Es war gemütlich und entspannend. Kaiden saß auf der aus Holz gefertigten Bank und genoss seinen immer kühler werdenden Kakao. Seine Augen waren nach hinten gerichtet, bis sie den Himmel erreichten. Der Spiegel des Meeres schien um einiges gesunken zu sein, fast so, als hätte das Meer sich zurückgezogen. Die Barriere schien beinahe das gesamte Meerwasser mit sich gezogen zu haben. Was übrig blieb, war das Wasser, das durch die Tsunamis an Land geschwemmt worden war. Um dies und noch mehr zu schützen, wie seine Schwester bereits sagte, wurden Dämme errichtet. Sie waren allerdings so weit entfernt, dass man sie aufgrund des Horizonts nicht sehen konnte. Die Barriere hingegen war unübersehbar. Sie glich in ihrer Höhe der Atombombe, die Kaiden einst im Klassenzimmer gesehen hatte. Während er über all das nachdachte, empfand er auch die unwirkliche Natur der Geschehnisse. Zwei Jahre waren vergangen, seit er erwacht war, wie die Personen, von denen er in Videospielen und Geschichten hörte. Es schien, als sei er in einer völlig neuen Welt, nicht nur wegen der fantastischen Ereignisse, die nun geschahen, sondern auch wegen des Geldes.
Als Kaiden schließlich seine Gedanken beendete, stand er auf. Er stieß sich mit den Händen von der Bank ab und setzte seine Beine als Fortbewegungsmittel ein. Dabei ließ er den anderen Becher Kakao, der inzwischen abgekühlt war, stehen, und lief die Promenade in Richtung Stadt entlang.
Die zuvor ruhige und entspannte Atmosphäre, erfüllt von einem leicht fischigen Geruch und frischem Wind, verwandelte sich in lautes Gedränge. Obwohl die Stadt groß war, war es eng. Man hatte zwar Platz zum Laufen und wurde nicht angerempelt, dennoch war es voller als üblich. An welchem Wochentag waren sie gleich nochmal? Dachte er in sich hinein. Nachdem er sich selbst befragte, kam die Antwort von ihm selbst: Es war bestimmt das Wochenende, das erklärte die Menschenmassen. Kaiden wirkte jedoch besonders in der Menge. Nicht weil er ein Erwachter war, sondern weil er der Einzige war, der in dünnen, schlichten Kleidern herumlief. Es sah fast aus wie ein dünner Pyjama. Als ihm dies bewusst wurde, wusste er bereits, was er tun wollte: einkaufen gehen. So etwas hatte er noch nie gemacht. Er hörte immer wieder von seinen Freunden, wie viel Spaß es machte, vor allem die Mädchen in seiner Klasse waren ganz verrückt danach. Doch Kaiden konnte das nie tun, da er nach der Schule immer Teilzeit arbeiten musste. Sein Bruder verdiente nicht genug, da dieser selbst erst aus der Schule kam. Also lief er einheitlich vom Ober- bis zum Unterkörper gekleidet durch die Passagen. Kaiden freute sich ein wenig wie ein Kleinkind. Endlich konnte er etwas tun, was ihm noch nie möglich war. Die anderen liefen alle in kompletter Montur herum, mit langen Hosen, Pullovern oder T-Shirts, Jacken und anderen Accessoires. Sie ließen Kaiden im Schatten stehen, doch das wollte er nun ändern. Entschlossen lief er einfach durch die Menschenmenge in Richtung des ersten Ladens, den er sah. Der Name dieses Ladens war ihm unbekannt, wie so viele andere auch. Nicht einmal die bekannten Marken kannte er so richtig.
