genau ich Hilfe brauche."

„Ja gerne."

Trillerte A-Lyn und Sajin war auch erstaunlich schnell. Ich rief nach Kalli, die die ganze Zeit auf den Treppen saß und alles mitbekommen hat.

„Kommst du?"

„Ja!"

Jubelte sie und sprang voraus. 

„Warte ich komm auch noch mit!"

Sagte Noman und stand auf. Er sah es Alezsa an, dass sie extrem wütend auf ihn und mich war, nach wie vor. Der Rest blieb und half Ignis beim Abendessen. 

„Der Laden sieht echt schlimm aus…"

Meinte A-Lyn, strahlte aber wie die Sonne, seit dem Bürgerkrieg machte sie gerne handwerkliche Arbeiten, ohne Magie einzusetzen.

„Aber du hast schon einiges gemacht."

Lobte mich Sajin. Wir sahen uns gerade die obere Etage des Buchladens an.

„Ich bin bisher nur im Laden weitergekommen. Die Wohnfläche ist etwas größer und ehrlich gesagt habe ich da bisher überhaupt nichts machen können."

Wir gingen runter. Die Treppe war morsch und knarzte unter jedem Schritt.

„Ich denke der Laden wird schon gut werden. Und ich freue mich, wenn Kalli und ich irgendwann im Haus hinten dran wohnen werden. Natürlich nur, wenn Kalli dann noch bei mir wohnen will?"

Sie sah mich wütend an, zog eine Schnute und sagte:

„Natürlich will ich bei dir wohnen!"

Ich musste leicht lachen, setzte unkonzentriert einen Fuß auf die Treppe, vor der ich wusste, dass sie mich nicht halten konnte und fiel mit einem Krachen durch. Das geschah mir recht, dafür, dass ich meinen Meister verraten hatte. Ich hörte Noman und A-Lyn lachen, als ich auf den harten Steinboden knallte. Um meinen Kopf flogen Sternschnuppen. Kalli sah besorgt durch das Loch und ich wusste Sajin würde gerade Noman dazu animieren, gefälligst nach mir zu schauen.

„Lolo, lebst du noch?"

Fragte Noman lachend.

„Nein…"

Sie kamen zu mir und Kalli half mir hoch.

„Vielleicht wäre eine neue Treppe gut."

Stellte ich fest und hielt mir den Kopf. A-Lyn und Noman kicherten wie kleine Mädchen.

„Das sah so witzig aus, wie du durch die Treppe geflogen bist."

„Jaja… kommt, lasst uns nach Hause gehen, ich bekomm so langsam Hunger."

Sagte ich und schob die Gruppe aus dem Buchladen. Da kamen mir bekannte Gestalten entgegen. Ach, komm schon, dass nicht auch noch. Diese Personen waren Thalias und Atriens Eltern. Noman verging das Lachen. Ich sperrte die Türe schnell ab und wollte schon auf Roro steigen, doch natürlich bemerkten sie uns.

„Hallo Loki, Hallo Noman."

Sagte Thalias Mutter. Ich hatte sie seit Thalias Beerdigung nicht mehr gesehen. Sie war freundlich, auch weil ich und Noman alles getan haben, damit Thalia zumindest eine Gedenktafel im Garten der Solar bekommen hatte. Trotzdem war es unangenehm, weil seitdem wir das mit der Gedenktafel durchbekommen hatte Atriens Familie noch penetranter Noman gegenüber wurden. Er und Sajin waren sogar wieder bei uns eingezogen, weil sie nicht mehr in ihrem eigenen Haus in Kanori leben konnten. Bei jeder Bekanntgabe, die Noman machte musste diese Familie von Sicherheitsdienst mitgenommen werden, weil sie ihn ständig ins Wort fuhren.

„Hallo Frau Heartwood. Lange nicht mehr gesehen."

Sagte ich peinlich berührt. Sie kamen zu uns.

„Ist das dein Bücherladen?"

Ich nickte, sagte aber:

„Das dauert aber bis ich hier endlich ein Geschäft eröffnen kann."

„Und du Noman, was machst du?"

