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Chapter 15 - Autonomie und Schutz

Die Arbeit für Trillium hatte ihre eigenen Vorteile.

Das erste waren die uneingeschränkten Hotelaufenthalte. Reisen und Hotelübernachtungen waren immer kostenfrei, egal wohin man ging.

Der zweite war definitiv das Geld.

Trillium wird nicht von der Regierung finanziert. Stattdessen wird es von Hexen und Gestaltwandlern finanziert. Die Agenten und Beamten, die für Trillium arbeiteten, erhielten ein stattliches Gehalt, das für Ava nahezu nutzlos war, da sie seit Beginn ihrer Tätigkeit für Trillium ständig unterwegs war.

Geld würde also selbst dann kein Problem für sie sein, wenn sie einige Monate lang nicht arbeiten würde.

Das war derzeit aber nicht Avas Hauptanliegen.

Sie machte sich mehr Sorgen um den Mann, der in ihrem Hotelzimmer saß, als gehöre ihm der Ort. Er genoss einen Tee, den sie nicht kannte. Sie fragte sich, ob er seinen eigenen Tee mitnahm, wohin er auch ging.

Matthew Graydon.

Warum war er schon wieder hier? Sie kämpfte gegen den Drang an, ihre Schläfe zu massieren, um das Pochen zu lindern. Verdammt, ein Kater!

"Ich habe Sie nicht gebeten, mein Hotelzimmer zu betreten.", sagte sie. Sie saß ihm gegenüber, die Arme vor der Brust verschränkt. Sie hatte keine Lust, mit diesem Mann zu reden. Nicht nach dem, was in der letzten Nacht mit Jude passiert war.

"Kater?", grinste er und schlug seine langen Beine übereinander. Die Geste wirkte geschmeidig und elegant, strahlte aber dennoch Autorität aus. Sie betrachtete seinen beigen Pullover. Zum ersten Mal sah sie ihn in etwas anderem als seinem Anzug.

Um ehrlich zu sein, sah er in lässiger Kleidung besser aus.

Ein Anzug machte ihn noch dominanter, lässige Kleidung schien seine überwältigende Ausstrahlung zu mildern.

"Starke Kopfschmerzen.", antwortete sie. Sie war gestern sofort nach Hause gegangen, nachdem sie mit Jude zusammen gewesen war. Sie konnte jedoch nicht schlafen und so trank sie noch ein paar Whiskeys.

Das Ergebnis?

Verheerende Kopfschmerzen.

"Ich bin nicht in der Stimmung, Sie zu unterhalten, Matthew."

"Oh, ich bin nicht hier, um unterhalten zu werden. Deshalb... habe ich mein eigenes Frühstück mitgebracht. Machen Sie ruhig, was Sie wollen. Ich kann hier die Aussicht genießen, während ich mich sattesse. I- "

"Was wollen Sie?", unterbrach sie ihn.

"Amelia. Ich möchte, dass sie gefunden wird."

"Also ... wollen Sie jetzt den Ortungszauber anwenden? Großartig. Dann lasst uns das machen."

"Nicht, solange Sie in so einer Stimmung sind, Liebes."

Sie kneifte die Augen zusammen. An seiner Art, sie anzusehen, konnte sie seine Belustigung erkennen. Amüsierte er sich über ihr Unglück oder über ihre Augenringe? Vielleicht beides?

"Trillium hat mich entlassen.", sagte sie. "Wenn Sie also nur mit mir zusammenarbeiten wollten, weil ich bei Trillium bin, sollten Sie besser gehen. Ich habe nicht mehr die Privilegien, die ich hatte. Ich habe Feinde, die mich umbringen würden, wenn sie wüssten, dass ich nicht mehr für Trillium arbeite." Trillium hatte sie beschützt. Da sie nun suspendiert war, hatte sie auch all diese Privilegien verloren.

"Das - war keine Überraschung." Matthew lächelte.

"Sie wussten also schon, dass ich..."

"Aus dem Dienst suspendiert wurde, Liebes. Sie wurden noch nicht entlassen." Er betonte das 'noch' besonders.

"Aus irgendeinem Grund überrascht es mich nicht, dass Sie davon wussten."

Er antwortete nur mit einem weiteren Lächeln.

