Chapter 30 - Kapitel 30

Gabriel ging sicher, dass sie wieder in Ordnung war, erst dann setzte er sich hin. Inzwischen waren auch Messie und Norman hereingekommen, und standen auf Abruf bereit, Messie setzte sich allerdings auf ihren zugewiesenen Stuhl.

Die Glocke auf ihren Tellern wurde von Norman angehoben und sie sah etwas vor sich, dass sie noch nie gesehen hatte, doch es duftete köstlich.

Sie sah zu Gabriel und wartete auf ein Zeichen, dass sie Essen durfte. Er sah sie mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Du brauchst nicht zu fragen, hau rein!" Er legte sein Besteck nieder als ihm etwas einfiel „Und du kannst ruhig mit den Händen essen, so schmeckt es viel besser." Er nahm das Fleisch vor ihm in die Hand und fing an zu essen. Messie unterdrückte ein Lachen, er war so süß zu ihr. Vivien lächelte und machte es ihm nach.

Die schwere Bronze-Griff der an der Eingangstür befestigt war wurde gegen diese geschlagen, im Gang nebenan. Vivien zuckte zusammen während Gabriel spürte wie er sich verkrampfte, nicht schon wieder beim Essen, in diesem gottverdammten Haus war es immer still, nur seit sie da war nicht. Er stand auf um zu verjagen wer auch immer störte, doch er hörte Dr. Dess langezogen rufen, „Ich bin´s!" also machte Gabriel am Absatz kehrt, und setzte sich wieder hin, er deutete Norman, dass er ihn hereinlassen sollte. Messie ging in die Küche, um Essen für den Arzt zu holen.

Dr. Dess kam frohen Schrittes herein und setzte sich ungefragt zu den Beiden. „Ich habe nachgedacht." Stellte er in den Raum, als wäre es eine Errungenschaft. Er nahm seine Brille von der Nase, und deutete mit dieser auf das überraschte Mädchen. „Du brauchst Unterricht!" 

Gabriel sah ihn entgeistert an. „Wozu?" knurrte er genervt.

Aufs Stichwort wurde dasselbe Gericht wie den anderen vor ihn gestellt. Doktor Dess sah zu ihr „Vivien?" Sie erwiderte seinen Blick und legte den Kopf fragend schief. Der Arzt nahm die Hühnerkeule vor ihm in die Hand und fragte sie „Was ist das?" Das Mädchen zuckte verwirrt seine Schultern und sah zu Gabriel. Dieser konnte nicht glauben, dass sie nicht antworten konnte doch dann traf es ihn. Sie war völlig unterernährt und es war unwahrscheinlich, dass sie jemals mehr als Suppen und Brot gesehen hatte. Sie hatte niemanden der ihr irgendetwas erklärte, während Emma auf seine und ihre Kosten gelebt hatte. Sein Kiefer spannte sich an, er hätte sie sofort töten sollen, bevor seine Großeltern sie entdeckten und nur weiter verwöhnen konnten. Was wusste sie und was nicht? Wusste sie wie ihr Körper funktionierte und wenn woher? Er spannte sich weiter an bei dem Gedanken ihr ihre Periode erklären zu müssen oder Sex. „Oh Gott helfe mir..." murmelte er verzweifelt. Dr. Dess hatte die Gesichtszüge des Jungen beobachtet, und sah sofort seinen Gedankenverlauf, er fing an zu lachen, wobei er sich fast verschluckte. Er nahm einen Schluck aus seinem Glas und räusperte sich. „Genau davon rede ich." Gabriel warf ihm einen wütenden Blick zu. „Ist ja gut, also, es gibt ein Kloster in der Nähe, dort werden Mädchen unterrichtet."

„Ich dachte keine Veränderung und keine neuen Menschen?" konterte er.

Der Arzt zuckte nur mit den Schultern. „Vielleicht hilft auch Kontakt zu gleichaltrigen?" 