Thalias Mutter war wirklich freundlich, aber Atriens Eltern durchlöcherten Noman mit Todesblicken. Ein Kind zu verlieren ist schlimm, das Schlimmste, was Eltern passieren kann, aber manche gingen damit besser um, als andere und Thalias Eltern gingen, so gut es eben ging, damit um. Das letzte, was ich von den Beiden gehört habe, war dass sie sich Hilfe gesucht hatten.

„Ich… konzentriere mich gerade darauf, Loki unter die Arme zu greifen. Wir haben gerade einige große Projekte am Start."

Er traute sich nicht einmal mehr in seien eigene Praxis. Dabei war er leidenschaftlich gerne Arzt.

„Hast du nutzloses Stück Arzt endlich aufgegeben?"

Fragte Atriens Vater scharf. Sajin zog ihn weg von ihm und stellte sich schützend vor Noman.

„Ein bisschen mehr Respekt ihm gegenüber, er ist nach wie vor Arzt und der hohe Magier Nummer zwei."

Knurrte er.

„Ein hoher Magier? Das ist er nur geworden, weil er Loki's bester Freund ist."

Keifte Atriens Mutter ihn an, aber dieses Mal ging ich dazwischen.

„Lassen Sie ihn bitte in Ruhe, sonst sehe ich mich gezwungen Sie von dem Ort entfernen zu lassen. Haben Sie eh nicht ihm gegenüber schon ein Näherungsverbot? Als Nummer eins könnte ich Sie dafür eigentlich nach Lusania bringen."

Atriens Vater sah mich wütend an.

„Das traust du dich?"

Er kam drohend einen Schritt näher auf mich zu.

„Ja! Sie haben gerade nur Glück, dass sie Eltern von einen alten Kindheitsfreund sind."

Sagte ich und schubste ihn einen halben Meter weg von mir. Er taumelte kurz, fasst sich dann wieder und gab mir einen linken Haken, der sich gewaschen hat. Ich spürte Blut in mein Mund fließen, ein Zahn war locker. Oh, das hätte er nicht tun sollen. Ich merkte, die Assassine wollte ihn zu Hackfleisch verarbeiten, doch ich wollte das selbst erledigen. Langsam richtete sich mein Körper auf, spuckte ihn das Blut ins Gesicht und gab ihn einen mindestens doppelt so stark zurück. Er flog fast drei Meter und drehte sich um seine eigene Achse. Wann hatte ich mich das letzte Mal so richtig schön mit jemandem geprügelt? Das musste in meiner „Reha" gewesen sein. Er rappelte sich auf und sah mich etwas überrascht an. Ich wollte weitermachen, doch Sajin zog mich weg. Die Mutter von Atrien war näher an mich herangekommen, wurde aber von A-Lyn aufgehalten. Bevor ich diesem Stück Scheiße noch eine reinhauen konnte, zog mich mein Vorgänger weg. Stimmt, sei vernünftig, es reicht, dass dein Sexleben schon fast publik ist, ich konnte mir die Skandale zwar leisten, da ich auch nach dem Bürgerkrieg gute Arbeit leistete, aber er war auch der Vater von einem meiner verstorbenen Kindheitsfreunden.

„Seien Sie froh, dass ich euch nicht nach Lusania stecke, und nehmen sie das als Warnung, lassen Sie Noman in Ruhe."

Sajin hatte Kalli und Noman schon auf Roro gepackt und ich half gerade A-Lyn hoch, als ich ein metallisches Klicken hörte. Ich sah hinter mich und sah Atriens Vater mit einem Klappmesser hinter mir. Er rannte auf mich zu, doch weder ich noch einer meiner Freunde hielten ihn auf, die Assassine stand hinter ihm, sah ihn ins Gesicht und ich wette, hätte sie eine Mimik gehabt, hätte sie ihn dem tödlichsten Blick überhaupt gegeben. Er ließ verängstigt das Messer fallen und sie ließ ihn dann auch noch los. Sie kam zu mir und half mir hoch auf Roro, um dann selbst hochzuspringen. Roro flog los. Alle sahen mich an, ich sah die Assassine an, sie sah mich wahrscheinlich an und kuschelte sich plötzlich an mich. Keiner wusste, was sie dazu sagen sollten, einschließlich mir.

