Am Morgen seines ersten Schultags nach den Sommerferien, fühlt sich Benji so nervös wie schon lange nicht mehr. Obwohl er gewusst hat, dass dieser Tag kommen würde, merkt er wie recht er mit seinen eigenen Worten hat, die er letztens noch zu Mei gesagt hat: Man kann auf sowas nie wirklich vorbereitet sein. Er hat in der letzten Nacht nicht viel Schlaf finden können, und fühlt sich dementsprechend übermüdet, was er versucht hat mit zwei großen Tassen Kaffee zu bekämpfen, die er sich schon gegönnt hat, bevor überhaupt jemand anders wach gewesen ist. Da er kaum einen Bissen beim Frühstück herunterbekommt, beschließt er sich ein größeres Lunch Paket zuzubereiten und versucht mit einer dritten großen Tasse Coffein endlich den Punkt zu erreichen, wo er sagen kann: Ich bin wach. Was jedoch leider nicht, wie erwartet funktioniert. Schließlich macht er sich fertig und wartet auf seine Steifschwester Haruka im Eingangsbereich, dass sie sich ihm anschließt und sie gemeinsam losgehen können. Haruka hat es ihm beim Frühstück gleichgetan. Sie hat auch nicht viel essen können und deshalb sich ebenfalls etwas mehr für die Schule eingepackt. Während Benji jedoch nicht schnell genug in seine neue Schuluniform schlüpfen konnte, hat Haruka sich beim fertig machen extrem viel Zeit gelassen. Es schien Benji so, als würde sie den unangenehmen Zeitpunkt der Wahrheit, der ihr quasi, nach langer Abwesenheit von der Schule vor den Sommerferien, genauso bevorstand, wie Benji. Beide würden heute auf jeden Fall einige Blicke auf sich ziehen, und wahrscheinlich nicht nur Positive.
Als Benji so vor dem Spiegel noch seine letzten Korrekturen an seinem Outfit des Tages vornimmt, stößt letztendlich auch seine trödelnde Schwester im Hausflur ein. Jedoch beachtet er sie zuerst gar nicht, weil er zu sehr mit sich und seinem Spiegelbild beschäftigt ist. Zu seinem Glück, ist es die letzten Tage verstärkt kühler geworden, und er kann schließlich an seinem ersten Tag in der Schule seinen heißgeliebten Blazer tragen. Auch wenn es wahrscheinlich nur für die ersten Tage ist, denn es hat sich eine erneute Hitzewelle angekündigt, doch der erste Eindruck zählt, denkt sich Benji vergnügt. Davon motiviert versucht er sich nochmal ein letztes Mal Mut zu machen, indem er sich selbst motivierend anfeuert.
„Du wirst heute zu Schule gehen!" Sagt Benji zu sich selbst. „Du wirst in die Schule gehen und sie in drei Jahren abschließen."
Haruka stellt sich neben ihn, als würde sie schauen mit wem Benji da im Spiegel redet, wird jedoch weiterhin von Benji nicht registriert.
„Du bist ein Roboter aus der Zukunft, der diese Schule bestehen muss, Biep-O, Biep-O!" Sagt sich Benji erneut, jetzt in einer künstlichen roboterartigen Sprache, während in Haruka im Spiegel ansieht als würde sie sich vor Lachen nicht mehr halten können.
„Biep, biep, Roboter muss sich beeilen, sonst kommt er noch zu spät zu Schule, biep, biep!" Versucht es Haruka Benji mit einer Roboter-Stimmen-Imitation gleich zu tun, während Benji sie überrascht im Spiegel anschaut, da auch gerade das erstmal wirklich wahrgenommen hat, dass sie neben ihn steht.
„Mein Roboter war auf jeden Fall hundertmal cooler." Behauptet Benji vor Haruka mit einem skeptischen Blick auf ihr Spiegelbild, aber auch einem leichten Grinsen.
„Bist du endlich fertig?" Schaut ihn Haruka weiter im Spiegel ein bisschen genervt und auch ein bisschen beleidigt an. „Dein Krawatte hängt übrigens etwas schief, Roboter-Kun!"
Haruka wendet sich vom Spiegel-Benji zum Real-Life-Benji und beginnt ihm die Krawatte zu richten, während Yumiko, fertig für die Schule aus der Küche an den beiden vorbei huscht und sich schnell noch ihre Schuhe anzieht.
„Viel Spaß in der Schule wünsche ich dem Ehepaar." Sagt ihnen Yumiko mit ihrer optimistischen Art, als sie bemerkt, wie Haruka an Benjis Krawatte rumfummelt und springt die Tür hinaus, ohne sie hinter sich zu schließen, während sie sich von draußen noch verabschiedet. „Ich bin weg, bis dann!"
„Wir sind kein Ehepaar." Schreit ihr Haruka noch aufgebracht hinterher, während sie immer noch die Krawatte von Benji richtet. „Wir sind Geschwister."
Benji schaut sie ein wenig verlegen an, bis Haruka seinen Blick bemerkt und ihm verlegen zu lächelt. Als sie fertig ist mit ihrer Korrektur an Benjis Krawatte, schauen beide noch ein letztes Mal in den Spiegel, nachdem sich Benji bei Haruka bedankt hat.
„Wir sehen gut aus für Nicht-Ehepaar Geschwister." Grinst Benji ihr beider Spiegelbild an, während Haruka seinem Spiegelbild einen skeptischen Blick schenkt. Benji mustert ihre Reaktion und bemerkt in diesem Moment erst, dass er sie das erstmal in Schuluniform sieht. „Vor allem du siehst gut aus, die Uniform steht dir!"
„Danke, dir auch!" Gibt Haruka kleinlaut zu, mit einem verlegenen Blick zur Seite.
Benji verharrt noch eine Weile auf ihren Look, und denkt sich nur, dass es ihm sehr schwer fallen wird, sich zu konzentrieren, wenn er in Zukunft jeden Tag in der Schule von solchen süßen Mädels in Oberschul-Uniformen umgeben ist. Haruka reißt ihn jedoch aus seinen Gedanken und macht ihm deutlich, dass sie so langsam losmüssen. Benji nickt ihr zu und beide atmen nochmal tief durch, bevor sie sich verabschieden und das Haus in Richtung Schule verlassen.
Der Schulweg scheint nicht lang zu sein, denn die beiden verzichten, auf Harukas Rat hin, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren und machen sich zu Fuß auf den Weg. Vielleicht möchte Haruka aber auch nur nicht früher als nötig in der Schule eintreffen, vermutet Benji, um sich irgendwelche unangenehmen Fragen über sie selbst oder Benji zu ersparen, die sie eventuell noch vor der ersten Unterrichtsstunde sonst erwarten würde. Während sie so gehen reden die beiden jedoch nicht besonders viel. Benji spürt, dass Haruka sehr mit sich zu kämpfen hat, diesen heutigen ersten Weg wieder in die Schule zu beschreiten. Ihm selbst geht es wohl nicht viel anders, denn die Ungewissheit, wie die Leute auf ihn reagieren, hat ihn beschäftigt, seit er das erste Mal von seiner Mutter gesagt bekommen hat, dass er hier in Japan nochmal zur Schule gehen wird. Benji versucht sich abzulenken, indem er die Gegend um sich herum beobachtet und auf sich wirken lässt. Er ist in den Sommerferien, seit er hier ist nicht viel raus gekommen aus seinem neuen zu Hause. Zwar ist er mit der Familie ein paar Mal auswärts essen gewesen und hatte ein paar Shopping Touren für sich oder andere Familienmitglieder mitgemacht, aber es hielt sich in Grenzen. Im Vergleich zu Deutschland, wo er gerade in den letzten Sommerferien immer mit seinen Freunden unterwegs gewesen ist, hat er sich diese Ferien schon fast wie ein Stubenhocker gefühlt. Etwas, was er hofft, sich in Zukunft noch ändern wird. Jedoch hat er die Zeit bei seiner neuen Familie sehr genossen, und es ist ihm besonders wichtig gewesen, erstmal die ihm nahestehenden Personen, die vor kurzen in sein Leben getreten sind, wirklich besser kennen zu lernen. Je weiter die beiden ihren Weg fortschreiten, verdichtet sich die Menge an anderen Schülern, die ebenfalls ihre Zielrichtung teilen. Es sind nicht nur Schüler seiner Schule dabei, denn vereinzelt, sieht Benji auch junge Menschen mit anderen Uniformen in dieselbe Richtung gehen, doch je näher die beiden ihrer Schule zu kommen scheinen, umso mehr Leute schließen sich ihren Weg an, die die selbe Schuluniform tragen, wie Haruka und Benji. Mittlerweile hat sich die Masse an Mitschülern so vervielfacht, dass Haruka und Benji, wie zwei kleine Fische in einen großen Schwarm eingetaucht sind, um sich unweigerlich den Strom des Flusses anzupassen und mitgezogen werden, ohne eine Chance auszubrechen und in eine andere Richtung zu schwimmen, jeden Falls nicht ohne den Fluss des Schwarms zu stören. An der nächsten Ecke, erkennt Benji, wohin der Schwarm, in dem sie sich befinden, entschwinden wird, denn alle Fische zielen auf den nächsten größeren Gebäudekomplex hin, der von einer drei Meter hohen Mauer umgeben ist, die alle kleinen Fische an ihrer scheinbar einzigen Öffnung zu verschlingen scheint. Kurz bevor sie die angrenzende Mauer ihrer Schule erreichen, erblickt Benji Megumi, wie sie scheinbar ungeduldig auf ihre Armbanduhr starrt und sich zwischendurch umschaut, vermutlich nach den beiden suchend, während sie etwas abseits des Schwarms steht und wartet.
Megumi begrüßt sie ziemlich locker mit einem winkenden Lächeln, äußert aber direkt ihre Bedenken, dass die beiden eigentlich erwartungsgemäß spät dran sind, worauf Haruka, ihr nur ein verlegenes Lächeln schenkt und sich entschuldigt und Benji skeptisch auf die immer noch eintreffenden Schüler schaut und sich im Stillen sagt, dass sie immer noch früh genug sind, und es man auch übertreiben kann mit der Pünktlichkeit. Doch Megumi empfiehlt ihm sich jetzt schnellstens zum Lehrerzimmer zu begeben, um von ihrem Klassenlehrer in Empfang genommen zu werden. Zuerst protestiert Benji, da er davon ausgegangen ist, dass zumindest Haruka ihn heute dorthin begleiten würde, doch Megumi meint zu ihm, dass sie und Haruka noch etwas unter vier Augen zu besprechen hätten, und nach einer kurzen Wegbeschreibung zum Lehrerzimmer, wird ein genervter und noch mehr aufgeregter Benji alleine vorgeschickt. Das fängt ja gut an, beschwert sich Benji in Gedanken und will gerade durch das Schultor gehen, als ihm ein wohl bekannter und irgendwie beruhigender Geruch an der Nase vorbeizieht. Während an ihm weitere Mitschüler an ihm vorbeiziehen, versucht er die Quelle des Geruchs auszumachen. Er schaut sich kurz um, und vermutet den Ursprung in einer kleinen Gasse neben dem Schulgelände jenseits des großen Schülerstroms. Er springt hinein in die Flut aus Schülern und kämpft sich durch auf die andere Seite, dabei erntet er direkt ein paar skeptische und verwunderte Blicke von denen, denen er in die Laufbahn rennt, schafft es aber durch geschicktes Ausweichen ohne Körperkontakt das rettende Ufer auf der anderen Seite zu erreichen. Er schaut nochmal kurz zurück, wo er Haruka und Megumi verlassen hat, die immer noch an derselben Stelle stehen und sich vertieft zu unterhalten scheinen. Seine große Überfahrt an das andere Ufer scheinen sie nicht bemerkt zu haben. Beruhigt tigert Benji zur kleinen Gasse und schielt um die Ecke. Wie er vermutet hat, kommt der ihm vertraute Geruch von einer qualmenden Zigarette, die ein Schüler in der gleichen Uniform, wie Benji, in hockender Haltung, gelehnt an der Mauer, die die Gasse zur Schule hin abtrennt, mit einem leicht genervten, aber auch unsicheren Blick, der vermuten lässt, dass er Angst hat bei seinem Genuss der Zigarette erwischt zu werden, vor sich hin raucht. Benji nähert sich ihm langsam, aber mit einem freundlichen Lächeln, um ihn nicht zu verschrecken. Der rauchende Junge, der anscheinend seine Haare blond gebleicht und sein Ohr mit mehreren Piercings versehen hat, bemerkt den auf ihn zukommenden Benji und versteckt die noch qualmende Zigarette hinter sich und mustert Benji mit einem misstrauischen Blick.
