'Ari rannte so schnell sie konnte – sie wollte sich keinesfalls mit Nicolai anlegen. Vielleicht wusste sie auch einfach nicht, wie sie mit jemandem umgehen sollte, der so außer Kontrolle geraten war.
Ihr Leben lang hatte sie Situationen immer bedacht und wohlüberlegt verlassen. Nicolai war aber das krasse Gegenteil: ein Mensch, der zuerst handelte und dann erst plante, ganz zu schweigen von seiner ungefilterten Ausdrucksweise.
Was meinte er damit, dass es bei ihm "untenrum voll" sei? Was sollte sie mit dieser Information anfangen?! Argh! Ihr Kopf brachte nichts mehr in eine sinnvolle Reihenfolge.
Sie nahm den gewohnten Weg, den sie jeden Morgen ging. Der bloße Gedanke an eine Routenänderung ängstigte Ari genauso wie jede andere Veränderung. Noch nie ging sie an den dichten Bäumen und dem Kopfsteinpflasterweg vorbei, denn Dunkelheit und Stille des Waldes waren ihr unheimlich.
Als Ari zusammen mit Noah entführt wurde, wurden sie zu einem Lagerhaus im Wald gebracht, dieser Vorfall schlug eine tiefe Narbe in Aris Herz. Obwohl dieser Park nicht so dicht bewachsen war wie jener Wald, wollte Ari kein Risiko eingehen.
Sie fürchtete, dass es ihr Trauma wieder zum Vorschein bringen könnte, und Ari wollte nicht hysterisch kreischend mitten im Park enden, wie eine Wahnsinnige.
Deshalb war es für Nicolai wahrscheinlich ein Kinderspiel, ihr zu folgen – er wusste ja, welche Wege sie einschlagen würde.
Glücklicherweise war Ari Mitglied in einem Club der High Society und praktizierte Tennis. So war sie das Laufen gewöhnt. Nicht zu vergessen, teilnahm sie während ihrer Studienzeit häufig an Marathons.
Nicolai mit seiner riesigen Statur hatte keine Chance, sie einzuholen.
Ein Gewicht traf ihren Rücken und sie ließ Timmy los, der aus ihren Armen sprang. Ari taumelte und ließ dabei auch den Frisbee fallen. Als sie sich umdrehte, sah sie Nicolai hinter sich, der schwer atmete, allerdings nicht so schwerfällig wie sie.
Auf seiner Stirn war kein Schweißtropfen zu sehen, doch sein Brustkorb hob und senkte sich unter der schwarzen Kleidung, die er wie ein Gothic-Punk trug.
"Was zum Teufel stimmt nicht mit Ihnen, Mister De Luca? Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass ich immer noch verheiratet bin? Ihr Benehmen könnte Gerüchte hervorrufen, falls uns jemand sieht", fuhr Ari ihn an. In dieser Gegend lebten viele Prominente. Sollte auch nur einer von ihnen sie mit Nicolai sehen, konnte Ari ihren Frieden vergessen. Doch kaum hatte sie ihn angefahren, biss sie die Zähne zusammen, denn Ari war keine Person, die die Fassung verlor.
Das hatte sie in den Brautstunden gelernt, und sie hielt Geduld und Gelassenheit für weitaus besser, als die Kontrolle zu verlieren, denn nichts Gutes kam dabei heraus, wenn sie die Beherrschung verlor.
"Was? Sie glauben, es kommen Gerüchte auf, nur weil ich Sie in einem Park getroffen habe?", fragte Nicolai, der zur Hälfte amüsiert und zur Hälfte verwirrt wirkte. Er tat so, als hätte er nicht mitbekommen, dass sie gerade fast die Beherrschung verloren hatte, was ein deutlicher Unterschied zu ihrem Ehemann war, der sofort kontern würde.'Noah mochte es nicht, wenn Ari ihre Stimme gegen ihn erhob.
Ari unterdrückte den Dämon in ihrem Herzen, der danach drängte, in den tiefsten Tiefen die Kontrolle zu übernehmen.
Erst dann rieb sie sich die Stelle zwischen ihren Augenbrauen und sagte: "Ich bin die Frau deines Geschäftsrivalen. Ich bin die Frau des Mannes, den du das letzte Mal schlagen wolltest. Glaubst du, man würde uns in Ruhe lassen, wenn man uns zusammen sehen würde?"
Sie hielt fragend ihre Hand vor sich, doch anstatt auf ihre Worte zu achten, griff Nicolai nach ihrer Hand und nahm diese in seine. Er drückte sie und ein schiefes Grinsen erschien auf seinen Lippen: "Süß. Ihre Hand ist weicher als die aller anderen Frauen, die ich jemals gehalten habe, Mrs. Nelson. Wie auch immer, ich bin nicht hier, um Ihnen Probleme zu bereiten. Ich bin nur hier, um Ihnen mitzuteilen, dass das Darlehen, das Sie von mir aufgenommen haben, jetzt zwanzig Dollar beträgt und nicht zehn. Ich muss meinen Job machen, aber ich werde fünf Dollar erlassen, wenn Sie mir gestatten, Ihre Hand zu drücken."
Ari war augenblicklich erstarrt, ihre ruhigen und sanften Gedanken verwandelten sich in ein Feuer, das sie noch nie zuvor in ihrem Leben gespürt hatte, nicht einmal, als sie ihren Mann dabei ertappte, wie er ihre Schwester küsste. Sie wollte den Mann vor ihr am liebsten in den Schritt treten, doch Ari ließ nicht zu, dass der Zorn sie übermannte.
Denn wenn sie das tun würde, würde sie die Kontrolle über alles verlieren.
Sie zog ihre Hand zurück und sprach dann zu ihm: "Hören Sie auf mit den anzüglichen Bemerkungen, es fühlt sich an, als würde ich Ihnen meinen Körper für Geld verkaufen." Nach einer kurzen Pause fügte Ari hinzu: "Es sind erst drei Tage vergangen... und das Darlehen ist auf über zwanzig Dollar angestiegen, Ihre Zinsen sind ziemlich hoch."
"So ist das eben", erwiderte Nicolai mit einem Grinsen und steckte die Hände in die Hosentaschen. "Deswegen nimmt niemand Kredite von der Mafia auf, die Zinsen sind unerträglich hoch."
Ari zog eine Augenbraue hoch, nahm einen Zwanzig-Dollar-Schein heraus und reichte ihn Nicolai. Obwohl ihr das Geld knapp wurde, war sich Ari bewusst, dass, falls sie ihre Schuld nicht begleichen würde, wer weiß, welche unverschämte Summe dieser Mafioso sonst verlangen könnte.
"Bitte sehr, Herr De Luca", sagte Ari mit sanfter Stimme. "Damit habe ich meine Schuld bei Ihnen beglichen."
Mit diesen Worten versuchte sie, sich zu entfernen, doch der Mann streckte die Hand aus und hielt sie zurück, während sie ihm den Zwanzig-Dollar-Schein auf die Brust klopfte.
Sein Grinsen wurde noch breiter, als er den Kopf schüttelte und sagte: "Nein, noch nicht. Sie haben mich noch nicht zu Mittag- und Abendessen eingeladen."
"Ich habe Ihnen gesagt, dass ich das nicht kann, es sei denn,——"
"Sie sind geschieden? Ja, ich weiß", Nicolai neigte den Kopf und beendete den Satz für sie. "Aber machen Sie sich keine Sorgen, Sie werden sehr bald bekommen, was Sie wollen." Und er ebenso.