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Chapter 18 - Kantinenessen

Obwohl Kaiden so schnell rannte wie nie zuvor, erklang keinerlei Ton beim Aufprall seiner Prothese auf den Boden. Halbnackt und lachend lief er weiter, erst nach links, dann nach rechts, wieder rechts und dann geradeaus. Er passierte die Abteilung für Röntgen und auch die des Physiotherapeuten, zu der er eigentlich hätte gehen sollen. Doch das war jetzt nicht mehr wichtig, er war schließlich erwacht!

Lachend und mit immer größer werdendem Tempo schienen Ärzte, Pfleger und Patienten, oder einfach nur verwirrt, ihn anzuschreien, auch wenn es im normalen Ton war. Sie ermahnten ihn, dass er sich im Krankenhaus befinde und Ruhe geben solle. Doch Kaiden wollte nicht hören und rannte einfach weiter. Die Zeit war gekommen, als er in einen Bereich kam, an den er sich nicht mehr erinnern konnte. Er wusste, dass hier die Kafeteria sein müsste. Voller Heißhunger wurde er noch schneller. Es war kein Sprint, aber dennoch ein recht schnelles Joggen.

Die Abbiegungen schienen kein Problem zu sein, kein Millimeter rutschte er auf dem glatten Boden beim schnellen Tempo aus. Der Halt war fast schon zu perfekt, als dass das Gelenk herausspringen könnte. Doch das konnte und würde nicht geschehen, da es Prothesen waren. Im gleichmäßigen Tempo bewegte er auch seine Arme. Beim Anheben des rechten Beins zog er seinen linken Arm zu seiner Brust und schwang ihn zurück, als die Hebung des linken Beins stattfand. Dabei zog er seine rechte Hand zurück. Er fühlte sich wie neugeboren und stärker als je zuvor.

Obwohl er immer noch in einem etwas knochigen und dünnen Körper steckte, schien er sich besser und stärker als vor dem Koma zu fühlen. Wie konnte das sein, fragte er sich, aber es war ihm egal, hauptsache es war so, dachte er sich und fokussierte sich auf seinen Weg weiter. Scheinbar erneut weißer Dampf, gefolgt von Aromen, schien in der Luft zu liegen. Der Duft wurde von Kaidens Nase aufgesaugt, als würde er von einem Staubsauger angezogen. Das spornte ihn an, noch schneller zur Kafeteria zu gehen. Nur noch wenige Meter auf dem etwas breiteren Korridor bis zur etwa zwei Meter breiten Tür. Schwungvoll drückte er dagegen, die Türen knallten gegen die Wände und ein gewaltiger Ton ertönte. Doch als er nun verliebt auf das Essen blickte, schauten alle erneut komisch zu ihm. Doch der Blick der verwirrten Menschen verblasste, als sie zurück in ihre Gespräche gingen.

Mit großen, vorfreudigen Schritten lief er nun schneller, wenn auch immer noch schneller als ein regulärer Mensch es tun würde, in Richtung der Essensausgabe. Die grau-weiße, scheinbar eintönige Palette würde jedoch in wenigen Sekunden von Farben überflutet werden. Er übergab die Palette einer älteren Dame mit Haarnetz und Schürze. Der Löffel, etwa so groß wie ein Baseball, tauchte ohne zu zögern in den weißen Reis ein. Die Verteilung erfolgte, doch die Palette war immer noch eintönig. Ein weiterer Löffel gelangte auf seine Palette, diesmal mit frischem Gemüse. Rote, grüne und orangene Farben erfüllten nun den farblosen Teller mit Paprika, Bohnen, Karotten und etwas Salat.

Aber das war noch nicht alles, die Hauptspeise durfte nicht fehlen. Ein Spieß mit zwei etwa acht Zentimeter langen Hähnchenbrüsten durchstieß das etwa 300 Gramm schwere Fleisch. Wahrlich ein Festmahl, dachte er sich mit vorfreudigem Gedanken. Er bedankte sich schließlich bei der alten Dame für die besondere Speise. Auch sie schaute ihn mit einem fragwürdigen Blick an, doch dann musste sie einer weiteren Person dienen. Doch das Trinken durfte natürlich nicht fehlen.

Doch er sah nur Wasser und Saft weit und breit. Er schenkte sich somit etwas neutrales Wasser ein, als er sich einen etwa 250 Milliliter großen Becher schnappte. Die großen und immer noch schnellen Schritte erzeugten ein rauschendes Geräusch im Raum, der durch die vielen Gespräche entstand. Es waren nur noch wenige Plätze frei, einer etwa zehn Meter von ihm entfernt und einer zu seiner rechten am Ende des Raumes. Also beschloss er, zum Platz links von ihm zu gehen, der auch weniger entfernt war.