„Was bei den hohen Geschwistern ist gerade passiert?"

Fragte mich Noman. Er sah, dass ich ihr Zeichen nicht auf meine Hand geschrieben hatte und ich spürte auch, dass sie die Energie, die sie nehmen musste, um hier existieren zu können, nicht von mir nahm.

„Ich weiß es nicht."

Sie gurrte ganz komisch und kuschelte sich weiter an mich.

„Hast du mit ihr geschlafen?"

fragte mich A-Lyn. Ich sah sie schockiert an:

„So betrunken könnte ich nie sein! Das passiert seit der Nacht der grünen Flammen öfter, dass sie kommt, wenn ich wie auch immer in Bedrängnis gebracht werde, ich spüre, wie sie versucht mich zu beschützen, aber sie hat sich noch nie so an mich herangekuschelt!"

„Du solltest unbedingt mir Merlin darüber reden. Das ist nicht normal."

„Das weiß ich auch!"

Sie ging nicht, sondern wollte einfach weiter kuscheln.

 Beim Abendessen stand sie die ganze Zeit hinter mir. Ich versuchte mich nicht daran zu stören, aber meine Mitbewohner sahen mich vollkommen fertig an. Merlin las ein Buch, von dem wir hofften, mehr über Anuyomi zu erfahren. Leider gab es keine Bücher mehr, das war auch eher ein Geschichtsbuch über den Okkultismus. Es war sehr unangenehm so da zu sitzen, aber die Assassine war irgendwie glücklich.

„Und Noman hast du diesen Mihael schon erreichen können?"

Er schüttelte nur den Kopf und sah die Assassine misstrauisch an.

„Ich bin nach der Bibliothek direkt hierhergekommen und wurde auf das Tagebuch angesprochen."

„Kannst du es morgen bitte erledigen?"

„Ja, natürlich, rede aber bitte noch mit Rulan und Rania."

Ich nickte nur. Es herrschte eine peinliche Stille. Es war einfach zu viel an diesen Tag passiert und jetzt klebte die Assassine auch noch an meiner Backe. Vielleicht wollte sie eine Belohnung, also nahm ich einen weiteren Teller, lud ihr etwas auf und schob es ihr mit Essgeschirr hin. Sie sah das Essen an, dann mich, dann wieder das Essen und nahm vorsichtig die Gabel in die Hand, stach in das Essen, sie war so stark, dass die Sauce mir ins Gesichts spritzte, hob den ganzen Auflauf hoch und steckte es unter ihre Maske, dahin, wo bei Menschen der Mund war. Es verschwand in ihr und wart nie mehr gesehen. Alle sahen mich und sie an. Sie gurrte fröhlich und auch der restliche Teller verschwand in ihr.

„Das war mein gutes Geschirr Loki."

schimpfte Ignis und pickte mich. Ich konnte nicht einmal blinzeln, da hatte die Assassine Ignis an den Krallen gepackt und hob die gackernde Ignis wie ein Huhn, was kurz vorm Schlachten war, hoch und wollte eben diesen Prozess durchführen, da hielt ich sie auf:

„Nein, nein, alles ist gut, es hat nicht wehgetan!"

Sie stand kurz so da, als wäre sie sich dabei nicht ganz sicher. Alle standen und waren bereit die Assassine anzugreifen, nur ich blieb ruhig, wohlwissend, dass ich sie noch stoppen konnte.

„Bitte, lass sie los… Du bekommst auch noch etwas zum Essen."

Ich hielt ihr meinen Teller hin und sie ließ Ignis wie einen nassen Sack fallen und nahm vorsichtig den Teller, den sie auch ganz verspeiste. Ignis traute sich dieses Mal nichts zu sagen.

„Loki, egal wie, aber bitte sie vielleicht zu gehen."

Die Assassine knurrte Merlin wütend an, hüpfte zu mir und klammerte sich an mir fest.

„Ich fürchte, sie will nicht."

sagte ich. Sie gab wieder ihre glücklichen Taubengeräusche von sich.