Hineingekommen, spürte er sofort eine heiße Luftquelle, die sein langes blondes Haar wild durch die Gegend fliegen ließ. Die Kälte von draußen, die dennoch erträglich war, konnte Kaiden aushalten, vor allem da er nicht nackt war. Doch die Wärme, die ihn hier empfing, erfüllte ihn herzlich. Wie auch hier schien Kaiden völlig fehl am Platz. Alles wirkte elegant in Weiß und goldenem Ton geschmückt. Alles war ordentlich, und es gab nur wenige Exemplare von den jeweiligen Angeboten. Kaiden schaute sich um und wollte zunächst nach Oberbekleidung schauen. So lief er in die Männerabteilung, die rechts groß beschildert war, und schaute sich um. Das erste, was ihn ansprach, war ein schlichtes weißes T-Shirt mit einem schwärzlichen Motiv vorne drauf. Es gefiel ihm sehr, woraufhin er es genauer betrachtete. Er hielt es in den Händen und wollte fragen, ob er es anprobieren dürfe. Eine Verkäuferin, die eine einheitliche Kleidung aus Weiß und Schwarz trug und einen langen braunen Zopf hatte, wies ihn freundlicherweise darauf hin, dass dieser Laden für Kunden mit einem etwas höheren Budget sei. Kaiden war verwirrt, denn ein T-Shirt konnte doch nicht so teuer sein. Doch als er auf das Preisschild blickte, konnte er seinen Augen nicht trauen. 160 Dollar für ein Stück Seide mit vier Löchern. Innerlich dachte er sich, dass sie ihn veräppeln wollten, und wollte die Verkäuferin fast schon anschreien. Doch Kaiden wollte nicht so sein und sagte einfach mit arrogantem Ton: „Ist das hier das teuerste, was ihr habt?" Die Verkäuferin verneinte dies und sagte, dass sie noch teurere T-Shirts hätten. Soweit sie wusste, wäre das teuerste Exemplar, das sie auf Lager hatten, etwa 1500 Dollar. Wenn Kaiden nicht besonnen wäre, wäre er schon längst umgekippt. Erneut dachte er sich: 1500 Dollar!? So viel war der Monatslohn seines Bruders. Doch Kaiden wollte einfach mal mitspielen und sagte: „Zeigen Sie es mir." Etwas überrascht schaute die Verkäuferin den scheinbar obdachlosen Kaiden an und sagte, es täte ihr wirklich leid, aber sie zeigten solche Dinge nur Kunden, die tatsächlich genug Geld hätten. Kaiden, der nun etwas nervöser wurde, da er dachte, dass er einfach davonkommt, indem er nach dem Enthüllen des 1500-Dollar-T-Shirts sagt, dass es ihm nicht gefällt und dann geht, sagte: „Nichts da." Und fügte hinzu: „Ich habe das Geld!" Während er diese Worte von sich gab, zog er sein Portemonnaie heraus und zog die Karte, die inzwischen darin war, heraus. Als die Verkäuferin immer noch dieselbe Meinung vom obdachlos erscheinenden Kaiden hatte, änderte sich diese allerdings schnell. Es war eine Erwachten-Express-Karte, die nur an Erwachte ausgehändigt wurde.
Kurz nach ihrer Realisierung entschuldigte sie sich, indem sie sich verbeugte, gefolgt von den Worten: „Wir danken für Ihren Dienst." Kaiden hatte eigentlich nicht erwartet, dass die junge Frau plötzlich eine Verbeugung machen würde. Doch nicht nur sie schien dies zu tun, sondern auch jeder andere im Laden schien sich kurz zu verneigen, um Respekt zu zollen. Kaiden, der nichts dagegen tun konnte, spielte einfach mit und sagte: „Das hätten Sie auch früher erkennen können. Wie dem auch sei, ich würde jetzt gerne gehen wollen." Plötzlich schien die Verkäuferin in Panik zu geraten, während die anderen Kunden über das Geschehen tuschelten. Daraufhin verkündete die junge Frau, dass er etwas aufs Haus bekommen würde. Für jeden schien dies völlig übertrieben, ein 1500-Dollar-Shirt kostenlos zu verschenken. Doch wenn man es auf die zukünftige Sicht betrachtete, würden einige Käufe verschwinden, da der Laden schlechte Bewertungen bekommen würde, wie „erwachtenfeindlich". Kaiden, der sein Pokerface beibehielt, innerlich jedoch vor Freude strahlte, willigte ein und nahm dies als Entschuldigungsgeschenk an.
Was folgte, waren allerdings nicht nur der Kauf des T-Shirts, sondern auch anderer Sachen. Mit dabei war das hellblaue T-Shirt mit weißem Motiv, das aufs Haus ging, eine Weste in weißer Farbe, eine ebenfalls weiße etwas lockere Hose, die sich ähnlich wie eine Jogginghose anfühlte, dennoch mehr wie eine Jeans aussah. Ein paar weiße Socken mit schwarzen Streifen, weiße Unterwäsche, ein schwarzer aus Leder gefertigter Gürtel und ein paar weiß-schwarze Schuhe mit einem eigenartigen geschwungenen schwarzen Motiv. An der Kasse angekommen, wusste Kaiden, dass es etwas teurer werden würde. Schließlich musste er auch irgendwie das Geld loswerden, da es bald nicht mehr seins sein würde. Doch als die Verkäuferin den Betrag sagte, konnte er dem Ganzen nicht mehr trauen. Es waren 8960 Dollar. „Wie kann einfache Kleidung dermaßen teuer sein?", dachte er sich, behielt jedoch sein Pokerface. „Ja, ist das alles", sagte er daraufhin, um gelassen zu wirken, und steckte die Karte hinein, während er den Code 1899 erneut eintippte. Die