Gabriel öffnete genervt seinen Mund doch, bevor er etwas sagen konnte, unterbrach der Arzt ihn „Fragen wir doch Vivien." Er sah fragend zu ihr, und Gabriel tat es ihm gleich. Das Mädchen war mit den beiden Augenpaaren auf ihr überfordert, also sah sie nach unten. 

Sie flüsterte nur „Gabriel." Damit meinte sie Zweierlei, ersten wollte sie nicht von ihm getrennt werden, und Zweitens, sollte er die Entscheidung für sie treffen, er war schließlich die Person in deren Haus sie war und dessen Essen sie aß. Gabriel verschränkte triumphierend die Arme, wenn sie nur mit ihm sprach, selbst wenn sie nur seinen Namen sagen würde, würde er verstehen und es war ihm lieber sie sprach niemals mit jemand anderen. Der Vogel in dem Käfig mit ihm,- wo er sie festhalten konnte, um zu verhindern, dass sie flog und ihn verließ. Es war nicht fair ihr Gegenüber, sie nicht dazu ermutigen ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, und er sollte sie in die Welt hinauslassen. Doch das konnte und wollte er nicht. Egal wie schlecht er deswegen war, solange er die wichtigste und bevorzugt die einzige Person in ihrer Welt war, war alles in Ordnung.

Dann dachte er etwas, wofür er sich selbst zu hassen begann. Er hatte sich schon oft gehasst doch niemals so wie in diesem Moment. Ihm kam der Gedanke, dass es vielleicht sein Gutes hatte, dass sie in dem Sklavenhandel gelebt hatte. Sie war gebrochen und er konnte sie aufsammeln, so wäre sie auf ihn fixiert und würde ihn zwangsläufig lieben. Wäre sie wie Emma aufgewachsen, wäre sie genauso offen für neue Menschen, was würde sie davon abhalten sich in jemand anderen zu verlieben? Was hatte er anzubieten außer seine Sehnsucht, seinem Verlangen, seiner verzerrten Liebe, und einem Berg von Leichen?

Er wusste, dass er durch diese Betrachtungsweise zu einen von den Menschen wurde, die sie so verletzt hatten. Er hätte, wenn er es so sehen würde, sie nicht in einen Käfig gesperrt damit sie nicht wegflog, er hätte das Messer in der Hand, sie auf den Boden liegend, und ihre Flügel abgeschnitten. Er machte sich selbst krank und ihm wurde schlecht. Immer weiter kamen ihm verstörende Gedanken. Er hörte Doktor Dess schon lange nicht mehr zu, der von irgendetwas redete, während er aß. Jegliche Farbe wich ihm aus dem Gesicht, er stand wankend auf und lief aus dem Raum zurück in sein Schlafzimmer. Er stürmte in sein Bad und übergab sich dort während der Stimme in seinen Kopf nicht aufhörte. Es war gut, dass ihr Körper voller Narben war, so würde sie niemand anderes wollen, es war fantastisch. Niemand würde sie anfassen, und sie musste bei ihm sein. Er übergab sich weiter, ihm wurde heiß und sein Adrenalin stieg. Nur er würde sie wollen egal in welchem Zustand sie war, sie hätten ihr auch einen Fuß entfernen können, so könnte er sie immer tragen. „Nein nein nein, denk an etwas anderes, nur nicht an das, bitte nicht." Er keuchte, sein Herz raste und kalter Schweiß rann an ihm herunter. Wieso hatte er sich überhaupt bemüht alles perfekt für sie zu machen? Dass sie eine glückliche Kindheit hatte, wo er sie doch manipulieren konnte, wo er sie Kontrollieren konnte? Er hätte sie gleich einsperren sollen um sie dann als ihr Held, ihr Ritter und Retter da herausholen können, dann würde sie ihn lieben. „Nein, nein, bitte Stop." Er musste sie schließlich brechen, bevor er sie wieder zusammensetzen konnte.

 „Nein, nein, so bin ich nicht."

So bist du nicht?