„Hi alter!" Grüßt ihn Benji freundlich mit einer gehobenen Hand zum Gruß. „Ist, das hier der Raucher Treffpunkt?"
Der Junge starrt ihn nur weiter misstrauisch und schweigend an. Benji schaut sich um, und hockt sich in die gleiche Haltung neben ihn, weiterhin lächelnd. Er vermutet, dass der Raucher, ihm unterstellt, dass Benji ihn verraten oder selbst maßregeln möchte, was jedoch nicht Benjis Intention ist.
„Keine Angst!" Versucht Benji ihn ins Vertrauen zu ziehen. „Ich will dich nicht verpetzen. Ich hatte nur gehofft, ich könnte hier mir eine Zigarette schnurren."
Weiter misstrauisch, schaut ihn der Raucher musternd an, zeigt aber, dass er Benji schon mal nicht mehr als Gefahr wahrnimmt, indem er wieder beginnt an seiner Zigarette zu ziehen.
„Hab keine mehr!" Antwortet der Junge teilnahmslos und Benji nicht weiter beachtend, und erhofft Benji durch leichte Abweisung los zu werden.
„Schade!" Gibt sich Benji spielerisch enttäuscht und schaut ihn weiter lächelnd an. „Kann ich wenigstens mal ziehen?"
Der Junge schaut ihn erschrocken und verwundert zugleich an, dann wandert sein Blick auf die Zigarette in seiner Hand und dann wieder in Benjis weiterhin lächelndes Gesicht. Wieder mit einem misstrauischen Gesicht, schaut sich der Raucher kurz um, reicht ihm aber dann doch seine Zigarette an ihn weiter. Wahrscheinlich traut er Benji immer noch nicht so ganz über den Weg, dass er Benjis Bitte nicht wiedersprechen will, aus Angst doch von ihm verpetzt zu werden, vermutet Benji, und nimmt die Zigarette mit einem freundlichen Nicken als Dankeschön an.
„Ahh! Das tut gut!" Gibt Benji von sich nach einem tiefen Zug. „Man, bin ich aufgeregt, heute ist nämlich mein erster Schultag und ich bin total nervös."
Benji streckt seine freie Hand waagerecht vor sich, die leicht zittert, um zu zeigen, wie nervlich angespannt er gerade ist. Er nimmt nochmal einen zweiten tiefen Zug.
„So das reicht!" Kommentiert Benji sein Inhalieren des blauen Dunstes und reicht die Zigarette an seinen Gönner zurück. „Eigentlich habe ich ja mit dem Rauchen aufgehört. Hier in Japan, darf ich es ja sowieso nicht mehr, bis ich 20 bin. Eine gute Gelegenheit, diese lästige Angewohnheit los zu werden. Aber heute habe ich es nochmal gebraucht. So, ich werde dann mal wieder. Werde dringend erwartet. Vielen Dank dafür, dass du mich hast ziehen lassen und danke für das nette Gespräch. Man sieht sich."
Mit einem Augenzwinkern springt Benji auf und rennt wieder Richtung Schultor und lässt den Raucher mit einem verwunderten Gesichtsausdruck zurück. Dieser schaut noch einmal auf seine noch qualmende Zigarette, die fast aufgebraucht ist, als würde er einen Edelstein auf seine Echtheit prüfen. Schließlich zieht er nochmal an der Zigarette, drückt sie dann aber leicht verlegen aus und schaut dem bereits verschwunden Benji hinterher. Der Junge steht auf und steckt seine Hände in die Tasche. Nach einem verächtlichen Blick auf die Schule, dreht sich der Junge um, und entfernt sich vom Schultor mit einem murmelnden Kommentar zu sich selbst. „Heute nicht!"
Als Benji am Lehrerzimmer ankommt, wird er bereits von Mei und einem weiteren Erwachsenen erwartet. Nach einer gegenseitigen höfflichen Begrüßung und Vorstellung, überlässt Mei alles weitere ihrem Kollegen und geht nochmal zurück ins Lehrerzimmer. Vorsichtig fragt Benji ob er zu spät dran sei und entschuldigt sich direkt mit der Erklärung, dass er sich verlaufen habe. Meis Kollege, der sich ihm als Kawashima Makoto, Benjis Klassenlehrer, vorgestellt hat, schaut ihn erst skeptisch an, lächelt ihm dann mit einem Nicken zu und beruhigt ihn, dass er immer noch rechtzeitig hier gewesen ist, worauf Benji kurz erleichtert aufatmet. Er bittet Benji ihm zu folgen, und beide gehen ohne weitere Wortwechsel zur Klasse. Unterwegs haucht Benji nochmal in seine vor den Mund gehaltene Hand und riecht, ob er auch nicht nach Zigarettenqualm stinkt, was von Kawashima-Sensei etwas verwirrt beobachtet wird. Doch Benji stellt erleichtert Fest, das die zwei Züge an der Zigarette ihn nicht nach Qualm stinken lassen und tut so als würde er nochmal alles an seinem Look überprüfen, bevor er gleich vor seiner Klasse den ersten Eindruck hinterlassen wird, was Kawashima-Sensei mit einem leichten schmunzeln kommentiert. Sie halten an, im ersten Stock, vor einer aufschiebbaren Tür, neben mehreren, durch runtergelassenen Jalousien, verdeckten Fenstern zu einem Raum dahinter. Dort warteten wohl gerade seine neuen Klassenkameraden auf ihn, denkt sich Benji und wird schlagartig nochmal einen Schub nervöser als ohnehin schon. Kawashima-Sensei schaut ihn ein letztes Mal mit einem beruhigenden Lächeln an und fragt ihn ob er bereit ist, worauf Benji mit einem zögerlichen Nicken die Frage bejaht und sein Klassenlehrer ihn kurz, zu Benjis Verwunderung, zuzwinkert und schließlich die Tür zur Klasse aufschiebt. Als der Lehrer den Raum betritt, ist das noch beim Öffnen der Tür zu hörende Gerede der Schüler in der Klasse, sofort verstummt. Benji folgt zögerlich Kawashima-Sensei und schließt die Tür hinter sich, und stellt sich mit leicht neugierigem, aber auch etwas schüchternen Blick mit dem Gesicht zur Klasse zwischen Lehrerpult und Klassentür hin, um von allen verwundert angestarrt zu werden. Nach einer gemeinsamen Begrüßung durch ein kollektives Verbeugen der Schüler, angeführt von Megumi, die Benji sofort vorne in der ersten Reihe ausmacht, präsentiert Kawashima-Sensei Benji der Klasse. Benji stellt sich kurz vor und erntet ein kollektives, erstauntes „Oh", als er sagt, dass er aus Deutschland kommt. Kawashima-Sensei schaut kurz in die Gesichter seiner Schüler und fragt schließlich, ob noch jemand Fragen an Benji hat, worauf sich doch einige Hände heben. Nach und nach wird Benji ausgefragt, hauptsächlich über Deutschland. Die meisten Fragen drehen sich ums Essen, die Benji nicht zum ersten Mal hört. Als eine Frage zum Bierkonsum kommt, schaut Benji kurz fragend seinen Klassenlehrer an und will gerade antworten, dass es schon mal „probiert" hat, was sehr untertrieben wäre, da er schon etliche Saufgelage mit seinen Freunden in Deutschland hinter sich hat. Aber sein Lehrer unterbricht ihn, noch bevor Benji etwas sagen kann, mit dem Kommentar, dass Benji sicherlich noch zu jung sei für Alkohol, was natürlich in Deutschland nicht der Fall wäre, aber hier in Japan schon, worauf Benji doch etwas erleichtert reagiert und seinem Lehrer freundlich recht gibt. Es folgen noch ein paar Fragen zu seinem Nachnamen, der offenbaren lässt, dass Haruka und er verwandt seien, worauf Benji die Sache aufklärt und alle Schüler geschlossen einen erstaunten Ton von sich geben, und einige Schüler zurückschauen, in die letzte Reihe, wo Haruka gerade mit einem verlegenen Lächeln den Blicken ihrer Mitschüler versucht auszuweichen. Schließlich beendet Kawashima-Sensei die Fragerunde und bittet Benji sich auf den Platz neben seiner Stiefschwester in die letzte Reihe zu setzen. Benji kann sein Glück, kaum fassen, nicht nur, dass er sicher die erste Vorstellrunde überlebt hat, sondern am Ende seines Ganges nach hinten in die Klasse, winkt ihm sein heiß ersehnter Platz am Fenster zu. Mit einem Bescheidenen Lächeln auf den Lippen, bahnt er sich seinen Weg durch die Reihen seiner Mitschüler, die ihn teils verwundert, teils skeptisch beobachten und nimmt, neben Haruka, an seinem Tisch Platz, was von Haruka mit einem zufriedenen Lächeln an ihn gerichtet kommentiert wird.
Der erste Unterricht gestaltet sich jedoch als weniger befriedigend. Da Kawashima-Sensei zuständig ist für Fächer wie Japanisch und Geschichte, werden diese Fächer auch als erstes heute behandelt. Benji versteht nur die Hälfte von dem was in Geschichte gerade Thema ist. Er hat zwar viel über die japanische Kultur von seiner Mutter beigebracht bekommen, aber bei den historischen Ereignissen, hat sie wohl mehr oder weniger einzelne Details ausgelassen. Zur Krönung hatte Benji natürlich noch kein Buch dabei, wodurch er von Kawashima-Sensei dazu aufgefordert wurde zusammen mit Haruka in ihrs zu schauen, was beide jedoch mehr gefreut hat, sich gegenseitig unterstützen zu können, als dass es leidiges Übel gewesen ist. In Japanisch zeichnet sich das gleiche Spiel ab. Wieder müssen Benji und Haruka sich ihr Arbeitsmaterial teilen, was dazu führt, dass sich beide während des Unterrichts flüstert Hilfestellungen geben, was von Kawashima-Sensei zwar mit einem skeptischen strengen Blick gerügt, aber dennoch von ihm scheinbar zugelassen wird. Benji versteht auch hier gerade mal so die Hälfte und befürchtet in Zukunft mehrere Stunden am Tag damit zu verbringen, den Stoff nachzuholen, den er bis dato verpasst hat. Am Ende des Unterrichts bringt ihm sein Lehrer noch eine Liste mit Büchern, die er sich so schnell wie möglich beschaffen sollte. Kawashima-Sensei entschuldigt sich sogar bei ihm, dass diese Liste nicht früher an ihn weitergeleitet wurde und erklärt ihm, dass er fürs erste ihm und Haruka durchgehen lässt, dass sie sich im Unterricht helfen, aber sie beide schnellsten zusehen sollten, dass sie wieder zum Rest der Klasse aufholen und sich aktiver am eigentlichen Geschehen innerhalb der Stunde beteiligen.
