"Soll ich sie hochbringen, oder bleibt sie hier?", fragte ihr Meister.
"Du brauchst sie nicht freizulassen", sagte Menkar mit kalter, strenger Stimme. Mit diesen Worten stürmte er aus dem Kerker, seine Stiefel klackten unheimlich auf dem Steinboden.
"Wasser", flüsterte sie, die Hände auf dem Kopf. Sie stolperte von einem Heuhaufen hoch, ihre Kleidung klebte an ihrem Körper und ihr Haar war schweißverfilzt.
Ihr Meister trat an die Gitterstäbe ihrer Zelle heran. Er reichte ihr einen Krug mit Wasser. Sobald sie ihre Hände um den Krug gelegt hatte, schlug er ihr mit dem Stock auf die Knöchel, so dass sie schreiend zu Boden ging.
"Nicht so schnell, Tania", zischte er. "Nicht so bald. Du hast versagt."
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Eltanin fühlte sich... auf einer grundlegenden Ebene leer. Und es war nicht verwunderlich, dass die Albträume ihn im Schlaf heimsuchten.
Die verschwommenen und blutigen Züge der Frau verschwammen immer wieder. Aluba, die schöne Nymphe, war aus dem Reich der Nymphen gekommen, als Abgesandte ihrer Königin. Doch sie verriet ihn und betrog ihn schließlich. Er fiel in die Hände seiner Nemesis. Es war so viel Blut um sie herum, dass Eltanin das Gefühl hatte, er müsste kotzen. Aber er hielt seine Bestie im Zaum. Schritte ertönten in der Höhle, und ein Mann mit schwarzen, missgestalteten Tätowierungen im Gesicht trat vor ihn. "Lass deine Bestie raus, Eltanin", zischte er.
"Verpiss dich!" Eltanin spuckte mit zusammengebissenen Zähnen, während seine Bestie in ihm danach schrie, herauszukommen.
Felis warf den Kopf zurück und lachte über seine Sturheit. Er schlenderte zu der Stelle, an der Aluba lag, auf einem steinernen Altar, der rot getränkt war.
"Aluba ist eine schöne Frau", sagte Felis und fuhr mit einem Finger über ihr Gesicht. Sie war tot, ihre Arbeit getan, aber warum hatte sie ihn verraten? Sie hat alles umsonst geopfert, und Felis hat sie auch noch gequält.
"Weißt du, warum Aluba dein Vertrauen gebrochen hat?" fragte Felis, als würde er Eltanins verwirrten Blick verstehen. "Es war ganz einfach. Ihr Geliebter war in meinen Kerkern. Ich hatte ihr versprochen, ihn ihr zurückzugeben, wenn sie dich hierher bringt." Er sah Aluba an, deren leblose Augen nun an die Decke starrten. "Ich habe mein Versprechen gehalten und auch ihren Liebhaber getötet. Sie sind beide zusammen irgendwo in der Hölle." Er bellte ein Lachen. "Ihr Geliebter war eine Hydra, die Gefühle für sie entwickelte. Und keine Hydra -" zischte er und fletschte die Zähne. "Keine Hydra kann für Frauen weich werden!"
Eltanin starrte Felis an, während die Wut in ihm brannte.
Felis gab seinen Wachen ein Zeichen. Die Höhle füllte sich mit dem Geräusch seines schmerzhaften Stöhnens, als ein Soldat dreimal auf ihn einschlug: Seine Schulter, seinen Kopf und sein Ohr. Die Knochen in ihnen knackten. "Warum gibst du mir nicht nach, Eltanin?" bemerkte Felis nonchalant. "Es wäre so einfach für dich."
Eltanin war auf den Knien angekettet, an den Hand- und Fußgelenken an die massiven Wände dahinter gefesselt. Er konnte sich nicht bewegen, und seine Gedanken waren so verschwommen wie seine Sicht. Vielleicht war eine Ader in ihm geplatzt.