Auf seinem Weg vergingen gerade mal zwei bis drei Sekunden, wobei er sich schon seinen Stuhl zurechtrückte. Der aus Holz bestehende Stuhl schien leicht zu sein, so leicht, dass er ihn dutzende Meter weit werfen könnte, was er allerdings nicht tat. Die nun bunte Palette stellte er auf den ebenfalls aus Holz bestehenden Tisch. Die Gabel und das Messer, die er sich beim Auftischen des Essens nahm, hielt er nun in seiner einen metallischen und in der anderen menschlichen Hand. Er hielt die Gabel senkrecht und stach leicht hinein. Gefolgt vom Durchschneiden des Fleisches, stach er in das große Stück Hähnchen und genoss es wortwörtlich.

Während er sein Gesicht über das Festmahl beugte, um seinen Mund zu öffnen, spürte er auch, wie der Dampf seine Poren öffnete. Die Gabel mit einem Stück der Hähnchenbrust näherte sich immer weiter seinem Mund, der nach Nahrung schrie. Schließlich geschah es, das Stück Brust setzte sich auf seiner rötlichen Zunge hinab und löste sich leicht auf. Weißer Schaum trat in seinem Mund auf und umhüllte die Brust, die von den Backenzähnen langsam zerkaut wurde. Gierig stopfte er sich nach diesem Genuss Gabel um Gabel in den Mund, bis irgendwann das Essen versalzen schmeckte.

Warum aber fragte er sich bis eben war es in Ordnung? Er dachte nicht lange darüber nach und aß einfach weiter.

Doch dieser Geschmack der Versalzung wurde immer stärker und stärker. Warum nur? Schließlich merkte er, warum das Essen so versalzen war: Es waren seine ununterbrochenen Tränen, die über seine weichen Wangen flossen. Kaiden, der bis vor kurzem nur mit einem Schlauch ernährt wurde, konnte endlich seinen Magen füllen und das Essen, auch wenn es versalzen war, schmecken und genießen. Doch das war nicht der Grund für den Ausbruch der Tränen. Der wahre Grund war die Erinnerung an seine Freunde, vor allem an Leon. Er musste daran denken, dass sie solche Momente nicht mehr erleben konnten. Deshalb schien es für ihn noch fragwürdiger, warum er so verzweifelt und deprimiert war. Immerhin hatte er das Vergnügen, wenigstens ein weiteres Jahr leben zu dürfen. Doch die Trauer überwältigte sein noch so glückliches Gesicht.

Mit den Ellenbogen auf dem Tisch abgestützt, hielt er seinen geneigten Kopf über dem Teller, sodass sein Gesicht nicht ins Essen fallen würde. Eine feste, gelbe Flüssigkeit entfloss seiner Nase, doch er zog sie wieder hoch, indem er tief einatmete. Die Tränen strömten unaufhörlich, flossen in das halb verzehrte Gericht. Es war wie ein Regenschauer. Während er weinend mit einer zerstreuten und verzogenen Grimasse auf das Gericht starrte, ertönte erneut ein lautes Knallen. Es waren die Schwester und der Pfleger, gefolgt von dem etwas langsameren alten Arzt. Doch Kaiden bemerkte das nicht. Er rang innerlich noch immer mit seinen Emotionen.

Während die beiden ihn anschauten und sahen, wie er weinte, fragten sie sich, was los sei. Doch als schließlich auch der Arzt eintraf und ihn sah, wirkte er wie immer grimmig. Seine älter wirkenden Lippen, die leicht aufgerissen waren, sprachen bedauerliche Worte. Er erklärte, dass es aufgrund seines Tumors sei. Schließlich gehörten nicht nur Kopfschmerzen, Übelkeit oder Schwindel zu den Symptomen, sondern auch eine Veränderung der Persönlichkeit, also Schwankungen im Verhalten. Der Pfleger verstand die Symptome und fragte, wie es nun mit Kaiden weitergehen würde, ob er in Behandlung bleiben oder entlassen werden sollte.

Die Schwester erklärte, dass es seine Entscheidung sei und sie ihn deshalb fragen müsse. Der Arzt bekräftigte dies und sagte ebenfalls, dass es Kaidens freie Entscheidung sei. Allerdings befürchtete er, dass Kaiden das Krankenhaus verlassen wollte, oder besser gesagt, dass er es vielleicht müsste. Immerhin schien er vor kurzem 18 Jahre alt geworden zu sein, so wie es in seinen Dokumenten stand. Dazu kam, dass er erwacht war und nun, bedingt durch seine Mobilität, nicht eingeschränkt war. Somit würde er so oder so in die Akademie für Erwachte eingezogen werden.