In der darauffolgenden Stunde ist Mathematik angesagt und endlich kommt sich Benji nicht mehr so vor wie der letzte Vollidiot. Obwohl er erst ein bisschen braucht, um in die Materie einzutauchen, die gerade behandelt wird, findet er sich erstaunlich schnell zurecht und zeigt sogar ein paar auf und hat auch meistens alles richtig beantwortet. Dieses Mal kann er auch Haruka mal unter die Arme greifen, was bisher sie meistens bei ihm gemacht hat, denn sie scheint etwas langsamer zu verstehen was in Mathe gerade Thema ist. Benji ist zufrieden als es schließlich zum Lunch läutet und die Klasse Hasegawa-Sensei für heute verabschiedet. Die Nervosität von heute Morgen hat sich mittlerweile etwas gelegt, dafür ist der Hunger, der ihn heute Morgen beim Frühstück verlassen hat, wieder zurückgekehrt und Benji freut sich auf seine Extraportion von seinem vorbereiteten Essen. Er will sich gerade sein Lunchpaket raussuchen, da stößt Harukas Tisch an seinen.
„Was wird das?" Fragt Benji Haruka völlig überrascht, die ihn mit einem breiten Grinsen anlächelt, während sie ihren Tisch gerade an Benji rückt. „Bist du etwa scharf auf meinen Fensterplatz? Das kannst du vergessen. Den gebe ich nicht mehr her."
„Was?" Reagiert Haruka kurz verwirrt. „Ich dachte, wie essen zusammen? Du, ich und Megumi?"
„Ach so!" Atmet Benji erleichtert auf, der zwar nicht wirklich geglaubt hat, Haruka würde ihm seinen Platz streitig machen, aber er ist schon kurz verwirrt gewesen was genau sie vor zu haben scheint. „Na klar, umso mehr, umso lustiger!"
„Na Jirow-Kun, wie war dein erster Unterricht?" Fragt ihn Megumi, als sie mit ihrem Stuhl und ihrem Lunchpaket unterm Arm sich zu den beiden gesellt. „Du hast am Anfang ziemlich aufgeregt gewirkt!"
„Ja, und ich bin immer noch ziemlich angespannt!" Gesteht Benji, bevor er in sein Sandwich beißt. „Aver deh Humma if widda da!"
„Was?" Fragt Megumi, die scheinbar kein Wort von Benjis letzten Kommentar mit vollem Mund verstanden hat und schaut erst ihn und dann Haruka verwirrt an. „Hast du ihn verstanden?"
„Ich glaube er sagte, dass er Hunger hat." Vermutet Haruka und sie und Megumi wünschen sich einen guten Appetit.
„Muf mi meid, aver if habbe Humma!" Entschuldigt sich Benji, der gemerkt hat, dass er einfach so angefangen hat zu essen.
„Ja, ist ja gut, wir haben es kapiert." Kommentiert Megumi Benjis Entschuldigung und sie und Haruka beginnen auch mit dem Essen.
Während die drei ihren Lunch genießen, scannt Benji die Klasse. Nicht alle seine Mitschüler sind für ihren Lunch in der Klasse geblieben. Nur ein paar vereinzelnde Gruppen haben sich verstreut im Raum zusammengesetzt und essen oder unterhalten sich. Zwei kleine Gruppen mit nur Jungs, eine kleine Gruppe und eine große Gruppe von Mädels, keine weitere gemischte Gruppe wie die drei. Benji bemerkt, dass Haruka ab und zu etwas unsicher zu der großen Mädels Gruppe hinüberschaut, und das Megumi dies ebenfalls auffällt. Die große Gruppe im Zentrum der Klasse scheint eine Ansammlung von gutaussehenden, modebewussten Schülerinnen zu sein, die sich um eine zentrale, weibliche Figur in Mitte versammelt hat, der aufmerksam zugehört wird. Wahrscheinlich berichtet sie über Ferienerlebnisse, vermutet Benji. Ab und zu gibt die Gruppe ein sehr künstlich klingendes Lachen von sich, was den Rest der Klasse kurz erschrecken lässt. Selbst Haruka zuckt dabei stets kurz zusammen und versucht sich mit ihrem Essen abzulenken. Bei einem der Lachen trifft Benjis Blick, den eines Jungen direkt neben ihrem Tisch, der etwas unsicher dreinschaut, aber dennoch irgendwie freundlich. Er, mit Namen Kosei, trägt eine Brille und ist etwas übergewichtig und scheint sich gut mit seinem Tischpartner, mit dem Namen Arashi, einem sehr schwächlich und schlaksigen Jungen mit sehr vernachlässigten Haaren und zu langem Pony zu verstehen, denn die beiden nennen sich wohl beim Vornamen, so wie Benji es mitbekommen hat. Benji schenkt ihm ein breites Lächeln, wie es ihm mit vollem Mund möglich ist und Kosei nickt höfflich zurück. Die Idylle ihres Lunches wird unterbrochen von einem weiteren Jungen, der von außerhalb der Klasse sich ihrem Tisch genähert hat, ohne dass es Benji großartig mitbekommen hat. Er ist etwas größer als der Durchschnitt und trägt eine runde Brille, wie Megumi, sowie perfekt gekämmtes Haar. In seiner Hand hält er ein Vokabelbuch, vermutlich hatte er die Pause noch zum Lernen benutzt, denkt sich Benji, während er ihn überrascht mustert. Der Junge schaut ihn direkt an und verbeugt sich auf höchst dramatische Weise vor ihm und stellt sich Benji als stellvertretender Klassensprecher Chiba Yoshitaka vor. Bevor Benji jedoch zurückgrüßen kann, richtet er sich an Megumi, die seiner Anwesenheit jedoch wenig Beachtung schenkt und weiter ihren Lunch zu sich nimmt.
„Ich gehe davon aus, dass du ihn über alle Regeln und Pflichten aufklärst." Vermutet Yoshitaka und schaut dabei Megumi leicht vorwurfsvoll an. „Du scheinst ihn ja bereits zu kennen."
„Keine Sorge Chiba-Kun, ich habe mich bereits darum gekümmert und ihn eingeweiht in Alles." Beruhigt ihn Megumi, jedoch immer noch mit ihrem Blick auf ihren Lunch, statt sich ihm zuzuwenden. „Du kannst dich also beruhigen."
„Hi, hier bin ich." Winkt Benji den beiden verwirrt zu. „Ihr könnt auch direkt mit mir sprechen."
„Gut, dann hat sich meine Besorgnis ja erledigt." Ignoriert Yoshitaka Benji Kommentar und verabschiedet sich wieder von den dreien mit einem letzten Hinweis an Benji und Haruka. „Kawasaki-San, Kawasaki-San, Ich hoffe ihr beiden findet euch bestmöglich in die Klasse ein. Einen schönen Tag noch."
„Ok, das war irgendwie albern." Kommentiert Benji Yoshitakas Abgang, nachdem dieser sich bereits wieder auf seinen Platz vorne in die 1. Reihe gesetzt hat. „Er hätte mich wenigstens mit Kawaski-Kun ansprechen können, jetzt weiß ich gar nicht wen er von uns beiden gemeint hat."
„Feigling!" Zischt Megumi leise vor sich hin, ohne auf Benjis Aussage zu reagieren, während Haruka, die Benjis blöden Witz noch mit einem vorwurfsvollen und skeptischen Blick bestraft, durch Megumis Zischen, kurz überrascht sich umsieht, ob dies auch keiner außer ihnen gehört hat.
„Das ist nicht nett Gumi-Chan." Weist Haruka sie mitleidig zu recht. „So was sagt man nicht."
„Er hätte es wenigstens selber machen können." Verteidigt sich Megumi deutlich verärgert. „Jetzt hat er wieder alles an mich abgedrückt. Das hat er vor den Ferien auch schon gemacht. Immer wenn Kuno zur Schule gekommen ist, musste ich mit ihm reden."
Bei der Erwähnung von diesem Kuno, schaut Haruka traurig rüber zum leeren Platz neben ihren in der Sitzreihe. Benji blickt etwas verwirrt drein, ist aber dennoch neugierig, von wem sie sprechen.
„Wer ist dieser Kuno und warum ist er nicht hier?" Fragt Benji vorsichtig und Megumi und Haruka erwidern seine Frage mit einem entsetzten Blick, da ihnen gerade scheinbar bewusstgeworden ist, dass Benji ja keine Ahnung hat von wem sie reden, und es eigentlich auch gar nicht mitbekommen sollte.
„Das soll dich nicht kümmern." Weist Megumi Benjis Frage ab.
„Benji, denk daran, was wir besprochen haben, halt dich aus allen raus." Erinnert ihn Haruka mit ernsten Tonfall.
„Ok, ok, ich bohr nicht weiter nach." Gibt Benji leicht genervt auf und erinnert sich selbst und du beiden daran, was er Haruka versprochen hat. „Alles was zählt, sind wir und wie wir eine tolle Schulzeit haben werden."
„Die beste Zeit unseres Lebens." Bestätigt Haruka ihn freudig und Megumi nickt ihr mit einem Lächeln zu.
„Tut mir leid, Jirow-Kun." Wendet sich Megumi an Benji. „Aber ich muss dringend noch das Nachholen, wovon Chiba-Kun gerade eben gesprochen hat. Am besten wir reden nach der Schule heute über Alles in Ruhe. Stell bis dahin einfach nichts Dummes an."
„Ich und was Dummes anstellen? Für wie blöd haltet ihr mich eigentlich." Verteidigt sich Benji übertrieben gekränkt und erntet direkt skeptische Blicke von den beiden Mädels, als würden sie ihn fragen, ob er wirklich eine Antwort darauf haben möchte, worauf er nur kleinlaut Megumis Vorschlag annehmen kann. „Nach der Schule klingt super."
Nach dem Lunch übernimmt Mei dann den Unterricht in der Klasse. Zuerst haben sie mit ihr Gesellschaftslehre, und da sie viele Bezüge zum europäischen Westen herstellen kann, kommt Benji nicht nur gut mit, sondern kann auch einige Interessante Beiträge zusteuern. Ihm scheint es fast so, als habe sie den Unterricht speziell auf ihn zugeschnitten, was Benji jedoch auch etwas lächerlich vorkommt, denn er bezweifelt stark, dass sie ihm irgendeine bevorzugte Behandlung zugestehen würde. Zumindest in der darauffolgenden Englisch Stunde unterbricht sie Benji als dieser mit viel Sicherheit und hohem Tempo aus einem Text vorließt. Als er merkt, dass ihn alle aus der Klasse verwundert anstarren, fragt er nur, ob sie lieber hätten, dass er die Dialoge mit verstellten Stimmen lesen soll, worauf Mei ihm nur verlegen und freundlich klar zu machen versucht, dass seine fortgeschrittenen Fähigkeiten vorerst nur zur Verwirrung führen würde, und er fürs erste besser nur passiv den Unterricht mit verfolgt. Enttäuscht hört sich an, wie die anderen in der Klasse, nun deutlich eingeschüchtert durch Benjis Beitrag, verlegen ihre Sätze auf Englisch abstottern. Einzig Megumi, schafft es ein höheres Niveau abzurufen, doch auch sie wird leicht von Mei gebremst, was von Megumi mit einem leicht verärgerten Blick kommentiert wird. Nach der Schule erklärt Megumi Benji, dass Mei, dies wohl öfters so bei ihr macht. Sie tut sich halt schwer daran, die stärkeren Schüler innerhalb des Unterrichts zu fördern und bremst sie mehr. Stattdessen würde sie mit Megumi verstärkt zu Hause ihre Fähigkeiten trainieren, da sie versuchen sich zu Hause so oft wie möglich auf Englisch zu unterhalten. Benji fragt sich, welche Lösung Mei dann wohl in Zukunft für ihn parat haben wird, geht aber erstmal nicht weiter auf das Thema ein. Megumi klärt ihn schließlich noch über alle Schulregeln auf, wobei Benji die meiste Zeit sein Gesicht verzieht, weil er so erschrocken ist, was sie alles nicht dürfen. Doch Megumi betont, dass diese Schule in vielen Punkt noch wesentlich toleranter ist, als andere, weil sie sich versucht auf Schülerinnen und Schüler mit Auslandserfahrung, wie Benji, oder die später im Ausland studieren oder arbeiten möchten, wie Megumi, zu spezialisieren.