"Gibst du auf?", fragte er und spuckte Blut auf den Boden. "Du warst schon immer verrückt." Seine Bestie wollte ausbrechen, sie alle wutentbrannt töten - aber er wusste, dass Felis sie in dem Moment, in dem sie auftauchte, mit seinen dunklen Zaubern an die Leine legen und kontrollieren würde.
"Glaubst du, dass du dieses Mal gerettet wirst?" fragte Felis, während er eine Klaue unter Eltanins Kinn krümmte, sich in sein Fleisch grub und sein Gesicht anhob. "Niemand kann dich jetzt noch retten. Meine Festung ist uneinnehmbar!"
Eltanin schüttelte den Kopf. "Habt Ihr vergessen, dass ich schon zweimal unverletzt entkommen bin?"
Felis schlug ihm auf den Kiefer und renkte ihn aus. Eltanins Kopf peitschte zur Seite, und Blut spritzte auf den Boden.
"Widersetze dich mir nicht", knurrte Felis. "Gib mir deine Bestie."
Eltanin lachte durch seinen blutverschmierten Mund. "Hör auf, deine Zeit zu vergeuden."
Felis seine Bestie zu geben, würde bedeuten, dass er für immer sein Sklave sein würde. Er wäre nur noch ein Mensch mit einer Seele, der von einem anderen kontrolliert würde. Er würde sich Felis' Befehlen niemals widersetzen können, und er wusste, was Felis vorhatte. Er wollte Araniea und das Jenseits kontrollieren.
"Du kannst mich noch hundert Jahre hier behalten", sagte er, "und ich werde mich nicht fügen!"
"Dann soll dein Wunsch in Erfüllung gehen!" sagte Felis und winkte mit der Hand. Seine Soldaten begannen, auf Eltanin einzuschlagen.
Felis schlenderte zum Rand des einsamen Tisches hinüber, auf dem Aluba tot lag. Hinter ihm griffen die Soldaten Eltanin an, der sich bemühte, seine Bestie zu bändigen.
Jemand schrie vor qualvollen Schmerzen. War das Aluba? Seine kalte Stimme erklang wieder aus der Dunkelheit, die ihn umgab. Er fühlte sich... erdrückt. Er musste ausbrechen.
Eltanin schreckte ruckartig auf, schnappte nach Luft, rang nach Bewegung und war von Unbehagen gepackt. Als ihm die Erkenntnis kam, war er schweißgebadet. Seine Verwirrung ließ nach, und er sah, dass er allein auf seinem Bett lag. Sein Kopf pochte mit schrecklichen Kopfschmerzen. Draußen war es dunkel, obwohl der Sonnengott in seinem Wagen über den Wolken fuhr. Ein Donner grollte, und Blitze schlugen in den Palast ein. Der Boden bebte, die Fenster klapperten. Wie lange hatte er geschlafen? So gut hatte er schon lange nicht mehr geschlafen, und einen so schlimmen Albtraum hatte er schon lange nicht mehr gehabt.
Die Erinnerungen an die letzte Nacht blitzten in seinem Kopf auf. Das Mädchen... in einem weißen Chiffonkleid... Plötzlich setzte sein Herz einen Schlag aus. Das Bett war jedoch leer. Ein gefährliches Knurren entrang sich seiner Brust. Er schwang seine Füße vom Bett und stürzte zur Tür, um zu sehen, ob das Mädchen noch da war. Als er sie öffnete, empfing ihn nichts außer dem üblichen Geplapper von Dienern, Soldaten und Gästen. Sein Stellvertreter, General Fafnir, wartete vor der Tür, die Hände fest hinter sich verschränkt. Vier weitere Soldaten flankierten ihn auf beiden Seiten der Tür.
Eltanin suchte den Korridor nach ihr ab. Alle erstarrten unter seinem tödlichen Blick.
Panik und Wut pochten in seiner Brust, und seine Augen glühten vor Wut. Seine Lippen schürzten sich, seine Reißzähne zeigten sich, seine Fäuste ballten sich fest neben ihm. Wie konnte sie es wagen, zu gehen, ohne ihn zu wecken?
"Hast du ein Mädchen aus diesem Zimmer gehen sehen?", fragte er Fafnir.