Transaktion war erfolgreich und Kaiden, der nun völlig neu gekleidet war, verließ mit einem komischen Gefühl den Laden. Diesmal nicht nur, weil er einen Haufen Geld für Kleidung ausgegeben hatte, was er für so etwas normalerweise niemals getan hätte, sondern weil die Blicke wie vorhin nicht aufhörten. Doch sie hatten einen etwas anderen Ton. Zuvor schauten sie auf Kaiden, der einen eher schäbigen Look hatte, herab, doch nun schienen sie beeindruckt, da die meisten die Designerklamotten erkannten. Doch Kaiden, der nun versuchte, die Menschenmenge zu vergessen, wollte nur noch an sich denken und schaute in den Schaufenster im Laden nebenan. Nicht, weil er sich weitere Kleidung anschauen wollte, sondern weil er sich selbst betrachten wollte. Dabei bemerkte er eine Sache, die er noch ändern wollte, bevor er abreisen würde. Die wichtigste Sache, die über das Aussehen entscheidet: die Frisur. Anfänglich sah es nicht schlimm aus, dennoch wusste er, dass er besser aussehen könnte, da seine Haare eine Länge von etwa einem Meter hatten. Somit lief er der Menschenmenge nach, nicht wissend, wo ein Friseursalon wäre. Doch mit etwas Glück fand er einen nach nur kurzem Suchen. Zehn Minuten nur lief er den scheinbar endlosen Gehweg, bestehend aus steinernen Bodenplatten und verschiedenen Attraktionen wie Denkmälern, Parkanlagen oder Geschäften. Doch nun war es so weit, der feine Schliff konnte kommen. Im etwas kleineren Geschäft im Vergleich zum Kleidungsladen angekommen, ertönte statt der wärmenden Luft ein Glockenklingeln, das bei der Öffnung der Tür erschallte. Die Atmosphäre war völlig anders. Alles schien willkürlich dekoriert, nicht so elegant wie im Kleidungsgeschäft. Dazu auch noch bunt und voller Poster von Frisuren, die anscheinend Kunden waren. Herzlich gegrüßt von einem etwas älteren Mann, etwa in seinen 40ern, wandte er sich freundlich an den durch lange und zerzauste Haare geprägten Kaiden. „Wie kann ich Ihnen helfen?", fragte er ihn. Woraufhin Kaiden sagte, dass er ihm einfach vertrauen würde, da er keine Ahnung von Frisuren hätte. Alles schien recht schnell und willkürlich, wie der Raum es schon versprach, abzulaufen. Der Mann schaute ihn nur kurz an und wickelte ein langes schwarzes Tuch um seinen Hals, um zu verhindern, dass Haare auf die Kleidung kommen würden. Daraufhin nahm er seine Schere in die Hand und sagte, dass Kaiden eine etwas rundere Gesichtsform hätte, weshalb er ihm eine kurze Frisur empfehlen würde, dennoch etwas voller an den Seiten und oben. Ohne lange zu zögern, fing er dann auch schon an zu schneiden, woraufhin Kaiden dem Prozess vertrauen musste. Allerdings hatte der Mann dieses Vertrauen von Kaiden alleine schon von der freundlichen Art bekommen. Der Friseur zeigte Kaiden, der zuvor mit länglichen Haaren seine Frisur mithilfe eines etwas kleineren und ovalen Spiegels von hinten betrachten konnte. Mit der Rotation um Kaidens Hinterkopf schien er beeindruckt. Früher hatte er immer eine recht kurze Frisur gehabt, die auch nicht schlecht aussah, doch nun mit dieser würde er nicht leugnen, dass er attraktiv aussieht. Um genau zu sein, wäre er ein Mädchen, würde er eine Nacht mit ihm nicht ablehnen. Glücklich wie er war, fragte er den Friseur, wie viel es denn kosten würde. Der ebenfalls lächelnde Mann sagte, es würde 30 Dollar kosten. „Wissen Sie was", sagte Kaiden, „heute ist Ihr Glückstag." Verwundert fragte dieser, was er damit meinte, schließlich schnitt er ihm nur die Haare. Als Kaiden seine Karte einsteckte, ließ er sein restliches Geld, was er auf seiner Karte hatte, auf dessen Scanner übertragen. Überrascht und glücklich wollte der Friseur diese Menge an Geld dennoch nicht annehmen, da es zu unhöflich wäre. Kaiden, der dies verstand und selbst so gehandelt hätte, sagte jedoch, dass es so passen würde. Zum Schluss machte der Friseur mit etwas Tränen in den Augen ein Foto von Kaiden, das er später an einem besonderen Platz aufhängen wollte. Umarmend verabschiedeten die beiden sich und erneut verließ Kaiden den Laden. Diesmal jedoch wurde er nicht abwertend oder neidisch angestarrt, sondern fast so, als wäre er ein Model, trotz der ganzen Narben im Gesicht und des fehlenden Auges, die alle bewunderten. Es war wahrscheinlich die Kombination aus Gepflegtheit und teuren Markenklamotten, allerdings bildete sich Kaiden sehr wahrscheinlich vieles ein. Er lief weiter der Menschenmenge entlang, woraufhin ihm wie ein Geistesblitz einfiel, dass er um 18 Uhr an einem Ort sein müsste. Er zog somit sein Handy aus seiner linken Jeansentasche heraus und bemerkte, dass es schon kurz nach 5 war. Doch das war nicht das einzige Problem. Kaiden, der nicht wusste, wie ein Handy so richtig funktioniert, konnte den Anrufbutton finden aufgrund des Symbols, doch den E-Mail-Button konnte er nirgends finden.