µ µ µ
Die nächsten Tage seiner ersten Woche, verlaufen relativ ähnlich. Im Unterricht gibt es Fächer in denen er merkt, dass er weit hinterherhinkt und es gibt Fächer in denen er glänzen kann. Zu Ersteren gehören definitiv Japanisch, Geschichte, Kalligraphie und Sport, Benji hasst nämlich Sport, während zu den Letzteren Fächer, wie Englisch, Gesellschaftslehre und Mathe zählen. Sie haben auch Musik, was aber für ihn mehr wie Chorübungen wirkt und so setzt er sich für die zweite Woche fest, sich endlich auf die Suche nach einem Club zu machen, indem er sein musikalisches Talent besser unterbringen kann. Mit der Hilfe von Megumi hat er schnell die Listen der Clubs organisiert und findet schließlich im Musik Club sein nächstes Ziel. Bewaffnet mit der Gitarre seines verstorbenen Vaters begibt sich Benji zur Club Aktivitäten Zeit zum Musikraum, deren Wegbeschreibung ihm Megumi gegeben hat. Sie und Haruka würden noch einige Zeit in der Bibliothek verbringen und im Anschluss auf ihn warten, so haben sie es zumindest abgemacht. Als er sich dem Musikraum nähert hört er bereits gedämpft die Töne eines spielenden Klaviers. Und so näher er kommt, umso deutlicher kann er erkennen, dass gerade die Mondscheinsonate von Beethoven gespielt wird. Da auf sein Klopfen an der Tür keine Reaktion erfolgt und das Klavierspiel nicht unterbrochen wird, betritt er vorsichtig den Raum. Der Musikraum teilt sich in zwei Hälften. Eine Seite sieht aus wie ein Abstelllager für die unterschiedlichsten Instrumente, während die andere Hälfte aus aufeinandergestapelten Stühlen und Tischen besteht. Es befindet sich nur eine Person im Raum, die gerade auf dem großen Piano in der Mitte der Instrumentensammlung seine Interpretation von Beethoven zum Besten gibt. Benji ist noch immer nicht bemerkt wurden, als bereits direkt neben dem Piano steht und die spielende Person genauer beobachten kann. Es ist ein schwächlich wirkender Junge mit unscheinbarer Erscheinung, dunklen gepflegten kurzen Haaren und einer blassen Gesichtsfarbe, der dafür aber mit leidenschaftlicher Intensivität die Klaviertasten bespielt, so sehr auf sein Spiel fokussiert, dass er Benji erst wahrnimmt, als dieser versehentlich mit seiner Gitarrentasche auf dem Rücken leicht eines der Becken des neben ihn stehenden Schlagzeugs berührt und ein fast kaum zu hörendes schwingen des Beckens den Pianisten zum Abbruch seines Spiels verleitet.
„Idiot!" Beschwert sich der Pianist. „Kann man denn hier nicht einmal in Ruhe spielen?"
„Tut mir sehr leid, das war keine Absicht, ich bin nur…" Will sich Benji entschuldigen.
„Nein, nein, nein, so kann ich nicht spielen, bei diesem Krach." Meckert der Junge am Klavier, ohne auch nur Benji anzuschauen. Er rauft sich mit beiden Händen die Haare und erblickt zum ersten Mal, dass Benji direkt neben ihm steht und schaut ihn verwundert an. „Wer bist du denn?"
„Der Idiot, der den Krach gemacht hat?" Erklärt sich Benji zögerlich mit fragendem Tonfall.
„Ach so, ich hatte dich gar nicht bemerkt." Gesteht der Pianist plötzlich etwas verlegen. „Tut mir leid, aber ich hatte gedacht ich wäre alleine und habe mit mir selbst geredet. Seit wann bist du schon hier?"
„Ungefähr seitdem Idiot." Antwortet Benji mit einem skeptischen Blick.
„Oh, tut mir leid, ich meinte nicht dich, sondern mich selbst." Entschuldigt sich der Junge am Klavier auf einmal sehr unsicher und etwas peinlich berührt, wird aber dann wieder selbstsicherer, als er von Benji wissen will was er eigentlich hier will. „Und wer bist du jetzt und was willst du hier?"
„Ach so, ja, Kawasaki Benjamin Jirow, erster Jahrgang, ich suche den Musik Club." Stellt Benji sich und sein Anliegen vor.
„Ungewöhnlicher Name. Erster Jahrgang? Hab dich noch nie gesehen." Versucht der Junge Benji einzuordnen. „Nun, deine Suche hat ein Ende, denn ich bin der Musik Club. Ichikawa Shinji, zweiter Jahrgang. Hoch erfreut Kawaski-San, aber leider muss ich dich enttäuschen. Ich habe keine Verwendung für dich."
„Tut mir leid Ichkawa-Senpai, aber so einfach lass ich mich nicht abwimmeln." Wehrt sich Benji, der vermutet, dass Shinji glaubt Benji könnte nicht mit seinen Fähigkeiten mithalten. „Nicht ohne ein Casting."
„Casting?" Schaut ihn Shinji fragend an. „Du meinst wahrscheinlich eine Audition? Du bist nicht von hier, oder?"
„Ich bin letzte Woche erst an diese Schule gewechselt, ich komme aus Deutschland." Erklärt ihn Benji.
„Deutschland?" Schaut ihn Shinji fasziniert an. „Das erklärt einiges."
„Wie meinen?" Fragt Benji verwirrt.
„Äh, nichts, habe gerade nur laut gedacht." Winkt Shinji sein Kommentar beiseite und wechselt etwas verlegen schnell das Thema. „Gut, du spielst Gitarre, wie mir scheint, spiel mir was vor."
„Ok, irgendwelche musikalischen Wünsche." Fragt Benji sein Ein-Mann-Publikum, nachdem er sich mit seiner schnell gestimmten Gitarre auf einem Stuhl hingesetzt hat. „Wie wäre es mit einer Begleitung deiner Klaviersonate von vorhin?"
Shinji schaut ihn kurz fragend an, scheint aber dann doch fasziniert von dem Vorschlag und fängt schließlich einfach an die Mondscheinsonate auf dem Piano zu spielen. Nach ein paar Takten stimmt Benji auf seiner Gitarre mit ein. Zuerst schaut Shinji etwas skeptisch, kann sich aber dann doch mit der Begleitung anfreunden und die beiden verlieren sich im Spiel, bis Shinji sein Stück ausklingen lässt. Er wirkt sehr überrascht, und fragt Benji, ob er noch ein anderes Instrument beherrscht, worauf Benji ihm anbietet sein Können am Piano zu demonstrieren. Gespannt macht ihm Shinji an den Tasten Platz und Benji fängt erstmal spielerisch an herum zu klimpern. Dann beginnt Benji den Floh Walzer zu spielen, worauf ihn Shinji erst fragend anschaut, ob dies wirklich sein ernst ist, ihn mit einem so simpleren Stück zu beeindrucken. Doch nach einmal durchspielen wechselt Benji spielerisch das Tempo und spielt eine schneller Variante des Floh Walzers und im Anschluss eine noch schnellere Version, was Shinji mit Verwunderung verfolgt. Bei der schließlich letzten Temposteigerung gibt Benji Shinji ein Zeichen ihn zu unterstützen und beide schaffen es gemeinsam die Harmonie des Stücks in dieser hohen Geschwindigkeit aufrecht zu halten, bis zum Schluss.
„Was war das denn?" Fragt Shinji entgeistert.
„Nennt sich Floh Walzer 2.0." Erklärt ihm Benji mit gespielter Bescheidenheit. „Hab ich im Internet gesehen."
„Du bist echt ungewöhnlich." Gesteht ihm Shinji. „Ungewöhnlich, aber interessant."
„Danke!" Fasst Benji Shinjis Worte als Kompliment auf. „Bin ich im Club?"
„Ja, was das angeht, es gibt keinen Club. Jeden Falls nicht offiziell." Gibt Shinji deutlich niedergeschlagen zu. „Ich bin das einzige Mitglied, und nach Clubsatzung, müssen es mindestens fünf Mitglieder sein, damit ein Club anerkannt wird. Ich habe lediglich die Sondererlaubnis, den Raum hier zu nutzen, wann es mir beliebt."
„Jetzt bin ich echt enttäuscht, dabei habe ich mich doch so gut verkauft." Gibt Benji mit sarkastischen Unterton von sich, wird aber ehrlich im Tonfall, als er Shinji seine zerstörten Erwartungen erzählt. „Ich hatte gehofft, es gäbe eine Schulband in der ich einsteigen kann. In Deutschland war ich auch in einer Band. Es gibt nicht zufällig etwas Vergleichbares hier an der Schule?"
„Da muss ich dich erneut enttäuschen." Gesteht Shinji mit ernsten und irgendwie traurigen Blick in den leeren Raum. „Ich bin schon seit meinem ersten Jahr allein. Keiner will was mit mir zu tun haben. Für die meisten bin ich ein Freak, ein musikalisches Genie, aber ein Freak. Mein Traum ist es irgendwann einmal eine richtige Big Band zu leiten, aber stattdessen gebe ich mich damit zufrieden hier meine Solonummern einzustudieren. Mehr konnten die Lehrer mir nicht bieten. Aber es ist okay. Enttäuschungen sind das halbe Leben. Ich denke, dessen sind wir uns beide heute einmal mehr bewusstgeworden, oder nicht?"
„Senpai, das klingt echt traurig!" Kommentiert Benji Shinjis Eingeständnis über seine Sicht der Dinge. Shinji schaut ihn fragend an, während Benji sich nachdenklich im Raum umschaut. „Das müssen wir ändern. Es muss noch andere Freaks wie uns geben, die den gleichen Traum haben. Wir müssen sie nur finden. Was hältst du davon, wenn ich dir helfe eine Band aufzubauen?"
„Klingt nett, aber wie?" Fragt ihn Shinji seufzend. „Wie schon gesagt, die meisten meiden meine Person. Geht es dir da ähnlich?"
„Nun, egal wo ich hingehe, ob Deutschland oder Japan, ich bin immer irgendwie der Ausländer. Ja, viele wollen nicht wirklich was mit mir zu tun haben, aber es gibt genug Leute die es wollen und es nicht bereuen, ich denke das gilt auch für dich. Wir müssen sie nur finden. Ich lass mir was einfallen, wenn du mitmachen willst?" Versucht Benji Shinji Mut zu machen, seinen Traum nicht aufzugeben. Shinji schaut nachdenklich auf die Tasten des Pianos.
„Ich will dir glauben Kawasaki-San." Schaut ihn Shinji an mit einem funkelnden leuchten in den Augen. „Hiermit bist du das offiziell zweites Mitglied des nicht offiziellen Musik Clubs an dieser Schule. Lass mich wissen, wenn du eine Idee hast, wie wir unseren gemeinsamen Traum verwirklichen können. Du weißt, wo du mich finden kannst. Ich verlass mich auf dich!"
„Abgemacht!" Bestätigt Benji Shinjis Vorschlag und zum ersten Mal reicht Benji einem Japaner von sich aus die Hand und Shinji schlägt zwar etwas verwundert und zögerlich, aber dennoch mit einem Lächeln mit seiner Hand ein.