"Ich werde jetzt ein Bad nehmen. Lassen Sie etwas für mich übrig.", sagte sie und ging in Richtung ihres Schlafzimmers. Heute wäre der letzte Tag, an dem sie in diesem Hotelzimmer bleiben würde. Da sie ihre Sachen bereits gestern Abend gepackt hatte, würde sie einfach später auschecken und zu Gabriellas Haus gehen, das Ava nach ihrem Tod vermacht wurde.

Sie hatte den Ort gemieden, da sie nicht an den Tod ihrer Mutter erinnert werden wollte, während sie die Fälle untersuchte. Aber jetzt hatte sie keinen Grund mehr, den Ort zu meiden.

Nach einem schnellen Bad zog sie sich wieder komplett in Schwarz an und frühstückte mit Matthew, der überraschenderweise auf sie gewartet hatte.

"Also... erzählen Sie mir von Ihren Plänen. Nach allem, was passiert ist.", fragte Matthew. "Da Trillium Sie loswerden wollte, warum arbeiten Sie nicht einfach für mich?"

Sie warf ihm einen bösen Blick zu. Sie gefiel die Formulierung, die er benutzt hatte, nicht. Sie loswerden? Wirklich?

"Ist es so schlimm, für mich zu arbeiten? Ich kann Ihnen die gleichen Vergünstigungen bieten wie sie."

"Ich habe nicht wegen des Geldes für sie gearbeitet."

"Ach ja?"

"Sie haben mir versprochen, dass Sie mir alles, was Sie haben, für den Fall meiner Mutter geben werden."

"Das stimmt."

"Ich will es trotzdem."

"Trillium hat Sie gebeten, die Ermittlungen einzustellen, oder?"

Er erhielt keine Antwort.

Ja, die Ermittlungen gegen die Hexen würde sie einstellen. Aber sie würde nicht aufhören, den Mord an ihrer Mutter zu untersuchen.

Es dauerte lange, bis sie den Schmerz über den Tod ihrer Mutter vor etwas mehr als einem Jahr überwunden hatte. Die Schuldgefühle, die endlosen Alpträume, die ihre Nächte in die Länge zogen, die Erinnerungen. Es gab kein Vergessen.

Es gab nur das Gewöhnen an den Schmerz.

"Was hat sie dazu bewogen, der Sache nachzugehen?", fragte er und in seinem Blick lag Neugier.

"Nichts", log sie. "Sie ist meine Mutter. Ich sollte wissen, was mit ihr passiert ist." Das war gelogen. Das, was sie darauf brachte, war das, was Trillium Samuel angetan hatte.

Sie wusste, dass Samuel sie aus einem bestimmten Grund hergeschickt hatte und sie wollte herausfinden, welcher das war.

Er hob eine Augenbraue, dann nahm er eine Serviette und tupfte damit seinen Mund ab.

"Sie sehen wunderschön aus, Ava. Selbst wenn Sie lügen."

Ja, er konnte ihre Lügen ganz genau spüren, aber das war ihr egal. Wohl aber kümmerte sie die seltsame Erregung, die sie bei ihm spürte. War er etwa läufig oder so?

"Was ist mit Trillium?", klang er neugierig, doch sie konnte schon von weiten spüren, dass er das genoss.

Was ist mit Trillium?

Die Organisation würde sie nicht einfach so gehen lassen. Wenn sie wüssten, dass sie im Mordfall ihrer Mutter ermittelte, würden sie sie sicherlich abziehen und womöglich würde sie, wie die meisten Agenten, spurlos verschwinden.

"Ich werde diese Brücke überqueren, wenn ich dort ankomme." Eine weitere Lüge. Ava wusste genau, was sie tun würde, wenn sie gezwungen würde, diesen Ort zu verlassen. Aber sie musste ihm ihre Antwort nicht sofort verraten.

"Gut. Dann warum arbeiten Sie nicht für mich?"

Es sah so aus, als ob er wirklich darauf bestand, sie für die Lykaner arbeiten zu lassen. Lag es daran, dass er wusste, dass sie Magie wirken konnte, ohne dazu Beschwörungen zu benötigen?

"Neben dem, kann ich Ihnen zwei Dinge versichern. Erstens: Autonomie... zweitens: Schutz."

"Vor Trillium?", fragte sie.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis er antwortete. Er warf ihr einen intensiven Blick zu, so intensiv, dass sie eine leichte pulsierende Vibration in der Luft spürte. Sie konnte den Ärger spüren, den er verzweifelt versuchte, unter seinem guten Aussehen zu verbergen.

Dann sagte er: "Vor jedem, Liebes. Vor jedem, der versucht, Ihnen zu schaden."