Kurz darauf lässt sich Benji schließlich für heute entschuldigen, denn er würde noch von Freunden erwartet und verlässt den Musikraum, indem Shinji nach seinem Abgang wieder beginnt seine Solonummer zu spielen. Dieses Mal jedoch, schwört Benji, in Shinjis Interpretation des Stücks einen fröhlichen Unterton zu vernehmen. Benji versucht sich zu beeilen, denn im Spiel mit Shinji, hat er wohl ziemlich das Gefühl für die Zeit vergessen und eigentlich wollten er und die beiden Mädels sich schon längst am Schultor getroffen haben. Als er durch die Korridore flitzt und an einer Reihe von Spinden vorbeikommt, hört er die Stimmen von einer Gruppe von Mädchen, und je näher er den Stimmen kommt, umso deutlicher kann er erkennen, dass sie nichts Gutes verheißen. Benji kann die Stimmen zwischen zwei Spind Reihen direkt vor ihm ausmachen und lehnt sich vorsichtig an die Ecke der Gegenüberliegenden Seite einer Reihe, um genauer mitzubekommen, worüber die Mädchen reden. Er erkennt drei verschiedene Stimmen. Eine scheint einen leichten Englischen Akzent zu haben, während die andere ziemlich selbstgefällig klingt. Die dritte Stimme wirkt etwas verängstig und haspelt ein wenig, wenn sie etwas sagt. Die beiden ersten Stimmen versuchen auf eine unschöne Art und Weise der dritten Stimme irgendeine Art von Information zu entlocken, wogegen sich diese gegen die Drohungsversuche der anderen zwar wert, aber immer unsicherer und hilfloser wirkt. Benji versucht schließlich einen Blick um die Ecke zu erhaschen, um zu sehen, wem er da gerade zuhört. Ihm kommt es vor als hätte er alle drei Mädels schon Mal irgendwo gesehen. Vor allem das Mädel mit dem leichten englischen Akzent sollte ihm schon Mal aufgefallen sein, es ist schließlich keine Japanerin, sondern ein sommersprossiger Rotschopf mit Pferdeschwanz mit eindeutiger europäischer, wenn nicht sogar amerikanischer Herkunft. Auch die anderen kommen ihn bekannt vor. Die zweite Stimme gehört einer der Klassenschönheiten von der großen Mädels Gruppe, die sich beim Lunch immer in seiner Klasse versammeln, mit nackenlangen modebewusst gestylten Haaren und einem spöttischen Blick. Aber sie ist definitiv keine Klassenkameradin von Benji. Das dritte Mädel auch nicht. Denn er erinnert sich an keine Schülerin mit blondierten Haaren, die sie zu zwei modischen Zöpfen frisiert hat, die in seine Klasse geht und wundert sich warum sie überhaupt gefärbte Haare tragen darf, denn Megumi hat ihm deutlich erklärt, dass dies an der Schule nicht erwünscht ist. Aber anscheinend ist dies auch gerade der Grund, warum sie von den beiden anderen Mädels behelligt wird. Denn die rothaarige greift ihr ungefragt an die Haare und reibt sie zwischen ihren Fingern, als ob sie sie auf Echtheit überprüfen würde, worauf das blondierte Mädchen eingeschüchtert zusammenzuckt. Es ist ihr offensichtlich sehr unangenehm.
„Die fühlen sich echt schäbig an." Behauptet die Rothaarige gehässig, während sie immer noch die Haare in der Hand hält. „Vielleicht sollten wir sie dir lieber komplett abschneiden?"
„Wow, Jessica, du hast immer so krasse Ideen." Kommentiert die andere Peinigerin den Vorschlag der Rothaarigen, die wohl Jessica heißt. „Sag schon Kanzaki, willst du uns nicht lieber sagen, warum du so rumlaufen darfst und wir nicht, bist du etwa was Besonderes?"
„Lass bitte … mein Haar los!" Wert sich die blondierte Schülerin, die offensichtlich den Nachnamen Kanzaki hat. „Ich muss euch gar nichts sagen. Zudem hast du selber auch eine andere Haarfarbe Jessica-San."
„Ja, aber das sind meine natürlichen Haare." Behauptet Jessica stolz und streift sich mit beiden Händen über ihr eigenes Haar. „Willst du behauptet, dass du auch von Natur aus blond bist?"
„Du kotzt uns echt an, Kanzaki!" Greift das Mädel neben Jessica, die immer noch eingeschüchterte Kanzaki herablassend an. „Du willst dich doch nur von uns allen abheben, weil die Jungs auf dich stehen sollen, du Miststück."
„Das tu ich nicht!" Verteidigt sich Kanzaki immer hilfloser. „Ihr seid doch nur neidisch, weil auf euch nur die übelsten Playboys abfahren."
„Willst du mich und Sora-Chan etwa beleidigen?" Unterstellt ihr Jessica mit einer übertriebenen härte und gespielten zornigen Gesichtsausdruck, während sie einen Arm ausgestreckt gegen das Spind direkt neben Kanzakis Gesicht stemmt. „Sag schon Kanzaki, du hältst dich doch für was Besseres, oder?"
Kanzaki fängt leicht an zu zittern, wie Jessica sie schon förmlich anschreit, wie in einer Szene aus einem Anime, in dem sie gerade die Rolle des Bullys zu spielen scheint. Doch sie wird in ihrer Darbietung unterbrochen, als sich neben ihr plötzlich Benji bemerkbar macht.
„Hey Rotschopf." Macht sie Benji auf Englisch von der Seite an mit einem ernsten Gesichtsausdruck. „Hab gehört du suchst Ärger."
„Wer will das wissen?" Fragt in Jessica auf Englisch zurück, mit einem blitzenden Funkeln in den Augen als sie Benji ansieht, immer noch mit der Hand gegen das Spind gepresst.
„Der neue Sheriff in der Stadt." Antwortet Benji weiter auf Englisch mit ernsthafter Stimme und tut so als würde er einen unsichtbaren Hut auf seinem Kopf kurz zum Gruß anheben und wieder aufsetzen. „Ich fürchte nur, diese Stadt ist nicht groß genug für uns beide."
„Und was willst du jetzt tun, Sheriff?" Springt Jessica auf Benjis Darbietung an und stellt sich im von Angesicht zu Angesicht gegenüber, während sie so tut als würde sie zur Seite auf den Boden spucken. „Willst du dich mit mir duellieren?"
Benji und Jessica starren sich mit zusammengezogen Augen ohne ein Wort zu sagen an. Kanzaki schaut dabei total verwirrt auf die beiden, als würde sie keine Ahnung haben, was da gerade zwischen den beiden vor sich geht. Das andere Mädchen, was wohl Sora heißt, ist sich noch nicht ganz sicher, was sie von dem ganzen halten soll und geht ein paar Schritte, etwas eingeschüchtert von Benji und Jessica, zurück.
„Wenn es anders nicht geht, dann muss ein Mann tun, was er eben tun muss." Bricht Benji das kurze Schweigen wieder auf Englisch und führt seine Hand an die Hüfte, wo er einen imaginären Revolver umklammert und dessen Hahn mit einem von ihm imitierten Klack Geräusch spannt.
„Dann ist dies wohl die Entscheidung." Kommentiert Jessica Benji Aktion ebenfalls wieder auf Englisch und tut es ihm gleich, indem sie auch ihren Revolver bereitmacht. „Bereit zu sterben?"
„Es ist zwölf Uhr mittags." Behauptet Benji auf Englisch in gespielter lässiger Art und spannt seine Hand über seinem unsichtbaren Revolver übertrieben an, während Jessica sein Verhalten spiegelt. Sora und Kanzaki schauen sich verwirrt an.
„Zieh!" Fordert Benji auf Englisch Jessica auf, und tut so, als würde er seinen Revolver ziehen, worauf er mit seiner Zug Hand blitzschnell eine Pistole formt, mit dem Zeigefinger als Lauf auf Jessica gerichtet und ein Schuss Geräusch imitiert. „Peng!"
„Oh, verdammt!" Flucht Jessica auf Englisch, die zu Benjis Glück so tut als wäre sie von einer imaginären Kugel getroffen wurden und umklammert mit beiden Händen eine nicht vorhandene Eintrittswunde an ihrem Herz. „Du hast mich erwischt, Cowboy!"
Nachdem sie ein paar Schritte gespielt zurück taumelt, tut sie kurz so als würde sie nach hinten umfallen, bricht aber dann mit einem herzhaften Lachen aus ihrer Rolle aus. Sora und Kanzaki schauen weiterhin total verwundert zwischen Benji und Jessica hin und her, während Benji den imaginären Rauch aus dem Lauf seiner Pistolenhand pustet und seinen unsichtbaren Revolver mit einem gespielten Dreher wieder in seinen nicht vorhandenen Halfter steckt.
„Oh Mann, das war großartig!" Freut sich Jessica mit Tränen vor Lachen in den Augen, jetzt wieder japanisch sprechend. „Du hast gewonnen Sheriff, die Stadt gehört dir. Viel Spaß damit. Komm Sora-Chan, genug für heute."
Jessica nimmt die verwirrte Sora an die Hand und verlässt mit ihr die Szene, während Kanzaki erleichtert aufatmet und Benji seine Gitarrentasche hinter dem Spind hervorholt. Kanzaki schaut Benji mit verwunderten Blick an, als dieser mit Gitarre auf dem Rücken wieder vor ihr steht und sie fragt, ob alles okay ist.
„Bist du in Ordnung?" Fragt Benji sie, während Kanzaki ihn mit einem Leuchten in den Augen mustert. „Ich hoffe die beiden lassen dich in Zukunft in Ruhe."
Kanzaki nickt ihm verlegen zu und verbeugt sich kurz vor ihm als Dankeschön.
„Ich danke dir, aber die beiden werde ich wohl so schnell nicht los." Gesteht ihm Kanzaki. „Woher wusstest du, dass Jessica-San dein Schauspiel mitmacht?"
„Nun, ich habe gemerkt, dass sie selber eine Rolle spielt, als sie dir zugesetzt hat." Erklärt ihr Benji grinsend. „Da habe ich ihr einfach etwas zum Mitspielen geboten."
„Dann war das nur Glück?" Fragt ihn Kanzaki verwundert.
„Mag sein." Gibt Benji bescheiden zu. „Aber sag einfach Bescheid, wenn sie dir nochmal blöd kommen. Ich glaube die Rothaarige ist nicht so übel, wie sie tut."
„Okay, ich nehme dich beim Wort." Lächelt ihm Kanzaki zu. „Und wo finde ich dich dann?"
„In der 1-B. Komm einfach vorbei." Bietet ihr Benji an und macht sich bereits wieder auf den Weg zu Haruka und Megumi, die wahrscheinlich schon längst auf ihn warten. „Ich muss weiter, bis dann."
„Warte!" Ruft ihn Kanzaki nach kurzer Überlegung hinterher, aber Benji hört sie schon nicht mehr. „Wie heißt du eigentlich …?"
Als Benji Haruka und Megumi endlich erreicht, und sie ihn fragen, warum er so spät dran wäre, erzählt er ihnen nicht von seiner heldenhaften Rettungsaktion von dem Mädchen namens Kanzaki. Sie glauben ohnehin schon, dass er dazu neigt dumme Sachen anzustellen, da will er ihnen nicht noch mehr Beweismaterial für ihre Vorstellung von ihm liefern. Stattdessen berichtet er nur von seiner Begegnung mit Shinji und dem Musik Club und behauptet sie hätten beim Spielen die Zeit vergessen, was ja auch nicht ganz gelogen ist. Als Benji erwähnt, dass er ab jetzt nach neuen Mitglieder für den Musik Club sucht, erinnert sich Megumi an eine Gruppe von Schülerinnen aus dem zweiten Jahrgang, die eine Band gründen wollten, wohl aber alle jetzt im Manga Club sind und Benji fasst sich danach das Ziel, den Manga Club mal genauer unter die Lupe zu nehmen.
µ µ µ
Bis jetzt läuft doch alles ganz gut, denkt sich Benji die nächsten Tage. Zwar tauchen zwischendurch immer ein paar Hindernisse auf, aber langsam aber sicher, fängt er an Gefallen an seinem Schulleben zu finden. Selbst als in der nächsten Englisch Stunde Mei ihm kurz vorher zu sich ruft und ihn fragt, ob er Interesse an einem kleinen Experiment hätte und Benji sehr zögerlich der Sache zustimmt, obwohl sie ihm nicht genau verraten will, was auf ihn zukommt. Es heißt nur, dass er Gelegenheit bekommt sein volles Potential in Englisch vor der Klasse zu entfalten und Benji ist gespannt, was sie sich hat einfallen lassen. Im Unterricht lesen sie gerade gemeinsam in einer Lektüre und obwohl Mei Benji im Vorfeld darauf hingewiesen hat, dass er heute mal alles zeigen kann, vertröstet sie ihn wiederum zu warten, als er sich selbst zum Vorlesen meldet. Nach einiger Zeit klopft es an der Klassentür und Kawashima-Sensei bittet Mei sie kurz sprechen zu dürfen.
„Ja sicher Kawashima-Sensei, wenn es dringend ist." Spielt Mei so übertrieben überrascht, dass jeder direkt erahnen kann, dass da was faul ist, denkt sich Benji noch, und ist doch überrascht als er seinen Namen hört. „Jirow-Kun, könntest du so lange den Unterricht übernehmen?"
„Was? Ich?" Fragt Benji ziemlich entsetzt, und alle aus der Klasse starren ihn an.
„Ja natürlich, darüber haben wir doch gesprochen." Lächelt ihn Mei übertrieben an und zwinkern ihm unauffällig zu. „Dauert auch nicht lange, lest einfach weiter bis Kapitel 10. Bis dahin sollte ich wieder hier sein."
Missbillig steht Benji auf und geht nach vorne zum Lehrerpult mit seiner Lektüre, während er von verwunderten Blicken seiner Klassenkameraden verfolgt wird.
„Ich bin sicher, ihr kommt wunderbar klar." Freut sich Mei verzückt und blickt noch einmal mit einem strengen Blick auf die anderen Schülerinnen und Schüler in die Klasse. „Und das mir hinterher keine Klagen kommen, verstanden?"
Mit diesen Worten verlässt Mei zusammen mit Makoto die Klasse und Benji schaut ihr erst noch entsetzt nach, dann etwas verwirrt in die fragenden Blicke seiner Klassenkameraden und schließlich hilfesuchend zu Megumi, die ihn auch verwundert anschaut und nur mit den Achseln zucken kann.
„Gut dann wollen wir mal." Fängt sich Benji schließlich wieder und stellt sich hinter das Lehrerpult. „Wer will weiterlesen?"
Die Klasse schaut ihn weiter verwundert an, aber keiner kommt auf die Idee, sich zu melden und einfach weiterzumachen, um diese etwas peinliche Situation, etwas weniger peinlich zu machen.
„Kommt schon Leute, das ist auch für mich die sechste Stunde." Lässt Benji spielerisch den Lehrer raushängen und merkt, dass daraufhin sich einige in der Klasse ein Lachen verkneifen müssen. Benji hat schon Angst, dass sie jetzt alle anfangen untereinander zu tuscheln oder gar noch schlimmer, ihn anfangen zu boykottieren, da meldet sich Haruka, um ihn zu retten mit zaghaftem Handzeichen, zur seiner Erleichterung. „Haruka-Chan, Danke."
Haruka gibt ihr Bestes, um ihr nicht so gutes Englisch, so fehlerfrei wie möglich wieder zu geben, stolpert aber dann doch bei dem Wort immediatley.
„Ah, das ist ein schweres Wort, da verhasple ich mich auch öfters mit." Versucht Benji Haruka in Schutz zu nehmen. Er schreibt das Wort an die Tafel und möchte dahinter die Übersetzung schreiben, stockt aber bei der Suche nach dem passenden Kanji, und schaut hilfesuchend zu seiner Klasse. „So jetzt müsst ihr mir helfen, wer weiß das richtige Kanji?"
Megumi schaltet schnell und schreibt ihm das gesuchte Schriftzeichen auf ein Blatt und hält es ihm hoch.
„Ah super, danke Megumi-Chan." Bedankt sich Benji erleichtert und schreibt es an die Tafel. Er dreht sich wieder zur Klasse und lächelt sie zufrieden an. „Ihr seht, das ganze hier ist mit Teamwork verbunden. Ich helfe euch und ihr helft mir. Also, wer möchte als nächstes lesen."
Benjis Klassenkameraden wechseln neugierig ein paar Blicke untereinander. Anscheinend sind die ersten Hemmungen verflogen und zu Benjis Überraschung zeigen nun ein paar mehr Schüler auf.
„Ok, das sieht doch schon viel besser aus." Freut sich Benji und denkt kurz nach wessen Namen er noch von seinen Klassenkameraden weiß, die gerade sich per Handzeichen melden. „Äh, Kosei-Kun, richtig? Bitte fahr an dem letzten Satz fort."
Währenddessen schaut Mei, aus dem gegenüberliegenden Gebäude von Benjis Klassenzimmer begeistert wie ihr kleines Experiment sich macht. Sie und Makoto haben das leerstehende Archiv im Gebäudetrakt genau gegenüber den Fenstern von der Klasse aufgesucht, wo sie gerade noch gut genug das Geschehen innerhalb des Klassenraums beobachten können. Beide stehen am Fenster des Archivs und verfolgen den Unterricht von Benji.
„Oh, sehen sie, sie arbeiten zusammen, interessant." Kommentiert Mei die Aktionen in der Klasse völlig fasziniert, während Makoto das Ganze eher skeptisch beobachtet. „Er zeigt ihnen was er kann, aber gleichzeitig vermittelt er ihnen, dass er ihre Hilfe braucht. Großartig! Großartig!"
„Hasegawa-San, wie lange haben sie vor, dass ganze laufen zu lassen?" Fragt sei Makoto mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton. „Ist es wirklich richtig, ihn in diese Situation zu bringen und diese Bürde aufzuerlegen?"
„Vielleicht ist es für ihn, wie ein Sprung ins kalte Wasser. Unangenehm, aber es ist wichtig." Verteidigt Mei ihr Experiment. „Es ist wichtig für die ganze Klasse. Oh, schauen sie nur, nun scheint er mit ihnen zusammen zu lesen, wie bei der Probe eines Theaterstücks. Sehr schön."
„Ich habe ihrem kleinen Experiment zugestimmt, weil sie versprochen haben, dass er am Ende besser in die Gruppe integriert sein wird." Erinnert sie Makoto weiter leicht vorwurfsvoll. „Aber, das sieht mir mehr nach dem Gegenteil aus. Sie stellen ihn auf ein Podest und heben ihn von der Klasse ab. Was ist, wenn er sich danach für etwas Besonders hält? Was ist wenn die gesamte Klasse ihn als Sonderling ausgrenzt, Hasegawa-San?"
„Genau darum geht es doch hierbei." Versucht ihm Mei zu verdeutlichen, ohne die Klasse aus den Augen zu lassen. „Sie sollen erkennen, was er ist und was er draufhat, aber dabei verstehen, dass er eine Bereicherung für sie alle sein kann und nicht jemand der etwas Besseres ist. Wie sie selber sehen können, ist die anfängliche Ehrfurcht vor seinen Fähigkeiten bereits wie weggeblasen. Hätte ich es normal weiterlaufen lassen, hätten ihn die anderen früher oder später vor Neid zum Außenseiter markiert."
„Hasegawa-Sensei, bei allen nötigen Respekt, aber ihre ungewöhnlichen Methoden nehmen in letzter Zeit überhand. Ich bitte sie inständig, dies zu überdenken. Vor allem da sie viel zu riskant sind." Redet Makoto gewissenhaft, aber respektvoll auf Mei ein. „Das Ganze hätte auch schieflaufen können, wenn sich Beispielsweise jemand gegen ihn aufgelehnt hätte. Sie wissen wovon ich rede. Die Machtverhältnisse sind sehr instabil in dieser Klasse. Was ist, wenn Kuno wiederkommt? Wie wird er regieren?"
„Vertrauen sie mir, Makoto-Kun?" Fragt sie Mei, nun zu ihm gewannt in einer mehr offenen Art und Weise.
„Ja natürlich, Mei-San!" Reagiert Makoto nun selber offener und leicht schockiert über Meis direkte Ansprache. „Ich wollte damit ihre Vertrauenswürdigkeit auch nicht in Frage stellen, aber …"
„Gut!" Bricht ihn Mei zufrieden ab. „Ich weiß, dass dabei viel auf dem Spiel steht. Doch wer nichts wagt, der nichts gewinnt. Zudem ist Kuno unser geringstes Problem, glauben sie mir."
„Wie sie meinen, Hasegawa-San." Gibt sich Makoto ihr geschlagen und verbeugt sich entschuldigend zu ihr. „Tut mir leid für meine Wortwahl."
„Es ist wichtig, dass ich auf ihre Unterstützung zählen kann." Betont Mei versöhnlich. „Aber sie haben recht, ich werde versuchen in Zukunft weniger Risiken einzugehen. Und zur Not, habe ich immer noch meinem Back-Up Plan."
„Ich will gar nicht wissen, was dieser Plan beinhaltet." Kommentiert Makoto seufzend Meis Versuch ihn zu beruhigen.
„Ist vielleicht auch besser so." Lächelt ihn Mei leicht verlegen an, und Makoto nickt ihr mit einem skeptischen Blick zu.
Mei hat genug gesehen und sie und Makoto kehren zurück zur Klasse, wo sie Benji von seiner Aufgabe erlösen. Nach dem Unterricht spricht sie nochmal unter vier Augen mit Benji und will wissen, wie er sich bei seiner Rolle als Aushilfslehrer gefühlt hat. Benji erklärt ihr offen, dass er anfangs sich nicht wirklich wohl dabei gefühlt hat, aber durch ein wenig Unterstützung es trotzdem gut geklappt hat und eine interessante Erfahrung gewesen ist. Dennoch bittet er Mei, dies in Zukunft nicht mehr zu wiederholen und Mei gibt ihn zwar das Versprechen, ihn nicht mehr mit derartig Aufgaben zu konfrontieren, aber mit dem Hintergedanken sich doch hin und wieder durch ihn kurzzeitig vertreten zu lassen, falls sie mal was Dringendes erledigen muss. Die Klasse jeden Falls scheint nicht nur das Experiment positiv aufgenommen zu haben, denn in künftigen Englisch Stunden kommen öfters Nachfragen auf, ob Benji nicht mit ihnen weiter die Lektüre lesen kann, sondern auch Benji selbst wird von Klasse mittlerweile nicht nur akzeptiert, sondern auch im guten Sinne für sein Wissen respektiert und wird öfters von anderen Schülerinnen und Schülern aus seiner Klasse um Rat oder Unterstützung gefragt. Aber auch andersrum erhält er viel Hilfestellungen von seiner Klasse, wenn es um die richtige Aussprache oder die Schreibweise im Japanischen geht. Ganz besonders das Mädchen, dass in der Klasse direkt vor ihm sitzt, mit vollem Namen Mao Yuna, die ihre langen dunklen Haare fast immer zu zwei seitlichen Zöpfen trägt, nimmt sich seiner an. Zwar wirkt sie dabei ein bisschen aufdringlich, aber sie und Benji kommen gut miteinander aus. Sie bietet sogar Benji direkt am Anfang an, sie beim Vornamen Yuna zu nennen, wenn sie sich alleine unterhalten, was selbst Benji ungewöhnlich schnell vorkommt, dass sie sich ihm so öffnet. Sie scheint auch irgendwie besonders viel interessiert an seiner Person zu haben. Meistens möchte sie mit Benji nach dem Unterricht noch über irgendwelchen Schulkram reden, stellt dabei aber immer wieder fragen zu Benjis Interessen und andere schon eher privatere Dinge, wie über sein Verhältnis zur seiner Stiefschwester. Benji vermutet gegenüber Haruka, dass sie eventuell auf ihn steht und etwas von ihm will, doch Haruka rät ihm lieber vorsichtig zu sein, bis er Yunas wahre Absichten erkennen kann und nichts zu überstürzen. Jedoch beruhigt Benji Haruka, dass Yuna nicht wirklich sein Typ ist und sie ihm zu scheinheilig rüberkommt.
Nichts des so trotz, stimmt er zu, als Yuna mal wieder mit ihm nach der letzten Stunde noch über eine Frage zu Mathe reden möchte, obwohl er eigentlich heute mal wieder mit Shinji nach der Schule jammen wollte, und extra seine Gitarre mitgenommen hat. Yuna erklärt sich aber höchst interessiert bereit mit Benji zusammen zum Musikraum zu gehen. Haruka und Benji verabredet sich, sich später wieder am Schultor zu treffen, während sie noch Megumi helfen will Material für Kawashima-Sensei zurück ins Lehrerzimmer zu bringen. Während er und Yuna sich auf dem Weg machen, findet Benji schnell heraus, dass die Frage zu Mathe mal wieder nur ein Vorwand gewesen ist, um Benji mal wieder über Privates ausfragen zu können.
„Sag mal Jirow-Kun, auf welche Mädchen stehst du denn so?" Fragt ihn Yuna ziemlich frei raus, ohne dabei auch nur verlegen zu wirken. „Ist Haruka-Chan nicht dein Typ?"
„Haruka-Chan ist meine Schwester, auch wenn wir nicht blutsverwandt sind." Versucht Benji das Thema mit einem gleichgültigen Ton schnell ad acta zu legen. „Wieso willst du das wissen, wolltest du nicht mit mir über Mathe reden?"
„Ach, du hast es mir so gut erklärt, da habe ich es sofort kapiert." Redet sich Yuna etwas scheinheilig heraus und wechselt schnell wieder das Thema. „Du und deine Schwester, ihr beide steht euch aber schon sehr nahe, oder?"
„Ja kann man schon sagen." Bestätigt Benji Yunas Aussage nachdenklich. „Wir sind schon irgendwie auch gute Freunde, aber nicht mehr. Aber warum eigentlich das Interesse an mir und meiner Stiefschwester? Gibt es dafür irgendeinen Grund?"
„Bin nur neugierig." Redet sich Yuna wieder scheinheilig raus.
„Dann lass mich auch mal neugierig sein." Schlägt Benji mit einem schelmischen Grinsen vor. „Auf welchen Typ Jungen stehst du denn so, Yuna-Chan?"
„Ach, ich habe zurzeit kein Interesse an Jungs oder Beziehungen." Gibt Yuna mit einem Lächeln zu und schaut Benji mit einem sehr herausfordernden Blick in die Augen.
„Na Gott sei Dank!" Reagiert Benji mit einem herzhaften Lachen. „Und ich dachte schon, du stehst auf mich?"
„Watt?" Reagiert Yuna entsetzt und scheint nicht zu merken, dass sie auf einmal mit Benji mit Dialekt spricht. „Isch sull ob dich stonn? Dat gläuvst de doch selver nit."
Als Yuna merkt, was sie von sich gegeben hat, schnellen ihre Hände vor ihren Mund und ihr Gesicht läuft leicht rötlich an. Benji ist jedoch neugierig geworden und schaut sie fragend an.
„Wie war das? Ich habe dich nicht richtig verstanden." Bohrt er fasziniert nach, obwohl Yuna das Ganze ziemlich unangenehm scheint. „War das Osaka-Ben?"
Yuna, die ihr Hände immer noch schützend vor dem Mund hält nickt nur kurz, während Benji sie neugierig mustert.
„Bring es mir bei." Schlägt Benji aus dem nichts vor, mit funkelnden Augen.
„Watt? … Äh … Was?" Reagiert Yuna verwundert. „Du willst, dass ich dir meinen Dialekt beibringe? Wie soll das überhaupt gehen? Du kommst ja noch nicht mal aus Japan."
„Oh, lass das meine Sorge sein." Erklärt ihr Benji selbstbewusst. „Du musst nur mit mir im Osaka-Ben reden, den Rest übernehme ich."
„Warum willst du das überhaupt können, das ist total peinlich." Versucht Yuna Benji die Idee auszureden. „Ich rede nur so, wenn ich zu Hause bin, aber leider kommt mein Dialekt immer raus, wenn ich die Beherrschung verliere."
„Ok! Willst du mir denn verraten, warum du so viel privates Zeug von mir wissen willst." Kontert Benji mit einem breiten Grinsen, worauf Yuna nur schweigend zu Boden guckt. Benji seufz kurz und schaut Yuna mit einem etwas traurigen Blick an, da sie anscheinend nicht bereit ist, ihm zu vertrauen. „Ich sehe wir haben beide unsere Geheimnisse. Aber ich mach dir einen Vorschlag. Ich sage dir was du wissen willst, wenn du mit mir auf Osaka-Ben sprichst. Deal?"
„Und ich kann dich wirklich alles Fragen?" Hakt Yuna mit niedlicher kleinlauter Stimme nach.
„Alles, sogar welche Farbe meine Unterhose hat." Zwinkert ihr Benji zu.
„Dat well isch äver jar nit wisse!" Beschwert sich Yuna mit rotem Gesicht wieder im Dialekt.
„Wieso denn nicht? Heute ist sie zum Beispiel blau." Haut Benji nochmal drauf, worauf Yuna nur ihr gesamtes rotes Gesicht mit ihren Händen verdeckt „Gut, ich sehe wir haben eine Abmachung, oder?"
Yuna nickt ihm zu im Einverständnis und die beiden erreichen kurz darauf den Musikraum. Doch leider ist Shinji heute nicht da und der Raum ist verschlossen. Benji ärgert sich, dass er und Shinji noch keine Kontaktdaten ausgetauscht haben, aber will trotzdem sein Smartphone nutzen um nach der Uhrzeit zu schauen, da fallen ihm mehrere Anrufs Versuche von Haruka auf. Er wundert sich, was sie vom ihm will. Wahrscheinlich ist sie früher fertig gewesen als gedacht, vermutet er und sucht ein nahegelegenes Fenster, durch das er das Schultor sehen kann. Als er eins gefunden hat und erkennt was dort vor sich geht, verabschiedet er sich kurz und knapp von Yuna und eilt nach draußen, während er eine verwirrt Yuna zurücklässt, die verwundert auch durchs Fenster schaut und mit entsetzten Blick direkt erkennt warum Benji es so eilig hat.
Megumi benötigt, mit der Hilfe von Haruka nicht viel Zeit für ihre Aufgabe und sie sind bereits schnell fertig. Inzwischen steht Haruka alleine am Schultor. Da Benji immer noch nicht fertig zu sein scheint mit seinem Treffen mit Shinji und da Megumi noch etwas erledigen muss, hat sie sich bereits von Haruka verabschiedet. Haruka schaut gedankenverloren auf ihre Uhr ihres Smartphones. Sie hat bereits versucht Benji mehrmals anzurufen, aber er hat sein Telefon wohl ausgestellt, während er in der Schule ist. Sie merkt nicht als sich ihr Schritte nähern und eine bekannte Stimme ihren Namen ruft.
„Haru?" Ruft ihr ein groß gebauter kräftiger Junge mit blondierten Haaren zu, gekleidet in der Uniform ihrer Schule, der gerade von außen das Schulgelände betreten hat. „Du kommst wieder zur Schule? Seit wann?"
Haruka schreckt in sich zusammen, als sie erkennt, wer da zu ihr spricht. Sie schaut sich hilfesuchend um, aber es scheint keine andere Person weit und breit in Nähe zu sein.
„Warum hast du mir nichts gesagt?" Fragt der Junge sie weiter ohne auf eine Antwort auf seine letzte Frage zu warten und kommt dabei immer näher auf sie zu. Haruka dagegen versucht vor ihm zurück zu weichen, wird aber beim Rückwärtsgehen von der Schulmauer aufgehalten.
„Eiji-Kun, bitte lass mich alles erklären." Versucht Haruka den auf sie zukommenden Jungen, den sie wohl als Eiji kennt, zu beruhigen. „Ich wollte das alles nicht."
„Aber du hast es getan!" Schaut Eiji sie mit strengen Blick an, der mittlerweile direkt vor ihr steht. „Weißt du überhaupt, wie es mir danach ergangen ist?"
Haruka versucht seinem Blick auszuweichen und schaut hilfesuchend nach einer Fluchtmöglichkeit, was Eiji bemerkt und ihr zum Schultor hin mit einem ausgestreckten Arm gegen die Mauer gestemmt den Weg versperrt. Sie wirkt total verängstigt und schaut einfach nur noch zu Boden, während Eiji immer wütender wird.
„Interessiert dich das überhaupt?" Brüllt er sie an. „Na los, rede!"
„Entschuldigung, wenn ich kurz stören darf?" Tippt Benji Eiji von der Seite an. „Aber sie und ich sind verabredet."
„Du?" Erinnert sich Eiji an Benji vom ersten Schultag nach den Sommerferien, den er an einer Zigarette hat ziehen lassen und wendet sich mit fragenden zornigen Blick an Haruka. „Wer ist das Haru? Dein Neuer?"
„Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen." Versucht Benji äußert übertrieben höflich zu bleiben, um Eiji aufzuklären und ihn von Haruka abzulenken, die zitternd kein Wort mehr von sich geben kann und nur noch zu Boden schaut, in der Hoffnung, dass Alles bald vorbei ist. „Kawasaki Benjamin Jirow, großer Bruder im Dienst!"
„Bruder?" Schaut ihn Eiji ungläubig an und wendet sich wieder an die eingeschüchterte Haruka. „Seit wann hast du einen Bruder?"
„Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du endlich aufhören würdest sie zu bedrängen." Fordert ihn Benji weiter äußerst höfflich auf. „Oder hast du Spaß daran Leute zu schikanieren, die kleiner sind wie du?"
„Oh, ich zeige dir gleich, wo ich Spaß dran habe." Wendet sich Eiji nun völlig an Benji und lässt von Haruka ab. „Du gehst mir allmählich ziemlich auf die Nerven, Bruder."
„Haruka? Ich glaube es ist Zeit nach Hause zu gehen." Schlägt Benji seiner Schwester vor, die nun freie Bahn zum Schultor hat, ohne dabei den Blick von Eiji abzulassen. „Geh bitte schon mal vor und sag, dass es bei mir später wird."
Haruka wirkt zwar immer noch sehr perplex, doch versteht den Hinweis von Benji sofort und läuft schnell mit gesenktem Blick los durch das Schultor in Sicherheit. Gerade im Moment ist ihr alles egal, auch wenn Benji sich eingemischt hat, auch wenn er nun seinen Kopf für sie hinhält und womöglich sich mit Eiji prügeln wird, auch wenn er mit hoher Wahrscheinlichkeit danach ziemlichen Ärger bekommen wird, von ihren Eltern und von der Schule, sie will einfach nur noch weg und sich zu Hause in ihrem Bett verkriechen. Sie kommt sich einfach nur noch selbst erbärmlich vor, doch es ist ihr egal, als sie so schnell sie kann nach Hause rennt und Benji zurücklässt. Eiji ist mittlerweile auf hundertachtzig und schlägt mit seiner Faust in seine andere Hand bereit zum Kampf.
„Es ist mir egal wer du bist, ihr Bruder, ihr Lover oder ihr Leibwächter." Erklärt Eiji Benji zornig. „Du hättest dich raushalten sollen. Jetzt hast du mir die Chance genommen, dass sie mir endlich mal die Wahrheit sagt. Dafür verdienst du eine ordentliche Abreibung."
„Nun, da gehen unsere Meinungen deutlich auseinander." Bleibt Benji cool und nimmt seine Gitarrentasche von seinen Schultern.
„Halts Maul!" Brüllt ihn Eiji wutentbrannt an und stürmt bereit zuzuschlagen auf Benji zu. Benji holt mit der Gitarrentasche in der Hand aus und schmettert sie den auf ihn zu kommenden Eiji mit voller Wucht auf den Schädel. Eiji wird durch den Aufprall gestoppt und geht leicht benommen zu Boden. Er sitzt auf der Erde mit verwirrten Blick und zusammengekniffenen Zähnen vor Schmerzen in seinem Kopf, den er mit einer Hand reibt und scheinbar noch nicht ganz verstanden hat, was gerade passiert ist. Benji Gitarre liegt neben ihn, immer noch in der Tasche verpackt, aber Benji kann schwören, dass sie beim Zusammenstoß mit Eijis Schädel auf jeden Fall gebrochen ist. Mit einem Seufzer will er gerade seine heißgeliebte Gitarre, die er von seinem Vater bekommen hat, aufheben, da wird er und Eiji von einem Lehrer unterbrochen.
„Hey, ihr da." Wendet sich der Lehrer an die beiden, der wohl gerade zufällig in der Nähe gewesen ist, da er vollbepackt mit Sportgeräten auf sie zukommt und sie streng, aber fragend anschaut. „Was macht ihr da? Hattet ihr Streit?"
„Alles okay." Versucht Benji mit einem verlegenen Lächeln die Situation zu verharmlosen, während Eiji sich immer noch auf dem Boden den Schädel reibt. „Wir kommen zurecht."
„Das glaube ich eher weniger." Schaut sie der Lehrer skeptisch an. „Das sieht mehr aus, als hättet ihr euch geprügelt."
„Wir sind noch nicht fertig." Grummelt Eiji der sich mittlerweile wieder aufgerappelt hat und sich zwar immer noch den Kopf festhält, aber am liebsten das beenden würde, was gerade mit Benji machen wollte. Worauf Benji nur die Augen verdreht, da Eiji nicht kapiert hat, dass er, Benji versucht sie beide vor Ärger mit der Schule zu bewahren.
„Ihr beide seid doch in Kawashima-Senseis Klasse?" Stellt der Lehrer, beide mit skeptischen Blick musternd fest. „Soll er sich das ganze Mal anhören. Ab mit euch zum Lehrerzimmer."
Etwas missbilligend, aber dennoch reumütig kommen die beiden mit und werden von ihrem Überführer zum Lehrerzimmer eskortiert. Dort ist Kawashima-Sensei zwar erst überrascht, die beiden zusammen zu sehen, schaut sie aber dann sehr besorgt an. Sie werden aufgefordert sich auf zwei Klappstühlen neben Kawashima-Senseis Schreibtisch zu setzen, während er sich bei seinem Kollegen, der die beiden hergebracht hat und wohl Saruto-Sensei heißt, bedankt und für die Umstände entschuldigt, die die beiden Saruto-Sensei gemacht haben.
„Danke Saruto-San, sie können die beiden jetzt mir überlassen." Versucht Kawashima-Sensei seinen Kollegen auf höfliche Art und Weise loszuwerden.
„Ich möchte erst wissen, was da los war." Bleibt Saruto-San stur und lehnt sich mit verschränkten Armen vor der Brust gegen ein Regal neben Kawashima-Senseis Schreibtisch. „Das ist nicht das erste Mal, dass Kuno-Kun in eine Prügelei verwickelt ist. Es wird Zeit, dass es Konsequenzen gibt."
Kawashima-Sensei schaut seinen Kollegen etwas besorgt an und wechselt dann seinen Blick auf Eiji, der reumütig zu Boden starrt, während Benji Eiji mitleidig auf Eiji schielt. Dies ist also der Sagen umwogende Kuno aus seiner Klasse, stellt Benji fest.
„Nun gut." Beginnt Kawashima-Sensei sich voll und ganz den beiden Jungs zu widmen. „Wer will mir erzählen was vorgefallen ist."
„Es war ein Unfall." Beginnt Benji, worauf ihn beide Lehrer verwundert anstarren.
„Unfall?" Hakt Saruto-Sensei ungläubig nach, worauf ihn Kawashima-Sensei etwas scharf anschaut. Saruto versteht den Hinweis sofort, und gibt Kawashima mit einem Grummeln zu verstehen, dass er sich zurückhält.
„Fahr fort." Richtet sich Kawashima-Sensei wieder an Benji.
„Ja genau." Bestätigt Benji seine Aussage und versucht es den beiden Lehrer zu erklären. „Wir haben herumgealbert. Kuno-Kun wollte unbedingt mal meine Gitarre ausprobieren. Da habe ich aus Leichtsinn - und ich gebe zu es war eine blöde Idee – sie ihm zugeworfen. Aber er hatte sich beim Fangen wohl verschätzt und sie landete mit voller Wucht auf seinem Kopf. Genau so war es."
Saruto-Sensei und Kawashima-Sensei schauen Benji sehr skeptisch an, während er ihnen mit einem verlegenen Lächeln versucht zu zeigen, dass er sich für seine blöde Aktion schämt, die er angeblich gemacht hat. Obwohl Kuno immer noch zu Boden schaut, kann Benji erkennen wie auch er skeptisch zu ihm rüber schielt. Keiner scheint seine Geschichte plausibel zu finden. Saruto-Sensei will bereits loslegen und Benjis Aussage für Absurd erklären, doch Kawashima unterbricht ihn sofort mit einem Räuspern und wendet sich an Eiji.
„Stimmt das, so wie Jirow-Kun es erzählt hat?" Fragt Kawashima-Sensei den immer noch nach unten starrenden Eiji und Eiji schaut verwirrt in alle Gesichter der Anwesenden.
„J-Ja. So war es!" Stammelt er verlegen. „Wir haben echt nur herumgealbert, mehr nicht."
„Ich wage sehr zu bezweifeln, dass es so gewesen ist." Mischt sich Saruto-Sensei jetzt doch ein mit einem leicht säuerlichen Unterton. „Gerade, wenn Kuno-Kun an der Sache beteiligt ist."
Eiji senkt wieder seinen Blick Richtung Boden. Benji kann erkennen wie sehr er gerade damit kämpft sich nicht gegen die Aussage von Saruto-Sensei zu wehren. Anscheinend hat er nicht den besten Ruf bei den Lehrern, vermutet Benji. Irgendwie tut ihm Eiji schon fast leid.
„Hören sie!" Versucht Benji das Wort zu ergreifen. „Diese Gitarre hier ist ein Erinnerungsstück an meinen verstorbenen Vater. Glauben sie wirklich ich würde sie absichtlich zerstören. Egal was passiert ist, ich hege keinen Groll gegen Kuno-Kun. Vielleicht ist er etwas unhöflich, aber er kann auch ziemlich cool sein. Ich verzichte auch darauf, dass er mir den Schaden bezahlt. Wie gesagt, es war mein blöder Fehler, weil ich zu leichtsinnig war."
„Auf keinen Fall!" Richtet sich Eiji plötzlich an Benji. „Ich bezahle dir die Gitarre. Es war mein Fehler. Ich war zu blöd, sie zu fangen."
Kawashima-Sensei und Saruto-Sensei schauen sich gegenseitig kurz fragend an, nach Eiji Reaktion auf Benjis letzte Aussage. Kawashima mustert die beiden nachdenklich, während Saruto mit einem leichten Grinsen das ganze Kommentiert. „Interessant!"
„Ihr beiden seid nicht sauer auf einander?" Fragt sie Kawashima-Sensei verwundert. „Und ihr hattet weder Streit noch sonst irgendwelche Reiberein?"
Beide Jungs nicken verlegen als Bestätigung. Kawashima-Sensei schaut sie nochmal länger fragend an, sucht dann nochmal den Blickkontakt zu Saruto-Sensei, der zufrieden grinsend Kawashima-Sensei zunickt, und wendet sich dann wieder den Jungs zu mit einem leichten Seufzer.
„Gut, ich will euch eure Geschichte glauben." Beginnt Kawashima-Sensei verständnisvoll, wird aber dann doch wieder strenger. „Aber du musst mir versprechen ab sofort wieder regelmäßig in die Schule zu kommen, Eiji-Kun. Und du Jirow-Kun, solltest besser darauf achten, mit wem du dich abgibst, Eiji-Kun ist kein guter Umgang für dich, wenn du dich hier integrieren willst. Verstanden?"
Beide Jungs nicken im absoluten Einverständnis, auch wenn Eiji vorher kurz schlucken muss.
„Gut, dann sehe ich euch morgen in der Schule. Geht jetzt nach Hause. Es ist schon spät genug. Und nicht vergessen, Eiji-Kun, pünktlich zur ersten Stunde, haben wir uns da verstanden?"
Benji und Eiji stehen auf, verbeugen sich noch einmal und bedanken sich. Benji entschuldigt sich für die Umstände, die sie bereitet haben und nachdem er Eiji einen leichten Ellenbogencheck gegeben hat, entschuldigt sich dieser ebenfalls. Daraufhin verlassen beide das Lehrerzimmer. Kawashima-Sensei atmet erleichtert auf, während Saruto-Sensei den beiden nachdenklich hinterherschaut.
„Sie wissen schon, dass die beiden gelogen haben, Kawashima-San." Fragt ihn Saruto-Sensei den beiden immer noch hinterher schauend, obwohl sie schon längst den Raum verlassen haben.
„Mag sein, aber vielleicht war an der ganzen Sache mehr Wahrheit dran, als wir vermuten." Gibt Kawashima-Sensei etwas kryptisch zu.
„Aber sie glauben, das Ganze könnte sich zu seinem Vorteil entwickeln?" Spekuliert Saruto-Sensei mit einem Lächeln.
„Ja, das hoffe ich!" Bestätigt Kawashima-Sensei die Mutmaßung seines Kollegen.
„Da, bin ich voll und ganz ihrer Meinung." Bestätigt ihn Saruto-Sensei. „Wirklich interessant."
Währenddessen entfernen sich Benji und Eiji gemeinsam vom Lehrerzimmer. Erst herrscht frostiges Schweigen zwischen den beiden, während sie Richtung Ausgang gehen, doch dann bricht Eiji als erster das Eis, als er abrupt stehen bleibt.
„Kawasaki?" Fragt er Benji, und versucht dabei nochmal zu prüfen, ob dies wirklich sein Name ist. „Du bist wirklich der Bruder von Haru?"
„Ihr Stiefbruder, um genau zu sein." Erklärt ihm Benji vergnügt, der nun auch stehen geblieben ist und ihn fragend anschaut. „Ihr beide kennt auch also?"
„Sie hat dir nichts von mir gesagt?" Stellt Eiji mehr für sich fest, als dass er Benji eine Frage stellt. „Was wirst du ihr, wegen heute erzählen?"
„Nichts." Antwortet Benji leicht scheinheilig. „Ich soll mich raushalten, wurde mir gesagt. Ich bin heute schon viel zu weit gegangen. Daher werde ich nichts weiter tun."
„Verstehe." Schaut Eiji nachdenklich zu Boden. „Du kannst echt gut Lügen ohne rot zu werden, oder?"
„Hat uns gerade den Hintern gerettet, oder nicht?" Verteidigt sich Benji mit einem verschmitzten Grinsen.